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BAG, Ur­teil vom 12.03.2008, 10 AZR 152/07

   
Schlagworte: Ausschlussklausel, AGB-Kontrolle
   
Gericht: Bundesarbeitsgericht
Aktenzeichen: 10 AZR 152/07
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 12.03.2008
   
Leitsätze:
Vorinstanzen: Arbeitsgericht Köln, Urteil vom 25.07.2006, 11 Ca 2180/06
Landesarbeitsgericht Köln, Urteil vom 16.01.2007, 9 Sa 1011/06
   


BUN­DES­AR­BEITS­GERICHT


10 AZR 152/07
9 Sa 1011/06
Lan­des­ar­beits­ge­richt

Köln

 

Im Na­men des Vol­kes!

Verkündet am

12. März 2008

UR­TEIL

Jatz, Ur­kunds­be­am­tin

der Geschäfts­stel­le

In Sa­chen

 

Kläger, Be­ru­fungskläger und Re­vi­si­onskläger,

pp.

Be­klag­te, Be­ru­fungs­be­klag­te und Re­vi­si­ons­be­klag­te,


 

hat der Zehn­te Se­nat des Bun­des­ar­beits­ge­richts auf­grund der münd­li­chen Ver­hand­lung vom 12. März 2008 durch den Vor­sit­zen­den Rich­ter am Bun­des­ar­beits­ge­richt Dr. Frei­tag, die Rich­te­rin am Bun­des­ar­beits­ge­richt Mar­quardt,



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den Rich­ter am Bun­des­ar­beits­ge­richt Dr. Brühler so­wie den eh­ren­amt­li­chen Rich­ter Hu­ber und die eh­ren­amt­li­che Rich­te­rin Alex für Recht er­kannt:


1. Die Re­vi­si­on des Klägers ge­gen das Ur­teil des Lan­des­ar­beits­ge­richts Köln vom 16. Ja­nu­ar 2007 - 9 Sa 1011/06 - wird zurück­ge­wie­sen.


2. Der Kläger hat die Kos­ten der Re­vi­si­on zu tra­gen.


Von Rechts we­gen!


Tat­be­stand


Die Par­tei­en strei­ten darüber, ob Prämi­en­ansprüche des Klägers aus dem Jahr 2004 ver­fal­len sind.


Der im Jahr 1953 ge­bo­re­ne Kläger war bei der Be­klag­ten vom 1. Sep­tem­ber 2002 bis zum 30. April 2006 als Geschäfts­lei­ter zu ei­nem mo­nat­li­chen Ge­halt iHv. 4.600,00 Eu­ro brut­to beschäftigt. Der For­mu­lar-Ar­beits­ver­trag vom 3. Ju­li 2002 ent­hielt ua. fol­gen­de Re­ge­lung:


„17. Ver­fall­klau­sel


Al­le bei­der­sei­ti­gen Ansprüche aus dem Ar­beits­ver­trag und sol­che, die mit dem Ar­beits­ver­trag in Ver­bin­dung ste­hen, ver­fal­len, wenn sie nicht in­ner­halb von drei Mo­na­ten nach Fällig­keit ge­genüber der an­de­ren Ver­trags­par­tei schrift­lich er­ho­ben wer­den. Lehnt die Ge­gen­par­tei den An­spruch ab oder erklärt sie sich nicht in­ner­halb von zwei Wo­chen nach der Gel­tend­ma­chung des An­spru­ches, so verfällt die­ser, wenn er nicht in­ner­halb ei­nes Mo­nats nach Ab­leh­nung oder Frist­ab­lauf ge­richt­lich gel­tend ge­macht wird.“


Un­ter dem 17. De­zem­ber 2003 ver­ein­bar­ten die Par­tei­en ei­ne Prämi­en­re­ge­lung, nach de­ren nähe­rer Maßga­be der Kläger ei­ne vier­teljähr­li­che Um­satz­prämie so­wie ei­ne Jah­res­prämie er­rei­chen konn­te. Sie ent­hielt ua. fol­gen­de Be­stim­mung:



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„5. Sons­ti­ges ...


