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LAG Schles­wig-Hol­stein, Ur­teil vom 20.03.2012, 1 Sa 283 d/11

   
Schlagworte: Kündigung: Betriebsbedingt, Weiterbeschäftigung
   
Gericht: Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein
Aktenzeichen: 1 Sa 283 d/11
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 20.03.2012
   
Leitsätze:

1. Sowohl der Weiterbeschäftigungsanspruch nach § 102 V BetrVG als auch der von der Rechtsprechung entwickelte Weiterbeschäftigungsanspruch enden mit Anspruch einer weiteren außerordentlichen Kündigung des Arbeitgebers.

2. Der Arbeitgeber kann einen Auflösungsantrag nicht mit Umständen begründen, die dem Arbeitnehmer nicht vorgehalten werden können. Daran ändert sich auch nichts dadurch, dass entscheidend für die Begründetheit des Auflösungsantrags des Arbeitgebers ist, ob die "objektive Lage" die Besorgnis einer Gefährdung der weiteren gedeihlichen Zusammenarbeit der Arbeitsvertragsparteien rechtfertigt.

Vorinstanzen: Arbeitsgericht Elmshorn, Urteil vom 14.04.2011, 2 Ca 60 a/11
   

Lan­des­ar­beits­ge­richt Schles­wig-Hol­stein

Ak­ten­zei­chen: 1 Sa 283 d/11
2 Ca 60 a/11 ArbG Elms­horn (Bit­te bei al­len Schrei­ben an­ge­ben!)

 

Verkündet am 20.03.2012

als Ur­kunds­be­am­tin der Geschäfts­stel­le

 

Ur­teil

Im Na­men des Vol­kes

In dem Rechts­streit

pp.

hat die 1. Kam­mer des Lan­des­ar­beits­ge­richts Schles­wig-Hol­stein auf die münd­li­che Ver­hand­lung vom 20.03.2012 durch den Vor­sit­zen­den Rich­ter am Lan­des­ar­beits­ge­richt ...als Vor­sit­zen­den und d. eh­ren­amt­li­chen Rich­ter ... als Bei­sit­zer und d. eh­ren­amt­li­chen Rich­ter ... als Bei­sit­zer

für Recht er­kannt:

 

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Auf die Be­ru­fung der Be­klag­ten wird das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Elms­horn vom 14.04.2011 – 2 Ca 60 a/11 – teil­wei­se geändert. Der Wei­ter­beschäfti­gungs­an­trag der Kläge­rin (An­trag zu 2.) wird ab­ge­wie­sen. Im Übri­gen wird die Be­ru­fung der Be­klag­ten zurück­ge­wie­sen. Der Auflösungs­an­trag der Be­klag­ten wird ab­ge­wie­sen.

Die Kläge­rin trägt 1/4, die Be­klag­te 3/4 der Kos­ten des Rechts­streits.

Die Re­vi­si­on wird nicht zu­ge­las­sen.

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Ge­gen die­ses Ur­teil ist das Rechts­mit­tel der Re­vi­si­on nicht ge­ge­ben; im Übri­gen wird auf § 72 a ArbGG ver­wie­sen.

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Tat­be­stand:

Die Par­tei­en strei­ten über die Rechtmäßig­keit ei­ner be­triebs­be­dingt be­gründe­ten Kündi­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses der Kläge­rin so­wie im Be­ru­fungs­ver­fah­ren zusätz­lich um ei­nen von der Kläge­rin hilfs­wei­se gel­tend ge­mach­ten Wie­der­ein­stel­lungs­an­spruch so­wie ei­nen Auflösungs­an­trag der Be­klag­ten.

Die am ....1966 ge­bo­re­ne, le­di­ge Kläge­rin ist seit dem 01.01.2010 als „Lei­te­rin Fi­nan­zen“ bei der Be­klag­ten auf Grund­la­ge ei­nes schrift­li­chen Ar­beits­ver­trags (Bl. 5 – 11 d. A.) zu ei­nem Jah­res­brut­to­ge­halt von EUR 119.067,00 (13 x 9.100,00 EUR brut­to im Mo­nat zuzüglich EUR 767,00 Ur­laubs­geld) so­wie ei­nem va­ria­blen Ge­halts­an­teil beschäftigt. Die Auf­ga­ben der Kläge­rin er­ge­ben sich aus der Stel­len­be­schrei­bung (An­la­ge B 3, Bl. 55 d. A.). Die Be­klag­te be­treibt ein Phar­ma-Un­ter­neh­men mit ca. 1300 Ar­beit­neh­mern, für das ein Be­triebs­rat ge­bil­det ist.

 

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Seit dem 27.10.2010 ist die Kläge­rin von ih­rer Ver­pflich­tung zur Ar­beits­leis­tung frei­ge­stellt (Ko­pi­en der Frei­stel­lungs­erklärun­gen Bl. 12, 49 und 50 d. A.). Mit Schrei­ben vom 21.12.2010 (Bl. 70 – 92 d. A.) hörte die Be­klag­te den Be­triebs­rat zur be­ab­sich­tig­ten be­triebs­be­ding­ten Kündi­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses an. Mit Schrei­ben vom 28.12.2010 (Bl. 14 d. A.) wi­der­sprach der Be­triebs­rat der Kündi­gung un­ter Hin­weis auf zwei freie Ar­beitsplätze in der Ab­tei­lung Fi­nan­ce, die in­ner­be­trieb­lich aus­ge­schrie­ben wa­ren. Die Be­klag­te such­te aus­weis­lich der vom Be­triebs­rat ge­nann­ten Stel­len­aus­schrei­bung Nr. 3782 zum 01.02.2011 be­fris­tet bis zum 31.01.2012 ei­nen Buch­hal­ter (m/w) Ac­coun­ting & Ta­xes (Ko­pie der Stel­len­aus­schrei­bung An­la­ge B 10, Bl. 68 f d A.) so­wie aus­weis­lich der Stel­len­aus­schrei­bung Nr. 3619 ei­nen Sour­cing-Ma­na­ger (m/w) (Ko­pie der Stel­len­aus­schrei­bung An­la­ge B 9, Bl. 65 d. A.).

Mit Schrei­ben vom 28.12.2010, der Kläge­rin am 29.12.2010 zu­ge­gan­gen, kündig­te die Be­klag­te das Ar­beits­verhält­nis frist­gemäß zum 31.03.2011 (Ko­pie des Kündi­gungs­schrei­bens Bl. 13 d. A.).

Die Kläge­rin hat in ers­ter In­stanz im We­sent­li­chen die von der Be­klag­ten be­haup­te­te un­ter­neh­me­ri­sche Ent­schei­dung zur Um­ver­tei­lung der auf ih­rer Stel­le an­fal­len­den Auf­ga­ben und Ver­ant­wort­lich­kei­ten be­strit­ten, und zwar so­wohl hin­sicht­lich des zeit­li­chen An­teils der ver­schie­de­nen von ihr zu er­le­di­gen­den Auf­ga­ben als auch hin­sicht­lich de­ren Ver­tei­lung und der tatsächli­chen Durchführ­bar­keit die­ser Ver­tei­lung. Fer­ner hat sie gel­tend ge­macht, sie könne auf zahl­rei­chen Stel­len bei der Be­klag­ten wei­ter­beschäftigt wer­den, nämlich kom­me ne­ben den vom Be­triebs­rat ge­nann­ten Po­si­tio­nen ei­ne Wei­ter­beschäfti­gung als Lo­cal Com­p­li­an­ce Of­fi­cer (Stel­len­aus­schrei­bung Nr. 3780, An­la­ge B 7, Bl. 61 d. A.), als Mar­ket Ac­cess Ma­na­ger (Aus­schrei­bung in Ko­pie An­la­ge K 9, Bl. 128 d. A.), als „Sa­les-Con­trol­ler „ so­wie im Be­reich „Pri­cing/PT“ in Be­tracht. Fer­ner sei zum 01.11.2011 im Be­reich des Con­trol­lings je­mand neu ein-ge­stellt wor­den.

Der Wei­ter­beschäfti­gungs­an­trag sei auch im Hin­blick auf den Wi­der­spruch des Be­triebs­rats be­gründet.

Die Kläge­rin hat be­an­tragt, so­weit in der Be­ru­fungs­in­stanz von In­ter­es­se,

 

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1. fest­zu­stel­len, dass das Ar­beits­verhält­nis der Par­tei­en durch die Kündi­gung der Be­klag­ten vom 28.12.2010 zum 31.03.2011 nicht be­en­det wird.

2. Die Be­klag­te für den Fall des Ob­sie­gens mit dem An­trag zu 1. zu ver­ur­tei­len, die Kläge­rin über den 31.03.2011 hin­aus als Head of Fi­nan­ce in W. zu beschäfti­gen.

Die Be­klag­te hat be­an­tragt,

die Kla­ge ab­zu­wei­sen.

Sie hat vor­ge­tra­gen:

Am 01.10.2010 hätten sich Frau M. und Herr G. ent­schie­den, im Hin­blick auf die eu­ropäischen Kon­zern­struk­tu­ren die auf der Stel­le der Kläge­rin an­fal­len­den Auf­ga­ben und Ver­ant­wort­lich­kei­ten um­zu­ver­tei­len bzw. fremd zu ver­ge­ben.

Die Be­klag­te hat dann im Ein­zel­nen dar­ge­legt, in wel­chem zeit­li­chen Um­fang die in der Stel­len­be­schrei­bung der Kläge­rin auf­geführ­ten Auf­ga­ben an­fal­len und durch wen die­se zukünf­tig er­le­digt wer­den. Die­se Art der Auf­ga­ben­um­ver­tei­lung bzw. Fremd­ver­ga­be bis­her von der Kläge­rin wahr­ge­nom­me­nen Tätig­kei­ten sei auch tatsächlich durchführ­bar, oh­ne dass an­de­re Ar­beit­neh­mer über­ob­li­ga­ti­onsmäßig be­las­tet würden. We­gen des de­zi­dier­ten Vor­trags des Be­klag­ten im Ein­zel­nen wird auf den Tat­be­stand des ar­beits­ge­richt­li­chen Ur­teils (Sei­ten 5 und 6) Be­zug ge­nom­men.

