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BAG, Ur­teil vom 19.10.2017, 8 AZR 845/15

   
Schlagworte: Wiedereinstellung, Kündigungsschutz, Kleinbetrieb
   
Gericht: Bundesarbeitsgericht
Aktenzeichen: 8 AZR 845/15
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 19.10.2017
   
Leitsätze: Die in der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zum Wiedereinstellungsanspruch nach wirksamer betriebsbedingter Kündigung entwickelten Grundsätze sind in Kleinbetrieben iSv. § 23 Abs. 1 Satz 2 bis Satz 4 KSchG nicht anwendbar.

Vorinstanzen: Arbeitsgericht Duisburg, Urteil vom 05.11.2014, 4 Ca 1607/14
Landesarbeitsgericht Düsseldorf, Urteil vom 07.10.2015, 4 Sa 1289/14
   

BUN­DES­AR­BEITS­GERICHT

8 AZR 845/15
4 Sa 1289/14
Lan­des­ar­beits­ge­richt
Düssel­dorf

Im Na­men des Vol­kes!

Verkündet am
19. Ok­to­ber 2017

UR­TEIL

Wirth, Ur­kunds­be­am­tin
der Geschäfts­stel­le

In Sa­chen

Kläger, Be­ru­fungskläger und Re­vi­si­onskläger,

pp.

Be­klag­te zu 2., Be­ru­fungs­be­klag­te und Re­vi­si­ons­be­klag­te,

hat der Ach­te Se­nat des Bun­des­ar­beits­ge­richts auf­grund der münd­li­chen Ver­hand­lung vom 19. Ok­to­ber 2017 durch die Vor­sit­zen­de Rich­te­rin am Bun­des­ar­beits­ge­richt Prof. Dr. Schlewing, die Rich­ter am Bun­des­ar­beits­ge­richt Dr. Vo­gel­sang und Dr. Ro­loff so­wie die eh­ren­amt­li­chen Rich­ter Kandler und Schirp für Recht er­kannt:

Die Re­vi­si­on des Klägers ge­gen das Ur­teil des Lan­des­ar­beits­ge­richts Düssel­dorf vom 7. Ok­to­ber 2015 - 4 Sa 1289/14 - wird zurück­ge­wie­sen.

 

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Der Kläger hat die Kos­ten des Re­vi­si­ons­ver­fah­rens zu tra­gen.

Von Rechts we­gen!

Tat­be­stand

Der Kläger be­gehrt nach ei­nem Be­triebsüber­gang sei­ne Wie­der­ein­stel­lung durch die Be­klag­te als neue Be­triebs­in­ha­be­rin.

Der 1949 ge­bo­re­ne, ver­hei­ra­te­te und ei­nem Kind zum Un­ter­halt ver­pflich­te­te Kläger war seit dem 1. März 1987 als vor­ex­ami­nier­ter Apo­the­ken­an­ge­stell­ter in der F-Apo­the­ke in D tätig. De­ren Be­trei­be­rin war die Apo­the­ke­rin R, die vor­ma­li­ge Be­klag­te zu 1. Nach den Fest­stel­lun­gen des Lan­des­ar­beits­ge­richts er­hielt der Kläger bei ei­ner Wo­chen­ar­beits­zeit von 22 St­un­den ein Brut­to­mo­nats­ent­gelt iHv. 2.500,00 Eu­ro.

In der Apo­the­ke wa­ren ne­ben dem Kläger vier Ar­beit­neh­mer/in­nen be­reits in der Zeit vor dem 1. Ja­nu­ar 2004 tätig. Dies wa­ren die phar­ma­zeu­tisch tech­ni­sche An­ge­stell­te (im Fol­gen­den PTA) Br mit ei­ner wöchent­li­chen Ar­beits­zeit von 21 St­un­den, der PTA J, der Bru­der der vor­ma­li­gen Be­klag­ten zu 1., mit ei­ner wöchent­li­chen Ar­beits­zeit von 39 St­un­den, des­sen Ehe­frau, die phar­ma­zeu­tisch-kaufmänni­sche As­sis­ten­tin (im fol­gen­den PKA) J mit ei­ner wöchent­li­chen Ar­beits­zeit von 20,5 St­un­den so­wie die Rei­ni­gungs­kraft S mit ei­ner wöchent­li­chen Ar­beits­zeit von neun St­un­den. Seit Fe­bru­ar bzw. Ju­li 2004 wa­ren dort außer­dem die PTA Bi und der Herr Bi als Bo­te mit ei­ner wöchent­li­chen Ar­beits­zeit von je­weils neun St­un­den beschäftigt.

