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HENSCHE RECHTSANWÄLTE, FACHANWALTSKANZLEI FÜR ARBEITSRECHT

 

BAG, Ur­teil vom 22.04.2010, 2 AZR 491/09

   
Schlagworte: Änderungskündigung, Versetzung
   
Gericht: Bundesarbeitsgericht
Aktenzeichen: 2 AZR 491/09
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 22.04.2010
   
Leitsätze:
Vorinstanzen: Arbeitsgericht Duisburg, Urteil vom 24.07.2008, 1 Ca 671/08
Landesarbeitsgericht Düsseldorf, Urteil vom 21.01.2009, 12 Sa 1590/08
   

BUN­DES­AR­BEITS­GERICHT

2 AZR 491/09
12 Sa 1590/08
Lan­des­ar­beits­ge­richt
Düssel­dorf

Im Na­men des Vol­kes!

Verkündet am
22. April 2010

UR­TEIL

Schmidt, Ur­kunds­be­am­tin
der Geschäfts­stel­le

In Sa­chen

Be­klag­te, Be­ru­fungskläge­rin und Re­vi­si­onskläge­rin,

pp.

Kläge­rin, Be­ru­fungs­be­klag­te und Re­vi­si­ons­be­klag­te,

hat der Zwei­te Se­nat des Bun­des­ar­beits­ge­richts auf­grund der münd­li­chen Ver­hand­lung vom 22. April 2010 durch den Vor­sit­zen­den Rich­ter am Bun­des­ar­beits­ge­richt Kreft, die Rich­ter am Bun­des­ar­beits­ge­richt Dr. Ey­lert und

 

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Schmitz-Scho­le­mann so­wie die eh­ren­amt­li­chen Rich­ter Söller und Cla­es für Recht er­kannt:

1. Die Re­vi­si­on der Be­klag­ten ge­gen das Ur­teil des Lan­des­ar­beits­ge­richts Düssel­dorf vom 21. Ja­nu­ar 2009 - 12 Sa 1590/08 - wird zurück­ge­wie­sen, so­weit die­ses die Be­ru­fung der Be­klag­ten ge­gen das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Duis­burg vom 24. Ju­li 2008 - 1 Ca 671/08 - zu Ziff. 2 zurück­ge­wie­sen hat.

2. Im Übri­gen wird auf die Re­vi­si­on der Be­klag­ten das Ur­teil des Lan­des­ar­beits­ge­richts auf­ge­ho­ben und die Sa­che zur neu­en Ver­hand­lung und Ent­schei­dung - auch über die Kos­ten der Re­vi­si­on - an das Lan­des­ar­beits­ge­richt zurück­ver­wie­sen.

Von Rechts we­gen!

Tat­be­stand

Die Kläge­rin macht die Un­wirk­sam­keit ei­ner un­ter Vor­be­halt an­ge­nom­me­nen Ände­rungskündi­gung und ei­ner Ver­set­zung gel­tend.

Die Kläge­rin trat im Jah­re 1995 in die Diens­te der Rechts­vorgänge­rin der Be­klag­ten. Als Dienstor­te wur­den Duis­burg und ggf. Köln ver­ein­bart. Seit dem 1. Ja­nu­ar 2002 ar­bei­te­te die Kläge­rin in häus­li­cher Te­le­ar­beit an ih­rem Wohn­ort (zu­letzt in L) und fuhr hin und wie­der zum Büro der Be­klag­ten nach Duis­burg, manch­mal auch nach Frank­furt am Main. Die Fahr­zei­ten nach Frank­furt wur­den vergütet.

Am 12. Fe­bru­ar 2008 hörte die Be­klag­te im Rah­men ei­ner Neu­ord­nung ih­res Geschäfts­be­triebs den für die Be­trie­be Köln und Duis­burg ge­bil­de­ten Be­triebs­rat zu ei­ner be­ab­sich­tig­ten Ände­rungskündi­gung an und be­an­trag­te zu­gleich, der Ver­set­zung der Kläge­rin nach Frank­furt am Main zu­zu­stim­men. Der Be­triebs­rat wi­der­sprach der be­ab­sich­tig­ten Ände­rungskündi­gung.