Ei­ne Wei­ter­beschäfti­gung der Kläge­rin auf ei­ner der von die­ser ge­nann­ten frei­en Stel­len kom­me nicht in Be­tracht. Für die Stel­le als Buch­hal­ter Ac­coun­ting & Ta­xes feh­le es ihr an mehrjähri­ger Be­rufs­er­fah­rung in buch­hal­te­ri­schen/kon­zern­rech­nungs­we­sen­be­zo­ge­nen Jah­res­ab­schluss­ak­ti­vitäten. Auf die Dar­stel­lung ih­rer theo­re­ti­schen Kennt­nis­se durch die Kläge­rin kom­me es nicht an. Hin­sicht­lich des Vor­trags der Be­klag­ten, war­um ei­ne Be­set­zung der wei­te­ren frei­en Stel­len mit der Kläge­rin nicht in Be­tracht kom­me, wird auf den Tat­be­stand des ar­beits­ge­richt­li­chen Ur­teils (Sei­te 6

 

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der Gründe) so­wie ergänzend auf den schriftsätz­li­chen Vor­trag der Be­klag­ten Be­zug ge­nom­men.

Ein Wei­ter­beschäfti­gungs­an­spruch be­ste­he nicht, weil der Be­triebs­rats­wi­der­spruch nicht ord­nungs­gemäß sei.

Das Ar­beits­ge­richt hat mit am 14.04.2011 verkünde­ten Ur­teil, so­weit hier von In­ter­es­se, der Kla­ge statt­ge­ge­ben und die Be­klag­te zur Wei­ter­beschäfti­gung der Kläge­rin ver­ur­teilt.

Zur Be­gründung hat es im We­sent­li­chen aus­geführt, die Be­klag­te ha­be die nach der Recht­spre­chung des BAG be­ste­hen­den ge­stei­ger­ten An­for­de­run­gen an den Vor­trag zum In­halt der Or­ga­ni­sa­ti­ons­ent­schei­dung und de­ren Aus­wir­kun­gen auf die Ein­satzmöglich­kei­ten des Ar­beit­neh­mers nicht erfüllt. So sei be­reits nicht an­ge­ge­ben, von wel­chem Ar­beits­stun­den­vo­lu­men der Kläge­rin die Be­klag­te aus­ge­he. Fer­ner ha­be die Be­klag­te nicht berück­sich­tigt, dass die von der Be­klag­ten mit 20 % der Ar­beits­zeit be­wer­te­ten Tätig­kei­ten im Zu­sam­men­hang mit der Er­stel­lung des Jah­res­ab­schlus­ses von der Kläge­rin nicht aus­geübt wor­den sei­en. Da­mit wei­se die ge­sam­te Be­rech­nung der Be­klag­ten ei­nen un­zu­tref­fen­den Be­zugs­punkt aus. Das führe da­zu, dass die von den wei­te­ren Mit­ar­bei­tern über­nom­me­nen Ar­bei­ten eben­falls um­ge­rech­net wer­den müss­ten. Sch­ließlich feh­le es an kon­kre­ten An­ga­ben da­zu, wel­che Ar­beits­zeit die Mit­ar­bei­ter, die nun­mehr die Ar­bei­ten der Kläge­rin er­le­di­gen soll­ten, ar­beits­ver­trag­lich zu er­brin­gen hätten, so dass auch nicht über­prüfbar sei, ob die­se Mit­ar­bei­ter nach der Zu­wei­sung zusätz­li­cher Tätig­kei­ten nun­mehr über­ob­li­ga­ti­onsmäßige Leis­tun­gen zu er­brin­gen hätten.

Fer­ner sei die Kündi­gung un­be­rech­tigt, weil der Kläge­rin die Buch­hal­tungs­stel­le Ac­coun­ting & Ta­xes hätten an­ge­bo­ten wer­den müssen. Es sei da­von aus­zu­ge­hen, dass die Kläge­rin die nach der Stel­len­be­schrei­bung auf­ge­stell­ten Er­war­tun­gen zu erfüllen in der La­ge ge­we­sen sei.

Der An­spruch auf tatsächli­che Wei­ter­beschäfti­gung sei we­gen der Un­wirk­sam­keit der Kündi­gung be­gründet.

 

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Nach Verkündung des Ur­teils am 14.04.2011 for­der­te die Be­klag­te durch ein am 15.04.2011 in den Haus­brief­kas­ten der Kläge­rin ein­ge­leg­tes Schrei­ben die Kläge­rin auf, am 18.04.2011 (Mon­tag) um 9.30 Uhr ih­re Ar­beit wie­der an­zu­tre­ten. Die Kläge­rin er­schien am 18.04.2011 um 9.40 Uhr. Ihr wur­de mit­ge­teilt, dass ihr Mit­ar­bei­ter­aus­weis ge­sperrt sei und sie ei­nen Be­su­cher­aus­weis er­hal­te, der täglich zu er­neu­ern sei. Der Kläge­rin wur­de ein Büro in räum­li­cher Ent­fer­nung von ca. 700 m von ih­ren bis­he­ri­gen Büroräum­en zu­ge­wie­sen und erklärt, sie ha­be Ar­bei­ten nach An­ord­nung im Ein­zel­fall zu er­le­di­gen. Fer­ner for­der­te der zuständi­ge Mit­ar­bei­ter der Be­klag­ten Y. die Kläge­rin auf, ih­ren Lap­top ab­zu­ge­ben, nach Vor­trag der Be­klag­ten, weil an die­sem ei­ne Si­cher­heitsüber­prüfung statt­fin­den soll­te. Die Kläge­rin erklärte, sie ha­be den Lap­top nicht mit­ge­bracht. Herr Y. for­der­te die Kläge­rin dann auf, ei­ne schrift­li­che Tätig­keits­dar­stel­lung ih­rer bis­he­ri­gen Auf­ga­ben zu er­stel­len und gab ihr noch 2 wei­te­re Ar­beits­aufträge. Die­se wa­ren mit Fris­ten zur Er­le­di­gung für den nächs­ten Tag ver­se­hen. Ne­ben der Er­stel­lung des Tätig­keits­be­richts ging es um die Ak­tua­li­sie­rung ei­nes QMS-Re­ports so­wie um Auf­stel­lun­gen zum han­dels­bi­lan­zi­el­len Ab­schluss der Be­klag­ten. Um 15.30 Uhr überg­ab die Kläge­rin Herrn Y. ei­ne Auf­stel­lung ih­rer Tätig­kei­ten (Ko­pie Bl. 472 d. A.) in hand­schrift­li­cher, stich­wort­ar­ti­ger Form.

Mit Schrei­ben vom 18.04.2011 er­teil­te die Be­klag­te der Kläge­rin ei­ne Ab­mah­nung we­gen des ver­späte­ten Er­schei­nens an die­sem Tag (Bl. 463 d. A), so­wie ei­ne Ab­mah­nung we­gen des feh­len­den Lap­tops (Bl. 469 d. A.). Mit Schrei­ben vom 19.04.2011 er­teil­te die Be­klag­te der Kläge­rin ei­ne wei­te­re Ab­mah­nung im Hin­blick auf die aus ih­rer Sicht un­zu­rei­chen­de Tätig­keits­auf­stel­lung (Bl. 473 d. A.).

Die Kläge­rin mel­de­te sich noch am Mor­gen des 19.04.2011 bei der Be­klag­ten ar­beits­unfähig krank. Sie er­hielt dar­auf­hin ei­ne wei­te­re Ab­mah­nung, da sie kei­ne An-ga­ben über die vor­aus­sicht­li­che Dau­er ih­rer Ar­beits­unfähig­keit ge­macht hat­te.

Ab dem 19.04. bis zum 05.06.2011 war die Kläge­rin ar­beits­unfähig, da­nach vom 06. bis 27.06.2011 im Ur­laub und an­sch­ließend er­neut ar­beits­unfähig bis zum 11.08.2011. Nach Vor­trag der Kläge­rin zog sie sich im Ur­laub ein Band­schei­ben­lei­den zu, das ei­nen neu­en Er­kran­kungs­zeit­raum auslöste.

 

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Im zwi­schen­zeit­lich von der Kläge­rin beim Ar­beits­ge­richt ein­ge­lei­te­ten Voll­stre­ckungs­ver­fah­ren auf ver­trags­gemäße Wei­ter­beschäfti­gung als Head of Fi­nan­ce hat­te das Ar­beits­ge­richt der Kläge­rin ei­ne Frist zur Stel­lung­nah­me bis zum 12.08.2011 ge­setzt (Ko­pie der Verfügung Bl. 504 d. A.). Da die Kläge­rin sich seit Ein­gang des Zwangs­voll­stre­ckungs­an­trags of­fen­sicht­lich durch­ge­hend ent­we­der im Ur­laub be­fun­den ha­be oder ar­beits­unfähig er­krankt ge­we­sen sei, ha­be ihr kei­ne Ar­beit zu­ge­wie­sen wer­den können, da die Kläge­rin zur Ar­beits­leis­tung ge­ra­de nicht ver­pflich­tet ge­we­sen sei. Es bestünden da­her nach Auf­fas­sung des Ar­beits­ge­richts Be­den­ken an der Be­gründet­heit des Zwangs­voll­stre­ckungs­an­trags.