Mit Schrei­ben vom 28. No­vem­ber 2013 kündig­te die vor­ma­li­ge Be­klag­te zu 1. das Ar­beits­verhält­nis des Klägers und al­ler wei­te­ren Ar­beit­neh­mer zum 30. Ju­ni 2014 mit der Be­gründung, die Apo­the­ke aus ge­sund­heit­li­chen Gründen nicht wei­terführen zu können. Der Kläger er­hob ge­gen die Kündi­gung kei­ne Kündi­gungs­schutz­kla­ge.

 

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Die vor­ma­li­ge Be­klag­te zu 1. führ­te die Apo­the­ke zunächst über den 30. Ju­ni 2014 hin­aus mit dem PTA J, der PKA J und der Rei­ni­gungs­kraft S wei­ter. Am 15. Ju­li 2014 schloss sie mit der nun­meh­ri­gen al­lei­ni­gen Be­klag­ten, der frühe­ren Be­klag­ten zu 2., ei­nen Ver­trag über den Ver­kauf der Apo­the­ke. In die­sem Ver­trag heißt es aus­zugs­wei­se:

„§ 1 Ge­gen­stand des Ver­tra­ges

(1) ...
Der Verkäufer ver­kauft und überträgt dem Käufer nach Maßga­be die­ses Ver­tra­ges das Ei­gen­tum an sei­ner ge­sam­ten vor­be­zeich­ne­ten Apo­the­ke.

(2) Ge­gen­stand die­ses Ver­tra­ges sind
a) die Apo­the­ken­ein­rich­tung in­cl. La­bor, Büro­aus­stat­tung, Nacht­dienst­zim­mer und Com­pu­ter ..., die be­trieb­li­chen Te­le­fon- und Fax­num­mern ..., die E-Mail-Adres­se ... und die In­ter­net-Do­main ...
b) der Geschäfts­wert,
c) das Wa­ren­la­ger.
...

§ 6 Ar­beit­neh­mer

(1) Den Ver­trags­par­tei­en ist die Vor­schrift des § 613a Abs. 1 BGB be­kannt. Da­nach ge­hen die Ar­beits­verhält­nis­se zu den Mit­ar­bei­tern, die in der An­la­ge 3 zu die­sem Ver­trag ab­sch­ließend auf­ge­lis­tet sind, auf den Käufer über. ...“

In der An­la­ge 3 „Auf­stel­lung gemäß § 6 ... des Kauf­ver­tra­ges“ sind der PTA J, die PKA J und die Rei­ni­gungs­kraft S auf­geführt. Fer­ner wur­de ver­ein­bart, dass der Kauf­ver­trag un­ter der auf­schie­ben­den Be­din­gung steht, dass bis zum 15. Au­gust 2014 ein lang­fris­ti­ger Miet­ver­trag über die im Ei­gen­tum der vor­ma­li­gen Be­klag­ten zu 1. ste­hen­den Apo­the­ken­be­triebsräume zu­stan­de kommt.

Nach den Fest­stel­lun­gen des Lan­des­ar­beits­ge­richts er­folg­te die Über­tra­gung und Überg­a­be der Apo­the­ke an die Be­klag­te am 1. Sep­tem­ber 2014.

Mit sei­ner am 29. Ju­li 2014 beim Ar­beits­ge­richt ein­ge­gan­ge­nen, zunächst nur ge­gen die vor­ma­li­ge Be­klag­te zu 1. ge­rich­te­ten Kla­ge hat der Kläger

 

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von die­ser die An­nah­me sei­nes An­ge­bots auf Neu­ab­schluss ei­nes Ar­beits­ver­trags zu den bis­he­ri­gen Be­din­gun­gen und Aus­kunft ver­langt, an wen die vor­ma­li­ge Be­klag­te zu 1. die Apo­the­ke ab dem 1. Sep­tem­ber 2014 über­gibt. Nach Aus­kunfts­er­tei­lung hat der Kläger sei­ne Kla­ge ge­gen die Be­klag­te er­wei­tert und auch von die­ser die An­nah­me sei­nes An­ge­bots auf Ab­schluss ei­nes Ar­beits­ver­trags ver­langt.