Re­kla­ma­tio­nen des Prämien­empfängers müssen in­ner-halb von 4 Wo­chen nach Fest­stel­lung der Prämi­enhöhe bzw. Zah­lung er­fol­gen. Da­nach gilt die Prämie als rich­tig an­er­kannt.“


Der Kläger hat die Vor­aus­set­zun­gen der Um­satz­prämie für das vier­te Quar­tal 2004 iHv. 4.500,00 Eu­ro erfüllt. Die Be­klag­te hat mit der Ab­rech­nung für Ja­nu­ar 2005 da­von 2.250,00 Eu­ro brut­to ge­zahlt. Außer­dem hat der Kläger die Vor­aus­set­zun­gen der Jah­res­prämie für das Jahr 2004 iHv. 20.000,00 Eu­ro brut­to erfüllt. Da­von hat die Be­klag­te mit der Ab­rech­nung für April 2005 10.000,00 Eu­ro brut­to ge­zahlt.


Die Zah­lung der rest­li­chen Prämi­en hat der Kläger nicht bin­nen drei Mo­na­ten nach Fällig­keit der Um­satz­prämie im Ja­nu­ar 2005 und der Jah­res­prämie im April 2005 schrift­lich ver­langt. Erst mit der am 15. März 2006 beim Ar­beits­ge­richt ein­ge­gan­ge­nen Kla­ge ge­gen die Kündi­gung der Be­klag­ten vom 22. Fe­bru­ar 2006 hat der Kläger auch Zah­lung der of­fe­nen Prämi­en be­gehrt.


Der Kläger hat die Auf­fas­sung ver­tre­ten, sei­ne Prämi­en­ansprüche sei­en nicht ver­fal­len. Die zwei­stu­fi­ge Ver­fall­klau­sel in Ziff. 17 des Ar­beits­ver­tra­ges sei ins­ge­samt un­wirk­sam. Sie sei in­halt­lich un­teil­bar, weil die zwei­te Stu­fe auf der ers­ten Stu­fe auf­baue. Die Un­wirk­sam­keit der zwei­ten Stu­fe der Ver­fall­klau­sel führe da­her zur Un­wirk­sam­keit der Ver­fall­fris­ten­re­ge­lung ins­ge­samt. Die Ver­fall­klau­sel ver­s­toße auch ge­gen das Trans­pa­renz­ge­bot, weil sie hin­sicht­lich der Ansprüche auf Prämi­en­zah­lun­gen mit der be­son­de­ren Re­ge­lung un­ter Ziff. 5 Abs. 4 der Prämi­en­ver­ein­ba­rung kol­li­die­re.


Der Kläger hat be­an­tragt,


die Be­klag­te zu ver­ur­tei­len, an ihn 12.250,00 Eu­ro nebst Zin­sen iHv. 5 Pro­zent­punk­ten über dem Ba­sis­zins­satz aus 2.250,00 Eu­ro seit dem 15. Ja­nu­ar 2005 und aus 10.000,00 Eu­ro seit dem 1. Mai 2005 zu zah­len.


Die Be­klag­te hat zu ih­rem Kla­ge­ab­wei­sungs­an­trag die Auf­fas­sung ver­tre­ten, der Prämi­en­an­spruch des Klägers sei ver­fal­len, weil er die ers­te Stu­fe



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der Aus­schluss­frist nicht ge­wahrt ha­be. Die Un­wirk­sam­keit der zwei­ten Stu­fe er­fas­se nicht die Ver­fall­klau­sel ins­ge­samt. Die Tren­nung bei­der Stu­fen der dop­pel­ten Aus­schluss­klau­sel sei nach In­halt und Satz­stel­lung möglich. Die ers­te Stu­fe be­hal­te auch oh­ne die un­wirk­sa­me zwei­te Stu­fe ih­ren Sinn und sei aus sich her­aus verständ­lich. Die Ver­fall­klau­sel im Ar­beits­ver­trag kol­li­die­re auch nicht mit der Prämi­en­ver­ein­ba­rung.


Ar­beits­ge­richt und Lan­des­ar­beits­ge­richt ha­ben die Kla­ge ab­ge­wie­sen. Mit der Re­vi­si­on ver­folgt der Kläger sei­nen Kla­ge­an­trag wei­ter. Die Be­klag­te be­an­tragt, die Re­vi­si­on des Klägers zurück­zu­wei­sen.