Am 12.08.2011 nahm die Kläge­rin ih­re Tätig­keit bei der Be­klag­ten wie­der auf und bat per E-Mail um 11.44 Uhr um Zu­tei­lung von Ar­beits­auf­ga­ben. Mit Schrei­ben vom 24.08.2011 er­hielt sie ei­ne wei­te­re Ab­mah­nung (Bl. 509 d. A.), da sie die ihr be­reits am 18.04.2011 auf­ge­tra­ge­ne Auf­ga­be, Auf­stel­lun­gen zum han­dels­bi­lan­zi­el­len Ab­schluss der Be­klag­ten zu er­stel­len, nicht er­le­digt ha­be. Mit Schrei­ben vom 06.09.2011 er­hielt die Kläge­rin ei­ne Ab­mah­nung, weil sie ei­nen ihr am 02.09.2011 er­teil­ten Auf­trag zur Er­stel­lung ei­ner Präsen­ta­ti­on nicht er­le­digt ha­be. Vom 05. bis 07.09.2011 war die Kläge­rin er­neut ar­beits­unfähig und an­sch­ließend bis zum 26.09.2011 im Ur­laub. Mit E-Mail vom 26.09.2011 er­hielt die Kläge­rin zwei wei­te­re Ar­beits­aufträge, u. a. soll­te die vor­aus­sicht­li­che Steu­er­last nach dem Quar­tals­ab­schluss Sep­tem­ber 2011 von ihr er­mit­telt wer­den. Zu ei­ner Ein­wei­sung der Kläge­rin, die die­se per E-Mail von der Be­klag­ten ver­langt hat­te, da die­se Auf­ga­be bis­her von ei­ner wei­te­ren, der Kläge­rin un­ter­stell­ten Mit­ar­bei­te­rin, er­le­digt wor­den sei, sah die Be­klag­te kei­ne Ver­an­las­sung, da die Kläge­rin die Auf­stel­lun­gen in der Ver­gan­gen­heit ab­ge­zeich­net ha­be. Mit Schrei­ben vom 10.10.2011 er­hielt die Kläge­rin ei­ne Ab­mah­nung (Bl. 533 d. A.) we­gen Nicht­vor­nah­me der Be­rech­nung der Steu­er­last.

Sch­ließlich er­hielt die Kläge­rin am 11.10.2011 um 14.43 Uhr per E-Mail ei­nen wei­te­ren Ar­beits­auf­trag, bezüglich des­sen In­halts auf Bl. 534 d. A. Be­zug ge­nom­men wird. Nach­dem die Kläge­rin ein nach Auf­fas­sung der Be­klag­ten völlig un­brauch­ba­res Ar­beits­er­geb­nis vor­ge­legt hat­te, kündig­te die Be­klag­te das Ar­beits­verhält­nis der Kläge­rin frist­los und hilfs­wei­se frist­gemäß mit Schrei­ben vom 01.11.2011. Über die Recht-

 

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mäßig­keit die­ser Kündi­gung, über die der­zeit vor dem Ar­beits­ge­richt ver­han­delt wird, ist noch nicht ent­schie­den.

Ge­gen das ihr am 21.06.2011 zu­ge­stellt Ur­teil des Ar­beits­ge­richts hat die Be­klag­te mit Schrift­satz vom 21.07.2011 Be­ru­fung ein­ge­legt und die­se nach Verlänge­rung der Be­ru­fungs­be­gründungs­frist bis zum 22.09.2011 am 22.09.2011 be­gründet.

Sie trägt vor:

Zum Um­fang der Ar­beits­zeit der Kläge­rin ha­be sie in ers­ter In­stanz aus­rei­chend vor­ge­tra­gen, das Ar­beits­ge­richt hätte Un­klar­hei­ten durch Nach­fra­ge oh­ne wei­te­res klären können. Die Kläge­rin sei in Voll­zeit tätig, das sei­en 37,5 St­un­den. Sie ha­be auch hin­rei­chend sub­stan­ti­iert die Ver­tei­lung der bis­her von der Kläge­rin er­le­dig­ten Ar­bei­ten dar­ge­legt. Frau M. sei lei­ten­de An­ge­stell­te und Mit­glied der Geschäfts­lei­tung. Sie ha­be die un­ter­neh­me­ri­sche Ent­schei­dung in fach­li­cher Hin­sicht zu ver­ant­wor­ten. Sie tref­fe ih­re Ent­schei­dun­gen über den Zu­schnitt und den Ar­beits­an­fall in ih­rem Be­reich selbständig. Sie sei in der Ge­stal­tung ih­rer Ar­beits­abläufe vollständig frei. Sie sei – un­strei­tig – im Au­gust 2010 bei der Be­klag­ten an­ge­fan­gen und ha­be auch des­we­gen noch freie Ka­pa­zitäten ge­habt. Herr B. ar­bei­te nicht mehr als vor­her, er be­rich­te nur nicht mehr an die Kläge­rin, son­dern nun­mehr di­rekt an Frau M.. Wei­te­re Tätig­kei­ten sei­en er­satz­los weg­ge­fal­len. Die Er­stel­lung des Jah­res­ab­schlus­ses sei an ei­nen ex­ter­nen Wirt­schafts­prüfer ver­ge­ben wor­den. Sch­ließlich zei­ge sich die Um­setz­bar­keit ih­rer Ent­schei­dung auch dar­an, dass sie nun­mehr seit meh­re­ren Mo­na­ten so prak­ti­ziert wer­de, oh­ne dass es zu ir­gend­wel­chen Pro­ble­men in den Ar­beits­abläufen oder über­ob­li­ga­to­ri­schen Leis­tun­gen ih­rer Ar­beit­neh­mer ge­kom­men sei.

Ent­ge­gen der Auf­fas­sung des Ar­beits­ge­richts sei ihr auch ei­ne Wei­ter­beschäfti­gung der Kläge­rin auf der Stel­le als Buch­hal­ter Ac­coun­ting & Ta­xes nicht zu­mut­bar. Die Kläge­rin erfülle die für die Tätig­keit vor­aus­zu­set­zen­den An­for­de­run­gen nicht. Sie ha­be kei­ne Aus­bil­dung zur Steu­er­fach­an­ge­stell­ten bzw. kaufmänni­sche Aus­bil­dung mit Wei­ter­bil­dung zur Bi­lanz­buch­hal­te­rin. Sie verfüge nicht über be­rufs­spe­zi­fi­sches Fach­wis­sen im HGB- und Steu­er­recht und ha­be auch kei­ne Kennt­nis­se bei der Er­stel­lung von Jah­res­ab­schlüssen nach HGB so­wie des Bi­lanz­mo­der­ni­sie­rungs­ge­set-

 

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zes. Die­se Er­fah­run­gen bzw. Kennt­nis­se könn­ten auch nicht in ei­ner im Hin­blick auf die Be­triebs­zu­gehörig­keit der Kläge­rin an­ge­mes­se­nen Zeit er­wor­ben wer­den. Sch­ließlich sei die Stel­le auch des­we­gen nicht ver­gleich­bar, da die Ein­grup­pie­rung 4 bis 5 Stu­fen un­ter­halb der AT-Ein­grup­pie­rung der Kläge­rin sei, was sich auch im Ge­halt wie­der­spie­ge­le. Zwi­schen den Gehältern lie­ge ein Un­ter­schied von knapp 6.000,00 EUR.

So­weit die Kläge­rin in der Be­ru­fung hilfs­wei­se die Wie­der­ein­stel­lung ver­lan­ge, sei die­se Kla­ger­wei­te­rung be­reits un­zulässig. Sie sei nicht sach­dien­lich. Im Übri­gen sei die­ser Streitstoff auch be­reits im Kündi­gungs­schutz­pro­zess vor dem Ar­beits­ge­richt anhängig. Tatsächlich erfülle die Kläge­rin auch nicht die An­for­de­run­gen der Stel­len, für die sie die Wie­der­ein­stel­lung be­geh­re.

Je­den­falls sei ihr die Fort­set­zung des Ar­beits­verhält­nis­ses nun­mehr un­zu­mut­bar. Ei­ne ge­deih­li­che Zu­sam­men­ar­beit der Par­tei­en sei nicht mehr zu er­war­ten:

Die Kläge­rin sei ent­ge­gen ih­rer Ver­pflich­tung am 15.04.2011 gar nicht zur Ar­beit er­schie­nen, ob­wohl si­cher da­von aus­zu­ge­hen sei, dass sie von ih­rem Pro­zess­be­vollmäch­tig­ten über den Aus­gang des Pro­zes­ses in­for­miert wor­den sei. Am 18.04.2011 sei sie ver­spätet er­schie­nen, die not­wen­di­gen Ar­beits­mit­tel ha­be sie nicht mit­ge­bracht, wo­bei bei ihr – Be­klag­te - zusätz­lich der Ver­dacht be­ste­he, die Kläge­rin ha­be ih­ren Lap­top mit­ge­bracht, ihn aber nicht ab­ge­ben wol­len. Dies schließe sie aus dem Ver­hal­ten der Kläge­rin an je­nem Tag. Den Ar­beits­auf­trag, ei­ne Tätig­keits­auf­stel­lung zu er­stel­len, ha­be sie nur voll­kom­men un­zu­rei­chend er­le­digt und sich schließlich am nächs­ten Tag nicht ord­nungs­gemäß krank ge­mel­det. Auch die wei­te­ren Ar­beits­aufträge sei­en von der Kläge­rin gar nicht oder nur voll­kom­men un­zu­rei­chend er­le­digt wor­den. Außer­dem ha­be sie den be­gründe­ten Ver­dacht, dass die Kläge­rin Ar­beits­unfähig­keits­zei­ten vortäusche, um dar­aus wei­te­re Vor­tei­le zu zie­hen. Al­le Krank­mel­dun­gen sei­en nach Aus­ein­an­der­set­zun­gen mit der Be­klag­ten um Auf­ga­ben und Ab­ga­be­ter­mi­ne er­folgt. So ha­be die­se sich am 19.04.2011 un­mit­tel­bar nach Er­tei­lung di­ver­ser Ar­beits­aufträge krank ge­mel­det, am 05.09.2011 un­mit­tel­bar nach Er­tei­lung ei­nes kon­kre­ten Ar­beits­auf­trags am 02.09.2011 und am 17.10.2011unmittelbar nach Er­tei­lung ei­nes Ar­beits­auf­trags am 11.10.2011. Für den 19.04.2011 ha­be die Kläge-

 

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rin ei­ne AU-Be­schei­ni­gung gar nicht vor­ge­legt. Dafür sei sie am 12.08.2011 ge­nau mit Ab­lauf der Frist zur Stel­lung­nah­me durch das Ge­richt plötz­lich kern­ge­sund zur Ar­beit er­schie­nen. Sch­ließlich ha­be die Kläge­rin 2 Ärz­te auf­ge­sucht.