Der Kläger hat die Auf­fas­sung ver­tre­ten, die Be­klag­te sei als Be­triebsüber­neh­me­rin ver­pflich­tet, ihn wie­der­ein­zu­stel­len. Dem ste­he we­der ent­ge­gen, dass der Be­triebsüber­gang erst nach Ab­lauf der Kündi­gungs­frist statt­ge­fun­den ha­be, noch, dass das Kündi­gungs­schutz­ge­setz kei­ne An­wen­dung fin­de. Auch Ar­beit­neh­mer in sog. Klein­be­trie­ben sei­en vor un­be­rech­tig­ten, weil rechts­miss­bräuch­li­chen Kündi­gun­gen geschützt, ins­be­son­de­re hätten sie An­spruch dar­auf, dass vom Ar­beit­ge­ber ein Min­dest­maß an so­zia­ler Rück­sicht­nah­me ge­wahrt wer­de und ein durch langjähri­ge Mit­ar­beit er­dien­tes Ver­trau­en in den Fort­be­stand des Ar­beits­verhält­nis­ses nicht un­berück­sich­tigt blei­be, wenn der Ar­beit­ge­ber we­gen be­trieb­li­cher Er­for­der­nis­se kündi­ge. Der Kläger hat be­haup­tet, erst im Ju­li 2014 er­fah­ren zu ha­ben, dass die Apo­the­ke nicht ge­schlos­sen wor­den sei. Die vor­ma­li­ge Be­klag­te zu 1. ha­be al­ler­dings schon vor Ab­lauf der Kündi­gungs­frist vor­ge­habt, die Apo­the­ke an die Be­klag­te zu veräußern. Be­reits im Ju­ni 2014 hätten sich die vor­ma­li­ge Be­klag­te zu 1. und die Be­klag­te dem Grun­de nach auf die Über­nah­me der Apo­the­ke und die we­sent­li­chen Kon­di­tio­nen hierfür ge­ei­nigt. Um den Be­trieb für die Be­klag­te at­trak­tiv zu ma­chen, ha­be die vor­ma­li­ge Be­klag­te zu 1. die Gehälter der Ehe­leu­te J vor­ab er­heb­lich re­du­ziert. Ein An­ge­bot, das Ar­beits­verhält­nis zu ei­ner ge­rin­ge­ren Vergütung fort­zu­set­zen, ha­be die vor­ma­li­ge Be­klag­te zu 1. ihm ge­genüber, ob­gleich er so­zi­al schutzwürdi­ger ge­we­sen sei, ent­ge­gen den Ge­bo­ten von Treu und Glau­ben nicht ge­macht. Später ha­be die Be­klag­te als Er­satz für ihn die vor­ma­li­ge Be­klag­te zu 1. ein­ge­stellt.

Der Kläger hat zu­letzt be­an­tragt, 

die Be­klag­te zu ver­ur­tei­len, sein An­ge­bot auf Ab­schluss ei­nes Ar­beits­ver­trags als vor­ex­ami­nier­ter Apo­the­ken­an­ge­stell­ter zu ei­nem Brut­to­mo­nats­ge­halt iHv. 2.500,00 Eu­ro und den Ar­beits­be­din­gun­gen, wie sie zu­vor zwi­schen ihm

 

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und Frau R in der Zeit vom 1. März 1987 bis zum 30. Ju­ni 2014 be­stan­den ha­ben, un­ter An­rech­nung der bis­he­ri­gen Beschäfti­gungs­dau­er seit dem 1. März 1987 an­zu­neh­men.