 

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Mit Schrei­ben vom 29. Fe­bru­ar 2008 kündig­te die Be­klag­te das Ar­beits­verhält­nis der Par­tei­en or­dent­lich zum 30. Sep­tem­ber 2008 und bot der Kläge­rin gleich­zei­tig an, es ab dem 1. Ok­to­ber 2008 zu an­sons­ten glei­chen Ar­beits­be­din­gun­gen mit dem Ar­beits­ort Frank­furt am Main fort­zu­set­zen. Die Kläge­rin nahm das An­ge­bot un­ter Vor­be­halt an.

Am 30. Mai 2008 sprach die Be­klag­te ge­genüber der Kläge­rin ei­ne Ver­set­zung nach Frank­furt am Main mit Wir­kung zum 1. Ok­to­ber 2008 aus.

Da der Be­triebs­rat auch die Zu­stim­mung zur Ver­set­zung der Kläge­rin ver­wei­gert hat­te, be­an­trag­te die Be­klag­te beim Ar­beits­ge­richt Duis­burg fest­zu­stel­len, dass die Zu­stim­mung als er­teilt gel­te, hilfs­wei­se, die Zu­stim­mung zu er­set­zen. Durch Be­schluss vom 11. Sep­tem­ber 2009 wur­den die Anträge vom Ar­beits­ge­richt Duis­burg zurück­ge­wie­sen (- 1 BV 56/08 -). Die von der Be­klag­ten hier­ge­gen ein­ge­leg­te Be­schwer­de wies das Lan­des­ar­beits­ge­richt Düssel­dorf durch mitt­ler­wei­le rechts­kräfti­gen Be­schluss vom 14. Ja­nu­ar 2009 zurück.

Mit der Kla­ge macht die Kläge­rin die So­zi­al­wid­rig­keit der Ände­rungskündi­gung gel­tend. Außer­dem ste­he der Wirk­sam­keit der Ände­rungskündi­gung ent­ge­gen, dass sie auf ei­ne Maßnah­me (Ver­set­zung) ge­rich­tet sei, von der rechts­kräftig fest­ste­he, dass sie nicht mehr um­ge­setzt wer­den könne.

Die Kläge­rin hat be­an­tragt 

1. fest­zu­stel­len, dass die Ände­rung der Ar­beits­be­din­gun­gen gemäß Ände­rungskündi­gung vom 29. Fe­bru­ar 2008 so­zi­al un­ge­recht­fer­tigt ist und das Ar­beits­verhält­nis un­verändert fort­be­steht,

2. fest­zu­stel­len, dass die Ver­set­zung vom 30. Mai 2008 un­wirk­sam ist.

Die Be­klag­te hat be­an­tragt, die Kla­ge ab­zu­wei­sen. Die Ver­set­zung sei durch ihr Di­rek­ti­ons­recht ge­deckt, je­den­falls aber sei die Ände­rungskündi­gung so­zi­al ge­recht­fer­tigt. Dass die Zu­stim­mung zur Ver­set­zung vom Be­triebs­rat ver­wei­gert und die Er­set­zung der Zu­stim­mung rechts­kräftig ab­ge­lehnt wor­den sei, ste­he der Wirk­sam­keit der Ände­rungskündi­gung eben­so we­nig im We­ge wie der in­di­vi­du­al­recht­li­chen Wirk­sam­keit der Ver­set­zung.

 

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Das Ar­beits­ge­richt hat nach den Kla­ge­anträgen er­kannt. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat die Be­ru­fung der Be­klag­ten zurück­ge­wie­sen. Mit der vom Bun­des­ar­beits­ge­richt zu­ge­las­se­nen Re­vi­si­on ver­folgt die Be­klag­te ih­ren Klag­ab­wei­sungs­an­trag wei­ter.

Nach Zurück­wei­sung der Be­ru­fung hat die Be­klag­te er­neut die Zu­stim­mung des Be­triebs­rats zur Ver­set­zung der Kläge­rin nach Frank­furt am Main be­an­tragt. Der Be­triebs­rat hat die Zu­stim­mung ver­wei­gert. Dar­auf­hin hat die Be­klag­te die Er­set­zung der Zu­stim­mung durch das Ar­beits­ge­richt be­an­tragt. Der An­trag wur­de zurück­ge­wie­sen. Über die da­ge­gen von der Be­klag­ten ein­ge­leg­te Be­schwer­de ist noch nicht ent­schie­den.

Ent­schei­dungs­gründe

Die Re­vi­si­on ist un­be­gründet, so­weit es die Ent­schei­dung über die Ver­set­zung be­trifft (I.). Im Übri­gen ist sie be­gründet und führt zur Auf­he­bung des Be­ru­fungs­ur­teils und zur Zurück­ver­wei­sung der Sa­che an das Lan­des­ar­beits­ge­richt (II.).

