HENSCHE RECHTSANWÄLTE, FACHANWALTSKANZLEI FÜR ARBEITSRECHT

ARBEITSRECHT AKTUELL // 13/336

Weih­nachts­geld und Kün­di­gung

Ver­trag­lich ver­spro­che­nes Weih­nachts­geld ist bei vor­zei­ti­ger Kün­di­gung an­tei­lig zu zah­len, auch wenn das Weih­nachts­geld "Misch­cha­rak­ter" hat: Bun­des­ar­beits­ge­richt, Ur­teil vom 13.11.2013, 10 AZR 848/12
Playmobil Nikolaus Weih­nachts­geld auch für aus­ge­schie­de­ne Ar­beit­neh­mer?

15.11.2013. Mit ei­nem Weih­nachts­geld wol­len Ar­beit­ge­ber meist ver­schie­de­ne Zwe­cke ver­fol­gen.

An­ders als ein 13. Ge­halt, das al­lein die im Ver­lauf des Jah­res er­brach­te Ar­beits­leis­tung be­zah­len soll, be­lohnt ein Weih­nachts­geld meist auch die "Be­triebs­treue" des Ar­beit­neh­mers. Ein An­halts­punkt da­für sind Stich­tags­re­ge­lun­gen, de­nen zu­fol­ge der An­spruch nicht be­steht, wenn das Ar­beits­ver­hält­nis z.B. am 31. De­zem­ber nicht mehr be­steht oder "ge­kün­digt" ist.

In ei­nem ak­tu­el­len Ur­teil hat das Bun­des­ar­beits­ge­richt (BAG) klar­ge­stellt, dass sol­che Stich­tags­re­ge­lun­gen, wenn sie in All­ge­mei­nen Ge­schäfts­be­din­gun­gen (AGB) des Ar­beit­ge­bers ent­hal­ten sind, ei­nen An­spruch auf ein zeit­an­tei­li­ges Weih­nachts­geld nach ei­ner vor­zei­ti­gen Kün­di­gung im All­ge­mei­nen nicht aus­schlie­ßen kön­nen: BAG, Ur­teil vom 13.11.2013, 10 AZR 848/12.

An­spruch auf ein Weih­nachts­geld trotz vor­zei­ti­ger Kündi­gung?

Mit den meis­ten jähr­li­chen Son­der­zah­lun­gen soll die Ar­beits­leis­tung vergütet wer­den, wie z.B. mit Pro­vi­sio­nen oder Ziel­ver­ein­ba­rungs­prämi­en. Wer da­her vor Fällig­keit sol­cher Zah­lungs­ansprüche aus dem Ar­beits­verhält­nis aus­schei­det, kann die Son­der­zah­lung im Prin­zip zeit­an­tei­lig ver­lan­gen, z.B. die Hälf­te bei Kündi­gung zum 30. Ju­ni oder ein Vier­tel bei ei­ner Kündi­gung zum 31. März usw.

Soll ei­ne Zah­lung da­ge­gen die Be­triebs­treue ho­no­rie­ren, schei­det ei­ne zeit­an­tei­li­ge Zah­lung aus, wenn der Ar­beit­neh­mer vor dem Stich­tag kündigt bzw. aus­schei­det. Wer z.B. am 01. Ju­li 25 Jah­re be­triebs­zu­gehörig ge­we­sen wäre und da­her ei­gent­lich ei­ne Ju­biläumsprämie er­hal­ten hätte, be­kommt nichts, wenn er drei Mo­na­te vor­her das Un­ter­neh­men verlässt.

Beim Weih­nachts­geld gibt es oft Streit über die zeit­an­tei­li­ge Zah­lungs­pflicht des Ar­beit­ge­bers, wenn der Ar­beit­neh­mer vor ei­nem be­stimm­ten Stich­tag auf­grund ei­ner Kündi­gung aus­schei­det, weil sich der Zweck des Weih­nachts­gel­des oft nicht klar den o.g. bei­den Zwe­cken zu­ord­nen lässt. Viel­mehr hat der An­spruch auf ein Weih­nachts­geld meis­tens "Misch­cha­rak­ter", d.h. das Weih­nachts­geld soll so­wohl die er­brach­te Ar­beits­leis­tung be­zah­len als auch die Be­triebs­treue des Ar­beit­neh­mers an­er­ken­nen.

Be­reits vor knapp zwei Jah­ren hat das BAG un­ter Ab­kehr von sei­ner bis­he­ri­gen Recht­spre­chung zu­guns­ten der Ar­beit­neh­mer ent­schie­den, dass Gra­ti­fi­ka­tio­nen mit Misch­cha­rak­ter, d.h. Son­der­zah­lun­gen, die zu­min­dest auch ei­ne Be­zah­lung der er­brach­ten Ar­beits­leis­tung sein sol­len, in den AGB des Ar­beit­ge­bers nicht da­von abhängig ge­macht wer­den können, dass das Ar­beits­verhält­nis zu ei­nem im Fol­ge­jahr lie­gen­den Stich­tag noch be­steht oder gar un­gekündigt be­steht (BAG, Ur­teil vom 18.01.2012, 10 AZR 612/10).