Die Be­klag­te hat Kla­ge­ab­wei­sung be­an­tragt. Sie hat gel­tend ge­macht, 

ein Wie­der­ein­stel­lungs­an­spruch schei­de schon des­halb aus, weil das Kündi­gungs­schutz­ge­setz nicht an­wend­bar sei. Der Kläger ha­be auch kei­nen Sach­ver­halt vor­ge­tra­gen, der ei­ne willkürli­che Kündi­gung be­le­gen könne. Die vor­ma­li­ge Be­klag­te zu 1. ha­be sich aus wirt­schaft­li­chen Gründen ent­schließen müssen, die Apo­the­ke zu schließen. Die­se sei ins­be­son­de­re we­gen der ho­hen - weit über­ta­rif­li­chen - Gehälter des Klägers und der PTA Br zunächst un­verkäuf­lich ge­we­sen. Nach­dem sie, die Be­klag­te, am 25. Ju­ni 2014 von der be­ab­sich­tig­ten Sch­ließung der Apo­the­ke er­fah­ren ha­be, ha­be sie mit der vor­ma­li­gen Be­klag­ten zu 1. Kon­takt auf­ge­nom­men, ihr grundsätz­li­ches In­ter­es­se an ei­ner Über­nah­me be­kun­det und gleich­zei­tig um wei­te­re In­for­ma­tio­nen ge­be­ten. Nach Aus­wer­tung der ihr über­mit­tel­ten Un­ter­la­gen ha­be sie ent­schie­den, über die Über­nah­me der Apo­the­ke zu ver­han­deln. Die­se lang­wie­ri­gen Ver­hand­lun­gen sei­en erst am 15. Ju­li 2014 ab­ge­schlos­sen ge­we­sen.

Das Ar­beits­ge­richt hat die - ge­gen die vor­ma­li­ge Be­klag­te zu 1. und die Be­klag­te ge­rich­te­te - Kla­ge ins­ge­samt ab­ge­wie­sen. Ge­gen die­ses Ur­teil hat der Kläger nur in­so­weit Be­ru­fung ein­ge­legt, als die Kla­ge ge­gen die Be­klag­te ab­ge­wie­sen wur­de. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat die Be­ru­fung des Klägers zurück­ge­wie­sen. Mit sei­ner Re­vi­si­on ver­folgt der Kläger sein Kla­ge­be­geh­ren ge­genüber der Be­klag­ten wei­ter. Die Be­klag­te be­an­tragt die Zurück­wei­sung der Re­vi­si­on.

Ent­schei­dungs­gründe

Die zulässi­ge Re­vi­si­on des Klägers ist un­be­gründet. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat die Be­ru­fung des Klägers zu Recht zurück­ge­wie­sen. Die Kla­ge ist un­be­gründet. Der Kläger hat kei­nen An­spruch ge­gen die Be­klag­te auf An-

 

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nah­me sei­nes An­ge­bots auf Ab­schluss ei­nes Ar­beits­ver­trags mit dem aus dem An­trag er­sicht­li­chen In­halt.

I. Die Be­klag­te ist - wie das Lan­des­ar­beits­ge­richt zu­tref­fend an­ge­nom­men hat - nicht nach den in der Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts zum Wie­der­ein­stel­lungs­an­spruch nach be­triebs­be­ding­ter Kündi­gung ent­wi­ckel­ten Grundsätzen zur Wie­der­ein­stel­lung des Klägers ver­pflich­tet. Bei dem Be­trieb der vor­ma­li­gen Be­klag­ten zu 1. han­del­te es sich um ei­nen Klein­be­trieb iSv. § 23 Abs. 1 Satz 2 bis Satz 4 KSchG, auf den die og. Grundsätze nicht an­wend­bar sind.