I. Die ge­gen die Ver­set­zung ge­rich­te­te Kla­ge ist be­gründet. Das ha­ben die Vor­in­stan­zen zu Recht er­kannt. Die von der Be­klag­ten oh­ne die er­for­der­li­che Zu­stim­mung des Be­triebs­rats aus­ge­spro­che­ne Ver­set­zung ist auch in­di­vi­du­al­recht­lich un­wirk­sam (vgl. Se­nat 5. April 2001 - 2 AZR 580/99 - zu II 2 c cc (2) der Gründe mwN, BA­GE 97, 276). Das Mit­be­stim­mungs­recht des Be­triebs­rats bei ei­ner Ver­set­zung dient ne­ben dem Schutz der Be­leg­schaft dem Schutz des von der Maßnah­me be­trof­fe­nen Ar­beit­neh­mers (Se­nat 5. April 2001 - 2 AZR 580/99 - aaO). Der Ar­beit­neh­mer hat beim Feh­len der Zu­stim­mung des Be­triebs­rats das Recht, die Ar­beit zu den geänder­ten Be­din­gun­gen zu ver­wei­gern (BAG 29. Sep­tem­ber 2004 - 1 AZR 473/03 - zu II 4 b der Gründe mwN).

II. Ob die Ände­rungskündi­gung un­wirk­sam ist, steht da­ge­gen noch nicht fest. Ent­ge­gen der Auf­fas­sung des Lan­des­ar­beits­ge­richts ist die Ände­rungs-

 

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kündi­gung nicht schon des­halb un­wirk­sam, weil die Ver­set­zung nicht die Zu­stim­mung des Be­triebs­rats fand und die­se auch nicht er­setzt wur­de.

1. Für ei­ne Ände­rungskündi­gung zum Zwe­cke der Ver­set­zung ist die Zu­stim­mung des Be­triebs­rats zur Ver­set­zung oder ih­re ge­richt­li­che Er­set­zung als sol­che kei­ne Wirk­sam­keits­vor­aus­set­zung (Se­nat 30. Sep­tem­ber 1993 - 2 AZR 283/93 - BA­GE 74, 291; zur Um­grup­pie­rung: Se­nat 28. Au­gust 2008 - 2 AZR 967/06 - BA­GE 127, 342; zur Mit­be­stim­mung nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 Be­trVG: Se­nat 17. Ju­ni 1998 - 2 AZR 336/97 - BA­GE 89, 149). Die §§ 99 ff. Be­trVG ent­hal­ten im Un­ter­schied zu § 102 Abs. 1 Satz 2 Be­trVG kei­ne aus­drück­li­che Re­ge­lung des In­halts, dass ei­ne mit­be­stim­mungs­wid­rig durch­geführ­te Ver­set­zung mit der Un­wirk­sam­keit der zu ih­rer Durch­set­zung aus­ge­spro­che­nen Ände­rungskündi­gung ein­her­gin­ge. Würde man dies an­ders be­ur­tei­len, so würden außer­dem Ände­rungskündi­gun­gen in ei­nem vom Ge­setz nicht an­ge­ord­ne­ten Aus­maß er­schwert und wären schon we­gen der mögli­chen Dau­er ei­nes Zu­stim­mungs­er­set­zungs­ver­fah­rens kei­ne an­ge­mes­se­ne Ge­stal­tungsmöglich­keit zur An­pas­sung von Ar­beits­verhält­nis­sen an geänder­te be­trieb­li­che Ge­ge­ben­hei­ten. Die Re­ge­lung des § 2 KSchG zeigt je­doch, dass dem Ar­beit­ge­ber vom Ge­setz ei­ne rea­li­sier­ba­re Möglich­keit der Ände­rungskündi­gung ge­ge­ben wer­den soll­te. Sch­ließlich kann die Ände­rungskündi­gung auch nicht als schwe­bend un­wirk­sam an­ge­se­hen wer­den. Die Kündi­gung als ein­sei­ti­ge Ge­stal­tungs­erklärung verträgt ei­nen sol­chen Zu­stand der recht­li­chen Un­ge­wiss­heit nicht (Se­nat 30. Sep­tem­ber 1993 - 2 AZR 283/93 - aaO; Preis Prin­zi­pi­en des Kündi­gungs­rechts bei Ar­beits­verhält­nis­sen S. 344 f.).