Ent­schei­dungs­gründe

 

Die Re­vi­si­on ist un­be­gründet. Der Prämi­en­an­spruch des Klägers aus dem Jahr 2004 ist ver­fal­len.


I. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat an­ge­nom­men, der An­spruch des Klägers auf Zah­lung der Prämi­en sei zwar ent­stan­den, sei­ne Gel­tend­ma­chung sei auch nicht nach Ziff. 5 Abs. 4 der Prämi­en­re­ge­lung aus­ge­schlos­sen, er sei je­doch nach Ziff. 17 Satz 1 des Ar­beits­ver­tra­ges ver­fal­len, weil der Kläger nicht bin­nen drei Mo­na­ten nach Fällig­keit den je­wei­li­gen Dif­fe­renz­be­trag schrift­lich ge­genüber der Be­klag­ten gel­tend ge­macht ha­be. Die ver­trag­lich ver­ein­bar­te ers­te Stu­fe der Ver­fall­klau­sel sei rechts­wirk­sam. Ei­ne der­ar­ti­ge Aus­schluss­frist könne in ei­nem For­mu­lar­ar­beits­ver­trag ver­ein­bart wer­den. Sie sei we­der über­ra­schend noch un­gewöhn­lich iSd. § 305c BGB. Sie hal­te auch ei­ner In­halts­kon­trol­le nach § 307 Abs. 1 Satz 1 iVm. Abs. 2 Nr. 1 BGB stand. Ei­ne sol­che Aus­schluss­frist be­nach­tei­li­ge den Ar­beit­neh­mer nach der Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts (28. Sep­tem­ber 2005 - 5 AZR 52/05 - BA­GE 116, 66) nicht un­an­ge­mes­sen.


Die Re­ge­lung ver­s­toße auch nicht ge­gen das Trans­pa­renz­ge­bot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB, denn sie wei­se aus­drück­lich dar­auf hin, dass die Ansprüche bei un­ter­las­se­ner schrift­li­cher Gel­tend­ma­chung ver­fal­len. Sie wer­de



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auch nicht we­gen des Ne­ben­ein­an­ders der ar­beits­ver­trag­li­chen Aus­schluss­frist und Ziff. 5 Abs. 4 der Prämi­en­ver­ein­ba­rung in­trans­pa­rent. Die Re­ge­lun­gen hätten ei­nen un­ter­schied­li­chen In­halt. In der Prämi­en­ver­ein­ba­rung ge­he es aus­sch­ließlich um die Be­rech­nung der Prämie, während die Aus­schluss­frist ei­ne schrift­li­che Gel­tend­ma­chung ver­lan­ge, wenn die Prämie nicht ge­zahlt wer­de.


Die zwei­te Stu­fe der Aus­schluss­klau­sel sei zwar un­wirk­sam, dies er­fas­se aber nicht die ge­sam­te Ver­fall­re­ge­lung. Sie sei aus sich her­aus verständ­lich und las­se sich sinn­voll in ei­nen zulässi­gen Re­ge­lungs­teil (ers­te Stu­fe) und ei­nen un­zulässi­gen (zwei­te Stu­fe) tren­nen. Ei­ne Be­stim­mung sei sprach­lich ab­trenn­bar, wenn der un­wirk­sa­me Teil der Ver­trags­be­stim­mung ge­stri­chen wer­den könne, oh­ne dass der Sinn der rest­li­chen Klau­sel dar­un­ter lei­de (sog. blue-pen­cil-test). Dies kol­li­die­re nicht mit dem Ver­bot der gel­tungs­er­hal­ten­den Re­duk­ti­on, weil nicht das Ge­richt ei­ne Klau­sel von sich aus auf das zulässi­ge Maß re­du­zie­re, son­dern ei­ne sprach­lich und in­halt­lich teil­ba­re Klau­sel oh­ne ih­ren un­zulässi­gen Be­stand­teil mit ih­rem zulässi­gen In­halt auf­recht­er­hal­ten wer­de.


II. Die­se Ausführun­gen hal­ten den An­grif­fen der Re­vi­si­on stand. Die dem Grun­de und der Höhe nach ursprüng­lich be­gründe­ten Prämi­en­ansprüche sind er­lo­schen.


