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BAG, Ur­teil vom 22.04.2009, 4 AZR 111/08

   
Schlagworte: Koalitionsfreiheit, OT-Mitgliedschaft
   
Gericht: Bundesarbeitsgericht
Aktenzeichen: 4 AZR 111/08
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 22.04.2009
   
Leitsätze: In einem Arbeitgeberverband, dessen Satzung den unmittelbaren Einfluss von Mitgliedern ohne Tarifbindung (OT-Mitgliedern) auf Entscheidungen über die Verwendung eines Arbeitskampffonds vorsieht und dadurch den notwendigen Gleichlauf von Verantwortlichkeit und Betroffenheit in Bezug auf Tarifnormen nicht mehr gewährleistet, kann ein bisher tarifgebundenes Mitgliedsunternehmen nicht tarifrechtlich wirksam in den OT-Status überwechseln.
Vorinstanzen: Landesarbeitsgericht Düsseldorf, Urteil vom 26.11.2007, 17 Sa 1298/07
Arbeitsgericht Wuppertal, Urteil vom 27.06.2007, 6 Ca 329/07
   

BUN­DES­AR­BEITS­GERICHT

4 AZR 111/08

17 Sa 1298/07

Lan­des­ar­beits­ge­richt Düssel­dorf

Im Na­men des Vol­kes!

Verkündet am 22. April 2009

UR­TEIL

Frei­tag, Ur­kunds­be­am­tin der Geschäfts­stel­le

In Sa­chen

Kläger, Be­ru­fungs­be­klag­ter und Re­vi­si­onskläger,

pp.

Be­klag­te, Be­ru­fungskläge­rin und Re­vi­si­ons­be­klag­te,

hat der Vier­te Se­nat des Bun­des­ar­beits­ge­richts auf­grund der münd­li­chen Ver­hand­lung vom 22. April 2009 durch den Vor­sit­zen­den Rich­ter am Bun­des­ar­beits­ge­richt Be­p­ler, die Rich­ter am Bun­des­ar­beits­ge­richt Creutz­feldt und


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Dr. Tre­ber so­wie den eh­ren­amt­li­chen Rich­ter von Das­sel und die eh­ren­amt­li­che Rich­te­rin Re­de­ker für Recht er­kannt:

Auf die Re­vi­si­on des Klägers wird das Ur­teil des Lan­des­ar­beits­ge­richts Düssel­dorf vom 26. No­vem­ber 2007 - 17 Sa 1298/07 - in­so­weit auf­ge­ho­ben, als es auf die Be­ru­fung der Be­klag­ten das erst­in­stanz­li­che Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Wup­per­tal vom 27. Ju­ni 2007 - 6 Ca 329/07 - hin­sicht­lich ei­nes Be­tra­ges von ins­ge­samt 1.808,58 Eu­ro nebst Zin­sen ab­geändert und die Kla­ge ab­ge­wie­sen hat.

Zur Klar­stel­lung wird das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts ins­ge­samt wie folgt neu ge­fasst:

Un­ter Ab­wei­sung der Kla­ge im Übri­gen wird die Be­klag­te ver­ur­teilt, an den Kläger 1.808,58 Eu­ro nebst Zin­sen in Höhe von fünf Pro­zent­punk­ten über dem je­wei­li­gen Ba­sis­zins­satz aus 981,40 Eu­ro seit dem 9. März 2007 und aus 827,18 Eu­ro seit dem 10. Mai 2007 zu zah­len.

Im Übri­gen wird die Re­vi­si­on zurück­ge­wie­sen.

Von den Kos­ten des Rechts­streits ha­ben die Be­klag­te 87 Pro­zent und der Kläger 13 Pro­zent zu tra­gen.

Von Rechts we­gen!

Tat­be­stand

Die Par­tei­en strei­ten über die für das zwi­schen ih­nen be­ste­hen­de

Ar­beits­verhält­nis maßge­ben­de Wo­chen­ar­beits­zeit und dar­aus re­sul­tie­ren­de Ansprüche des Klägers auf ei­ne ta­rif­li­che Mehr­ar­beits­vergütung.

Der Kläger ist seit 1991 bei der Be­klag­ten ge­gen ein mo­nat­li­ches

Brut­to­ent­gelt von zu­letzt 2.250,00 Eu­ro als Pließter an­ge­stellt und seit dem 1. Ok­to­ber 2006 Mit­glied der IG Me­tall. In dem letz­ten Ar­beits­ver­trag vom 12. März 1997 hat­ten die Par­tei­en all­ge­mein die Ta­rif­verträge für die Me­tall­in­dus­trie Nord­rhein-West­fa­lens in Be­zug ge­nom­men. Die Ar­beits­zeit soll­te sich


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„nach den für den Be­trieb gel­ten­den ta­rif­li­chen und be­trieb­li­chen Re­ge­lun­gen“ rich­ten.

Die Be­klag­te ist ein Ma­schi­nen­bau­un­ter­neh­men und seit vie­len Jah­ren

Mit­glied des re­gio­na­len „Ar­beit­ge­ber-Ver­ban­des von Rem­scheid und Um­ge­bung e.V.“ (nach­fol­gend: AGV Rem­scheid). Die­ser war bis 1999 ein ta­rif­sch­ließen­der Ar­beit­ge­ber­ver­band. Dann schuf er die Möglich­keit zu ei­ner Mit­glied­schaft oh­ne Ta­rif­bin­dung (OT-Mit­glied­schaft) nach ei­nem „Fach­grup­pen­mo­dell“. In ei­ner neu­en Sat­zung wur­de die sog. Ta­rifträger­schaft neu zu bil­den­den „Fach­grup­pen“ über­tra­gen. Sat­zungs­gemäß ist de­ren Zweck „ins­be­son­de­re“, die Ar­beits­be­din­gun­gen in den an­ge­schlos­se­nen Be­trie­ben durch den Ab­schluss von Ta­rif­verträgen zu re­geln. Für die Fach­grup­pen sind ei­ge­ne or­ga­ni­sa­to­ri­sche Re­ge­lun­gen ge­trof­fen wor­den. Zum glei­chen Zeit­punkt wur­de ei­ne „Fach­grup­pe Me­tall“ ein­ge­rich­tet, in der nach der Sat­zung „au­to­ma­tisch“ al­le bis da­hin dem Ver­band an­gehöri­gen or­dent­li­chen Mit­glie­der ein­ge­glie­dert wur­den. Auch die Be­klag­te war ursprüng­lich Mit­glied der „Fach­grup­pe Me­tall“, die nach den Fest­stel­lun­gen des Lan­des­ar­beits­ge­richts ih­rer­seits Mit­glied des Ver­ban­des der Me­tall- und Elek­tro­in­dus­trie Nord­rhein-West­fa­len e.V. (nach­fol­gend: VMI) ist. Fer­ner ist in der Sat­zung des AGV Rem­scheid die Ein­rich­tung ei­nes Un­terstützungs­fonds ge­re­gelt. Nach den Fest­stel­lun­gen des Lan­des­ar­beits­ge­richts ist „die Verfügungs­ge­walt über den vom Ver­band in vermögens­recht­li­cher Hin­sicht ver­wal­te­ten Streik­fonds“ auf den VMI über­tra­gen wor­den.

Der VMI und die IG Me­tall ver­ein­bar­ten am 24. Au­gust/11. Sep­tem­ber

2001 ei­nen un­be­fris­te­ten und bis­her un­gekündig­ten „Man­tel­ta­rif­ver­trag für die Ar­bei­ter, An­ge­stell­ten und Aus­zu­bil­den­den der Me­tall- und Elek­tro­in­dus­trie Nord­rhein-West­fa­lens“ (nach­fol­gend: MTV). Dort fin­det sich aus­zugs­wei­se fol­gen­de Re­ge­lung zur Ar­beits­zeit:

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Dau­er der re­gelmäßigen Ar­beits­zeit / Aus­bil­dungs­zeit

1. Die ta­rif­li­che re­gelmäßige wöchent­li­che Ar­beits­zeit

oh­ne Pau­sen beträgt 35 St­un­den.

...


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3. Soll für ein­zel­ne Beschäftig­te die in­di­vi­du­el­le re­gel-

mäßige wöchent­li­che Ar­beits­zeit auf bis zu 40 St­un­den verlängert wer­den, be­darf dies der Zu­stim­mung des / der Beschäftig­ten. ...

Bei der Ver­ein­ba­rung ei­ner sol­chen Ar­beits­zeit bis zu

40 St­un­den hat der Beschäftig­te An­spruch auf ei­ne die­ser Ar­beits­zeit ent­spre­chen­de Be­zah­lung.

...

§ 4

Ver­tei­lung der re­gelmäßigen Ar­beits­zeit / Aus­bil­dungs­zeit

1. Die in­di­vi­du­el­le re­gelmäßige wöchent­li­che Ar­beits­zeit

so­wie die re­gelmäßige wöchent­li­che Aus­bil­dungs­zeit können gleichmäßig oder un­gleichmäßig grundsätz­lich auf fünf Werk­ta­ge von Mon­tag bis Frei­tag ver­teilt wer­den.

...

Die in­di­vi­du­el­le re­gelmäßige wöchent­li­che Ar­beits­zeit kann auch un­gleichmäßig auf meh­re­re Wo­chen ver­teilt wer­den. Sie muss je­doch im Durch­schnitt von längs­tens sechs Mo­na­ten er­reicht wer­den.

...

§ 5

Mehr-, Spät-, Nacht-, Sonn­tags- und Fei­er­tags-ar­beit/Rei­se­zeit

I. Mehr-, Spät-, Nacht-, Sonn­tags- und Fei­er­tags­ar­beit

1. Mehr­ar­beit sind die über die nach den §§ 3 und 4

fest­ge­leg­te in­di­vi­du­el­le re­gelmäßige tägli­che Ar­beits­zeit hin­aus ge­leis­te­ten Ar­beits­stun­den; ...“

Be­reits seit 1994 schlos­sen der VMI und die IG Me­tall jähr­lich ei­nen

Ta­rif­ver­trag zur Beschäfti­gungs­si­che­rung in der Me­tall- und Elek­tro­in­dus­trie Nord­rhein-West­fa­lens“ (nach­fol­gend: TV Besch), der un­ter Aus­schluss der Nach­wir­kung je­weils auf ein Jahr be­fris­tet wur­de. Dar­in wur­de „bei vorüber­ge­hen­den Beschäfti­gungs­pro­ble­men“ den Un­ter­neh­men im Gel­tungs­be­reich des MTV die Möglich­keit eröff­net, zur Ver­mei­dung von be­triebs­be­ding­ten Kündi­gun­gen mit dem je­wei­li­gen Be­triebs­rat Be­triebs­ver­ein­ba­run­gen ab­zu­sch­ließen, durch die die in­di­vi­du­el­le re­gelmäßige wöchent­li­che Ar­beits­zeit von


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35 St­un­den auf bis zu 30 St­un­den bei ei­ner verhält­nismäßigen Vergütungs­re­du­zie­rung ab­ge­senkt wird. Der in § 4 Nr. 1 MTV vor­ge­se­he­ne Aus­gleichs­zeit­raum bei un­gleichmäßiger Ver­tei­lung der Ar­beits­zeit wur­de von sechs auf zwölf Mo­na­te verlängert. Wei­ter­hin war in § 6 ge­re­gelt, dass sich die Ta­rif­ver­trags­par­tei­en in be­son­ders gra­vie­ren­den Fällen, zB zur Ab­wen­dung ei­ner In­sol­venz, „wie bis­her“ dar­um bemühen würden, für ein­zel­ne Un­ter­neh­men Son­der­re­ge­lun­gen zu fin­den, um da­mit ei­nen Bei­trag zum Er­halt der Un­ter­neh­men und der Ar­beitsplätze zu leis­ten.