2. Ent­ge­gen ei­ner in Recht­spre­chung und Schrift­tum mit un­ter­schied­li­chen Ansätzen ver­tre­te­nen Auf­fas­sung (vgl. Hes­si­sches LAG 1. Ju­ni 2006 - 9 Sa 1743/05 -; KR/Rost 9. Aufl. § 2 KSchG Rn. 141; ähn­lich KDZ/Zwan­zi­ger 7. Aufl. Rn. 188 zu § 2 KSchG; DKK/Bach­ner Be­trVG 12. Aufl. § 99 Rn. 219; APS/Künzl 3. Aufl. § 2 KSchG Rn. 158f.; Löwisch-Spin­ner 9. Aufl. Rn. 112 zu § 2 KSchG; Ha­Ko-Pfeif­fer 3. Aufl. § 2 Rn. 70; v. Ho­y­nin­gen-Hue­ne/Linck 14. Aufl. § 2 Rn. 203; Ber­kow­sky NZA 2010, 250) ist an der Tren­nung zwi­schen dem be­triebs­ver­fas­sungs­recht­li­chen Schick­sal der Ver­set­zung und den Wirk­sam­keits-

 

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vor­aus­set­zun­gen der Kündi­gung auch für den hier ge­ge­be­nen Fall fest­zu­hal­ten, dass die vom Be­triebs­rat ver­wei­ger­te Zu­stim­mung zu der Ver­set­zung, de­ren Ermögli­chung Ge­gen­stand der Ände­rungskündi­gung ist, ge­richt­lich nicht er­setzt wor­den und die ent­spre­chen­de Ent­schei­dung rechts­kräftig ist. Durch die rechts­kräfti­ge Ab­wei­sung ei­nes An­trags auf Er­set­zung der vom Be­triebs­rat ver­wei­ger­ten Zu­stim­mung wird die Ausführung der mit der Ände­rungskündi­gung be­ab­sich­tig­ten Ver­tragsände­rung nicht dau­ernd unmöglich iSv. § 275 Abs. 1 BGB (dies noch in Be­tracht zie­hend Se­nat 30. Sep­tem­ber 1993 - 2 AZR 283/93 - zu B I 3 e ff der Gründe, BA­GE 74, 291; of­fen ge­las­sen von Se­nat 28. Au­gust 2008 - 2 AZR 967/06 - BA­GE 127, 342).

a) Ge­gen­stand ei­nes Ver­fah­rens auf Er­set­zung der Zu­stim­mung zu ei­ner Ein­stel­lung oder Ver­set­zung nach § 99 Abs. 4 Be­trVG ist die Fra­ge, ob die be­ab­sich­tig­te per­so­nel­le Maßnah­me auf­grund ei­nes kon­kre­ten, an den Be­triebs­rat ge­rich­te­ten Zu­stim­mungs­er­su­chens des Ar­beit­ge­bers an­ge­sichts der vom Be­triebs­rat vor­ge­brach­ten Ver­wei­ge­rungs­gründe ge­genwärtig und zu-künf­tig als endgülti­ge Maßnah­me zulässig ist. Ver­fah­rens­ge­gen­stand ist nicht, ob die Maßnah­me im Zeit­punkt der An­trag­stel­lung durch den Ar­beit­ge­ber zulässig war (28. Fe­bru­ar 2006 - 1 ABR 1/05 - Rn. 23, BA­GE 117, 123; 25. Ja­nu­ar 2005 - 1 ABR 61/03 - zu B I 1 der Gründe, BA­GE 113, 218; 14. De­zem­ber 2004 - 1 ABR 55/03 - zu B III 3 der Gründe, BA­GE 113, 109). Die­se ge­gen­warts- und zu­kunfts­be­zo­ge­ne Fra­ge ist nach Maßga­be der Rechts­la­ge im Zeit­punkt der ge­richt­li­chen Ent­schei­dung zu be­ant­wor­ten (25. Ja­nu­ar 2005 - 1 ABR 61/03 - aaO; 12. No­vem­ber 2002 - 1 ABR 1/02 - zu B I 2 der Gründe, BA­GE 103, 304). Auch Verände­run­gen tatsäch­li­cher Art sind de­ment-spre­chend je­den­falls bis zum Schluss der Anhörung vor dem Lan­des­ar­beits­ge­richt zu berück­sich­ti­gen (BAG 16. Ja­nu­ar 2007 - 1 ABR 16/06 - Rn. 18, 19, AP Be­trVG 1972 § 99 Ein­stel­lung Nr. 52 = EzA Be­trVG 2001 § 99 Ver­set­zung Nr. 3).