1. Nach ständi­ger Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts kann ei­nem wirk­sam be­triebs­be­dingt gekündig­ten Ar­beit­neh­mer ein - ggf. auch rück­wir­ken­der - An­spruch auf Wie­der­ein­stel­lung zu­ste­hen (grund­le­gend BAG 27. Fe­bru­ar 1997 - 2 AZR 160/96 - zu II 4 der Gründe, BA­GE 85, 194; fer­ner et­wa BAG 26. Ja­nu­ar 2017 - 2 AZR 61/16 - Rn. 33; 15. De­zem­ber 2011 - 8 AZR 197/11 - Rn. 37). Der An­spruch setzt vor­aus, dass zwi­schen dem Zu­gang ei­ner be­triebs­be­ding­ten Kündi­gung und dem Ab­lauf der Kündi­gungs­frist ent­we­der wi­der Er­war­ten der bis­he­ri­ge Ar­beits­platz des gekündig­ten Ar­beit­neh­mers doch er­hal­ten bleibt (vgl. BAG 16. Mai 2007 - 7 AZR 621/06 - Rn. 11; 28. Ju­ni 2000 - 7 AZR 904/98 - zu II B 3 der Gründe, BA­GE 95, 171) oder un­vor­her­ge­se­hen ei­ne Wei­ter­beschäfti­gungsmöglich­keit für den gekündig­ten Ar­beit­neh­mer auf ei­nem frei­en Ar­beits­platz iSv. § 1 Abs. 2 KSchG ent­steht (vgl. et­wa BAG 26. Ja­nu­ar 2017 - 2 AZR 61/16 - aaO; 15. De­zem­ber 2011 - 8 AZR 197/11 - aaO; 25. Sep­tem­ber 2008 - 8 AZR 607/07 - Rn. 33). Da der Wie­der­ein­stel­lungs­an­spruch letzt­lich aus der auf § 242 BGB be­ru­hen­den ar­beits­ver­trag­li­chen Ne­ben­pflicht folgt (vgl. Schaub ArbR-HdB/Linck 17. Aufl. § 146 Rn. 1; zur dog­ma­ti­schen Her­lei­tung aus § 242 BGB bzw. § 611 BGB iVm. § 242 BGB vgl. et­wa BAG 25. Ok­to­ber 2007 - 8 AZR 989/06 - Rn. 21 mwN bzw. 15. De­zem­ber 2011 - 8 AZR 197/11 - aaO), kommt er grundsätz­lich nur in Be­tracht, wenn sich die Wei­ter­beschäfti­gungsmöglich­keit noch im be­ste­hen­den Ar­beits­verhält­nis, mit­hin bis zum Ab­lauf der Kündi­gungs­frist er­gibt (vgl. et­wa BAG 15. De­zem­ber 2011 - 8 AZR 197/11 - aaO). Ent­steht die Wei­ter­beschäfti-

 

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gungsmöglich­keit erst nach Ab­lauf der Kündi­gungs­frist, kann der gekündig­te Ar­beit­neh­mer da­ge­gen grundsätz­lich nicht sei­ne Wie­der­ein­stel­lung ver­lan­gen (vgl. et­wa BAG 20. Ok­to­ber 2015 - 9 AZR 743/14 - Rn. 32, BA­GE 153, 62; 16. Mai 2007 - 7 AZR 621/06 - aaO; 16. Sep­tem­ber 2004 - 2 AZR 447/03 - zu B II 2 b der Gründe).

Da­nach kann ein Wie­der­ein­stel­lungs­an­spruch auch ge­ge­ben sein, wenn es noch während des Laufs der Kündi­gungs­frist zu ei­nem Be­triebs(teil-)über­gang und da­mit zur Fortführung des Be­triebs oder Be­triebs­teils kommt, dem der Ar­beit­neh­mer zu­ge­ord­net ist (vgl. et­wa BAG 15. De­zem­ber 2011 - 8 AZR 197/11 - Rn. 37; 13. Mai 2004 - 8 AZR 198/03 - zu II 2 c der Gründe, BA­GE 110, 336). Geht der Be­trieb oder Be­triebs­teil, dem der Ar­beit­neh­mer zu­ge­ord­net ist, erst nach Ab­lauf der Kündi­gungs­frist auf den neu­en In­ha­ber über, kommt ein Wie­der­ein­stel­lungs­an­spruch dem­ge­genüber nur aus­nahms­wei­se in Be­tracht. Ei­ne Aus­nah­me kann ge­bo­ten sein, wenn der Be­triebs- oder Be­triebs­teilüber­gang be­reits während des Laufs der Kündi­gungs­frist zwar be­schlos­sen, aber noch nicht voll­zo­gen wur­de (vgl. et­wa BAG 15. De­zem­ber 2011 - 8 AZR 197/11 - aaO; 25. Sep­tem­ber 2008 - 8 AZR 607/07 - Rn. 33; 21. Au­gust 2008 - 8 AZR 201/07 - Rn. 59; 13. Mai 2004 - 8 AZR 198/03 - zu II 2 c bb der Gründe, aaO). Ei­ne sol­che Aus­nah­me hat der Ach­te Se­nat des Bun­des­ar­beits­ge­richts un­ter Hin­weis dar­auf, dass die Vor­aus­set­zun­gen ei­nes Be­triebsüber­gangs nicht nur durch die Über­nah­me ma­te­ri­el­ler und/oder im­ma­te­ri­el­ler Be­triebs­mit­tel, son­dern auch durch die wil­lent­li­che Über­nah­me der Haupt­be­leg­schaft erfüllt wer­den könn­ten, bis­lang nur für den Fall ei­nes nach Ab­lauf der Kündi­gungs­frist durch wil­lent­li­che Über­nah­me der Haupt­be­leg­schaft ein­ge­tre­te­nen Be­triebsüber­gangs iSv. § 613a BGB an­ge­nom­men, während er die An­er­ken­nung ei­nes Wie­der­ein­stel­lungs­an­spruchs bei ei­nem nach Ab­lauf der Kündi­gungs­frist durch die Über­nah­me von ma­te­ri­el­len und im­ma­te­ri­el­len Be­triebs­mit­teln voll­zo­ge­nen Be­triebsüber­gang aus­drück­lich of­fen­ge­las­sen hat (vgl. et­wa BAG 13. Mai 2004 - 8 AZR 198/03 - aaO).