Der für das Jahr 2004 gel­ten­de TV Besch 2004 wur­de am 6. No­vem­ber

2003, der TV Besch 2005 am 15. Ok­to­ber 2004 und der TV Besch 2006 am 30. Sep­tem­ber 2005 ver­ein­bart. Der letz­te die­ser Ta­rif­verträge weicht in­so­fern von sei­nen Vorläufern ab, als er un­be­fris­tet, aber mit ei­ner Frist von sechs Mo­na­ten zum Jah­res­en­de, erst­mals zum 31. De­zem­ber 2007, künd­bar war und - so­weit hier von Be­deu­tung - kei­ne Nach­wir­kung ent­fal­ten soll­te.

Am 3. No­vem­ber 2004 wur­den in ei­nem un­ter­neh­mens­be­zo­ge­nen Ver-

bands­ta­rif­ver­trag der „Ta­rif­ver­trag zwi­schen dem Ver­band der Me­tall- und Elek­tro­in­dus­trie NRW e.V., vertr. d. d. Ar­beit­ge­ber-Ver­band von Rem­scheid und Um­ge­bung e.V. ... und der In­dus­trie­ge­werk­schaft Me­tall, Be­zirks­lei­tung Nord­rhein-West­fa­len ... gemäß § 6 des Ta­rif­ver­tra­ges zur Beschäfti­gungs­si­che­rung 2004“ (im Fol­gen­den: SanTV) für die dem persönli­chen Gel­tungs­be­reich des MTV un­ter­lie­gen­den Ar­beit­neh­mer der Be­klag­ten ein­zel­ne ta­rif­li­che Ent­gelt-erhöhun­gen „außer Kraft ge­setzt“ so­wie un­ter Ver­ein­ba­rung ei­nes dif­fe­ren­zier­ten Schut­zes vor be­triebs­be­ding­ten Kündi­gun­gen Son­der­zah­lun­gen ab­ge­senkt. Gleich­zei­tig wur­de die wöchent­li­che Ar­beits­zeit für fünf­zehn Mo­na­te oh­ne Lohn­aus­gleich von 35,0 auf 37,5 St­un­den her­auf­ge­setzt. Ab dem 1. Ja­nu­ar 2006 soll­te dann wie­der die ta­rif­li­che Re­ge­lung nach dem dann ak­tu­el­len MTV gel­ten.

Be­reits am 12. Ok­to­ber 2004 hat­te die Be­klag­te mit dem bei ihr be-

ste­hen­den Be­triebs­rat ei­ne Be­triebs­ver­ein­ba­rung über ei­ne Neu­re­ge­lung der Ar­beits­zeit ge­schlos­sen, die de­tail­lier­te Ver­ein­ba­run­gen ins­be­son­de­re über die Ein­rich­tung von Ar­beits­zeit­kon­ten und de­ren Führung ent­hielt.


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Im Vor­griff auf den SanTV hat­ten die Par­tei­en fer­ner ei­ne auf den

16. Sep­tem­ber 2004 da­tier­te „An­la­ge zum Ar­beits­ver­trag ... vom 12. März 1997 nebst Zu­satz­ver­ein­ba­run­gen“ un­ter­zeich­net, die aus­zugs­wei­se fol­gen­den Wort­laut hat­te:

„Im Hin­blick auf den ab­zu­sch­ließen­den Sa­nie­rungs­ta­rif­ver­trag wird der o. g. Ar­beits­ver­trag wie folgt geändert:

Die Ta­rif­verträge der Me­tall- und Elek­tro­in­dus­trie NRW fin­den auf das o. g. Ar­beits­verhält­nis nur un­ter fol­gen­den Maßga­ben An­wen­dung:

...

4. Die ta­rif­ver­trag­li­chen Ar­beits­zeit­re­ge­lun­gen fin­den

kei­ne An­wen­dung.

In der Zeit vom 01. Sep­tem­ber 2004 bis 31. De­zem­ber 2005 wird die in­di­vi­du­el­le, re­gelmäßige, wöchent­li­che Ar­beits­zeit für Herrn N T um drei St­un­den, in der Re­gel so­mit auf 38 St­un­den in der Wo­che, erhöht. ...

Für die bis zu drei zusätz­li­chen Wo­chen­stun­den ent­steht kein An­spruch auf Vergütung.

...

6. Im übri­gen ver­bleibt es bei dem Ar­beits­ver­trag vom

12. März 1997 nebst Zu­satz­ver­ein­ba­run­gen.“

Wei­ter­hin war die Un­an­wend­bar­keit der Ta­rif­re­ge­lun­gen über ei­ne

Son­der­zah­lung, über das Ur­laubs­geld und über die ta­rif­li­che Ent­gel­terhöhung so­wie über ei­ne vom Be­triebs­er­geb­nis abhängi­gen Son­der­zah­lung ver­ein­bart wor­den. Nach die­sen Re­ge­lun­gen wur­de das Ar­beits­verhält­nis an­sch­ließend durch­geführt.

Am 22. April 2005 erklärte die Be­klag­te ge­genüber dem AGV

Rem­scheid die Kündi­gung der Mit­glied­schaft in der Fach­grup­pe Me­tall zum 30. Ju­ni 2005, was die­ser mit Schrei­ben vom 28. April 2005 bestätig­te. Zu­gleich wies der AGV Rem­scheid dar­auf hin, dass die „Mit­glied­schaft im Ver­band als sol­ches“ durch die­sen Vor­gang nicht berührt wer­de. In ei­nem Rund­schrei­ben vom 13. De­zem­ber 2005 wand­te sich die Be­klag­te an die bei ihr Beschäftig­ten. Dar­in heißt es ua.:

„wie Sie wis­sen, ist die A AG mit Wir­kung zum 30.06.2005


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aus dem Ar­beit­ge­ber­ver­band aus­ge­tre­ten.

Dies hat zur Fol­ge, dass die ta­rif­li­che Si­tua­ti­on (und zwar be­zo­gen im Hin­blick auf al­le ta­rif­li­chen Re­ge­lun­gen, die das Ent­gelt und den Man­tel­ta­rif­ver­trag so­wie die wei­te­ren Ta­rif­verträge be­tref­fen) auf den Stand 30.06.2005 ein­ge­fro­ren ist. Für das Jahr 2006 un­ter­brei­ten wir Ih­nen fol­gen­den Vor­schlag:

- Ab dem 01.01.2006 beträgt die in­di­vi­du­el­le, re­gel-

mäßige wöchent­li­che Ar­beits­zeit 40,0 St­un­den in der Wo­che oh­ne Lohn­aus­gleich.

...“

Fer­ner wur­de vor­ge­schla­gen, die Re­ge­lun­gen des SanTV zum

Ur­laubs­geld und zum Teil ei­nes 13. Mo­nats­ein­kom­mens mit Stand vom 30. Ju­ni 2005 ein­zel­ver­trag­lich zu ver­ein­ba­ren. Für den Fall ei­nes be­stimm­ten Be­triebs­er­geb­nis­ses wur­de die Aus­zah­lung ei­ner Er­folgs­prämie in Aus­sicht ge­stellt. Am 16. Ja­nu­ar 2006 un­ter­zeich­ne­te der Kläger ei­ne die­sem Vor­schlag ent­spre­chen­de „Zu­satz­ver­ein­ba­rung zum Ar­beits­ver­trag“.

Am 31. Mai 2006 schloss die Be­klag­te mit dem bei ihr be­ste­hen­den Be-

triebs­rat er­neut ei­ne Be­triebs­ver­ein­ba­rung über die Ar­beits­zeit und de­ren Ver­tei­lung. Aus­ge­hend von drei ver­schie­de­nen, im Be­trieb prak­ti­zier­ten in­di­vi­du­el­len Ar­beits­zeit­ver­ein­ba­run­gen wur­den ua. die Führung von Ar­beits­zeit­kon­ten, die Fest­le­gung der Aus­gleichs­zeiträume fest­ge­legt. Außer­dem wur­de ge­re­gelt, dass an­ge­ord­ne­te Mehr­ar­beit erst dann mit den ta­rif­li­chen Zu­schlägen vergütet wer­de, wenn sie mehr als 5 St­un­den in der Wo­che be­tra­ge.

Nach dem Ein­tritt des Klägers in die IG Me­tall am 1. Ok­to­ber 2006

wand­te sich die Ge­werk­schaft für die­sen mit Schrei­ben vom 31. Ok­to­ber 2006 an die Be­klag­te und for­der­te sie auf, ihr ge­genüber zu erklären, dass die am 16. Ja­nu­ar 2006 zu­stan­de ge­kom­me­ne Zu­satz­ver­ein­ba­rung zum Ar­beits­ver­trag „ge­gen­stands­los“ sei, so­wie da­zu, das Ar­beits­verhält­nis ab dem 1. No­vem­ber 2006 nach Maßga­be der „gülti­gen Ta­rif­verträge“, nach An­sicht der IG Me­tall der­je­ni­gen der Me­tall- und Elek­tro­in­dus­trie Nord­rhein-West­fa­len, ab­zu­rech­nen.


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Die Be­klag­te wies die­ses An­sin­nen mit Schrei­ben vom 10. No­vem­ber 2006 zurück.

Mit der am 1. Fe­bru­ar 2007 beim Ar­beits­ge­richt ein­ge­gan­ge­nen Kla­ge

hat der Kläger - so­weit für die Re­vi­si­on von In­ter­es­se - für den Zeit­raum vom 1. No­vem­ber 2006 bis zum 6. Fe­bru­ar 2007 die Vergütung von je­weils wöchent­lich fünf St­un­den ge­leis­te­ter Ar­beit in rech­ne­risch un­strei­ti­ger Höhe gel­tend ge­macht. Mit Kla­ge­er­wei­te­rung vom 13. Mai 2007 hat der Kläger ei­ne wei­te­re, rech­ne­risch gleich­falls un­strei­ti­ge Mehr­ar­beits­vergütung für die Zeit vom 7. Fe­bru­ar 2007 bis zum 30. April 2007 zuzüglich ei­nes ta­rif­li­chen Mehr­ar­beits-zu­schlags ver­langt. Hilfs­wei­se hat er die Gut­schrift der ent­spre­chen­den St­un­den auf dem Ar­beits­zeit­kon­to be­gehrt, das die Be­klag­te nach Maßga­be der Be­triebs­ver­ein­ba­rung vom 31. Mai 2006 für ih­re Ar­beit­neh­mer führt. Er hat da­zu die Auf­fas­sung ver­tre­ten, dass der von den Par­tei­en so be­zeich­ne­te Über­tritt in den OT-Sta­tus un­wirk­sam sei, weil die Sat­zung des AGV Rem­scheid die not­wen­di­ge Tren­nung der Be­rei­che der Mit­glie­der mit und oh­ne Ta­rif­bin­dung nicht hin­rei­chend durchführe. Im Übri­gen sei die Be­klag­te im frag­li­chen Zeit­raum schon des­halb nach § 3 Abs. 3 TVG an den MTV ge­bun­den, weil die­ser noch nicht be­en­det sei.