Die Be­klag­te be­an­tragt,

1. das Ur­teil 2 Ca 60 a/11 auf­zu­he­ben und die Kla­ge ab­zu­wei­sen,
2. den von der Kläge­rin gel­tend ge­mach­ten Wie­der­ein­stel­lungs­an­trag als un­zulässig zurück­zu­wei­sen,

hilfs­wei­se für den Fall des Un­ter­lie­gens mit dem An­trag zu 1.,

3. das Ar­beits­verhält­nis auf­zulösen ge­gen Zah­lung ei­ner Ab­fin­dung, de­ren Höhe in das Er­mes­sen des Ge­richts ge­stellt wird, aber 9.100,00 EUR nicht über­schrei­ten soll­te.

Die Kläge­rin be­an­tragt,

1. die Be­ru­fung zurück­zu­wei­sen,

hilfs­wei­se

1. die Be­klag­te zu ver­ur­tei­len, die Kläge­rin zum 01.04.2011 als Lei­te­rin der Ab­tei­lung für stra­te­gi­sche Pla­nung (Head of Stra­te­gic Plan­ning) wie­der ein­zu­stel­len,

wei­ter­hin hilfs­wei­se,

 

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2. die Be­klag­te zu ver­ur­tei­len, die Kläge­rin zum 01.04.2011 als Ma­na­ge­rin Pri­cing & PT wie­der ein­zu­stel­len

so­wie

3. den Auflösungs­an­trag zurück­zu­wei­sen.

Sie ver­tei­digt die Ent­schei­dungs­gründe des Ar­beits­ge­richts und meint, die Dar­le­gun­gen der Be­klag­ten zur Um­ver­tei­lung der Ar­bei­ten reich­ten nicht aus. So feh­le es ins­be­son­de­re an der Dar­le­gung, wie die Mit­ar­bei­ter M. und B. zusätz­li­che Auf­ga­ben oh­ne da­durch ver­ur­sach­te Über­schrei­tung der re­gelmäßigen Ar­beits­zeit, al­so oh­ne Mehr­ar­beit, er­le­di­gen könn­ten.

Fer­ner ha­be das Ar­beits­ge­richt zu­tref­fend fest­ge­stellt, dass die Be­klag­te sie auf der Stel­le ei­nes Buch­hal­ters wei­ter­beschäfti­gen könne. Selbst­verständ­lich ha­be sie kei­ne Aus­bil­dung zur Steu­er­fach­an­ge­stell­ten oder ei­ne kaufmänni­sche Aus­bil­dung mit Wei­ter­bil­dung zur Bi­lanz­buch­hal­te­rin. Sie ha­be ei­ne Aus­bil­dung, die die­se Tätig­kei­ten ein­sch­ließe, nämlich ein Stu­di­um der Eu­ropäischen Be­triebs­wirt­schafts­leh­re mit dem Schwer­punkt Fi­nanz- und Rech­nungs­we­sen so­wie Con­trol­ling mit ver­tief­ten Kennt­nis­sen in den Be­rei­chen Han­dels­recht und Steu­er­recht so­wie in der Er­stel­lung von Jah­res­ab­schlüssen. Zusätz­lich ha­be sie ei­ne Aus­bil­dung zur zer­ti­fi­zier­ten Con­trol­le­rin er­wor­ben und sich nach wei­te­ren Ab­schlüssen im Jah­re 2009 auf die Prüfung zum Bi­lanz­buch­hal­ter in­ter­na­tio­nal an der In­dus­trie- und Han­dels­kam­mer Em­den vor­be­rei­tet. Hier­bei ha­be sie tief­grei­fen­de Kennt­nis­se im Bi­lanz­mo­der­ni­sie­rungs­ge­setz er­wor­ben, das im Jahr 2010 be­reits in Kraft ge­we­sen sei und auf des­sen Grund­la­ge sie den Jah­res­ab­schluss der Be­klag­ten er­stellt hätte, so­fern sie nicht zu­vor frei­ge­stellt wor­den wäre.

Hilfs­wei­se ma­che sie gel­tend, dass die Be­klag­te ver­pflich­tet sei, sie wie­der ein­zu­stel­len. Zum 26.01.2011 ha­be die Be­klag­te die Stel­le des Lei­ters der Ab­tei­lung Stra­te­gi­sche Pla­nung neu be­setzt, zum 01.05.2011 ei­ne Mit­ar­bei­te­rin als Ma­na­ge­rin Pri­cing & PT ein­ge­stellt.

Auch der Auflösungs­an­trag der Be­klag­ten sei un­be­gründet. Die in den sie­ben Ab­mah­nun­gen ihr ge­genüber er­ho­be­nen Vorwürfe sei­en sämt­lich un­zu­tref­fend. Sie sei

 

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nicht ord­nungs­gemäß beschäftigt wor­den, wie das Ar­beits­ge­richt E. im Zwangs­geld­be­schluss vom 08.09.2011 be­reits ent­schie­den ha­be.

Ei­ne Rechts­pflicht zur Auf­nah­me ei­ner Tätig­keit für sie ha­be we­der am 15. noch am 18.04.2011 be­stan­den, da die Be­klag­te zu kei­nem Zeit­punkt erklärt ha­be, aus der streit­ge­genständ­li­chen Kündi­gung kei­ne Rech­te mehr her­zu­lei­ten. Im Übri­gen sei sie nicht um 9.30 Uhr zur Ar­beits­auf­nah­me er­schie­nen, da sie die ent­spre­chen­de Auf­for­de­rung der Be­klag­ten erst am Mor­gen des 18.04.2011 zur Kennt­nis ha­be neh­men können, da sie übers Wo­chen­en­de im Ur­laub ge­we­sen sei. Es ha­be auch kei­ne ge­ne­rel­le oder in­di­vi­du­el­le An­wei­sung ge­ge­ben, den Lap­top stets mit sich zu führen. Zum In­halt der Tätig­keits­auf­stel­lung ha­be sie kei­ne An­wei­sun­gen er­hal­ten, so dass in­so­weit auch kei­ne Pflicht­ver­let­zung vor­lie­gen könne. Über die vor­aus­sicht­li­che Dau­er ih­rer Er­kran­kung ha­be sie bei der Krank­mel­dung kei­ne An­ga­ben ma­chen können, da sie hierüber kei­ne Er­kennt­nis­se ge­habt ha­be. Sie sei dann im Ur­laub an ei­nem Band­schei­ben­lei­den er­krankt, was sich aus der Dia­gno­se in der Ar­beits­unfähig­keits­be­schei­ni­gung (An­la­ge KB 6, Bl. 690 d. A.) ent­neh­men las­se. Da die Auf­träge vom 18.04.2011 al­le mit er­kenn­bar kur­zen Fris­ten und da­mit als eil­bedürf­tig ge­kenn­zeich­net ge­we­sen sei­en, sei sie am 12.08.2011 da­von aus­ge­gan­gen, dass die­se nicht mehr er­le­digt wer­den müss­ten. Der Jah­res­ab­schluss der Be­klag­ten sei im Au­gust 2011 auch – un­strei­tig – längst er­stellt ge­we­sen, so dass sie nicht da­von aus­ge­gan­gen sei und auch nicht ha­be da­von aus­ge­hen müssen, dass der dies­bezügli­che Auf­trag noch ak­tu­ell sei. Der Ar­beits­auf­trag vom 02.09.2011 (Power-Point-Präsen­ta­ti­on) sei in der ihr zur Verfügung ste­hen­den Zeit nicht zu er­le­di­gen ge­we­sen. Oh­ne Ein­ar­bei­tung sei auch der Ar­beits­auf­trag vom 26.09.2011 für sie nicht möglich ge­we­sen. Die Be­rech­nung der Steu­er­last sei in der Ver­gan­gen­heit nicht von ihr, son­dern von ih­rer Mit­ar­bei­te­rin, der Zeu­gin A., vor­ge­nom­men wor­den. Sie ha­be auch zu der Zeit, als sie von der Be­klag­ten noch ver­trags­gemäß beschäftigt wor­den sei, die Steu­er­last­be­rech­nun­gen nicht er­stellt, son­dern le­dig­lich auf ih­re Rich­tig­keit über­prüft. Dafür sei es nicht nötig, die ein­zel­nen Schrit­te zu ken­nen, die zu dem ge­prüften Er­geb­nis geführt hätten. Bei dem Auf­trag vom 11.10.2011 han­de­le es sich um die Er­ar­bei­tung ei­nes kom­pli­zier­ten Werk­zeugs (Tool), für das hoch­kom­ple­xe Ex­cel-For­meln zu er­stel­len ge­we­sen sei­en. Hierfür benöti­ge ein ver­sier­ter Con­trol­ler et­wa 2 Wo­chen, ein Pro­gram­mie­rer könne dies hin­ge­gen in we­ni­ger als 2 Wo­chen

 

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er­le­di­gen. Sie ha­be sich ei­nen Über­blick ver­schafft und um ergänzen­de An­ga­ben ge­be­ten, die aber teil­wei­se un­ge­eig­net ge­we­sen sei­en, die be­ste­hen­den Pro­ble­me zu lösen. Sie ha­be das ge­for­der­te Er­geb­nis zwar nicht frist­ge­recht ab­ge­ge­ben, aber noch am Vor­abend ih­rer außer­or­dent­li­chen Kündi­gung mit E-Mail vom 31.10.2011 über­reicht.