Der Ar­beit­ge­ber kann den Be­triebs­rat ggf. mehr­mals hin­ter­ein­an­der um Zu­stim­mung zur Ver­set­zung des­sel­ben Ar­beit­neh­mers auf den­sel­ben (neu­en) Ar­beits­platz er­su­chen. Er kann dem­ent­spre­chend meh­re­re Zu­stim­mungs-

 

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er­set­zungs­ver­fah­ren - nach­ein­an­der oder auch zeit­lich par­al­lel, al­so schon vor dem rechts­kräfti­gen Ab­schluss des zunächst ein­ge­lei­te­ten - bei Ge­richt anhängig ma­chen. Die­se ha­ben trotz des glei­chen Rechts­schutz­ziels pro­zes­su­al un­ter­schied­li­che Ge­genstände. Durch die rechts­kräfti­ge Ab­leh­nung der Zu­stim­mungs­er­set­zung in ei­nem vor­an­ge­gan­ge­nen Ver­fah­ren ist der Aus­gang ei­nes wei­te­ren Er­set­zungs­ver­fah­rens nicht präju­di­ziert (BAG 16. Ja­nu­ar 2007 - 1 ABR 16/06 - AP Be­trVG 1972 § 99 Ein­stel­lung Nr. 52 = EzA Be­trVG 2001 § 99 Ver­set­zung Nr. 3).

b) Ge­gen­stand des Ver­fah­rens über die Wirk­sam­keit ei­ner Ände­rungskündi­gung ist im Fal­le der An­nah­me des Ände­rungs­an­ge­bots un­ter Vor­be­halt - wie sie hier vor­liegt - der In­halt der für das Ar­beits­verhält­nis der Par­tei­en gel­ten­den Ar­beits­be­din­gun­gen (BAG 26. Au­gust 2008 - 1 AZR 353/07 - Rn. 17, AP KSchG 1969 § 2 Nr. 139 = EzA KSchG § 2 Nr. 72). Ge­gen­stand der Kla­ge ge­gen ei­ne Ände­rungskündi­gung mit dem Ziel der Ver­set­zung - hier an ei­nen an­de­ren Ar­beits­ort - ist des­halb nicht die Wirk­sam­keit der be­ab­sich­tig­ten Ver­set­zung als sol­cher. Ver­fah­rens­ge­gen­stand ist viel­mehr die so­zia­le Recht­fer­ti­gung des dem Ar­beit­neh­mer un­ter­brei­te­ten An­ge­bots, den be­ste­hen­den Ar­beits­ver­trag da­hin zu ändern, dass er - re­gelmäßig an Stel­le der bis­he­ri­gen und nicht zusätz­lich - die mit der Ver­set­zung er­streb­ten Ar­beits­be­din­gun­gen enthält. Ob die dem Ar­beit­neh­mer an­ge­son­ne­ne Ände­rung der Ar­beits­be­din­gun­gen so­zi­al ge­recht­fer­tigt ist, ist grundsätz­lich un­abhängig da­von zu be­ur­tei­len, ob und wann der Ar­beit­ge­ber von der gewünsch­ten Ände­rung der Ver­trags­be­din­gun­gen tatsächlich - durch ei­ne dann von die­sen ge­deck­te Ausübung sei­nes Wei­sungs­rechts - Ge­brauch ma­chen kann (Se­nat 30. Sep­tem­ber 1993 - 2 AZR 283/93 - zu B I 3 e cc, III der Gründe, BA­GE 74, 291).

Dem­nach un­ter­schei­den sich die Streit­ge­genstände und ge­richt­li­chen „Prüfpro­gram­me“ von Zu­stim­mungs­er­set­zungs- und Ände­rungs­schutz­ver­fah­ren maßgeb­lich. Hin­zu­kommt, dass die Wirk­sam­keit der Ände­rungskündi­gung nach der La­ge im Zeit­punkt des Zu­gangs der Kündi­gung, die Be­rech­ti­gung der Zu­stim­mungs­ver­wei­ge­rung da­ge­gen nach der Rechts- und Tat­sa­chen­la­ge im Zeit­punkt der ge­richt­li­chen Ent­schei­dung zu be­ur­tei­len ist. Dies zeigt, dass

 