Der Kläger hat be­an­tragt,

1.a) die Be­klag­te zu ver­ur­tei­len, an den Kläger Mehr-ar­beits­vergütung für die Zeit vom 1. No­vem­ber 2006 bis zum 6. Fe­bru­ar 2007 in Höhe von 981,40 Eu­ro brut­to nebst Zin­sen in Höhe von fünf Pro­zent­punk­ten über dem je­wei­li­gen Ba­sis­zins­satz der EZB seit dem

9. März 2007 zu zah­len;

1.b) hilfs­wei­se zu An­trag 1.a): die Be­klag­te zu ver­ur­tei­len, dem Ar­beits­zeit­kon­to des Klägers für die Zeit vom 1. No­vem­ber 2006 bis zum 6. Fe­bru­ar 2007 sieb­zig Plus­stun­den gut­zu­schrei­ben;

2.a) die Be­klag­te zu ver­ur­tei­len, an den Kläger Mehr-ar­beits­vergütung für die Zeit vom 7. Fe­bru­ar 2007 bis zum 30. April 2007 in Höhe von 1.090,32 Eu­ro brut­to nebst Zin­sen in Höhe von fünf Pro­zent­punk­ten über dem je­wei­li­gen Ba­sis­zins­satz der EZB seit dem

10. Mai 2007 zu zah­len;


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2.b) hilfs­wei­se zu An­trag 2.a): die Be­klag­te zu ver­ur­tei­len, dem Ar­beits­zeit­kon­to des Klägers für die Zeit vom 7. Fe­bru­ar 2007 bis zum 30. April 2007 neun­undfünf­zig Plus­stun­den gut­zu­schrei­ben.

Die Be­klag­te hat ih­ren Kla­ge­ab­wei­sungs­an­trag da­mit be­gründet, dass

sie nicht mehr an den MTV ge­bun­den sei. Der Über­tritt in die OT-Mit­glied­schaft sei wirk­sam; die Sat­zung se­he ei­ne Tren­nung der bei­den Be­rei­che in aus­rei­chen­der Form vor. Ei­ne Nach­bin­dung nach § 3 Abs. 3 TVG be­ste­he nicht mehr, weil der MTV durch den TV Besch 2006 in­halt­lich geändert wor­den sei. Der Zu­satz­ver­ein­ba­rung zum Ar­beits­ver­trag ste­he da­her kei­ne zwin­gen­de Ta­rif­norm ent­ge­gen. Es han­de­le sich um ei­ne an­de­re Ab­ma­chung iSv. § 4 Abs. 5 TVG, mit der die an­sons­ten nach­wir­ken­den Nor­men des MTV ab­gelöst wor­den sei­en. Zu­dem könne der Kläger al­len­falls ei­nen An­spruch auf Zeit­gut­schrift gel­tend ma­chen. Ansprüche auf Mehr­ar­beits­zu­schläge sei­en be­reits ta­rif­lich nicht ge­ge­ben.

Das Ar­beits­ge­richt hat der Kla­ge statt­ge­ge­ben. Das Lan­des­ar­beits-

ge­richt hat auf die Be­ru­fung der Be­klag­ten das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts ab­geändert und die Kla­ge ab­ge­wie­sen. Mit der vom Lan­des­ar­beits­ge­richt zu­ge­las­se­nen Re­vi­si­on be­gehrt der Kläger die Wie­der­her­stel­lung des ar­beits­ge­richt­li­chen Ur­teils. Die Be­klag­te be­an­tragt die Zurück­wei­sung der Re­vi­si­on.

Ent­schei­dungs­gründe

Die Re­vi­si­on des Klägers ist weit­ge­hend be­gründet. Das Ar­beits­ge­richt

hat der Zah­lungs­kla­ge des Klägers mit Aus­nah­me der ta­rif­li­chen Mehr­ar­beits-zu­schläge zu Recht statt­ge­ge­ben. Die hier­ge­gen ge­rich­te­te Be­ru­fung der Be­klag­ten war ent­ge­gen der Auf­fas­sung des Lan­des­ar­beits­ge­rich­tes in­so­weit un­be­gründet.

A. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat die Kla­ge ab­ge­wie­sen. Die Be­klag­te sei

im Streit­zeit­raum nicht an den MTV ge­bun­den ge­we­sen, der al­lein als An­spruchs­grund­la­ge in Be­tracht kom­me. Durch die Kündi­gung ih­rer Mit­glied­schaft


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in der Fach­grup­pe Me­tall des AGV Rem­scheid sei sie seit dem 1. Ju­li 2005 nicht mehr Mit­glied in der al­lein die Ta­rif­bin­dung ver­mit­teln­den Fach­grup­pe, son­dern le­dig­lich OT-Mit­glied. Die Sat­zung des AGV Rem­scheid genüge in­so­weit den Ansprüchen, die ins­be­son­de­re an die Tren­nung der Mit­glie­der­be­rei­che mit und oh­ne Ta­rif­bin­dung zu stel­len sei­en. Die durch den Aus­tritt aus der Fach­grup­pe Me­tall ein­ge­tre­te­ne Nach­bin­dung gem. § 3 Abs. 3 TVG an den MTV sei durch des­sen Ände­rung im Rah­men des TV Besch 2006 vom 30. Sep­tem­ber 2005 be­en­det wor­den. Zwar sei nicht der MTV selbst geändert wor­den; die ma­te­ri­el­le Ta­ri­fla­ge ha­be sich aber durch den Ab­schluss des TV Besch 2006 geändert.

B. Die hier­ge­gen ge­rich­te­te Re­vi­si­on ist weit­ge­hend be­gründet. Die Ent-

schei­dung des Lan­des­ar­beits­ge­richts ist rechts­feh­ler­haft. An­spruchs­grund­la­ge für den Kläger ist der Ar­beits­ver­trag der Par­tei­en in Ver­bin­dung mit § 3 Nr. 1 MTV. Da­nach ent­sprach die dem Kläger ge­zahl­te Vergütung le­dig­lich ei­ner re­gelmäßigen wöchent­li­chen Ar­beits­zeit von 35 St­un­den. Die in der am 16. Ja­nu­ar 2006 zu­stan­de ge­kom­me­nen Zu­satz­ver­ein­ba­rung der Par­tei­en ge­re­gel­te 40-St­un­den-Wo­che oh­ne Lohn­aus­gleich ist nach § 4 Abs. 3 TVG je­den­falls für den hier strei­ti­gen Zeit­raum hin­sicht­lich ih­rer Vergütungs­re­ge­lung ver­drängt, weil die gel­ten­de ta­rif­li­che Re­ge­lung für den Kläger güns­ti­ger ist. Die Ta­rif­ge­bun­den­heit der Be­klag­ten ist durch ih­re Kündi­gung der Mit­glied­schaft in der Fach­grup­pe Me­tall des AGV Rem­scheid nicht be­trof­fen. Die Sat­zung des AGV Rem­scheid weist nicht die ko­ali­ti­ons­recht­lich ge­bo­te­ne ein­deu­ti­ge Tren­nung zwi­schen Mit­glie­dern oh­ne und sol­chen mit Ta­rif­bin­dung aus. Da­her blieb die Ta­rif­ge­bun­den­heit der Be­klag­ten wei­ter be­ste­hen. Die Kla­ge ist al­ler­dings hin­sicht­lich des vom Kläger für ei­nen Teil des Streit­zeit­raums gel­tend ge­mach­ten ta­rif­li­chen Mehr­ar­beits­zu­schlag un­be­gründet.

I. Für den von den Zah­lungs­anträgen er­fass­ten Zeit­raum von No­vem­ber

2006 bis ein­sch­ließlich April 2007 gal­ten im Ar­beits­verhält­nis der Par­tei­en die Nor­men des ein­schlägi­gen MTV, weil bei­de Par­tei­en an die­sen Ta­rif­ver­trag ge­bun­den wa­ren, § 4 Abs. 1, § 3 Abs. 1 TVG.


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1. Der Kläger war als Mit­glied der ta­rif­ver­trags­sch­ließen­den IG Me­tall seit
dem 1. Ok­to­ber 2006 an den MTV ge­bun­den. Sein Ar­beits­verhält­nis un­terfällt auch dem persönli­chen, räum­li­chen und be­trieb­lich/fach­li­chen Gel­tungs­be­reich des MTV.

2. Auch die Be­klag­te war an den MTV ge­bun­den.

a) Je­den­falls bis zum 30. Ju­ni 2005 war die Be­klag­te Mit­glied in der
Fach­grup­pe Me­tall im AGV Rem­scheid und über de­ren Mit­glied­schaft im VMI gemäß § 3 Abs. 1 TVG an die vom VMI ab­ge­schlos­se­nen Ta­rif­verträge ge­bun­den. Hier­von geht auch die Be­klag­te aus.

b) Dar­an hat sich ent­ge­gen der Auf­fas­sung des Lan­des­ar­beits­ge­richts
durch den Aus­tritt der Be­klag­ten aus der Fach­grup­pe Me­tall bei gleich­zei­tig wei­ter­be­ste­hen­der Mit­glied­schaft im AGV Rem­scheid nichts geändert. Der von der Be­klag­ten erklärte Über­tritt in den al­lei­ni­gen or­dent­li­chen Mit­glie­der-Sta­tus hat nicht den Weg­fall der Ta­rif­ge­bun­den­heit nach § 3 Abs. 1 TVG her­bei­geführt. Denn die Sat­zung des AGV Rem­scheid genügt nicht den An­for­de­run­gen, die an ei­ne or­ga­ni­sa­ti­ons­recht­li­che Tren­nung zwei­er un­ter­schied­li­cher Mit­glie­der­be­rei­che mit und oh­ne Ta­rif­bin­dung in­ner­halb ei­nes Ar­beit­ge­ber­ver­ban­des zu stel­len sind.

aa) Die Be­gründung ei­nes OT-Sta­tus in­ner­halb ei­nes Ar­beit­ge­ber­ver-

ban­des ist grundsätz­lich möglich. Es gibt kei­ne prin­zi­pi­el­len Be­den­ken ge­gen die Möglich­keit, in­ner­halb ei­nes Ver­ban­des zwi­schen ei­ner Mit­glied­schaft mit Ta­rif­bin­dung und ei­ner sol­chen oh­ne Ta­rif­bin­dung wählen zu können. Die Ta­rif­ge­bun­den­heit ist auf Ar­beit­ge­ber­sei­te die Ei­gen­schaft ei­nes Un­ter­neh­mens und nicht et­wa ei­ne Fra­ge der Ta­rif­zuständig­keit des Ver­ban­des selbst. Nicht je­des ver­eins­recht­li­che Mit­glied ei­ner ta­rif­ver­trags­sch­ließen­den Ko­ali­ti­on ist not­wen­dig ta­rif­ge­bun­den iSv. § 3 Abs. 1 TVG (ausf. BAG 18. Ju­li 2006 - 1 ABR 36/05 - BA­GE 119, 103, 118 f.; eben­so Se­nat 4. Ju­ni 2008 - 4 AZR 419/07 - AP TVG § 3 Nr. 38 = EzA GG Art. 9 Nr. 95). Die Sat­zung des Ver­ban­des kann selbst de­fi­nie­ren, auf wel­che Wei­se ei­ne Mit­glied­schaft iSv. § 3 Abs. 1 TVG be­gründet und be­en­det wer­den kann.