Die Be­klag­te tra­ge auch kei­ne Tat­sa­chen vor, die den Be­weis­wert der von ihr vor­ge­leg­ten Ar­beits­unfähig­keits­be­schei­ni­gun­gen erschüttern könn­ten. Sie ha­be mit Aus­nah­me des 19.04.2011 sämt­li­che Ar­beits­unfähig­keits­zeiträume ord­nungs­gemäß durch ärzt­li­ches At­test nach­ge­wie­sen. Der Arzt­wech­sel be­ru­he dar­auf, dass es sich bei dem Band­schei­ben­lei­den um ei­ne neue Er­kran­kung han­de­le. Sie ha­be auch nicht Ar­beits­unfähig­kei­ten re­gelmäßig nach Aus­ein­an­der­set­zun­gen über Ar­beits­aufträge ein­ge­reicht. Sie ha­be nach dem 12.08.2011 ins­ge­samt 8 Ar­beits­aufträge er­hal­ten und da­von 6 ab­ge­schlos­sen.

We­gen des wei­te­ren um­fang­rei­chen Vor­trags der Par­tei­en so­wie hin­sicht­lich des wei­te­ren Sach- und Streit­stands wird auf die Ak­te Be­zug ge­nom­men.

Ent­schei­dungs­gründe:

Die statt­haf­te, form- und frist­gemäß ein­ge­leg­te und be­gründe­te und da­mit zulässi­ge Be­ru­fung der Be­klag­ten ist nur teil­wei­se be­gründet. Das Ar­beits­ge­richt hat dem Kündi­gungs­schutz­an­trag der Kläge­rin zu Recht statt­ge­ge­ben. Ein Wei­ter­beschäfti­gungs­an­spruch der Kläge­rin be­steht da­ge­gen nicht. Die hilfs­wei­se gel­tend ge­mach­ten Wie­der­ein­stel­lungs­ansprüche der Kläge­rin sind nicht zur Ent­schei­dung an­ge­fal­len. Der Auflösungs­an­trag der Be­klag­ten ist un­be­gründet.

I.

Der An­trag zu 1. aus der Kla­ge ist be­gründet. Die Kündi­gung der Be­klag­ten vom 28.12.2010 ist rechts­un­wirk­sam, da sie so­zi­al nicht ge­recht­fer­tigt ist, § 1 Abs. 1 KSchG.

 

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1. Es kann da­hin­ste­hen, ob die man­geln­de so­zia­le Recht­fer­ti­gung der Kündi­gung sich be­reits aus dem Feh­len be­trieb­li­cher Er­for­der­nis­se im Sin­ne des § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG er­gibt.

Die Be­klag­te hat in ers­ter und zwei­ter In­stanz zum Um­fang der bis­her von der Kläge­rin wahr­ge­nom­me­nen Auf­ga­ben und zu de­ren Neu­ver­tei­lung auf­grund un­ter­neh­me­ri­scher Ent­schei­dung vor­ge­tra­gen. So­weit die Auf­ga­ben nicht nach Vor­trag der Be­klag­ten gänz­lich ent­fal­len sind, sind sie in ei­nem zeit­li­chen Um­fang von 27,5 % (Auf­ga­ben a: 5 %, b: 2,5 %, l: 10 % und m: 10 %) auf Frau M. über­tra­gen wor­den. Wei­te­re 20 % (Auf­ga­be k, Jah­res­ab­schluss) sind ex­tern ver­ge­ben wor­den. Für die – nach Vor­trag der Be­klag­ten - of­fen­sicht­lich klei­ne­ren Auf­ga­ben im Zu­sam­men­hang mit der Be­triebs­prüfung und Fi­nan­cal Con­trolls/Frame Works/SOX) fehlt es al­ler­dings an zeit­li­chen An­ga­ben.

Ob mit die­sen Dar­le­gun­gen den An­for­de­run­gen der Recht­spre­chung des BAG genügt ist, lässt die Be­ru­fungs­kam­mer of­fen. Al­ler­dings ver­langt das Bun­des­ar­beits­ge­richt zur Dar­stel­lung von Or­ga­ni­sa­ti­ons­ent­schei­dun­gen, die mit dem Weg­fall ei­ner Hier­ar­chie­ebe­ne ver­bun­den sind, nicht nur den Vor­trag des Ar­beit­ge­bers, die zukünf­ti­ge Ent­wick­lung der Ar­beits­men­ge an­hand ei­ner näher kon­kre­ti­sier­ten Pro­gno­se dar­zu­stel­len und an­zu­ge­ben, dass die an­fal­len­den Ar­bei­ten vom ver­blie­be­nen Per­so­nal oh­ne über­ob­li­ga­ti­onsmäßige Leis­tun­gen er­le­digt wer­den können, son­dern auch wie die­se Ar­bei­ten vom ver­blie­be­nen Per­so­nal, hier al­so Frau M., er­le­digt wer­den können (ver­glei­che zu den An­for­de­run­gen des BAG das Ur­teil vom 13.02.2008 – 2 AZR 1041/06 – Ju­ris, Rn 16). Ob der Vor­trag der Be­klag­ten, Frau M. or­ga­ni­sie­re die für sie an­fal­len­den Ar­bei­ten selbst und ent­schei­de über de­ren Er­le­di­gung, in­so­weit aus­rei­chend ist, ist nicht ent­schei­dungs­er­heb­lich.

2. Wie nämlich be­reits das Ar­beits­ge­richt zu­tref­fend er­kannt hat, ist die Kündi­gung vom 28.12.2012 je­den­falls des­we­gen so­zi­al nicht ge­recht­fer­tigt, weil der Be­klag­ten ei­ne Wei­ter­beschäfti­gung der Kläge­rin möglich und zu­mut­bar war. Da­mit war die Kündi­gung nicht drin­gend im Sin­ne des § 1 Abs. 2 S. 1 KSchG. Das Merk­mal der „Dring­lich­keit“ der be­trieb­li­chen Er­for­der­nis­se kon­kre­ti­siert den Grund­satz der Verhält­nismäßig­keit (ul­ti­ma-ra­tio-Prin­zip), aus dem sich er­gibt, dass der Ar­beit­ge­ber vor

 

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je­der or­dent­li­chen Be­en­di­gungskündi­gung von sich aus dem Ar­beit­neh­mer ei­ne bei­den Par­tei­en ob­jek­tiv möglich und zu­mut­ba­re Beschäfti­gung auf ei­nem frei­en Ar­beits­platz auch zu geänder­ten Ar­beits­be­din­gun­gen an­bie­ten muss (BAG vom 21.04.2005 – 2 AZR 244/04 – Ju­ris, Rn 15). Aus­nah­men sind al­len­falls in Fällen denk­bar, in de­nen ein Ände­rungs­an­ge­bot des Ar­beit­ge­bers be­lei­di­gen­den Cha­rak­ter hätte. Grundsätz­lich hat der Ar­beit­neh­mer selbst zu ent­schei­den, ob er ei­ne Wei­ter­beschäfti­gung un­ter mögli­cher­wei­se er­heb­lich ver­schlech­ter­ten Ar­beits­be­din­gun­gen für zu­mut­bar hält oder nicht (BAG, a.a.O., Rn 19).

Mit dem Ar­beits­ge­richt geht die Kam­mer da­von aus, dass der Be­klag­ten ei­ne Wei­ter­beschäfti­gung der Kläge­rin auf der Stel­le Buch­hal­ter Ac­coun­ting & Ta­xes möglich und zu­mut­bar ist.

a. Bei Zu­gang der Kündi­gung war bei der Be­klag­ten der Ar­beits­platz als Buch­hal­ter Ac­coun­ting & Ta­xes frei und zu be­set­zen. Die ent­spre­chen­de Stel­len­aus­schrei­bung der Be­klag­ten (Bl. 68 d. A.) da­tiert vom 07.12.2010 und sah ei­ne Be­set­zung ab dem 01.02.2011, al­so noch in­ner­halb der Kündi­gungs­frist der Kläge­rin vor.

Dass die Stel­le nur be­fris­tet be­setzt wer­den soll­te, ist un­er­heb­lich. Die Kündi­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses ist erst die letz­te vom Ar­beit­ge­ber bei Weg­fall ei­nes Ar­beits­plat­zes in Be­tracht zu zie­hen­de Maßnah­me. Auch wenn ein Ar­beit­neh­mer nur vorüber­ge­hend an ei­ner an­de­ren Stel­le beschäftigt wer­den kann, ist dies als mil­de­res Mit­tel ge­genüber ei­ner Be­en­di­gungskündi­gung an­zu­se­hen.

b. Für den Ar­beits­platz als Buch­hal­ter ist die Kläge­rin auch ge­eig­net.

Die Wei­ter­beschäfti­gungsmöglich­keit auf ei­nem an­de­ren Ar­beits­platz muss für den Ar­beit­neh­mer ge­eig­net sein. Dies setzt vor­aus, dass ein frei­er ver­gleich­ba­rer (gleich­wer­ti­ger) Ar­beits­platz oder ein frei­er Ar­beits­platz zu geänder­ten (schlech­te­ren) Ar­beits­be­din­gun­gen vor­han­den ist und der Ar­beit­neh­mer über die hierfür er­for­der­li­chen Fähig­kei­ten und Kennt­nis­se verfügt. Der Ar­beit­neh­mer muss un­ter Berück­sich­ti­gung an­ge­mes­se­ner Ein­ar­bei­tungs­zei­ten den An­for­de­run­gen des neu­en Ar­beits­plat­zes ent­spre­chen. Da­bei un­ter­liegt die Ge­stal­tung des An­for­de­rungs­pro­fils für den

 

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frei­en Ar­beits­platz der le­dig­lich auf of­fen­ba­re Un­sach­lich­keit zu über­prüfen­den Un­ter­neh­mer­dis­po­si­ti­on des Ar­beit­ge­bers (ständi­ge Recht­spre­chung, zu­letzt BAG vom 05.06.2008 – 2 AZR 107/07, Ju­ris, Rn 17).

Auf der von der Be­klag­ten aus­ge­schrie­be­nen Stel­le sol­len, wie sich aus den in der Stel­len­aus­schrei­bung ge­nann­ten Auf­ga­ben und Ver­ant­wort­lich­kei­ten er­gibt, im We­sent­li­chen Buch­hal­tungs­auf­ga­ben er­le­digt wer­den, nämlich die Un­terstützung bei der Er­stel­lung von Mo­nats- und Jah­res­ab­schlüssen nach HGB, die Er­stel­lung und Vor­be­rei­tung der Steu­er­erklärun­gen und Steu­er­vor­an­mel­dun­gen al­ler Ge­sell­schaf­ten so­wie die Ana­ly­se und Be­rei­ni­gung von Sach­kon­ten und die Über­nah­me von Pro­jek­ten im Be­reich.

