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ArbG Stutt­gart, Ur­teil vom 16.08.2011, 6 Ca 8203/10

   
Schlagworte: Wiedereinstellung, Terrorismus
   
Gericht: Arbeitsgericht Stuttgart
Aktenzeichen: 6 Ca 8203/10
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 16.08.2011
   
Leitsätze:
Vorinstanzen:
   

Ar­beits­ge­richt Stutt­gart

Ak­ten­zei­chen: 6 Ca 8203/10

Ur­teil vom 16.08.2011

  1. Die Be­klag­te wird ver­ur­teilt, dem Kläger ei­ne Wie­der­ein­stel­lungs­zu­sa­ge ent­spre­chend der Zu­sa­ge vom 11.04.2008 zu er­tei­len.
  2. Im Übri­gen wird die Kla­ge ab­ge­wie­sen.
  3. Von den Kos­ten des Rechts­streits hat die Be­klag­te 29 %, der Kläger 71 % zu tra­gen.
  4. Der Streit­wert wird auf 10.500,- € fest­ge­setzt.
  5. So­weit die Be­ru­fung nicht be­reits kraft Ge­set­zes statt­haft ist, wird sie nicht zu­ge­las­sen.

Tat­be­stand

Die Par­tei­en strei­ten über die vom Kläger be­gehr­te Wie­der­ein­stel­lung und Beschäfti­gung
Der am 00.00.1978 ge­bo­re­ne Kläger trat zum 16.08.1993 als Aus­zu­bil­den­der bei der Be­klag­ten ein. Er schied auf­grund ei­ner Aus­schei­dens­ver­ein­ba­rung mit Wie­der­ein­stel­lungs­zu­sa­ge zum 31.12.1996 aus und wur­de mit Wir­kung zum 02.09.1999 wie­der als Mon­tie­rer ein­ge­stellt. Am 05.07.2007 ver­ein­bar­ten die Par­tei­en auf Wunsch des Klägers ei­ne er­neu­te Aus­schei­dens­re­ge­lung mit Wie­der­ein­stel­lungs­zu­sa­ge (An­la­ge B3, Blatt 52, 53 der Ak­te). Dem per E-Mail am 09.04.2008 geäußer­ten Wunsch des Klägers um ei­ne Verlänge­rung der Wie­der­ein­stel­lungs­zu­sa­ge bis 30.11.2010 kam die Be­klag­te mit Schrei­ben vom 11.04.2008 nach (An­la­ge zur Kla­ge­schrift, Blatt 13 der Ak­te). Am 06.02.2009 wur­de der Kläger we­gen der Un­terstützung ei­ner ausländi­schen ter­ro­ris­ti­schen Ver­ei­ni­gung (A.-Q.) fest­ge­nom­men und am 19.07.2010 vom OLG Ko­blenz we­gen Un­terstützung ei­ner ter­ro­ris­ti­schen Ver­ei­ni­gung im Aus­land in 2 Fällen zu ei­ner Ge­samt­frei­heits­stra­fe von 2 Jah­ren und 6 Mo­na­ten ver­ur­teilt. Die­ses Ur­teil ist mitt­ler­wei­le rechts­kräftig. Mit Schrei­ben vom 11.04.2010, bei der Be­klag­ten am 05.05.2010 ein­ge­gan­gen, mach­te der Kläger von der Wie­der­ein­stel­lungs­zu­sa­ge Ge­brauch. Die Be­klag­te teil­te mit Schrei­ben vom 18.06.2010 mit, dass sie der­zeit kei­ne Möglich­keit se­he, ihm ei­nen neu­en Ar­beits­ver­trag an­zu­bie­ten und erklärte (vor­sorg­lich) den Wi­der­ruf der Wie­der­ein­stel­lungs­zu­sa­ge (An­la­ge zur Kla­ge­schrift Blatt 12 der Ak­te). Mit sei­ner am 09.07.2010 beim Ar­beits­ge­richt Stutt­gart ein­ge­reich­ten Kla­ge­schrift mach­te der Kläger sei­ne Wie­der­ein­stel­lung und Beschäfti­gung ge­richt­lich gel­tend. 
Der Kläger trägt im We­sent­li­chen vor, die Be­klag­te sei auf­grund der Wie­der­ein­stel­lungs­zu­sa­ge ver­pflich­tet, ihm ei­nen neu­en Ar­beits­ver­trag an­zu­bie­ten. 
Der Kläger be­an­tragt zu­letzt:
1. Es wird fest­ge­stellt, dass der Kläger in das Ar­beits­verhält­nis des Klägers vom 02.09.1999 auf­grund Wie­der­ein­stel­lungs­zu­sa­ge vom 11.04.2008 zum 01.12.2010 wie­der in das Un­ter­neh­men der Be­klag­ten auf­zu­neh­men ist.