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bb) We­gen der an die Ta­rif­ge­bun­den­heit an­knüpfen­den und ggf. weit-

rei­chen­den Rechts­wir­kun­gen auch auf Drit­te ist es je­doch er­for­der­lich, dass die Ver­bands­mit­glied­schaft mit Ta­rif­bin­dung iSv. § 3 Abs. 1 TVG von ei­ner Ver­bands­mit­glied­schaft oh­ne Ta­rif­bin­dung ein­deu­tig ab­grenz­bar ist. Die Funk­ti­onsfähig­keit der Ta­rif­au­to­no­mie er­for­dert im Hin­blick auf den Ab­schluss von Ta­rif­verträgen und de­ren nor­ma­ti­ve Wir­kung für hier­von be­trof­fe­ne Drit­te grundsätz­lich den Gleich­lauf von Ver­ant­wort­lich­keit und Be­trof­fen­heit bezüglich der ta­rif­li­chen Ver­ein­ba­run­gen. Nur so ist die Un­ter­wer­fung der Mit­glie­der der Ta­rif­ver­trags­par­tei­en un­ter die Nor­men des Ta­rif­ver­tra­ges le­gi­ti­miert, und nur so kann von der An­ge­mes­sen­heits­ver­mu­tung der in Ta­rif­verträgen aus­ge­han­del­ten und ver­ein­bar­ten (Min­dest-)Ar­beits­be­din­gun­gen aus­ge­gan­gen wer­den (Se­nat 4. Ju­ni 2008 - 4 AZR 419/07 - Rn. 65, AP TVG § 3 Nr. 38 = EzA GG Art. 9 Nr. 95). Die Ver­ant­wort­lich­keit für ein be­stimm­tes Ta­rif­er­geb­nis er­fasst grundsätz­lich auch die Ver­hand­lung in ih­ren ein­zel­nen Sta­di­en, vom ei­ge­nen An­ge­bot und der Re­ak­ti­on auf die For­de­rung des Ta­rif­geg­ners bis hin zu ei­nem mögli­chen Ar­beits­kampf und letzt­end­lich der Zu­stim­mung zu ei­nem Er­geb­nis. Die da­bei zu tref­fen­den Ent­schei­dun­gen können und dürfen nur von den­je­ni­gen Ver­bands­mit­glie­dern ge­trof­fen wer­den, die an den ver­han­del­ten und letzt­lich ver­ein­bar­ten Ta­rif­ver­trag auch ge­bun­den sind.

cc) Dar­aus er­ge­ben sich die An­for­de­run­gen an ei­ne Ver­bands­sat­zung, die

die Möglich­keit ei­ner Ver­bands­mit­glied­schaft oh­ne Ta­rif­bin­dung vor­sieht. Wie der Se­nat be­reits in der Ent­schei­dung vom 4. Ju­ni 2008 dar­ge­legt hat, kann die Sat­zung für OT-Mit­glie­der nicht le­dig­lich die Rechts­fol­ge des § 3 Abs. 1 TVG ab­be­din­gen. Sie muss darüber hin­aus für Ta­rif­an­ge­le­gen­hei­ten ei­ne kla­re und ein­deu­ti­ge Tren­nung der Be­fug­nis­se von Mit­glie­dern mit und oh­ne Ta­rif­bin­dung vor­se­hen. Ei­ne un­mit­tel­ba­re Ein­fluss­nah­me von OT-Mit­glie­dern auf ta­rif­po­li­ti­sche Ent­schei­dun­gen ist nicht zulässig. OT-Mit­glie­der dürfen da­her nicht in Ta­rif­kom­mis­sio­nen ent­sandt wer­den, den Ver­band im Außen­verhält­nis nicht ta­rif­po­li­tisch ver­tre­ten und nicht in Auf­sichts­or­ga­nen mit­wir­ken, die die Streik­fonds ver­wal­ten. Zu­dem sind sie von Ab­stim­mun­gen aus­zu­sch­ließen, in de­nen die ta­rif­po­li­ti­schen Zie­le fest­ge­legt oder Er­geb­nis­se von Ta­rif­ver­hand­lun­gen an­ge­nom­men wer­den. Es wird teil­wei­se darüber hin­aus auch noch ge­for­dert,


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die Ver­bands­sat­zung müsse vor­se­hen, dass ein Wech­sel in die OT-Mit­glied­schaft zum Ver­lust ent­spre­chen­der Ämter führe. Dem­ge­genüber ste­hen den OT-Mit­glie­dern die all­ge­mei­nen Mit­wir­kungs­rech­te ei­nes „gewöhn­li­chen“ Ver­eins­mit­glieds zu, die kei­nen ori­ginären Be­zug zur Ta­rif­po­li­tik des Ver­bands ha­ben. Die Be­tei­li­gung bei der Erörte­rung ta­rif­po­li­ti­scher Fra­gen mit be­ra­ten­der Stim­me ist eben­falls un­be­denk­lich. Denn dem Ver­band ist es auch nicht ver­wehrt, sich durch an die ta­rif­po­li­ti­schen Ent­schei­dun­gen nicht ge­bun­de­ne außen­ste­hen­de Drit­te be­ra­ten zu las­sen (Se­nat 4. Ju­ni 2008 - 4 AZR 419/07 - Rn. 38 f. mwN, AP TVG § 3 Nr. 38 = EzA GG Art. 9 Nr. 95).

Die­se An­for­de­run­gen sind in der not­wen­di­gen Klar­heit zu re­geln. Zu

Recht wird dar­auf hin­ge­wie­sen, dass es „drin­gend zu emp­feh­len“ ist, „ei­ne sehr dif­fe­ren­zier­te, deut­li­che Aus­ge­stal­tung der Ver­bands­sat­zung“ vor­zu­neh­men (Sch­lochau­er FS Hromad­ka S. 379, 392). Die kon­se­quen­te Ab­gren­zung der bei­den Sphären in ei­ner hin­rei­chend kla­ren Sat­zung stellt kei­ne zu ho­hen For­de­run­gen an den Ver­band (vgl. da­zu Buch­ner NZA 2006, 1377, 1382).

dd) Die­sen An­for­de­run­gen wird die Sat­zung des AGV Rem­scheid nicht

ge­recht. Sie trennt die Be­rei­che der Mit­glie­der mit un­ter­schied­li­chem Sta­tus nicht hin­rei­chend ein­deu­tig ge­nug. Sie si­chert da­mit we­der die er­for­der­li­che Un­abhängig­keit der ta­rif­sch­ließen­den Ko­ali­ti­on noch ent­spricht sie den An­for­de­run­gen an den ei­ne funk­tio­nie­ren­de Ta­rif­au­to­no­mie si­chern­den grundsätz­li­chen Gleich­lauf von Ver­ant­wort­lich­keit und Be­trof­fen­heit bezüglich ta­rif­ver­trag­li­cher Re­ge­lun­gen.

(1) Er­heb­li­chen Be­den­ken be­geg­net be­reits die Re­ge­lung der Ei­gen

ständig­keit der Fach­grup­pen und die durch die Sat­zungsände­rung von 1999 an­ge­streb­te Be­schränkung der ta­rif­po­li­ti­schen Kom­pe­tenz auf die Fach­grup­pen und die da­mit ver­bun­de­ne Auf­ga­be der Ta­rif­wil­lig­keit des Ver­ban­des als sol­chem.

(a) Das vom AGV Rem­scheid gewähl­te Fach­grup­pen­mo­dell un­ter­schei­det

sich von dem Stu­fen­mo­dell ei­nes prin­zi­pi­ell ta­rif­wil­li­gen Ver­ban­des, der nachträglich für OT-Mit­glie­der ei­nen Son­der­sta­tus mit ein­ge­schränk­ten Be­tei­li­gungs-


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rech­ten ge­schaf­fen hat. Nach der Sat­zung des AGV Rem­scheid ist der or­dent­li­che Mit­glie­der­sta­tus nicht mit ei­ner Ta­rif­ge­bun­den­heit ver­bun­den. Hierfür be­darf es viel­mehr noch der zusätz­li­chen Mit­glied­schaft in ei­ner der Fach­grup­pen des Ver­ban­des. Es er­scheint da­bei schon frag­lich, ob die Or­ga­ni­sa­ti­ons­struk­tur der Fach­grup­pen ge­genüber der or­dent­li­chen Ver­bands­mit­glied­schaft hin­rei­chend ei­genständig und ei­ne un­zulässi­ge Ein­fluss­nah­me von Ver­bands­mit­glie­dern oh­ne Ta­rif­bin­dung sat­zungsmäßig aus­ge­schlos­sen ist. Die Sat­zung re­gelt die Rech­te und Pflich­ten al­ler Mit­glie­der in ih­rem Teil I (§§ 1 bis 17). Die Be­stim­mun­gen im Teil II (§§ 18 bis 31) be­tref­fen die Fach­grup­pen. In ei­nem Teil III (§§ 32 bis 42) fin­den sich so­dann Re­ge­lun­gen zum Un­terstützungs­fonds des Ver­ban­des. Da­nach sind die Fach­grup­pen zwar er­kenn­bar als in­ner­halb des Ver­ban­des körper­schaftsähn­lich or­ga­ni­sier­te Un­ter­neh­mens­zu­sam­men­schlüsse nach § 19 Nr. 1 der Sat­zung vor­ran­gig mit dem Aus­han­deln und der Ent­schei­dung über den Ab­schluss von Ta­rif­verträgen vor­ge­se­hen. Dem­ent­spre­chend sind dem Ta­rif­bei­rat als Or­gan der Fach­grup­pen nach § 26 Nr. 1 der Sat­zung auch die Ent­schei­dun­gen „in al­len Fra­gen der Ta­rif­po­li­tik“ über­tra­gen wor­den. Die Exis­tenz und teil­wei­se die Or­ga­ni­sa­ti­on der Fach­grup­pen­ar­beit liegt je­doch weit­hin in den Händen der Ver­bands­mit­glie­der ins­ge­samt. So kann ei­ne Fach­grup­pe als „Ta­rifträger“ des Ver­ban­des nach § 10 Nr. 6 und § 30 der Sat­zung von ei­ner von ihr oder den Mit­glie­dern mit Ta­rif­bin­dung ins­ge­samt nicht not­wen­dig kon­trol­lier­ba­ren qua­li­fi­zier­ten Mit­glie­der­ver­samm­lungs­mehr­heit auf­gelöst wer­den. Nach § 5 Nr. 2 der Sat­zung ist die Ver­bands­mit­glied­schaft nicht an die Mit­glied­schaft in ei­ner Fach­grup­pe ge­bun­den, die Mit­glie­der der Fach­grup­pen müssen je­doch ih­rer­seits Ver­bands­mit­glie­der sein. Da über den Aus­schluss aus dem Ver­band nach § 5 Nr. 1 lit. d) der Sat­zung der Vor­stand und nach An­ru­fung der Mit­glie­der­ver­samm­lung die­se endgültig über den Aus­schluss ei­nes ta­rif­ge­bun­de­nen Mit­glie­des auch aus der Fach­grup­pe ent­schei­det, un­ter­liegt die Ent­schei­dung über die Mit­glied­schaft in der Fach­grup­pe und da­mit in dem Ta­rifträger des Ver­ban­des auch den OT-Mit­glie­dern. Auch die Führung der lau­fen­den Geschäfte ei­ner Fach­grup­pe durch den al­lein dem Vor­stand des Ver­ban­des ins­ge­samt un­ter­lie­gen­den


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Ver­bands­geschäftsführer nach § 28, § 14 der Sat­zung be­geg­net im Hin­blick auf die Un­abhängig­keit der Fach­grup­pe Be­den­ken.