 

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2. Die in der Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts zum Wie­der­ein­stel­lungs­an­spruch nach be­triebs­be­ding­ter Kündi­gung ent­wi­ckel­ten Grundsätze sind in sog. Klein­be­trie­ben und da­mit in der Apo­the­ke der vor­ma­li­gen Be­klag­ten zu 1. nicht an­wend­bar (vgl. et­wa Löwisch in Löwisch/Spin­ner/Wert­hei­mer KSchG 10. Aufl. § 1 KSchG Rn. 100; MüKoBGB/Her­genröder 7. Aufl. § 1 KSchG Rn. 83; Schaub ArbR-HdB/Linck 17. Aufl. § 146 Rn. 1). Ih­re An­wen­dung setzt ei­ne be­triebs­be­ding­te Kündi­gung vor­aus, die an den Maßstäben des § 1 Abs. 2 KSchG zu mes­sen ist (so schon BAG 28. Ok­to­ber 2004 - 8 AZR 199/04 - zu II 2 a der Gründe; 13. Mai 2004 - 8 AZR 198/03 - zu II 2 c der Gründe, BA­GE 110, 336).

Der Wie­der­ein­stel­lungs­an­spruch nach ei­ner wirk­sam aus­ge­spro­che­nen be­triebs­be­ding­ten Kündi­gung iSv. § 1 Abs. 2 KSchG stellt ei­nen nach § 242 BGB ge­bo­te­nen spe­zi­fi­schen Aus­gleich al­lein dafür dar, dass ei­ne be­triebs­be­ding­te Kündi­gung nicht erst möglich ist, wenn der Ar­beits­platz tatsächlich nicht mehr zur Verfügung steht, son­dern schon dann wirk­sam erklärt wer­den kann, wenn im Zeit­punkt ih­res Zu­gangs die auf Tat­sa­chen gestütz­te Vor­aus­schau ge­recht­fer­tigt ist, dass je­den­falls zum Ab­lauf der Kündi­gungs­frist der die Ent­las­sung er­for­der­lich ma­chen­de be­trieb­li­che Grund vor­lie­gen wird; da­nach bleibt die späte­re tatsächli­che Ent­wick­lung grundsätz­lich un­berück­sich­tigt (st. Rspr. des BAG, vgl. et­wa BAG 15. De­zem­ber 2011 - 2 AZR 42/10 - Rn. 20, BA­GE 140, 169; 27. Fe­bru­ar 1997 - 2 AZR 160/96 - zu II 2 c der Gründe mwN, BA­GE 85, 194). Der Um­stand, dass die Kündi­gung da­her auch dann wirk­sam bleibt, wenn sich die maßgeb­li­chen Ge­ge­ben­hei­ten ent­ge­gen der ursprüng­li­chen Pro­gno­se noch während des Laufs der Kündi­gungs­frist ändern, kann da­zu führen, dass der Ar­beit­neh­mer in sei­nem be­rech­tig­ten, durch Art. 12 Abs. 1 GG geschütz­ten In­ter­es­se am Be­stands­schutz be­ein­träch­tigt wird. Al­lein vor die­sem Hin­ter­grund kann § 242 BGB in der­ar­ti­gen Fällen über­haupt ei­ne Kom­pen­sa­ti­on durch ei­nen Wie­der­ein­stel­lungs­an­spruch ge­bie­ten (vgl. et­wa BAG 20. Ok­to­ber 2015 - 9 AZR 743/14 - Rn. 31, BA­GE 153, 62; 25. Ok­to­ber 2007 - 8 AZR 989/06 - Rn. 21 mwN).