1. Die Ansprüche des Klägers sind nach Ziff. 17 Satz 1 des Ar­beits­ver­tra­ges ver­fal­len. Die Prämi­en­re­ge­lung hat Ansprüche in dem Ar­beits­verhält­nis be­gründet, die mit Ansprüchen aus dem Ar­beits­ver­trag in Ver­bin­dung stan­den. Der Kläger hat die Ver­fall­frist nicht ge­wahrt, weil er sei­ne Ansprüche nicht in­ner­halb von drei Mo­na­ten nach Fällig­keit ge­genüber der Be­klag­ten schrift­lich er­ho­ben hat. Die Um­satz­prämie war im Ja­nu­ar 2005 und die Jah­res­prämie im April 2005 fällig. Der Kläger hat die­se Leis­tun­gen erst­mals mit der Kündi­gungs­schutz­kla­ge im März 2006 schrift­lich gel­tend ge­macht.


2. Die Ver­fall­klau­sel in Ziff. 17 Satz 1 des Ar­beits­ver­tra­ges ist wirk­sam. Sie hält ei­ner Kon­trol­le nach den §§ 305 ff. BGB stand.



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a) Im schrift­li­chen Ar­beits­ver­trag der Par­tei­en vom 3. Ju­li 2002 hat die Be­klag­te All­ge­mei­ne Geschäfts­be­din­gun­gen iSd. § 305 Abs. 1 Sätze 1 und 2 BGB auf­ge­stellt. Sie hat die für ei­ne Viel­zahl von Verträgen vor­for­mu­lier­ten Ver­trags­be­din­gun­gen dem Kläger in die­ser Form an­ge­bo­ten. Die Par­tei­en ha­ben die Ver­trags­be­din­gun­gen nicht nach § 305 Abs. 1 Satz 3 BGB aus­ge­han­delt. Aus­schluss­fris­ten können grundsätz­lich auch in For­mu­lar­ar­beits­verträgen ver­ein­bart wer­den. Die §§ 305 ff. BGB ent­hal­ten kei­ne Be­stim­mun­gen, die Aus­schluss­fris­ten für un­wirk­sam erklären (BAG 28. Sep­tem­ber 2005 - 5 AZR 52/05 - BA­GE 116, 66 mwN).


b) Die ein­zel­ver­trag­li­che Aus­schluss­frist stellt ei­ne von Rechts­vor­schrif­ten ab­wei­chen­de oder die­se ergänzen­de Re­ge­lung iSd. § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB dar. Ge­setz­lich blei­ben Ansprüche - ab­ge­se­hen von ei­ner Ver­wir­kung (§ 242 BGB) - er­hal­ten und un­ter­lie­gen nur den Verjährungs­vor­schrif­ten. Die Klau­sel ent­spricht auch nicht ei­ner ta­rif­li­chen Be­stim­mung oder an­de­ren Norm iSd. § 310 Abs. 4 Satz 3 BGB, die auf das Ar­beits­verhält­nis der Par­tei­en un­mit­tel­bar An­wen­dung fin­det (vgl. BAG 28. Sep­tem­ber 2005 - 5 AZR 52/05 - aaO, zu II 3 b der Gründe).


c) Die Ver­fall­klau­sel ist we­der über­ra­schend noch un­gewöhn­lich iSd. § 305c Abs. 1 BGB. Der Ar­beits­ver­trag vom 3. Ju­li 2002 hebt sie als ei­genständi­ge „Ziff. 17“ mit der Über­schrift „Ver­fall­klau­sel“ be­son­ders her­vor. Aus­schluss­fris­ten sind im Ar­beits­le­ben auch durch­aus üblich (BAG 28. Sep­tem­ber 2005 - 5 AZR 52/05 - aaO mwN).


d) Das Trans­pa­renz­ge­bot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB ist nicht ver­letzt. Be­reits in der Über­schrift von Ziff. 17 wird deut­lich, dass es sich um ei­ne Ver­fall­klau­sel han­delt. Auch im Text heißt es aus­drück­lich, dass Ansprüche ver­fal­len, wenn sie nicht recht­zei­tig schrift­lich er­ho­ben wer­den. Da­mit lässt die Klau­sel die mit ihr ver­bun­de­nen Nach­tei­le deut­lich er­ken­nen.