(b) Fer­ner bleibt die Entäußerung der sat­zungsmäßigen Zuständig­keit des

Ver­ban­des und sei­ner Or­ga­ne für ta­rif­po­li­ti­sche Ent­schei­dun­gen un­klar. In ei­nem Fach­grup­pen­mo­dell ist sat­zungsmäßig ab­zu­si­chern, dass der Ver­band als sol­cher ei­ne Ta­rif­zuständig­keit aus­sch­ließlich für die Fach­grup­pen­mit­glie­der hat (zur Zulässig­keit ei­ner sol­chen Be­gren­zung vgl. BAG 18. Ju­li 2006 - 1 ABR 36/05 - BA­GE 119, 103, 113) und nicht als Zweck des Ver­ban­des als sol­chem den Ab­schluss von Ta­rif­verträgen aufführt (Buch­ner NZA 1994, 2, 6 f.). In der Sa­che war mit der grund­le­gen­den Sat­zungsände­rung im Jah­re 1999 ei­ne Auf­ga­be der Ta­rif­wil­lig­keit des Ver­ban­des als sol­chem be­ab­sich­tigt. Denn al­lein dar­aus ergäbe sich die von die­sem Zeit­punkt an feh­len­de Ta­riffähig­keit des Ver­ban­des. Das schließt nicht aus, dass der Ver­band als Ver­tre­ter der Fach­grup­pe mit Wir­kung für de­ren Mit­glie­der Ta­rif­verträge ab­sch­ließt. Tritt er aber selbst als Ta­rif­ver­trags­par­tei auf, so sind beim Feh­len ab­wei­chen­der An­halts­punk­te al­le Ver­bands­mit­glie­der an die dar­in ge­re­gel­ten Ver­pflich­tun­gen ge­bun­den. Das er­gibt sich un­mit­tel­bar aus § 3 Abs. 1 TVG.

Ob die sich dar­aus er­ge­ben­de Not­wen­dig­keit ei­ner ein­deu­ti­gen

sat­zungsmäßigen Be­schränkung des Ver­ban­des auf die Fach­grup­pen­mit­glie­der beim Ab­schluss von Ta­rif­verträgen hier hin­rei­chend erfüllt ist, be­geg­net er­heb­li­chen Be­den­ken. Zwar wird als Zweck des Ver­ban­des in § 2 Nr. 1 lit. c) der Sat­zung be­stimmt, dass er „durch die Fach­grup­pen Ta­rif­verträge“ ab­sch­ließen soll. Zu­min­dest zwei­fel­haft wird die Lücken­lo­sig­keit die­ser De­le­ga­ti­on aber, wenn in § 2 Nr. 2 der Sat­zung ge­re­gelt wird, dass der Ver­band („bzw. Fach­grup­pen“) die­sen Ver­bands­zweck ins­be­son­de­re da­durch erfüllt, „in­dem er ... mit den Ver­ei­ni­gun­gen der Ar­beit­neh­mer Ver­hand­lun­gen führt und Ab­ma­chun­gen über Ent­gel­te und Ar­beits­be­din­gun­gen trifft“. Die Re­ge­lung enthält al­ler­dings die Ein­schränkung, dass „er“, dh. der Ver­band, die­se Tätig­kei­ten „im Rah­men sei­ner Auf­ga­ben“ wahr­nimmt und in­so­fern auf ei­ne an­der­wei­ti­ge Auf­ga­ben- und mögli­cher­wei­se auch Kom­pe­tenz­ver­tei­lung ver­wie­sen wer­den soll. Ei­ne sol­che mögli­che Ab­wei­chung könn­te sich aus der Zu­ord­nung al­ler


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ta­rif­po­li­ti­schen Ent­schei­dun­gen zum Ta­rif­bei­rat der Fach­grup­pen in § 26 der Sat­zung er­ge­ben. Nur wäre dann für den Ver­band jed­we­des Tätig­wer­den in dem Auf­ga­ben­feld, das er un­ter § 2 Nr. 2 lit. a) der Sat­zung be­stimmt hat, un­ter­sagt. Denn be­zieht sich die Ein­schränkung „im Rah­men sei­ner Auf­ga­ben“ auf die al­lei­ni­ge Zuständig­keit der Fach­grup­pen für Ta­rif­ver­hand­lun­gen und Ta­rif­ver­trags­ab­schlüsse, so darf der Ver­band we­der „mit den Ver­ei­ni­gun­gen der Ar­beit­neh­mer Ver­hand­lun­gen (führen noch) ... Ab­ma­chun­gen über Ent­gel­te und Ar­beits­be­din­gun­gen“ tref­fen.

Ei­ner feh­len­den Ta­rif­wil­lig­keit des Ver­ban­des scheint auch die

Sat­zungs­re­ge­lung in § 40 Nr. 2 ent­ge­gen zu ste­hen, wenn dort ein Ver­bot an die Ver­bands­mit­glie­der (oh­ne Dif­fe­ren­zie­rung) ge­rich­tet wird, in Ta­rif­aus­ein­an­der­set­zun­gen Ver­hand­lun­gen mit Ar­beit­neh­mern oder ih­ren Or­ga­ni­sa­tio­nen auf­zu­neh­men, „so­weit der Ver­band oder sei­ne Fach­grup­pen Ta­rifträger sind“. Auch hier ist die aus­drück­li­che Möglich­keit ei­ner Ta­rifträger­schaft durch den Ver­band als sol­chen sat­zungsmäßig vor­ge­se­hen.

(2) Die­se Be­den­ken bedürfen je­doch kei­ner ab­sch­ließen­den Be­wer­tung.

Denn die Not­wen­dig­keit ei­nes strik­ten Aus­schlus­ses der OT-Mit­glie­der von den ta­rif­po­li­ti­schen Ent­schei­dun­gen der ta­rif­ge­bun­de­nen Mit­glie­der des Ver­ban­des, hier: der Fach­grup­pen, um­fasst in je­dem Fal­le die Verfügungsmöglich­keit über den Ar­beits­kampf­fonds des Ver­ban­des. Dem genügt die Sat­zung des AGV Rem­scheid nicht.

(a) Das Er­for­der­nis ei­ner sat­zungsmäßig ab­ge­si­cher­ten Au­to­no­mie des

ta­rif­wil­li­gen Teils der Mit­glieds­un­ter­neh­men ei­nes Ver­ban­des, der ei­ne OT-Mit­glied­schaft vor­sieht, um­fasst ent­ge­gen der Auf­fas­sung der Be­klag­ten nicht nur „rein“ ta­rif­recht­li­che und ta­rif­po­li­ti­sche Fra­gen, son­dern er­streckt sich zwin­gend auf al­le Fra­gen des Ar­beits­kamp­fes und sei­ner Ge­stal­tung. Ei­ne Ver­bands­sat­zung, die ei­ne OT-Mit­glied­schaft vor­sieht, muss aus­sch­ließen, dass OT-Mit­glie­der in Auf­sichts­or­ga­nen mit­wir­ken, die ei­nen Streik­fonds ver­wal­ten (so be­reits Se­nat 4. Ju­ni 2008 - 4 AZR 419/07 - Rn. 39, AP TVG § 3 Nr. 38 = EzA GG Art. 9 Nr. 95), al­so über Geld­mit­tel verfügen, die im Ar­beits­kampf um ei­nen Ta­rif­ver­trag ein­ge­setzt wer­den können und sol­len. Die Ein-


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be­zie­hung der Ar­beits­kampf­ent­schei­dun­gen und der Verfügung über die dafür be­reit­ge­stell­ten Mit­tel in den al­lein den Mit­glie­dern mit Ta­rif­bin­dung vor­be­hal­te­nen Be­reich be­ruht dar­auf, dass der Ar­beits­kampf als Be­stand­teil und Er­schei­nungs­form von Ta­rif­ver­hand­lun­gen an­zu­se­hen ist (vgl. nur BVerfG 26. Ju­ni 1991 - 1 BvR 779/85 - BVerfGE 84, 212, 225). Er ist Vor­aus­set­zung der Ta­rif­au­to­no­mie, weil sonst we­der das Zu­stan­de­kom­men noch die in­halt­li­che Sach­ge­rech­tig­keit ta­rif­li­cher Re­ge­lun­gen gewähr­leis­tet wären (BAG 10. Ju­ni 1980 - 1 AZR 822/79 - BA­GE 33, 140, 150). Be­reits die Auf­stel­lung von Ta­rif­for­de­run­gen so­wie die Fra­ge der Ab­leh­nung oder Zu­stim­mung zu ei­ner Ta­rif­for­de­rung der Ge­gen­sei­te kann oh­ne ei­ne Be­ur­tei­lung der ei­ge­nen Kampffähig­keit und ei­ne Ent­schei­dung über ei­ne et­wai­ge Kampf­wil­lig­keit nicht be­ant­wor­tet wer­den. Die­se Be­wer­tung ist un­trenn­ba­rer Be­stand­teil der Ausübung von Ta­rif­au­to­no­mie. Die Be­wer­tung der ei­ge­nen Durch­set­zungsfähig­keit bei der Durchführung von Ta­rif­ver­hand­lun­gen und dem Ab­schluss ei­nes Ta­rif­ver­tra­ges kommt in ei­nem Ar­beit­ge­ber­ver­band mit zwei ver­schie­de­nen Mit­glied­schafts­mo­del­len al­lein dem­je­ni­gen Teil der Mit­glie­der zu, der Ta­rif­verträge ab­sch­ließen will und nach de­ren Ab­schluss auch an die­se ge­bun­den ist. Da­her können Ent­schei­dun­gen über den kon­kre­ten Ein­satz von Ar­beits­kampf­mit­teln, die not­wen­dig Ein­fluss auf das Ver­hand­lungs­er­geb­nis ha­ben, wie über den Ein­satz ei­nes Streik- oder Un­terstützungs­fonds, nicht von OT-Mit­glie­dern mit­ge­trof­fen wer­den, die vom Er­geb­nis des Ar­beits­kamp­fes, dem da­nach ver­ein­bar­ten Ta­rif­ver­trag, nicht be­trof­fen sein wol­len, nicht be­trof­fen sind und des­halb das Er­geb­nis auch nicht mit­ver­ant­wor­ten. Aus die­sem Grund wird auch in der Li­te­ra­tur zu Recht nicht zwi­schen ta­rif­po­li­ti­schen Ent­schei­dun­gen und Ar­beits-kampf­ent­schei­dun­gen dif­fe­ren­ziert, son­dern der sat­zungsmäßig ge­re­gel­te Aus­schluss der OT-Mit­glie­der von der Ent­schei­dung über den Ein­satz von Ar­beits­kampf­mit­teln ge­for­dert (vgl. nur Löwisch/Rieb­le TVG 2. Aufl. § 2 Rn. 34; Buch­ner NZA 1995, 761, 766; Sch­lochau­er FS Hromad­ka S. 379, 383; Däubler NZA 1996, 225, 230; Bay­reu­ther BB 2007, 325, 327; Dei­nert RdA 2007, 83, 86 f.; ErfK/Fran­zen TVG § 2 Rn. 9; Moll Ta­rif­aus­stieg der Ar­beit­ge­ber­sei­te S. 80; diff. Ot­to NZA 1996, 624, 630: zulässig sei die Be­tei­li­gung der OT-Mit­glie­der an der Do­tie­rung des Streik­fonds, un­zulässig da­ge­gen die Be-