Dass die Kläge­rin zur Er­le­di­gung die­ser Auf­ga­ben ge­eig­net, ge­nau­er ge­sagt so­gar deut­lich über­qua­li­fi­ziert ist, er­gibt sich aus den von ihr ab­sol­vier­ten Aus­bil­dun­gen und den dafür benötig­ten Fähig­kei­ten und Kennt­nis­sen. Die Kläge­rin hat Eu­ropäische Be­triebs­wirt­schafts­leh­re stu­diert. In­halt die­ses Stu­di­ums ist, u. a. die Ver­mitt­lung von Kennt­nis­sen im Han­dels- und Steu­er­recht so­wie der Er­stel­lung von Jah­res­ab­schlüssen. Die­sem so­wie dem wei­te­ren Vor­trag der Kläge­rin zu den ihr ver­mit­tel­ten Kennt­nis­sen und Fähig­kei­ten ist die dar­le­gungs- und be­weis­be­las­te­te Be­klag­te sub­stan­ti­iert nicht ent­ge­gen­ge­tre­ten. Sie selbst hat auf die Aus­bil­dung der Kläge­rin aus­weis­lich des bei der Be­wer­bung ein­ge­reich­ten Le­bens­lau­fes ver­wie­sen (S. 13 des Schrif­sat­zes vom 10.03.2011, Bl. 37 d. A. nebst An­la­ge B 6, Bl. 58-60 d. A.) Fer­ner ist die Kläge­rin zur Prüfung zum Bi­lanz­buch­hal­ter in­ter­na­tio­nal zu­ge­las­sen wor­den, was aus­weis­lich der vor­ge­leg­ten Prüfungs­ord­nung (An­la­ge K 8, Bl. 126 d. A.) be­legt, dass sie ein er­folg­reich ab­ge­schlos­se­nes wirt­schafts-wis­sen­schaft­li­ches Stu­di­um mit dem Schwer­punkt­the­ma „Bi­lan­zen und Steu­ern“ und ei­ner Re­gel­stu­di­en­zeit von min­des­tens 6 Se­mes­tern an ei­ner nach Hoch­schul­rah­men­ge­setz an­er­kann­ten Hoch-/Fach­hoch­schu­le und außer­dem ei­ne 2-jähri­ge, ein­schlägi­ge Be­rufs­pra­xis nach­weist, die der be­ruf­li­chen Fort­bil­dung in der Bi­lanz­buch­hal­tung dien­lich ist. Da­mit verfügt die Kläge­rin über ei­ne Aus­bil­dung, die Kennt­nis­se und Fähig­kei­ten ver­mit­telt, die deut­lich über das hin­aus ge­hen, was auf der von der Be­klag­ten zu be­set­zen­den Stel­le als Buch­hal­ter Ac­coun­ting & Ta­xes er­for­der­lich ist.

 

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So­weit der Kläge­rin die im Rah­men der ge­nann­ten Aus- und Wei­ter­bil­dun­gen nicht ver­mit­tel­ten kon­kre­ten Kennt­nis­se zur Vor­nah­me ein­zel­ner Bu­chungs­vorgänge oder zur Er­stel­lung und Vor­be­rei­tung von Steu­er­erklärun­gen und Steu­er­vor­an­mel­dun­gen so­wie wei­te­re kon­kre­te Kennt­nis­se der tägli­chen Sach­ar­beit feh­len, war der Be­klag­ten ei­ne Fort­bil­dung der Kläge­rin zu­mut­bar, um den Aus­spruch der Kündi­gung zu ver­mei­den. An­ge­sichts der ab­sol­vier­ten Aus­bil­dun­gen be­ste­hen an den in­tel­lek­tu­el­len Fähig­kei­ten der Kläge­rin, sich in ein­zel­ne buch­hal­te­ri­sche Ar­beits­vorgänge ein­zu­ar­bei­ten, kei­ne Zwei­fel. Die Kam­mer geht da­von aus, dass die not­wen­di­gen Kennt­nis­se in­ner­halb ei­ner der Be­klag­ten zu­mut­ba­ren Fort­bil­dungs­zeit von al­len­falls 2 Mo­na­ten von der Kläge­rin er­wor­ben wer­den könn­ten.

Wel­che Dau­er der Fort­bil­dung dem Ar­beit­ge­ber zu­mut­bar ist, hängt von den Umständen des Ein­zel­falls ab. Da­bei war hier maßgeb­lich zu berück­sich­ti­gen, dass die Kläge­rin zum Zeit­punkt des Aus­hangs der Aus­schrei­bung, dem 07.12.2010, be­reits über ei­nen Mo­nat frei­ge­stellt war und da­mit für die Ver­mitt­lung von Kennt­nis­sen im Be­reich der Buch­hal­tung un­ein­ge­schränkt zeit­lich zur Verfügung stand. Zusätz­li­che wirt­schaft­li­che Be­las­tun­gen ent­stan­den der Be­klag­ten hier­durch nicht, da die Kläge­rin noch bis zum Ab­lauf der Kündi­gungs­frist zum 31.03.2011 be­zahlt wer­den muss­te.

Der Eig­nung der Kläge­rin für die aus­ge­schrie­be­ne Stel­le steht auch nicht ent­ge­gen, dass aus­weis­lich der Stel­len­aus­schrei­bung zu den Kom­pe­tenz­an­for­de­run­gen ei­ne „mehrjähri­ge Be­rufs­er­fah­rung in buch­hal­te­ri­schen bzw. kon­zern­rech­nungs­be­zo­ge­nen Jah­res­ab­schlusstätig­kei­ten“ ver­langt wird. Die Kläge­rin war als Lei­te­rin Con­trol­ling bei I. tätig. Die­se Tätig­keit ist oh­ne Er­fah­rung in buch­hal­te­ri­schen und kon­zern­rech­nungs­be­zo­ge­nen Jah­res­ab­schlusstätig­kei­ten nicht aus­zuüben. Die Tätig­keit des Con­trol­lers be­steht ja ge­ra­de in der Über­prüfung der Fi­nan­zen des Un­ter­neh­mens. Ent­spre­chend weist der Le­bens­lauf der Kläge­rin aus, dass sie mit der Er­stel­lung des Be­richts­we­sens in­klu­si­ve des Mo­nats- und des Jah­res­er­geb­nis­ses so­wie der be­triebs­wirt­schaft­li­chen Ana­ly­se so­wie zahl­rei­chen wei­te­ren Tätig­kei­ten mehr be­auf­tragt war, die al­le Be­rufs­er­fah­rung im von der Be­klag­ten ver­lang­ten Be­reich ver­mit­teln.

 

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c. Die Be­klag­te muss­te die Stel­le als Buch­hal­ter der Kläge­rin auch trotz de­ren nied­ri­ge­rer Do­tie­rung an­bie­ten.

Das An­ge­bot zur Wei­ter­beschäfti­gung als Buch­hal­ter hat kei­nen be­lei­di­gen­den Cha­rak­ter im Sin­ne der Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts. Die Kläge­rin hätte zwar deut­lich we­ni­ger ver­dient, nämlich nur noch ca. 3.000,00 EUR. Das al­lein reicht je­doch nicht aus, um von ei­nem Ex­trem­fall aus­zu­ge­hen. Der Kläge­rin bleibt es selbst über­las­sen zu ent­schei­den, ob sie die­ses An­ge­bot ggfs. un­ter dem Vor­be­halt sei­ner so­zia­len Recht­fer­ti­gung an­neh­men will. Zu Recht hat der Kläger-Ver­tre­ter im Be­ru­fungs­ter­min dar­auf hin­ge­wie­sen, dass die Tätig­keit als Buch­hal­ter ih­rem so­zia­len Gel­tungs­an­spruch nach kei­nen ab­wer­ten­den Cha­rak­ter hat, wie et­wa das in der Recht­spre­chung auch an­geführ­te Bei­spiel der Beschäfti­gung ei­nes Per­so­nal­lei­ters als Haus­meis­ter.

II.

Der An­trag zu 2. aus der Kla­ge ist dem­ge­genüber un­be­gründet. Die Kläge­rin kann kei­ne Wei­ter­beschäfti­gung bis zum rechts­kräfti­gen Ab­schluss die­ses Ver­fah­rens ver­lan­gen.

So­wohl der Wei­ter­beschäfti­gungs­an­spruch des Ar­beit­neh­mers nach § 102 Abs. 5 Be­trVG, als auch der all­ge­mei­ne Wei­ter­beschäfti­gungs­an­spruch, der von der Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts ent­wi­ckelt wor­den ist, en­den mit dem Aus­spruch ei­ner außer­or­dent­li­chen Kündi­gung durch den Ar­beit­ge­ber (vgl. KR, Ge­mein­schafts­kom­men­tar zum KSchG und zu sons­ti­gen kündi­gungs­schutz­recht­li­chen Vor­schrif­ten, 9. Auf­la­ge, § 102 Be­trVG, Rn 239).

Mit Zu­gang der außer­or­dent­li­chen Kündi­gung der Be­klag­ten vom 01.11.2011 ist da­her der Wei­ter­beschäfti­gungs­an­spruch der Kläge­rin er­lo­schen. Ih­re Wei­ter­beschäfti­gung kann die Kläge­rin viel­mehr im Kündi­gungs­schutz­pro­zess vor dem Ar­beits­ge­richt Elms­horn gel­tend ma­chen.

 

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III.

Die Hilfs­anträge der Kläge­rin auf Wie­der­ein­stel­lung bei der Be­klag­ten sind nicht zur Ent­schei­dung an­ge­fal­len, da sie nur für den Fall des Un­ter­lie­gens mit dem Kündi­gungs­schutz­an­trag ge­stellt wor­den sind.

IV.

Der Auflösungs­an­trag des Ar­beit­ge­bers ist zulässig aber un­be­gründet.