2. Die Be­klag­te wird ver­ur­teilt, dem Kläger ei­ne Wie­der­ein­stel­lungs­zu­sa­ge ent­spre­chend der Zu­sa­ge vom 11.04.2008 zu er­tei­len.

3. Es wird fest­ge­stellt, dass das Ar­beits­verhält­nis des Klägers vom 02.09.1999 nicht durch an­de­re Be­en­di­gungs­tat­bestände en­det, son­dern zu un­veränder­ten Be­din­gun­gen zum 01.12.2010 wie­der auf­ge­nom­men wird. Die Be­klag­te wird ver­ur­teilt, den Kläger zu un­veränder­ten Ar­beits­be­din­gun­gen ab 01.07.2011 wei­ter zu beschäfti­gen.
4. Es wird fest­ge­stellt, dass der Wi­der­ruf der Wie­der­ein­stel­lungs­zu­sa­ge vom 18.06.2010 un­rechtmäßig und rechts­wid­rig er­folgt ist und da­her aus den Per­so­nal­ak­ten zu ent­fer­nen ist, und dass die Wie­der­ein­stel­lungs­zu­sa­ge vom 11.04.2008 wei­ter­hin fort­be­steht.
Die Be­klag­te be­an­tragt,
die Kla­ge ab­zu­wei­sen.
Sie hat im We­sent­li­chen vor­ge­tra­gen, das Kla­ge­be­geh­ren des Klägers sei rechts­miss­bräuch­lich. Sie sei auf­grund der Ver­ord­nun­gen der eu­ropäischen Uni­on (EG) Nr. 2580/2001 und Nr. 881/2002 ge­hin­dert, dem Kläger ei­nen Ar­beits­ver­trag an­zu­bie­ten, da sie sonst ge­gen das Be­reit­stel­lungs­ver­bot ver­s­toßen und sich gemäß § 34 Abs. 4 Nr. 2 Außen­wirt­schafts­ge­setz (AWG) straf­bar ma­chen würde. Durch die Beschäfti­gung des Klägers würde sie ge­gen das Be­reit­stel­lungs­ver­bot der auf­geführ­ten Vor­schrif­ten ver­s­toßen, was den Straf­tat­be­stand des § 34 Abs. 4 Nr. 4 AWG ver­wirk­li­chen würde. Auf­grund der Ver­bin­dun­gen des Klägers zur A.-Q. bestünde die kon­kre­te Ge­fahr, dass der Kläger bei ihr, der Be­klag­ten selbst, ei­nen Sa­bo­ta­ge­akt pla­nen oder ei­ner Ter­ror­ein­rich­tung ent­spre­chen­de In­for­ma­tio­nen zur Pla­nung ei­nes der­ar­ti­gen An­schla­ges zur Verfügung stel­len könn­te. Ei­ne Wie­der­ein­stel­lung des Klägers würde auch zu ei­ner er­heb­li­chen Un­ru­he und Störung des Be­triebs­frie­dens führen.
Der Kläger hat im We­sent­li­chen er­wi­dert, die auf­geführ­ten EG-Nor­men sei­en ver­fas­sungs- bzw. eu­ro­pa­rechts­wid­rig. Er tau­che in kei­ner Auf­lis­tung auf und sei auch nicht na­ment­lich ge­nannt, so dass die Be­klag­te sich nicht straf­bar ma­chen würde. Er dis­tan­zie­re sich von A.-Q., an­de­ren Ter­ror­or­ga­ni­sa­tio­nen oder de­ren Ter­ror­ak­ten; von ihm gin­ge kei­ne höhe­re Ge­fahr aus als von an­de­ren Mit­ar­bei­tern.
We­gen des wei­te­ren Vor­trags der Par­tei­en wird auf die ge­wech­sel­ten Schriftsätze nebst An­la­gen und das Pro­to­koll der münd­li­chen Ver­hand­lung Be­zug ge­nom­men.

Ent­schei­dungs­gründe

I. 