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tei­li­gung an der Ent­schei­dung über die Gewährung von Streik­un­terstützung; aA Reu­ter RdA 1996, 201, 206 f., im Hin­blick auf die glei­che Bei­trags­leis­tung von T- und OT-Mit­glie­dern; ähn­lich Thüsing ZTR 1996, 481, 484).

Da­von zu un­ter­schei­den ist die Un­terstützung des Ar­beits­kamp­fes

durch Beiträge oder sons­ti­ge Mit­tel, die (auch) von OT-Mit­glie­dern auf­ge­bracht wer­den. Da­bei gibt es, wie der Se­nat ent­schie­den hat, grundsätz­lich kei­ne Be­den­ken, weil ei­ne ma­te­ri­el­le Un­terstützung der ta­rif­ge­bun­de­nen Mit­glie­der ei­nes Ar­beit­ge­ber­ver­ban­des so­wohl durch OT-Mit­glie­der als auch auf sons­ti­ge Wei­se in der Re­gel nicht zu be­an­stan­den ist (4. Ju­ni 2008 - 4 AZR 419/07 - Rn. 35, AP TVG § 3 Nr. 38 = EzA GG Art. 9 Nr. 95). Mit der Fra­ge der Ent­schei­dung über kon­kre­te Ar­beits­kampf­maßnah­men und da­mit auch über den Ein­satz der Mit­tel hat dies nichts zu tun.

(b) Der not­wen­di­gen al­lei­ni­gen Be­fug­nis der Fach­grup­pen­mit­glie­der zur

Ent­schei­dung über den Streik­fonds trägt die Sat­zung des AGV Rem­scheid nicht hin­rei­chend Rech­nung.

(aa) Die Be­tei­li­gung an Ar­beitskämp­fen und die Er­rich­tung und Ver­wen­dung

des Un­terstützungs­fonds sind in der Sat­zung vom 17. Mai 2001 ua. wie folgt ge­re­gelt:

㤠2

Zweck des Ver­ban­des

1. Zweck des Ver­ban­des ist es ins­be­son­de­re,

a) die ge­mein­sa­men so­zi­al­po­li­ti­schen und be­rufsständi­schen In­ter­es­sen der Mit­glie­der zu wah­ren und zu fördern,

b) an der Er­hal­tung des Ar­beits­frie­dens mit­zu­wir­ken und den so­li­da­ri­schen Zu­sam­men­halt der Mit­glie­der bei Ar­beitskämp­fen (Streik und Aus­sper­rung) zu gewähr­leis­ten,

c) durch die Fach­grup­pen Ta­rif­verträge ab­zu­sch­ließen und beim Ab­schluss von Fir­men­ta­rif­verträgen Hil­fe­stel­lung zu ge­ben,

...

2. Die­sen Zweck erfüllt der Ver­band bzw. Fach­grup­pen ins­be­son­de­re, in­dem er


a)

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im Rah­men sei­ner Auf­ga­ben mit den Ver­ei­ni­gun­gen der Ar­beit­neh­mer Ver­hand­lun­gen führt und Ab­ma­chun­gen über Ent­gel­te und Ar­beits­be­din­gun­gen trifft,

b) die Mit­glie­der in al­len ar­beits- und so­zi­al­po­li­ti­schen
An­ge­le­gen­hei­ten be­treut,

...

§ 6

Rech­te der Mit­glie­der

1. Al­le Mit­glie­der des Ver­ban­des ha­ben glei­che Rech­te, so­weit die Sat­zung nichts an­de­res be­stimmt. Sie sind be­rech­tigt, die Un­terstützung des Ver­ban­des nach Maßga­be der Sat­zung in al­len Fra­gen in An­spruch zu neh­men.

2. Al­le Mit­glie­der ha­ben An­spruch auf Schutz und Hil­fe aus dem Un­terstützungs­fonds des Ver­ban­des gemäß den dafür gel­ten­den Be­stim­mun­gen (Teil III der Sat­zung) und Be­schlüssen.

§ 7

Pflich­ten der Mit­glie­der

Die Mit­glie­der sind ver­pflich­tet, ...

d) bei Ar­beitskämp­fen, die der Ver­band, sei­ne Fach­grup­pen oder ein­zel­ne Mit­glie­der mit des­sen Bil­li­gung führen, so­li­da­risch zu­sam­men­zu­ste­hen und die vom Ver­band be­schlos­se­nen Maßnah­men durch­zuführen,

...

f) die So­li­da­ritäts­ver­pflich­tun­gen nach § 39 der

Sat­zung ein­zu­hal­ten.

...

§ 11

Vor­stand

...

2. Der Vor­stand hat die Lei­tung des Ver­ban­des und be­stimmt die Richt­li­ni­en der Ver­bands­po­li­tik, un­be­scha­det der Rech­te der Mit­glie­der­ver­samm­lung. Er hat für die Er­le­di­gung der lau­fen­den Ver­bands­geschäfte zu sor­gen und das Ver­bands­vermögen zu ver­wal­ten.


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So­weit in ta­rif­po­li­ti­schen Fra­gen Ent­schei­dun­gen zu tref­fen sind, ob­lie­gen die­se al­lein den be­tref­fen­den Fach­grup­pen und gehören nicht in die Zuständig­keit des Vor­stan­des.

...

Teil II Fach­grup­pen

...

§ 26

Ta­rif­bei­rat der Fach­grup­pe

1. Der Ta­rif­bei­rat ist das ta­rif­po­li­ti­sche Gre­mi­um je­der

Fach­grup­pe. Er ent­schei­det mit bin­den­der Wir­kung für al­le Mit­glie­der der Fach­grup­pe gemäß § 19 der Sat­zung in al­len Fra­gen der Ta­rif­po­li­tik, ein­sch­ließlich der An­nah­me oder Ab­leh­nung von Ta­rif­verträgen.

...

Teil III

Re­ge­lun­gen zum Un­terstützungs­fonds

§ 32

1. Zur Erfüllung der dem Ar­beit­ge­ber-Ver­band von Rem­scheid und Um­ge­bung e.V., ins­be­son­de­re sei­nen Fach­grup­pen, sat­zungs­gemäß ob­lie­gen­den Auf­ga­be zur Wah­rung der all­ge­mei­nen so­zi­al­po­li­ti­schen In­ter­es­sen sei­ner Mit­glie­der er­rich­tet er ei­nen Un­terstützungs­fonds, der da­zu dient, die Mit­glie­der in die La­ge zu ver­set­zen, Ar­beits­strei­tig­kei­ten durch­zuführen, de­ren Aus­tra­gung im In­ter­es­se des im Ver­band zu­sam­men­ge­schlos­se­nen Be­rufs­stan­des liegt. Der Fonds ist Be­stand­teil des Ver­bands­vermögens.

2. Der Ver­band kann mit an­de­ren Mit­glieds­verbänden des Ge­samt­ver­ban­des der me­tall­in­dus­tri­el­len Ar­beit­ge­ber­verbände, die Un­terstützungs­fonds auf glei­cher oder ähn­li­cher Ba­sis ge­bil­det ha­ben, ei­ne Ge­fah­ren­ge­mein­schaft ein­ge­hen.

Die von der Ge­fah­ren­ge­mein­schaft des Ge­samt­ver­ban­des der me­tall­in­dus­tri­el­len Ar­beit­ge­ber­verbände ge­fass­ten Ent­schließun­gen sind zu be­ach­ten.

§ 33

Die Ver­wal­tung des Un­terstützungs­fonds ob­liegt dem Vor­stand des Ver­ban­des.


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§ 34

1. Die lau­fen­den Geschäfte bei der Ver­wal­tung des Un­terstützungs­fonds wer­den von der Geschäftsführung des Ver­ban­des wahr­ge­nom­men.

...

§ 35

1. Die Mit­tel des Un­terstützungs­fonds wer­den im Rah­men des all­ge­mei­nen Mit­glieds­bei­tra­ges auf­ge­bracht.

2. Der Vor­stand setzt jähr­lich den Be­trag fest, der un­ter Be­ach­tung des § 32 Nr. 2 der Sat­zung dem Un­terstützungs­fonds zu­zuführen ist.

...

§ 36

1. Ein Rechts­an­spruch auf Un­terstützung be­steht nicht.

2. Über die Gewährung ei­ner Un­terstützung aus dem Un­terstützungs­fonds ent­schei­det un­ter Aus­schluss des Rechts­we­ges der Vor­stand mit ein­fa­cher Mehr­heit.

3. Ei­ne Un­terstützung darf nur gewährt wer­den, wenn es sich dar­um han­delt, im In­ter­es­se des im Ver­band, ins­be­son­de­re sei­nen Fach­grup­pen, zu­sam­men­ge­schlos­se­nen Be­rufs­stan­des ei­nen Streik ab­zu­weh­ren oder ei­ne Aus­sper­rung durch­zuführen.

4. Bei Ge­ne­ral­streiks wird ei­ne Un­terstützung im all­ge­mei­nen nicht gewährt.

5. Die Gewährung ei­ner Un­terstützung bei Aus­sper­rung setzt vor­aus, dass die Aus­sper­rung nach der Sat­zung des Ver­ban­des von den zuständi­gen Ver­bands­gre­mi­en ord­nungs­gemäß be­schlos­sen wur­de.