Der An­trag ist auch in der Be­ru­fungs­in­stanz zulässig. Gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 KSchG können Ar­beit­neh­mer und Ar­beit­ge­ber den An­trag auf Auflösung des Ar­beits­verhält­nis­ses bis zum Schluss der letz­ten münd­li­chen Ver­hand­lung in der Be­ru­fungs­in­stanz stel­len.

Der von der Kläge­rin hier­ge­gen er­ho­be­ne Ein­wand, die Umstände, die von der Be­klag­ten zur Be­gründung des Auflösungs­an­trags her­an­ge­zo­gen würden, sei­en auch Ge­gen­stand der ge­richt­li­chen Prüfung im Kündi­gungs­schutz­pro­zess, führt nicht zur Un­zulässig­keit des Auflösungs­an­trags. Ins­be­son­de­re liegt kein Fall dop­pel­ter Rechtshängig­keit vor. Ge­gen­stand des Auflösungs­an­trags ist die Fra­ge, ob auf­grund der vor­ge­tra­ge­nen Tat­sa­chen die Auflösung des Ar­beits­verhält­nis­ses ge­prüft zum Zeit­punkt der Be­ru­fungs­ver­hand­lung zu er­fol­gen hat. Im Kündi­gungs­schutz­pro­zess wird dem­ge­genüber ge­prüft, ob die vor­ge­tra­ge­nen Tat­sa­chen bei Zu­gang der Kündi­gung der wei­te­ren Fort­set­zung des Ar­beits­verhält­nis­ses ent­ge­gen ste­hen.

Der Auflösungs­an­trag ist aber un­be­gründet.

Gemäß § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG hat das Ge­richt auf An­trag des Ar­beit­ge­bers das Ar­beits­verhält­nis ge­gen Zah­lung ei­ner Ab­fin­dung auf­zulösen, wenn Gründe vor­lie­gen, die ei­ne den Be­triebs­zwe­cken dien­li­che wei­te­re Zu­sam­men­ar­beit zwi­schen Ar­beit­ge­ber und Ar­beit­neh­mer nicht er­war­ten las­sen.

Auflösungs­gründe im Sin­ne von § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG können sol­che Umstände sein, die das persönli­che zum Ar­beit­neh­mer, die Wer­tung sei­ner Persön-

 

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lich­keit, sei­ner Leis­tung oder sei­ner Eig­nung für die ihm ge­stell­ten Auf­ga­ben und sein Verhält­nis zu den übri­gen Mit­ar­bei­tern be­tref­fen. Die Gründe, die ei­ne den Be­triebs­zwe­cken dien­li­che wei­te­re Zu­sam­men­ar­beit zwi­schen den Ver­trags­part­nern nicht er­war­ten las­sen, müssen nicht im Ver­hal­ten, ins­be­son­de­re nicht im schuld­haf­ten Ver­hal­ten des Ar­beit­neh­mers lie­gen. Ent­schei­dend ist, ob die ob­jek­ti­ve La­ge die Be­sorg­nis recht­fer­tigt, dass die wei­te­re ge­deih­li­che Zu­sam­men­ar­beit mit dem Ar­beit­neh­mer gefähr­det ist. In die­sem Sin­ne als Auflösungs­grund ge­eig­net sind et­wa Be­lei­di­gun­gen, sons­ti­ge ehr­ver­let­zen­de Äußerun­gen oder persönli­che An­grif­fe des Ar­beit­neh­mers ge­gen den Ar­beit­ge­ber, Vor­ge­setz­te oder Kol­le­gen (BAG, Ur­teil vom 24.03.2011 – 2 AZR 674/09 – Ju­ris, Rn 21). An die Auflösungs­gründe sind stren­ge An­for­de­run­gen zu stel­len, da das Kündi­gungs­schutz­ge­setz vor­ran­gig ein Be­stands­schutz und kein Ab­fin­dungs­ge­setz ist (BAG, Ur­teil vom 23.06.2005 – 2 AZR 256/04 – Ju­ris, Rn 20). Der Auflösungs­an­trag ist trotz sei­ner nach § 9 Abs. 2 KSchG ge­setz­lich an­ge­ord­ne­ten Rück­wir­kung auf den Kündi­gungs­zeit­punkt in die Zu­kunft ge­rich­tet. Das Ge­richt hat ei­ne Vor­aus­schau an­zu­stel­len. Im Zeit­punkt der Ent­schei­dung über den An­trag ist zu fra­gen, ob auf­grund des Ver­hal­tens des Ar­beit­neh­mers in der Ver­gan­gen­heit in Zu­kunft noch mit ei­ner den Be­triebs­zwe­cken die­nen­den wei­te­ren Zu­sam­men­ar­beit der Par­tei­en zu rech­nen ist (BAG, a.a.O., Rn 21).

Trotz Maßgeb­lich­keit der ob­jek­ti­ven La­ge kommt es dem­nach dar­auf an, ob die Be­sorg­nis, die wei­te­re ge­deih­li­che Zu­sam­men­ar­beit mit dem Ar­beit­neh­mer sei ge­recht­fer­tigt, auf­grund ei­nes ar­beit­neh­mer­sei­ti­gen Ver­hal­tens in der Ver­gan­gen­heit für die Zu­kunft zu be­gründen ist. Dar­an fehlt es. Et­wai­ge Zwei­fel an ei­ner zukünf­ti­gen ge­deih­li­chen Zu­sam­men­ar­beit be­ru­hen vor­lie­gend nicht auf dem Ver­hal­ten der Kläge­rin, son­dern, wenn über­haupt, auf dem Ver­hal­ten der Be­klag­ten.

1. Die Be­klag­te hat die Kläge­rin bei Be­ginn ih­rer Ar­beits­auf­nah­me mit gänz­lich veränder­ten Ar­beits­umständen kon­fron­tiert: Die Kläge­rin muss­te ih­ren Mit­ar­bei­ter­aus­weis ab­ge­ben und er­hielt ei­nen Be­su­cher­aus­weis. Ihr wur­de ein, ca. 700 m von den ihr bis­her un­ter­stell­ten Mit­ar­bei­tern ent­fernt ge­le­ge­ner Büro­raum zu­ge­wie­sen, nach­dem sie zu­vor in ei­ner Ab­tei­lung mit den Mit­ar­bei­tern un­ter­ge­bracht war. Sie er­hielt zu­dem frist­ge­bun­de­ne Ar­beits­aufträge.

 

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Un­abhängig von der in Voll­stre­ckungs­ver­fah­ren strei­tig zwi­schen den Par­tei­en dis­ku­tier­ten Fra­ge, ob die­se Beschäfti­gung noch ar­beits­ver­trags­ge­recht war, ist je­den­falls fest­zu­stel­len, dass durch die­se Art, das Ar­beits­verhält­nis zu ge­stal­ten, ob­jek­tiv Druck von der Be­klag­ten auf die Kläge­rin aus­geübt wur­de, nicht et­wa um­ge­kehrt.

2. Die Be­klag­te hat die Kläge­rin nach des­sen Ar­beits­auf­nah­me am 18. April 2011 mit 7 Ab­mah­nun­gen be­dacht.

Von die­sen Ab­mah­nun­gen ist die ers­te Ab­mah­nung be­tref­fend das ver­späte­te Er­schei­nen um 9.40 Uhr un­be­gründet, weil für die Kläge­rin kei­ne Pflicht zur Ar­beits­auf­nah­me be­stand. Sie konn­te da­her auch nicht des­we­gen ab­ge­mahnt wer­den, wenn sie zu spät die Ar­beit auf­nimmt. Darüber hin­aus ist die Be­klag­ten dem Vor­brin­gen der Kläge­rin, sie ha­be von der Ar­beits­auf­for­de­rung erst am Mor­gen des 18.04.2011 Kennt­nis er­hal­ten, auch nicht mit Tat­sa­chen­vor­trag ent­ge­gen ge­tre­ten. Un­er­heb­lich ist, ob die Kläge­rin vom Ob­sie­gen in ih­rem Kündi­gungs­schutz­pro­zess wuss­te, denn das al­lein löst ei­ne Ver­pflich­tung zur Ar­beits­auf­nah­me nicht aus, so­lan­ge die Be­klag­te nicht aus­drück­lich erklärt hat, die­ses Ur­teil zu ak­zep­tie­ren, kei­ne Rechts­mit­tel ein­zu­le­gen und die Kläge­rin zur Ar­beit auf­for­dert.

Eben­falls un­wirk­sam ist die 3. Ab­mah­nung, weil die Kläge­rin nach Auf­fas­sung der Be­klag­ten kei­ne hin­rei­chen­de Tätig­keits­auf­stel­lung ein­ge­reicht hat und da­mit ei­nen Ar­beits­auf­trag nicht ord­nungs­gemäß er­le­digt hat. Da die Be­klag­te, ver­tre­ten durch Herrn Y., nicht de­fi­niert hat, in wel­cher Form die Tätig­keits­be­schei­ni­gung zu er­stel­len sei, ins­be­son­de­re wie ausführ­lich und weil vor al­lem nach dem In­halt der Stel­len­be­schrei­bung der Kläge­rin (An­la­ge B 3, Bl. 55 d. A.) gar nicht er­sicht­lich ist, wel­che wei­te­ren An­ga­ben die Be­klag­te von der Kläge­rin ha­be woll­te, ist nicht zu er­ken­nen, war­um die Kläge­rin durch die von ihr er­stell­te Auf­stel­lung ih­re Pflich­ten ver­letzt ha­ben soll­te. Zum da­ma­li­gen Zeit­punkt, 18.04.2011, nach ge­ra­de ab­ge­schlos­se­nem Kündi­gungs­schutz­ver­fah­ren ers­ter In­stanz wa­ren die Tätig­kei­ten, die der Kläge­rin über­tra­gen wa­ren, un­strei­tig. Strei­tig wa­ren in­so­weit al­lein die von der Kläge­rin wahr­ge­nom­me­nen Zeit­an­tei­le. Hier­zu hat­te die Kläge­rin aber in ih­ren Schriftsätzen be­reits aus­rei­chen­de An­ga­ben ge­macht, so dass nicht er­sicht­lich ist, was durch den wei­te-

 

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ren Ar­beits­auf­trag ei­gent­lich von der Be­klag­ten er­reicht wer­den soll­te und mit wel­chem In­halt des­we­gen die Tätig­keits­be­schrei­bung ab­ge­ge­ben wer­den soll­te.