 

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II. Der Kläger kann sich auch nicht mit Er­folg dar­auf be­ru­fen, die Be­klag­te sei nach § 242 BGB zu sei­ner Wie­der­ein­stel­lung ver­pflich­tet, weil die Apo­the­ke ent­ge­gen der ursprüng­li­chen Ab­sicht der vor­ma­li­gen Be­klag­ten zu 1. nicht ge­schlos­sen, son­dern zunächst von die­ser und später von der Be­klag­ten fort­geführt wur­de und bei der Aus­wahl der wei­ter­zu­beschäfti­gen­den Ar­beit­neh­mer ein Min­dest­maß an so­zia­ler Rück­sicht­nah­me nicht ge­wahrt wur­de.

1. Zwar ist Ar­beit­neh­mern in Klein­be­trie­ben an­ge­sichts der über­wie­gen den grund­recht­lich geschütz­ten Be­lan­ge des Ar­beit­ge­bers das größere recht­li­che Ri­si­ko ei­nes Ar­beits­platz­ver­lus­tes zu­zu­mu­ten. Sie sind aber nicht völlig schutz­los ge­stellt, son­dern viel­mehr durch die zi­vil­recht­li­chen Ge­ne­ral­klau­seln (§§ 138, 242 BGB) vor ei­ner sit­ten- oder treu­wid­ri­gen Ausübung des Kündi­gungs­rechts durch den Ar­beit­ge­ber geschützt. Im Rah­men die­ser Ge­ne­ral­klau­seln ist der ob­jek­ti­ve Ge­halt der Grund­rech­te, hier vor al­lem aus Art. 12 Abs. 1 GG, zu berück­sich­ti­gen (vgl. BAG 28. Ok­to­ber 2010 - 2 AZR 392/08 - Rn. 37 mwN). Da­bei ver­pflich­tet Art. 12 Abs. 1 GG iVm. dem So­zi­al­staats­prin­zip den Ar­beit­ge­ber bei Kündi­gun­gen außer­halb des An­wen­dungs­be­reichs des Kündi­gungs­schutz­ge­set­zes, dann ein ge­wis­ses Maß an so­zia­ler Rück­sicht­nah­me wal­ten zu las­sen, wenn un­ter meh­re­ren Ar­beit­neh­mern ei­ne Aus­wahl zu tref­fen ist. Der Ar­beit­ge­ber darf ein durch langjähri­ge Mit­ar­beit er­dien­tes Ver­trau­en in den Fort­be­stand des Ar­beits­verhält­nis­ses nicht un­berück­sich­tigt las­sen (vgl. BAG 28. Ok­to­ber 2010 - 2 AZR 392/08 - Rn. 38 mwN).

2. Es kann da­hin­ste­hen, ob und ggf. un­ter wel­chen Vor­aus­set­zun­gen im Ein­zel­nen sich in Klein­be­trie­ben iSv. § 23 Abs. 1 Satz 2 bis Satz 4 KSchG aus­nahms­wei­se aus § 242 BGB ein Wie­der­ein­stel­lungs­an­spruch er­ge­ben kann, wenn der Be­trieb ent­ge­gen der ursprüng­li­chen Ab­sicht des Ar­beit­ge­bers nicht ge­schlos­sen, son­dern von die­sem oder ei­nem Be­triebs­er­wer­ber fort­geführt wird und/oder wenn bei der Aus­wahl der wei­ter­zu­beschäfti­gen­den Ar­beit­neh­mer ein Min­dest­maß an so­zia­ler Rück­sicht­nah­me nicht ge­wahrt ist (ei­nen Wie­der­ein­stel­lungs­an­spruch im Klein­be­trieb für langjährig Beschäftig­te erwägend APS/Kiel 5. Aufl. KSchG § 1 Rn. 744; KR/Grie­be­ling/Ra­chor 11. Aufl. § 1 KSchG Rn. 731). In ei­nem Fall wie dem vor­lie­gen­den, in dem der Be­trieb zu-

 

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nächst durch die vor­ma­li­ge Be­klag­te zu 1. - wenn auch mit ver­rin­ger­ter Per­so­nalstärke - bis zum 31. Au­gust 2014 wei­ter­geführt und erst da­nach von der Be­klag­ten über­nom­men wur­de, hätte der Kläger ei­nen auf § 242 BGB gestütz­ten Wie­der­ein­stel­lungs­an­spruch er­folg­reich nur ge­genüber der vor­ma­li­gen Be­klag­ten zu 1. ver­fol­gen können. Sei­ne ge­gen die vor­ma­li­ge Be­klag­te zu 1. ge­rich­te­te Kla­ge, mit der er von die­ser sei­ne Wie­der­ein­stel­lung ver­langt hat­te, ist in­des rechts­kräftig ab­ge­wie­sen wor­den.