Die­se neue Recht­spre­chung hat das BAG jetzt wei­ter aus­ge­baut, wie­der­um zu­guns­ten der Ar­beit­neh­mer.

Der Fall des BAG: Zum 30. Sep­tem­ber auf­grund Ei­genkündi­gung aus­ge­schie­de­ner Ar­beit­neh­mer ver­langt zeit­an­tei­li­ges Weih­nachts­geld

Im Streit­fall ging es um ei­ne "Weih­nachts­gra­ti­fi­ka­ti­on", die der Ar­beit­ge­ber seit Jah­ren in Höhe ei­nes vol­len Ge­halts im No­vem­ber aus­zahl­te. Gemäß ei­nem seit Jah­ren in­halt­lich gleich­lau­ten­den Be­gleit­schrei­ben, in dem die "Richt­li­ni­en" für die Gra­ti­fi­ka­ti­on erläutert wur­den, stand die­se un­ter der Be­din­gung, dass das Ar­beits­verhält­nis am 31. De­zem­ber un­gekündigt war. Die­ses Be­gleit­schrei­ben bzw. die Aus­zah­lungs­richt­li­ni­en gehörte zu den AGB des Ar­beit­ge­bers.

Die Aus­zah­lungs­richt­li­ni­en sa­hen wei­ter ei­nen zeit­an­tei­li­gen An­spruch auf die Weih­nachts­gra­ti­fi­ka­ti­on für die­je­ni­gen Ar­beit­neh­mer vor, die im Ver­lauf ei­nes Jah­res in das Un­ter­neh­men ein­tra­ten. Wer da­her z.B. am 01. März oder am 01. Ju­li an­ge­fan­gen hat­te, be­kam die Gra­ti­fi­ka­ti­on zeit­an­tei­lig.

Sch­ließlich stand die Weih­nachts­gra­ti­fi­ka­ti­on un­ter der wei­te­ren Vor­aus­set­zung, dass es im Ver­lauf des Jah­res zu kei­nen "un­be­zahl­ten Ar­beits­be­frei­un­gen" kam. Vor die­sem Hin­ter­grund war an­zu­neh­men, dass die Gra­ti­fi­ka­ti­on Misch­cha­rak­ter hat­te, d.h. dass der Ar­beit­ge­ber mit ihr nicht nur die Be­triebs­treue bzw. den un­gekündig­ten Be­stand ei­nes Ar­beits­verhält­nis­ses am Jah­res­en­de ho­no­rie­ren woll­te, son­dern dass er auch die (vollständi­ge re­guläre) Ar­beits­leis­tung be­zah­len woll­te.

Ei­ner der Ar­beit­neh­mer kündig­te das Ar­beits­verhält­nis zu En­de Sep­tem­ber 2010 und ver­lang­te für die­ses Jahr 9/12 der Weih­nachts­gra­ti­fi­ka­ti­on. Das Ar­beits­ge­richt Frank­furt am Main (Ur­teil vom 06.07.2011, 2 Ca 7935/10) und das Hes­si­sche Lan­des­ar­beits­ge­richt (LAG) wie­sen die Kla­ge ab (Hes­si­sches LAG, Ur­teil vom 19.04.2012, 7 Sa 1232/11).

BAG: Son­der­zah­lun­gen mit Misch­cha­rak­ter können in AGB nicht vom Be­stand des Ar­beits­verhält­nis­ses am Jah­res­en­de abhängig ge­macht wer­den

Das BAG hob das Ur­teil des LAG auf und ver­ur­teil­te den Ar­beit­ge­ber zur Zah­lung des Weih­nachts­gel­des. In der der­zeit al­lein vor­lie­gen­den Pres­se­mel­dung des BAG heißt es zur Be­gründung:

Die Weih­nachts­gra­ti­fi­ka­ti­on soll­te den Richt­li­ni­en zu­fol­ge die Ar­beit­neh­mer an das Un­ter­neh­men bin­den und da­mit de­ren Be­triebs­treue be­loh­nen, zu­gleich aber auch die im Lau­fe des Jah­res ge­leis­te­te Ar­beit be­zah­len.

Bei sol­chen Gra­ti­fi­ka­tio­nen mit Misch­cha­rak­ter führen in AGB ent­hal­te­ne Stich­tags­re­ge­lun­gen wie die hier strei­ti­ge zu ei­ner un­an­ge­mes­se­nen Be­nach­tei­li­gung des Ar­beit­neh­mers. Sol­che Stich­tags­re­ge­lun­gen sind da­her gemäß § 307 Abs.1 Satz 1 BGB un­wirk­sam, und zwar auch dann, wenn der Stich­tag in dem Ka­len­der­jahr liegt, in dem die Son­der­zah­lung zu­fließen würde.