Fer­ner un­wirk­sam war die 4. Ab­mah­nung der Kläge­rin, in der die­ser vor­ge­hal­ten wird, sie ha­be kei­ne An­ga­ben zur vor­aus­sicht­li­chen Dau­er ih­rer Ar­beits­unfähig­keit ge­macht. Die Kläge­rin ha­be, so die Be­klag­te, je­den­falls an­ge­ben müssen, dass sie am nächs­ten Tag zum Arzt ge­he. Es er­sch­ließt sich für das Ge­richt nicht, in­wie­weit die Kläge­rin durch die An­ga­be, sie ge­he am nächs­ten Tag zum Arzt, den An­for­de­run­gen der Be­klag­ten an ih­re Ar­beits­unfähig­keits­mel­dung nach­ge­kom­men wäre. Auch dann hätte die Kläge­rin nichts über die vor­aus­sicht­li­che Dau­er ih­rer Ar­beits­unfähig­keit ge­sagt. Ent­schei­dend ist, dass die Kläge­rin im Zeit­punkt ih­rer Krank­mel­dung am 19.04.2011 noch nicht ab­se­hen konn­te, ob und für wie lan­ge sie ar­beits­unfähig ge­schrie­ben wird.

Sch­ließlich un­wirk­sam ist die 5. Ab­mah­nung der Kläge­rin we­gen der Nich­ter­le­di­gung der Auf­stel­lun­gen zum han­dels­bi­lan­zi­el­len Ab­schluss. Ein vor­werf­ba­res Ver­hal­ten kann die Be­ru­fungs­kam­mer bei der Kläge­rin nicht er­ken­nen. Un­strei­tig wa­ren die Ar­beits­aufträge vom 18.04. mit Fris­ten zur Er­le­di­gung für den nächs­ten Tag vor­ge­se­hen. Da­mit durf­te die Kläge­rin da­von aus­ge­hen, dass die­se Ar­beits­aufträge bei Wie­der­an­tritt ih­rer Ar­beit im Au­gust 2011 er­le­digt wa­ren. Es hätte hier ei­ner neu­en An­wei­sung der Be­klag­ten be­durft, ins­be­son­de­re weil der hier in Re­de ste­hen­de han­dels­bi­lan­zi­el­le Ab­schluss un­strei­tig be­reits im Ju­ni 2011 fer­tig­ge­stellt war. So weist auch der Ar­beits­auf­trag von Herrn Y. (Bl. 506 d. A.) aus, dass „um den han­dels­bi­lan­zi­el­len Ab­schluss zu er­stel­len“ ei­ni­ge Auf­stel­lun­gen fehl­ten und die­se bis zum nächs­ten Abend 17.00 Uhr er­stellt sein soll­ten. Dass die­se Auf­stel­lun­gen für den Jah­res­ab­schluss, der im Ju­ni 2011 be­reits er­stellt war, im Au­gust 2011 noch fehl­ten und des­we­gen der Ar­beits­auf­trag noch ak­tu­ell war, war für die Kläge­rin nicht zu er­ken­nen.

Als Pflicht­ver­let­zung zu be­wer­ten ist es nach Auf­fas­sung des Ge­richts al­ler­dings, dass die Kläge­rin bei An­tritt der Ar­beit am 18.04.2011 die in ih­rem Be­sitz sich be­fin­den­den Ar­beits­mit­tel, na­ment­lich den Lap­top, nicht zur Ar­beit mit­ge­bracht hat­te. In­so­fern ist das Ge­richt auch der Auf­fas­sung, dass es kei­ner aus­drück­li­chen Ar­beitsan-

 

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wei­sung des Ar­beit­ge­bers be­darf, dass zur Ar­beit benötig­te Mit­tel bei Ar­beits­auf­nah­me mit­zu­brin­gen sind. Die­se Pflicht­ver­let­zung der Kläge­rin recht­fer­tigt aber auch nicht im An­satz die An­nah­me, ei­ne wei­te­re ge­deih­li­che Zu­sam­men­ar­beit der Par­tei­en sei nicht möglich. Viel­mehr ist auch hier ob­jek­tiv nur der Schluss zu zie­hen, dass ei¬ne Be­las­tung des Ar­beits­verhält­nis­ses durch zahl­rei­che un­wirk­sa­me Ab­mah­nun­gen in kur­zer Zeit von der Be­klag­ten aus­geht.

3. Die wei­te­ren Ab­mah­nun­gen vom 06.09.2011 we­gen Nich­ter­stel­lung ei­ner Präsen­ta­ti­on und vom 10.10.2011 we­gen der feh­len­den Be­rech­nung der Steu­er­last hält das Ge­richt im Hin­blick auf die be­gehr­te Auflösung des Ar­beits­verhält­nis­ses für un­er­gie­big. Glei­ches gilt für den zur Kündi­gung her­an­ge­zo­ge­nen Vor­wurf, ei­nen Ar­beits­auf­trag vom 11.10.2011 nicht ord­nungs­gemäß er­le­digt zu ha­ben. Die Kläge­rin hat in die­sen drei Fällen be­gründet aus­geführt, sie sei zur Er­le­di­gung die­ser Ar­bei­ten in der vor­ge­ge­be­nen Zeit nicht in der La­ge, was je­den­falls nicht dafür spricht, dass ei­ne wei­te­re ge­deih­li­che Zu­sam­men­ar­beit der Par­tei­en an­ge­sichts des nach der Recht­spre­chung des BAG zu­grun­de zu le­gen­den stren­gen Maßstabs nicht möglich ist. Hier hätte es im Hin­blick auf die Ar­bei­ten zur Be­rech­nung der Steu­er­last und dem Ar­beits­auf­trag vom 11.10.2010, die von der Kläge­rin un­strei­tig zu­vor nicht selbst aus­geführt wor­den sind, die Möglich­keit ei­ner Ein­wei­sung / nähe­ren Erläute­rung der Tätig­keit ge­ge­ben , oh­ne dass dies zu ei­ner un­zu­mut­ba­ren Be­las­tung des Ar­beits­verhält­nis­ses durch die Kläge­rin geführt hätte.

4. Sch­ließlich hat die Be­klag­te auch nicht aus­rei­chend dar­ge­legt, dass bei ihr zu Recht ein be­gründe­ter Ver­dacht auf Vortäuschen von Ar­beits­unfähig­keits­zei­ten durch die Kläge­rin be­steht und die­ser ei­ner wei­te­ren Zu­sam­men­ar­beit ent­ge­gen­steht.

Für ih­re Ar­beits­unfähig­keits­zei­ten hat die Kläge­rin mit Aus­nah­me des 19.04.2011 ei­ne Ar­beits­unfähig­keits­be­schei­ni­gung vor­ge­legt. Für den 19.04.2011 selbst fehlt ei­ne sol­che Be­schei­ni­gung, weil die Kläge­rin an dem Tag noch ge­ar­bei­tet hat und erst am fol­gen­den Tag den Arzt auf­such­te. Die­ser schrieb sie dann ar­beits­unfähig. Ein Ver­dacht, die Ar­beits­unfähig­keit am 19.04. sei vor­getäuscht, lässt sich hier­durch nicht sub­stan­ti­iert be­gründen.

 

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Dass die Kläge­rin zwei ver­schie­de­ne Ärz­te auf­ge­sucht hat, ist an­ge­sichts des Um­stan­des, dass sie in meh­re­ren Zeiträum­en ar­beits­unfähig er­krankt war, nämlich vom 19.04. bis zum 05.06.2010, vom 24.06. bis 11.08. so­wie vom 05.09. bis 07.09.2011 und ab dem 17.10. bis zum 21.10.2011, nicht wei­ter über­ra­schend oder Ver­dacht er­re­gend. Außer­dem hat die Kläge­rin durch Vor­la­ge der Ko­pie der Ar­beits­unfähig­keits­be­schei­ni­gung (An­la­ge KB 6, Bl. 690 d. A.) be­legt, dass sie ab 24.06.2011 we­gen ei­nes Band­schei­ben­lei­dens er­krankt war.

Rich­tig ist der Ein­wand der Be­klag­ten, dass wei­te­re Ar­beits­unfähig­keits­mel­dun­gen der Kläge­rin im Zu­sam­men­hang mit der be­vor­ste­hen­den Er­le­di­gung von Ar­beits­aufträgen zu­sam­men fie­len, so am 05.09. oder auch 17.10.2011. Da der Kläge­rin aber durch­ge­hend Ar­beits­aufträge zur kurz­fris­ti­gen Er­le­di­gung mit vor­ge­ge­be­nen Fris­ten ge­setzt wa­ren, über­rascht es nicht, dass ei­ne Ar­beits­unfähig­keits­zeit mit der Er­le­di­gung ei­nes Ar­beits­auf­trags kol­li­dier­te. Ein Ver­dacht, die Ar­beits­unfähig­keits­zei­ten sei­en vor­getäuscht , ist hin­rei­chend nicht be­legt.

Ein­zig auffällig aus Sicht des Ge­richts ist, dass die Kläge­rin tatsächlich zum 12.08.2011, dem Tag des Frist­ab­laufs für ei­ne vom Ar­beits­ge­richt ge­setz­te Stel­lung­nah­me, wie­der ge­sun­de­te. Al­lein die­ser Um­stand recht­fer­tigt den Ver­dacht ei­ner vor­getäusch­ten Ar­beits­unfähig­keit für die Zeit zu­vor nicht.

V.

Die Kos­ten­ent­schei­dung be­ruht auf § 92 Abs. 1 ZPO. Gründe für die Zu­las­sung der Re­vi­si­on sind nicht er­sicht­lich.

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