6. Die Gewährung ei­ner Un­terstützung nach die­ser Richt­li­nie setzt vor­aus, dass die durch Streik oder Aus­sper­rung aus­ge­fal­le­ne Ar­beits­zeit nicht be­zahlt wird.

7. Ge­gen die Ent­schei­dung des Vor­stands kann die be­trof­fe­ne Mit­glieds­fir­ma in­ner­halb ei­ner Wo­che nach schrift­li­cher Be­kannt­ga­be der Ent­schei­dung Ein­spruch ein­le­gen.

Über den Ein­spruch ent­schei­det die Mit­glie­der­ver­samm­lung bzw. bei An­gehöri­gen von Fach­grup­pen der Ta­rif­bei­rat der Fach­grup­pe.


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...

§ 38

1. Die Höhe der zu gewähren­den Un­terstützung wird im Rah­men der zur Verfügung ste­hen­den Mit­tel von Fall zu Fall durch den Vor­stand fest­ge­legt. § 36 Nr. 7 der Sat­zung fin­det ent­spre­chen­de An­wen­dung. Bei der Be­mes­sung der Un­terstützung soll sich der Vor­stand von den Be­stim­mun­gen der nach­fol­gen­den Absätze lei­ten las­sen.

...

5. Von den in Zif­fern 1 bis 4 die­ser Vor­schrift ent-

hal­te­nen Re­ge­lun­gen kann der Vor­stand ab­wei­chen. Dies gilt ins­be­son­de­re, wenn in­ner­halb der Ge­fah­ren­ge­mein­schaft Ent­schei­dun­gen des Ge­samt­ver­ban­des der me­tall­in­dus­tri­el­len Ar­beit­ge­ber­verbände sol­che Ab­wei­chun­gen zu­las­sen oder vor­schrei­ben.

§ 39

Die Mit­glieds­fir­men sind ver­pflich­tet, ge­genüber den im Ar­beits­kampf ste­hen­den Be­trie­ben vol­le So­li­da­rität zu wah­ren. Ins­be­son­de­re ist es not­wen­dig, dass die Mit­glieds­fir­men

- kei­ne Ar­beit­neh­mer aus ei­nem Be­trieb ein­stel­len, der

sich in ei­nem Ar­beits­kampf be­fin­det,

- kei­ne Kun­den ei­nes im Ar­beits­kampf be­find­li­chen

Un­ter­neh­mens ab­wer­ben,

- an im Ar­beits­kampf be­find­li­che Un­ter­neh­men be­reits

über­tra­ge­ne Auf­träge nicht an an­de­re Un­ter­neh­men ver­ge­ben,

- an im Ar­beits­kampf be­find­li­che Un­ter­neh­men be­reits

ver­ge­be­ne Auf­träge nur mit de­ren vor­he­ri­ger Zu­stim­mung über­neh­men und ausführen, ...

§ 40

1. Je­de Mit­glieds­fir­ma ist ver­pflich­tet, Ar­beits­kampf-
maßnah­men, ih­re Vor­be­rei­tung oder Ankündi­gung so­fort der Geschäfts­stel­le des Ver­ban­des be­kannt­zu­ge­ben, dem Vor­stand und der Geschäfts­stel­le zah­lenmäßige Un­ter­la­gen so­wie die er­for­der­li­chen Auskünf­te wahr­heits­ge­treu und frist­ge­recht zur Verfügung zu stel­len und ein­ge­hen­de Prüfun­gen zu­zu­las­sen.

2. Die Mit­glie­der sind nicht be­rech­tigt, in Ta­rif­aus-
ein­an­der­set­zun­gen selbständig mit den Or­ga­ni-


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sa­tio­nen der Ar­beit­neh­mer un­mit­tel­bar oder den Ar­beit­neh­mern des ei­ge­nen Be­trie­bes zu ver­han­deln, so­weit der Ver­band oder sei­ne Fach­grup­pen Ta­rif­träger sind.

...

§ 42

1. Die Auflösung der Un­terstützungs­ein­rich­tung er­folgt auf An­trag des Vor­stan­des durch die Mit­glie­der­ver­samm­lung des Ver­ban­des mit 3/4 Mehr­heit der an­we­sen­den stimm­be­rech­tig­ten Mit­glie­der. Bei die­sem Be­schluss sind nur die­je­ni­gen Mit­glie­der stimm­be­rech­tigt, die al­le fälli­gen Mit­glieds­beiträge ent­rich­tet ha­ben.

2. Die im Un­terstützungs­fonds an­ge­sam­mel­ten Mit­tel sind an die noch vor­han­de­nen Mit­glie­der des Ver­ban­des im Verhält­nis ih­rer durch­schnitt­lich ge­zahl­ten Mit­glieds­beiträge der letz­ten drei Jah­re zu ver­tei­len. ...“

(bb) Da­nach ist die un­mit­tel­ba­re Mit­wir­kung von nicht ta­rif­ge­bun­de­nen

Ver­bands­mit­glie­dern nicht nur nicht aus­ge­schlos­sen, son­dern so­gar sat­zungsmäßig vor­ge­se­hen. Denn die zen­tra­len Ent­schei­dun­gen in die­sem Be­reich trifft der Vor­stand des Ver­ban­des, nicht aber der Vor­stand oder der Ta­rif­bei­rat der Fach­grup­pe. Auch wenn teil­wei­se Kor­rek­turmöglich­kei­ten die­ser Ent­schei­dun­gen vor­ge­se­hen sind, ändert dies nichts an der we­sent­li­chen Kom­pe­tenz des Ver­bands­vor­stan­des.

(aaa) Der sat­zungsmäßig ge­re­gel­te Zweck des Ver­ban­des ver­pflich­tet ihn zu

der „Gewähr­leis­tung“ des so­li­da­ri­schen Zu­sam­men­halts der Mit­glie­der bei Ar­beitskämp­fen, wo­von auch al­le OT-Mit­glie­der er­fasst wer­den. Be­reits die­se recht­li­che Ver­pflich­tung des Ver­ban­des, der ei­ne gleich­ar­ti­ge So­li­da­ritäts­ver­pflich­tung al­ler Ver­bands­mit­glie­der, auch der OT-Mit­glie­der, ent­spricht, be­zieht die­se ver­bind­lich in den Ar­beits­kampf ein. Nach § 7 lit. d) der Sat­zung sind die Mit­glie­der des Ver­ban­des ua. ver­pflich­tet, bei Ar­beitskämp­fen, die der Ver­band als sol­cher, sei­ne Fach­grup­pen oder Mit­glieds­un­ter­neh­men mit der Bil­li­gung des Ver­ban­des führen, die vom Ver­band be­schlos­se­nen Maßnah­men durch­zuführen (hier­zu schon oben un­ter 2 b dd [1] [b]).


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(bbb) Darüber hin­aus ob­liegt die ge­sam­te Verfügungs­ge­walt über den Un­ter-

stützungs­fonds dem Ver­band und nicht den Fach­grup­pen als au­to­no­men „Ta­rifträgern“.

Da­bei ist von der Rechts­la­ge nach der Sat­zung aus­zu­ge­hen; ei­ne evtl.

ab­wei­chen­de Pra­xis kann für die Fra­ge, ob die Tren­nung der bei­den Mit­glie­der­be­rei­che ins­be­son­de­re hin­sicht­lich ta­rif­po­li­ti­scher und ar­beits­kampf­recht­li­cher Ent­schei­dun­gen aus­rei­chend kon­se­quent durch­geführt wor­den ist, nur in Aus­nah­mefällen Be­deu­tung ha­ben, et­wa bei be­wuss­tem Sat­zungs­ver­s­toß oder sehr ge­rin­ger Re­ge­lungs­in­ten­sität der Sat­zung (vgl. da­zu auch Se­nat 25. Fe­bru­ar 2009 - 4 AZR 986/07 -). Zu­dem könn­te sich der Ver­band oder das Un­ter­neh­men hier­auf nicht be­ru­fen. Sie sind bei­de an die Sat­zungs­re­ge­lun­gen ge­bun­den und ha­ben im In­nen­verhält­nis ge­gen­ein­an­der auch ei­nen durch­setz­ba­ren An­spruch auf de­ren Ein­hal­tung.

Die Ge­stal­tungs­macht über die Ein­rich­tung, Ver­wen­dung und Auflösung

des Un­terstützungs­fonds be­trifft nach § 35 Nr. 2 der Sat­zung zunächst die Fest­set­zung der jähr­li­chen Beträge, die aus dem Er­geb­nis der all­ge­mei­nen Mit­glieds­beiträge al­ler Mit­glie­der an den Un­terstützungs­fonds ab­geführt wer­den (Röckl DB 1993, 2382, 2384, schließt al­lein hier­aus auf ei­ne un­zulässi­ge Ein­flussmöglich­keit der OT-Mit­glie­der). Der Fonds wird nach § 33 der Sat­zung so­dann al­lein von dem von al­len Mit­glie­dern gewähl­ten Ver­bands­vor­stand ver­wal­tet. Auch die Ent­schei­dung über die Ein­ge­hung ei­ner „Ge­fah­ren­ge­mein­schaft“ mit an­de­ren Mit­glieds­verbänden, die ei­nen Un­terstützungs­fonds führen, ob­liegt nach § 32 Nr. 2 der Sat­zung dem Ver­bands­vor­stand. Die­ser ent­schei­det schließlich nach § 36 Nr. 2 der Sat­zung „un­ter Aus­schluss des Rechts­we­ges“ auch über die Gewährung von Un­terstützun­gen und nach § 38 Nr. 1 der Sat­zung über de­ren Höhe. Da­bei ist er zunächst an die in der Sat­zung des Ver­ban­des ge­re­gel­ten in­halt­li­chen Vor­ga­ben von § 38 Nr. 1 bis 4 be­stimm­ten Grundsätze ge­bun­den, auf die die Fach­grup­pen nur ei­nen ih­rer Stärke im Verhält­nis zu den OT-Mit­glie­dern ent­spre­chen­den Ein­fluss ha­ben. Über­dies kann der Vor­stand nach § 38 Nr. 5 der Sat­zung von die­sen Grundsätzen über die Gewährung von Un­terstützung an die Fach­grup­pen­mit­glie­der dann ab­wei­chen, wenn Ent­schei­dun­gen des VMI sol­che Ab­wei­chun­gen zu­las­sen oder


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gar vor­schrei­ben, oh­ne dass die Fach­grup­pen nach der Sat­zung hier ei­nen maßge­ben­den oder gar al­lei­ni­gen Ein­fluss ha­ben. Wird ge­gen ei­ne Ent­schei­dung über die Gewährung ei­ner Un­terstützung von dem be­trof­fe­nen Mit­glied in­ner­halb ei­ner Wo­che Ein­spruch ein­ge­legt, ent­schei­det die Ver­samm­lung al­ler Mit­glie­der des Ver­ban­des. Auch die Auflösung des Un­terstützungs­fonds un­ter­liegt nach § 42 Nr. 1 der Sat­zung schließlich dem Vor­schlags­recht des Ver­bands­vor­stands und dem aus­sch­ließli­chen Ent­schei­dungs­recht der Mit­glie­der­ver­samm­lung des Ver­ban­des. Da­mit ist ein wich­ti­ges Ele­ment der ta­rif­po­li­ti­schen Hand­lungsfähig­keit der Fach­grup­pen weit­ge­hend Ver­bands­in­sti­tu­tio­nen übe­r­ant­wor­tet, in de­nen sat­zungsmäßig we­der ei­ne al­lei­ni­ge noch ei­ne über­wie­gen­de Ein­flussmöglich­keit der ta­rif­ge­bun­de­nen Mit­glie­der si­cher­ge­stellt ist.