Denn ei­ne sol­che Klau­sel ent­zieht dem Ar­beit­neh­mer ei­nen Teil sei­nes be­reits er­ar­bei­te­ten Loh­nes, so das BAG, und steht da­her im Wi­der­spruch zum Grund­ge­dan­ken des § 611 Abs.1 BGB, d.h. dem Aus­tausch­cha­rak­ter des Ar­beits­verhält­nis­ses.

Fa­zit: Wer als Ar­beit­ge­ber in sei­nen AGB ein Weih­nachts­geld heut­zu­ta­ge noch von Stich­tags­re­ge­lun­gen abhängig ma­chen möch­te, muss klar zum Aus­druck brin­gen, dass er da­mit al­lein die Be­triebs­treue an­er­ken­nen will (und mögli­cher­wei­se auch dem zusätz­li­chen fi­nan­zi­el­len Be­darf in der Weih­nachts­zeit Rech­nung tra­gen möch­te).

Sol­che Klar­stel­lun­gen sind sel­ten, und ein­schlägi­ge Fälle sind eher skur­ril wie z.B. der vor kur­zem ent­schie­de­ne Fall des Ar­beits­ge­richts Köln, bei dem es um ver­schenk­te Han­dys auf ei­ner Weih­nachts­fei­er ging (wir be­rich­te­ten in Ar­beits­recht ak­tu­ell: 13/312 Kein An­spruch auf Weih­nachts­ge­schen­ke). Im Nor­mal­fall ha­ben Weih­nachts­gel­der da­ge­gen Misch­cha­rak­ter, und dann können Ar­beit­neh­mer bei vor­zei­ti­ger Kündi­gung ei­ne zeit­an­tei­li­ge Zah­lung ver­lan­gen.

Außer­dem hat das BAG in sei­nem Ur­teil vom 18.01.2012 (10 AZR 612/10) an­ge­deu­tet, dass auch es auch die Höhe ei­ner Son­der­zah­lung als In­diz für ih­ren Zweck an­sieht. Denn Zah­lun­gen zur Ho­no­rie­rung der Be­triebs­treue wie Ju­biläums­gel­der oder dgl. sind "im All­ge­mei­nen eher mar­gi­nal", so das BAG. So ge­se­hen spricht schon ein Weih­nachts­geld in Höhe ei­nes vol­len Mo­nats­lohns ten­den­zi­ell dafür, dass es kaum al­lein dem Zweck die­nen wird, die Be­triebs­treue an­zu­er­ken­nen.

Nähe­re In­for­ma­tio­nen fin­den Sie hier:

Hin­weis: In der Zwi­schen­zeit, d.h. nach Er­stel­lung die­ses Ar­ti­kels, hat das BAG sei­ne Ent­schei­dungs­gründe veröffent­licht. Das vollständig be­gründe­te Ur­teil des BAG fin­den Sie hier:

Letzte Überarbeitung: 16. November 2020

Weitere Auskünfte erteilen Ihnen gern:

Dr. Martin Hensche
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Kontakt:
030 / 26 39 620
hensche@hensche.de
Christoph Hildebrandt
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Kontakt:
030 / 26 39 620
hildebrandt@hensche.de
Nina Wesemann
Rechtsanwältin
Fachanwältin für Arbeitsrecht

Kontakt:
040 / 69 20 68 04
wesemann@hensche.de
Bewertung: 3.5 von 5 Sternen (6 Bewertungen)

Auf Facebook teilen Auf Google+ teilen Ihren XING-Kontakten zeigen Beitrag twittern

 

Für Personaler, betriebliche Arbeitnehmervertretungen und andere Arbeitsrechtsprofis: "Update Arbeitsrecht" bringt Sie regelmäßig auf den neusten Stand der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung. Informationen zu den Abo-Bedingungen und ein kostenloses Ansichtsexemplar finden Sie hier:

Alle vierzehn Tage alles Wichtige
verständlich / aktuell / praxisnah

HINWEIS: Sämtliche Texte dieser Internetpräsenz mit Ausnahme der Gesetzestexte und Gerichtsentscheidungen sind urheberrechtlich geschützt. Urheber im Sinne des Gesetzes über Urheberrecht und verwandte Schutzrechte (UrhG) ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht Dr. Martin Hensche, Lützowstraße 32, 10785 Berlin.

Wörtliche oder sinngemäße Zitate sind nur mit vorheriger schriftlicher Genehmigung des Urhebers bzw. bei ausdrücklichem Hinweis auf die fremde Urheberschaft (Quellenangabe iSv. § 63 UrhG) rechtlich zulässig. Verstöße hiergegen werden gerichtlich verfolgt.

© 1997 - 2024:
Rechtsanwalt Dr. Martin Hensche, Berlin
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Lützowstraße 32, 10785 Berlin
Telefon: 030 - 26 39 62 0
Telefax: 030 - 26 39 62 499
E-mail: hensche@hensche.de