III. Letzt­lich kann auch of­fen­blei­ben, ob sich aus § 613a Abs. 4 Satz 1 BGB iVm. § 242 BGB aus­nahms­wei­se ein Wie­der­ein­stel­lungs- bzw. Fort­set­zungs­an­spruch er­ge­ben kann. Nach § 613a Abs. 4 Satz 1 BGB ist die Kündi­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses ei­nes Ar­beit­neh­mers durch den bis­he­ri­gen Ar­beit­ge­ber oder durch den neu­en In­ha­ber we­gen des Über­gangs ei­nes Be­triebs oder Be­triebs­teils un­wirk­sam. In ei­nem sol­chen Fall hat der Ar­beit­neh­mer An­spruch auf Fort­set­zung sei­nes Ar­beits­verhält­nis­ses (vgl. EuGH 24. Ja­nu­ar 2002 - C51/00 - [Tem­co] Rn. 28). Es kann da­hin­ste­hen, ob es der An­er­ken­nung ei­nes auf § 613a Abs. 4 Satz 1 BGB iVm. § 242 BGB gestütz­ten Wie­der­ein­stel­lungs-/Fort­set­zungs­an­spruchs über­haupt be­darf. In­so­weit könn­te sich aus­wir­ken, dass das Ge­setz dem be­trof­fe­nen Ar­beit­neh­mer mit der Kündi­gungs­schutz­kla­ge ei­ne Möglich­keit zur Verfügung stellt, sei­ne Rech­te wahr­zu­neh­men. Al­ler­dings könn­te ein auf § 613a Abs. 4 Satz 1 BGB iVm. § 242 BGB gestütz­ter Wie­der­ein­stel­lungs- bzw. Fort­set­zungs­an­spruch - auch un­ter Berück­sich­ti­gung der Vor­ga­ben des Uni­ons­rechts - je­den­falls für den Fall zu erwägen sein, dass der Ar­beit­neh­mer erst nach Ab­lauf der Höchst­frist für die nachträgli­che Kla­ge­zu­las­sung nach § 5 Abs. 3 Satz 2 KSchG Kennt­nis von den Umständen er­langt, die aus sei­ner Sicht die Un­wirk­sam­keit der Kündi­gung nach § 613a Abs. 4 Satz 1 BGB be­gründen, so­fern man nicht der Auf­fas­sung ist, dass die Frist des § 5 Abs. 3 Satz 2 KSchG ent­spre­chend an­zu­pas­sen ist (vgl. hier­zu ab­leh­nend Ka­man­ab­rou NZA 2004, 950, 951).

Je­doch gilt auch hier, dass der Kläger ei­nen auf § 613a Abs. 4 Satz 1 BGB iVm. § 242 BGB gestütz­ten Wie­der­ein­stel­lungs-/Fort­set­zungs­an­spruch vor dem Hin­ter­grund, dass der Be­trieb zunächst durch die vor­ma­li­ge Be­klag­te zu 1.

 

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- wenn auch mit ver­rin­ger­ter Per­so­nalstärke - bis zum 31. Au­gust 2014 wei­ter­geführt und erst da­nach von der Be­klag­ten über­nom­men wur­de, er­folg­reich nur ge­genüber der vor­ma­li­gen Be­klag­ten zu 1. hätte ver­fol­gen können. Sei­ne ge­gen die vor­ma­li­ge Be­klag­te zu 1. ge­rich­te­te Kla­ge, mit der er von die­ser die An­nah­me sei­nes An­ge­bots auf Ab­schluss ei­nes Ar­beits­ver­trags zu den ursprüng­li­chen Be­din­gun­gen ver­langt hat­te, ist in­des rechts­kräftig ab­ge­wie­sen wor­den.

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