Al­lein der Um­stand, dass in ei­nem Fall die Ent­schei­dung dem Ta­rif­bei-

rat der Fach­grup­pe vor­be­hal­ten ist, führt nicht zur ta­rif­recht­lich hin­rei­chen­den Tren­nung der bei­den Mit­glie­der­be­rei­che. Zwar ent­schei­det über den Ein­spruch ei­nes Fach­grup­pen­mit­glie­des ge­gen ei­nen Vor­stands­be­schluss über die Gewährung ei­ner Un­terstützung nach § 36 Nr. 2, § 38 Nr. 1 der Sat­zung nicht die Mit­glie­der­ver­samm­lung, son­dern nach § 36 Nr. 7, § 38 Nr. 1 der Sat­zung der Ta­rif­bei­rat der Fach­grup­pe. An­ge­sichts der oben näher be­gründe­ten Not­wen­dig­keit, die ge­sam­te Verfügungs­ge­walt über ei­nen Streik­fonds al­lein den au­to­nom or­ga­ni­sier­ten ta­rif­wil­li­gen Fach­grup­pen­mit­glie­dern zu­zu­wei­sen, ist je­doch die Tat­sa­che, dass die­se nur an ei­ner ein­zi­gen Stel­le, nämlich im ver­bands­in­ter­nen „Rechts­mit­tel­ver­fah­ren“ über ei­ne Un­terstützungs­leis­tung an ein ein­zel­nes Fach­grup­pen­mit­glied tatsächlich oh­ne Be­tei­li­gung der OT-Mit­glie­der ent­schei­den können, nicht aus­rei­chend.

(cc) Oh­ne Be­deu­tung ist ent­ge­gen der Auf­fas­sung der Be­klag­ten in die­sem

Zu­sam­men­hang die Übe­r­ant­wor­tung der Verfügungs­ge­walt über den Un­terstützungs­fonds auf den VMI. Selbst wenn da­mit der Un­terstützungs­fonds der (Mit-)Ent­schei­dungsmöglich­keit von OT-Mit­glie­dern ak­tu­ell ent­zo­gen sein soll­te, wie die Be­klag­te meint, ist für die recht­li­che Be­ur­tei­lung al­lein die Sat­zung maßge­bend. Hier­aus er­gibt sich nach § 32 Nr. 2 je­doch le­dig­lich, dass ei­ne sog.


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„Ge­fah­ren­ge­mein­schaft“ mit an­de­ren Verbänden ein­ge­gan­gen wer­den kann, die je­den­falls auch wie­der auf­ge­ge­ben wer­den kann. Auch dies macht deut­lich, dass ein di­rek­ter Ein­fluss von OT-Mit­glie­dern auf ar­beits­kampf- und ta­rif­po­li­ti­sche Ent­schei­dun­gen nicht aus­ge­schlos­sen ist. Denn über die Bil­dung die­ser sog. Ge­fah­ren­ge­mein­schaft und ei­ne da­mit even­tu­ell ver­bun­de­ne Ein­brin­gung des Streik­fonds in den Pool der Ar­beits­kampf­mit­tel des VMI ent­schei­den nicht die Fach­grup­pen, son­dern nach § 32 Nr. 2 der Sat­zung der Ver­band ins­ge­samt.

ee) Rechts­fol­ge die­ser nicht hin­rei­chen­den Ab­gren­zung zwi­schen den

bei­den Mit­glie­der­grup­pen ist, dass der Aus­tritt der Be­klag­ten vom 22. April 2005 aus der Fach­grup­pe nicht zu ei­ner Be­en­di­gung der Ta­rif­ge­bun­den­heit führt. We­gen der feh­len­den Ab­gren­zung ent­fal­tet die de­kla­rier­te Auf­ga­be der Ta­rif­wil­lig­keit durch den AGV Rem­scheid nicht die be­ab­sich­tig­te Wir­kung, son­dern die un­ein­ge­schränk­te Ta­riffähig­keit des Ver­ban­des als sol­chem be­steht fort. Da­mit ist auch die Be­klag­te als Ver­bands­mit­glied gemäß § 3 Abs. 1 TVG nach wie vor an den MTV ge­bun­den.

II. Da­nach kann der Kläger für die über ei­ne wöchent­li­che Ar­beits­zeit von

35 St­un­den hin­aus ge­leis­te­ten Ar­beits­stun­den ei­ne wei­te­re, ihm bis­her nicht ge­zahl­te Vergütung ver­lan­gen. Der von ihm darüber hin­aus ge­for­der­te ta­rif­li­che Mehr­ar­beits­zu­schlag steht ihm je­doch nicht zu.

1. Die sich aus der Gel­tung des MTV für das Ar­beits­verhält­nis der
Par­tei­en im Streit­zeit­raum er­ge­ben­de re­gelmäßige wöchent­li­che Ar­beits­zeit des

Klägers be­trug nach § 3 Nr. 1 MTV 35 St­un­den.

2. Der Kläger hat in der frag­li­chen Zeit ei­ne wöchent­li­che re­gelmäßige
Ar­beits­zeit von 40 St­un­den ge­leis­tet, wo­bei die Vergütung der­je­ni­gen ta­rif­li­chen Vergütung ent­sprach, die im Be­reich der Ta­rif­verträge der Me­tall- und Elek­tro­in­dus­trie NRW für ei­ne wöchent­li­che Ar­beits­zeit von 35 St­un­den ent­rich­tet wur­de. Da­mit hat der Kläger wöchent­lich 5 St­un­den mehr ge­ar­bei­tet als ihm vergütet wor­den sind. Hier­von ge­hen grundsätz­lich auch die Par­tei­en aus, wenn man die Gel­tung des MTV zu­grun­de legt.


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3. Für die in die­sem Zeit­raum ge­leis­te­ten 129 St­un­den steht dem Kläger
bei ei­nem Brut­to­stun­den­lohn von 14,02 Eu­ro ein An­spruch auf Zah­lung von ins­ge­samt 1.808,58 Eu­ro brut­to zu.

4. Den darüber hin­aus im Kla­ge­an­trag zu 2) gel­tend ge­mach­ten Mehr-
ar­beits­zu­schlag von 25 Pro­zent für im Zeit­raum vom 7. Fe­bru­ar 2007 bis zum 30. April 2007 ge­leis­te­te 59 Ar­beits­stun­den kann der Kläger nicht be­an­spru­chen. Es han­delt sich bei der 36. bis 40. Wo­chen­ar­beits­stun­de nicht um ta­rif­li­che Mehr­ar­beit im Sin­ne von § 5 I 1 MTV.

Die vom Kläger in­di­vi­du­ell zu leis­ten­de Ar­beits­zeit be­trug nach der am

16. Ja­nu­ar 2006 ge­schlos­se­nen Zu­satz­ver­ein­ba­rung im Streit­zeit­raum

40 Wo­chen­stun­den. Die­se Ar­beits­zeit­ver­ein­ba­rung wi­der­spricht nicht
zwin­gen­den Ta­rif­vor­schrif­ten. § 3 Nr. 3 MTV lässt ei­ne sol­che in­di­vi­du­al­ver­trag­li­che Ver­ein­ba­rung zu, bin­det sie je­doch an die Zu­stim­mung des Ar­beit­neh­mers und re­gelt den ent­spre­chen­den Lohn­aus­gleich. Da­bei han­delt es sich in der Sa­che um ei­ne ta­rif­li­che Öff­nungs­klau­sel für Ein­zel­ver­ein­ba­run­gen, die als Ge­stat­tung ei­ner ab­wei­chen­den Ab­ma­chung iSv. § 4 Abs. 3 TVG an­zu­se­hen ist.

Die „Zu­stim­mung“ zu die­ser Ver­ein­ba­rung ist ent­ge­gen der Auf­fas­sung

des Klägers auch nicht durch das ge­werk­schaft­li­che Gel­tend­ma­chungs-schrei­ben vom 31. Ok­to­ber 2006 zurück­ge­zo­gen oder wi­der­ru­fen wor­den. Mit der ta­rif­lich ge­stat­te­ten In­di­vi­du­al­ver­ein­ba­rung ist der In­halt des Ar­beits­ver­tra­ges ge­mein­sam neu ge­stal­tet wor­den. Ein ein­sei­ti­ges Ge­stal­tungs­recht hin­sicht­lich die­ser kon­kre­ten Be­din­gung steht dem Kläger nicht zu. Im Übri­gen wäre ein sol­cher Ge­stal­tungs­wil­le in dem ge­werk­schaft­li­chen Schrei­ben auch nicht hin­rei­chend deut­lich zum Aus­druck ge­kom­men.

5. Der Kläger kann auch bei Gel­tung des MTV nicht auf ei­ne Zeit­gut­schrift
ver­wie­sen wer­den. Ent­ge­gen der Auf­fas­sung der Be­klag­ten han­delt es sich ge­ra­de nicht um Mehr­ar­beit, die der Kläger ge­leis­tet hat. Die Be­klag­te hat das Ar­beits­zeit­kon­to des Klägers mit re­gelmäßig 40 Wo­chen­stun­den zu­tref­fend ein­ge­rich­tet. Die­se wur­den vom Kläger auch ge­leis­tet. So­weit er darüber hin­aus ge­ar­bei­tet hat, sind ihm die­se als Mehr­stun­den gut­ge­schrie­ben wor­den; so­weit


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er we­ni­ger ge­ar­bei­tet hat, ist dies als Mi­nus­stun­de be­rech­net wor­den. Die Führung des Ar­beits­zeit­kon­tos ist nicht zu be­an­stan­den. Für die zu­tref­fen­de ver­trag­li­che und in der Ar­beits­zeit­kon­toführung vor­aus­ge­setz­te Re­gel­ar­beits­zeit von 40 Wo­chen­stun­den hat die Be­klag­te dem Kläger le­dig­lich ei­ne Vergütung ge­zahlt, die ei­ner Ar­beit von nur 35 Wo­chen­stun­den ent­sprach. Die Dif­fe­renz kann von der Be­klag­ten nicht durch ei­ne Gut­schrift von Mehr­ar­beits­stun­den „ge­leis­tet“ wer­den, son­dern ist durch Zah­lung des Dif­fe­renz­be­tra­ges zu ver­güten.

6. Der Zins­an­spruch des Klägers er­gibt sich aus §§ 288, 286 BGB.

III. Die Kos­ten­ent­schei­dung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO.

Be­p­ler Tre­ber Creutz­feldt

Das­sel Re­de­ker

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