Die Kla­ge hat hin­sicht­lich An­trag Nr. 2 Er­folg und war im Übri­gen ab­zu­wei­sen. 
1. An­trag Nr. 2 ist zulässig, ins­be­son­de­re kon­kret auf die Ab­ga­be ei­ner Wil­lens­erklärung ent­spre­chend der von der Be­klag­ten (verlänger­ten) Wie­der­ein­stel­lungs­zu­sa­ge ge­rich­tet. Nach dem In­halt der Ver­ein­ba­rung über ein Sab­ba­ti­cal vom No­vem­ber 2007, hier Nr. 3 2. Ab­satz, ist ei­ne Ver­pflich­tung des Ar­beit­ge­bers zur Un­ter­brei­tung ei­nes ent­spre­chen­den An­ge­bo­tes zum Ab­schluss ei­nes Ar­beits­ver­tra­ges vor­ge­se­hen. Gründe, die die Be­klag­te be­rech­ti­gen, die ver­trag­li­che Ver­ein­ba­rung in­so­weit nicht zu erfüllen, lie­gen nach Auf­fas­sung der Kam­mer nicht vor, ins­be­son­de­re ist das Be­geh­ren des Klägers auch nicht rechts­miss­bräuch­lich. Die der straf­ge­richt­li­chen Ver­ur­tei­lung zu­grun­de lie­gen­den Ta­ten ha­ben kei­nen Be­zug zum Ar­beits­verhält­nis, wes­halb die Be­klag­te Rechts­miss­brauch sei­tens des Klägers nicht ein­wen­den kann. Zu­dem ist die Frei­heits­stra­fe zum Zeit­punkt der münd­li­chen Ver­hand­lung zum größten Teil verbüßt ge­we­sen. Die Be­klag­te würde sich durch das An­ge­bot des Ab­schlus­ses ei­nes er­neu­ten Ar­beits­verhält­nis­ses mit dem Kläger nach Auf­fas­sung der Kam­mer auch nicht straf­bar ma­chen. Un­abhängig von der Rechts­wirk­sam­keit der auf­geführ­ten Nor­men hat sie nicht dar­ge­legt, dass der Kläger in ei­ner ent­spre­chen­den Lis­tung auf­geführt ist. Dass der Kläger bei Wie­der­ein­tritt in das Un­ter­neh­men der Be­klag­ten ei­ne ge­genüber an­de­ren Ar­beit­neh­mern be­son­ders her­aus­ge­ho­be­ne Ge­fahr für die Si­cher­heit dar­stel­len könn­te, ist ins­be­son­de­re un­ter Berück­sich­ti­gung sei­nes Auf­ga­ben­be­rei­ches eben­falls nicht nach­voll­zieh­bar. Der Kläger kann da­her die Ab­ga­be ei­nes Ar­beits­ver­trags­an­ge­bo­tes durch die Be­klag­te ver­lan­gen. Nach § 894 ZPO gilt ei­ne der­ar­ti­ge Wil­lens­erklärung erst mit Rechts­kraft des Ur­teils als ab­ge­ge­ben; ei­ne rück­wir­ken­de Ein­stel­lung be­zo­gen auf den ver­trag­lich vor­ge­se­he­nen Zeit­punkt hat der Kläger nicht ver­langt. 

2. An­trag Zif­fer 1 ist zwar zulässig, je­doch un­be­gründet, nach­dem ein Fest­stel­lungs­in­ter­es­se des Klägers we­gen Vor­rangs der Leis­tungs­kla­ge (sie­he oben) nicht ge­ge­ben ist.

3. An­trag Nr. 3 ist zulässig, je­doch nicht be­gründet. Das zwi­schen den Par­tei­en be­ste­hen­de Ar­beits­verhält­nis hat durch die Ver­ein­ba­rung des Sab­ba­ti­cals vom No­vem­ber 2007 ein­ver­nehm­lich ge­en­det. Ent­spre­chend der ver­trag­li­chen Ver­ein­ba­rung be­darf es ei­nes neu­en Ver­trags­schlus­ses zur Fort­set­zung des Ar­beits­verhält­nis­ses.

So­weit der Kläger sei­ne Wei­ter­beschäfti­gung (rich­tig wohl: Beschäfti­gung) ab 01.07.2011 be­gehrt, war die Kla­ge eben­falls ab­zu­wei­sen, da der Beschäfti­gungs­an­spruch ein be­ste­hen­des Ar­beits­verhält­nis vor­aus­setzt; ein sol­ches wird je­doch erst durch Ab­ga­be zwei­er übe­rein­stim­men­der Wil­lens­erklärun­gen be­gründet; die Wil­lens­erklärung der Be­klag­ten gilt erst mit Rechts­kraft des Ur­teils als ab­ge­ge­ben.

An­trag Nr. 4 ist zulässig, je­doch un­be­gründet. Ein ge­son­der­tes Fest­stel­lungs­in­ter­es­se war an­ge­sichts der Möglich­keit der Leis­tungs­kla­ge (sie­he An­trag Nr. 2) nicht ge­ge­ben.

II.

Die Kos­ten­ent­schei­dung be­ruht auf § 92 Abs. 1 ZPO, die Par­tei­en ha­ben die Kos­ten des Rechts­streits im Verhält­nis des je­wei­li­gen Un­ter­lie­gens zu tra­gen. Die Fest­set­zung des Rechts­mit­tel­streit­werts be­ruht dem Grun­de nach auf § 61 Abs. 1 ArbGG, der Höhe nach auf § 3 ff. ZPO. Ei­ne ge­son­der­te Be­ru­fungs­zu­las­sung war nicht ver­an­lasst.

 

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