Die Klau­sel wird auch nicht durch die Be­stim­mung in Ziff. 5 Abs. 4 der Prämi­en­re­ge­lung in­trans­pa­rent, wo­nach Re­kla­ma­tio­nen des Prämien­empfängers in­ner­halb von vier Wo­chen nach Fest­stel­lung der Prämi­enhöhe


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bzw. Zah­lung er­fol­gen müssen. Da­nach gilt die Prämie als rich­tig an­er­kannt. Die­se Re­ge­lung soll er­kenn­bar Streit über die Höhe der Prämie ver­mei­den und be­trifft Einwände ge­gen die Zu­sam­men­set­zung und Be­rech­nung der Leis­tung. Da­ge­gen macht die Prämi­en­re­ge­lung nicht ei­ne frist­gemäße schrift­li­che Gel­tend­ma­chung nach der Ver­fall­klau­sel ent­behr­lich. Ein Prämien­empfänger, der form­los re­kla­miert und da­mit die Prämi­en­be­rech­nung nicht als rich­tig an­er­kennt, muss sei­nen An­spruch gleich­wohl in­ner­halb der Aus­schluss­frist nach Ziff. 17 des Ar­beits­ver­tra­ges gel­tend ma­chen, wenn die Zah­lung aus­bleibt. Die in un­ter­schied­li­chen Verträgen ent­hal­te­nen un­ter­schied­li­chen Be­stim­mun­gen kol­li­die­ren nicht, son­dern ergänzen sich.


e) Die ers­te Stu­fe der Ver­fall­klau­sel hält auch ei­ner In­halts­kon­trol­le nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB iVm. § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB stand. Sie be­nach­tei­ligt den Kläger nicht un­an­ge­mes­sen ent­ge­gen den Ge­bo­ten von Treu und Glau­ben. Nach der Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts (28. Sep­tem­ber 2005 - 5 AZR 52/05 - BA­GE 116, 66) ist ei­ne Frist für die schrift­li­che Gel­tend­ma­chung von we­ni­ger als drei Mo­na­ten im Rah­men ei­ner ein­zel­ver­trag­li­chen Aus­schluss­frist un­an­ge­mes­sen kurz. Die­se Gren­ze wird in § 17 Satz 1 des Ar­beits­ver­tra­ges ge­wahrt.


3. Ob­wohl die zwei­te Stu­fe der Ver­fall­klau­sel un­wirk­sam ist, bleibt die Re­ge­lung zur ers­ten Stu­fe wirk­sam.


a) Die Ver­fall­klau­sel in Ziff. 17 Satz 2 des Ar­beits­ver­tra­ges ist rechts­un­wirk­sam. Nach der Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts können zwei­stu­fi­ge Aus­schluss­klau­seln in For­mu­lar­ar­beits­verträgen ver­ein­bart wer­den. Die Min­dest­frist für die ge­richt­li­che Gel­tend­ma­chung der Ansprüche beträgt aber gem. § 307 Abs. 1 Satz 1 iVm. Abs. 2 Nr. 1 BGB drei Mo­na­te (BAG 25. Mai 2005 - 5 AZR 572/04 - BA­GE 115, 19). Nach Ziff. 17 Satz 2 des Ar­beits­ver­tra­ges verfällt der An­spruch be­reits, wenn er nicht in­ner­halb ei­nes Mo­nats nach Ab­leh­nung oder Ab­lauf der Erklärungs­frist von zwei Wo­chen nach der Gel­tend­ma­chung ge­richt­lich gel­tend ge­macht wird. Ei­ne sol­che Kla­ge­frist ist mit we­sent­li­chen Grund­ge­dan­ken des ge­setz­li­chen Verjährungs­rechts nicht ver­ein­bar und be­nach­tei­ligt den Kläger ent­ge­gen den Ge­bo­ten von Treu und Glau­ben



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un­an­ge­mes­sen. Die Un­wirk­sam­keit der zwei­ten Stu­fe der Aus­schluss­klau­sel führt nach § 306 Abs. 1 und 2 BGB zu ih­rem er­satz­lo­sen Weg­fall bei Auf­recht­er­hal­tung des Ar­beits­ver­tra­ges im Übri­gen (BAG 25. Mai 2005 - 5 AZR 572/04 - aaO).


b) Da­mit wird aber nicht die ge­sam­te Ver­fall­klau­sel in Ziff. 17 des Ar­beits­ver­tra­ges un­wirk­sam. Die­se ist teil­bar.


aa) Zwei­stu­fi­ge Aus­schluss­fris­ten können ge­teilt wer­den (BAG 25. Mai 2005 - 5 AZR 572/04 - BA­GE 115, 19; ErfK/Preis 8. Aufl. §§ 305 - 310 BGB Rn. 103; Dorn­dorf/Bo­nin in Däubler/Dorn­dorf/Bo­nin/Dei­nert AGB-Kon­trol­le im Ar­beits­recht 2. Aufl. § 306 Rn. 12a; Preis/Ro­loff RdA 2005, 144, 158).


bb) § 306 Abs. 1 BGB enthält ei­ne ko­di­fi­zier­te Ab­wei­chung von der Aus­le­gungs­re­gel des § 139 BGB und be­stimmt, dass bei Teil­nich­tig­keit grundsätz­lich der Ver­trag im Übri­gen auf­recht­er­hal­ten bleibt. Die­ser Grund­satz gilt im Ar­beits­recht oh­ne­hin all­ge­mein (ErfK/Preis § 611 BGB Rn. 342 mwN). So­weit die Klau­sel nicht teil­bar ist, tritt an ih­re Stel­le nach § 306 Abs. 2 BGB das Ge­setz.


Die Teil­bar­keit der Klau­sel ist mit­tels ei­ner Strei­chung des un­wirk­sa­men Teils mit ei­nem „blau­en Stift“ zu er­mit­teln (blue-pen­cil-test; BAG 21. April 2005 - 8 AZR 425/04 - AP BGB § 307 Nr. 3 = EzA BGB 2002 § 309 Nr. 3). Ist die ver­blei­ben­de Re­ge­lung wei­ter­hin verständ­lich, bleibt sie be­ste­hen. Maßgeb­lich ist, ob sie meh­re­re sach­li­che Re­ge­lun­gen enthält (BAG 11. April 2006 - 9 AZR 610/05 - BA­GE 118, 36) und der un­zulässi­ge Teil sprach­lich ein­deu­tig ab­trenn­bar ist. Ge­gen­stand der In­halts­kon­trol­le sind dann für sich je­weils ver­schie­de­ne, nur for­mal ver­bun­de­ne AGB-Be­stim­mun­gen.


cc) Die ers­te und die zwei­te Stu­fe der Aus­schluss­klau­sel in Ziff. 17 des Ar­beits­ver­tra­ges sind in­halt­lich ge­trennt. Dies kommt sprach­lich dar­in zum Aus­druck, dass bei­de Stu­fen in ge­trenn­ten Sätzen ge­re­gelt sind. Ziff. 17 Satz 1 des Ar­beits­ver­tra­ges enthält ei­ne ei­genständi­ge sach­li­che Re­ge­lung. Er ver­langt von den Ar­beits­ver­trags­par­tei­en, be­stimm­te Ansprüche in­ner­halb von drei



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Mo­na­ten ge­genüber der an­de­ren Ver­trags­par­tei schrift­lich zu er­he­ben, an­de­ren­falls ver­fal­len die Ansprüche. Da­ge­gen enthält Ziff. 17 Satz 2 des Ar­beits­ver­tra­ges ei­ne an­de­re ab­sch­ließen­de sach­li­che Re­ge­lung. Er ver­langt nach Ab­schluss der ers­ten Stu­fe in­ner­halb ei­ner wei­te­ren Frist die ge­richt­li­che Gel­tend­ma­chung des An­spruchs, an­de­ren­falls ver­fal­len die Ansprüche wie­der­um. Die­ser Teil der Ziff. 17 kann pro­blem­los vollständig ge­stri­chen wer­den. Da­bei bleibt Ziff. 17 Satz 1 des Ar­beits­ver­tra­ges äußer­lich und in­halt­lich un­verändert und behält sei­ne Selbständig­keit und sei­nen spe­zi­fi­schen Zweck. Ein­stu­fi­ge Aus­schluss­fris­ten sind in der Pra­xis des Ar­beits­le­bens auch weit ver­brei­tet und kom­men häufig in For­mu­lar­ar­beits­verträgen vor.


Dr. Frei­tag

Mar­quardt

Brühler

W. Hu­ber

Alex

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