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un­ter­schied­li­che Ent­schei­dun­gen über die Ver­set­zung auf der ei­nen und die Ände­rungskündi­gung auf der an­de­ren Sei­te oh­ne wei­te­res möglich sind.

c) Die rechts­kräfti­ge Ab­wei­sung des Zu­stim­mungs­er­set­zungs­an­trags des Ar­beit­ge­bers führt nicht da­zu, dass die Leis­tungs­er­brin­gung durch den Ar­beit­neh­mer nach Maßga­be der geänder­ten Ar­beits­be­din­gun­gen iSv. § 275 Abs. 1 BGB unmöglich würde - un­be­scha­det der Fra­ge, ob dies die Wirk­sam­keit der Ände­rungskündi­gung als sol­che in Fra­ge stel­len oder al­len­falls ei­nen An­spruch des Ar­beit­neh­mers dar­auf be­gründen könn­te, die Ände­rung der Ver­trags­be­din­gun­gen we­gen der Unmöglich­keit ih­rer Rea­li­sie­rung rückgängig zu ma­chen. § 275 Abs. 1 BGB ver­langt nicht nur ei­ne vorüber­ge­hen­de, son­dern setzt die dau­ern­de Unmöglich­keit zur Leis­tung vor­aus (BGH 19. Ok­to­ber 2007 - V ZR 211/06 - Rn. 15, 24, BGHZ 174, 61; Pa­landt/Grüne­berg BGB 69. Aufl. § 275 Rn. 10 mwN). Dem­ge­genüber hat die rechts­kräfti­ge Ab­wei­sung ei­nes An­trags des Ar­beit­ge­bers, die vom Be­triebs­rat auf ein be­stimm­tes Er­su­chen hin ver­wei­ger­te Zu­stim­mung zur Ver­set­zung zu er­set­zen, ge­ra­de nicht zur Fol­ge, dass der Ar­beit­ge­ber recht­lich dau­er­haft ge­hin­dert, der Ar­beit­neh­mer dau­er­haft außer Stan­de wäre, ei­ne Ver­set­zung wirk­sam an­zu­ord­nen bzw. ei­ner ent­spre­chen­den An­ord­nung be­triebs­ver­fas­sungs­recht­lich zulässi­ger­wei­se nach­zu­kom­men. Es ist dem Ar­beit­ge­ber un­be­nom­men, nach er­folg­lo­sem Zu¬stim­mungs­er­su­chen und er­folg­lo­sem An­trag auf Zu­stim­mungs­er­set­zung ein neu­es Er­su­chen um Zu­stim­mung an den Be­triebs­rat zu rich­ten und bei des­sen aber­ma­li­ger Ab­leh­nung er­neut de­ren ge­richt­li­che Er­set­zung zu be­an­tra­gen. Der Ar­beit­ge­ber ist da­mit für die Zu­kunft durch­aus in der La­ge, die kol­lek­tiv­recht­li­che Sper­re zu be­sei­ti­gen, die ihn zunächst dar­an hin­dert, die Erfüllung ei­ner durch die Ände­rungskündi­gung her­bei­geführ­ten neu­en in­di­vi­du­al­recht­li­chen Leis­tungs­pflicht des Ar­beit­neh­mers von die­sem tatsächlich ver­lan­gen zu können; von die­ser Möglich­keit hat die Be­klag­te im Übri­gen auch Ge­brauch ge­macht. Ei­ne dau­ern­de Unmöglich­keit wäre an­ge­sichts des­sen al­len­falls dann an­zu­neh­men, wenn ein wei­te­res Zu­stim­mungs­er­set­zungs­be­geh­ren - et­wa we­gen Rechts­miss­brauchs - schlech­ter­dings kei­nen Er­folg ha­ben könn­te.

 

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d) Der Ar­beit­neh­mer ist aus­rei­chend geschützt. Wie aus­geführt, bleibt die Ver­set­zung auch in­di­vi­du­al­recht­lich un­wirk­sam, so­lan­ge die Zu­stim­mung des Be­triebs­rats nicht er­teilt oder er­setzt ist. Der Ar­beit­neh­mer muss trotz de­ren Wirk­sam­keit nicht zu den geänder­ten Be­din­gun­gen ar­bei­ten.

III. Das Be­ru­fungs­ge­richt hat - von sei­nem Stand­punkt aus fol­ge­rich­tig - kei­ne Fest­stel­lun­gen zu den wei­te­ren Wirk­sam­keits­vor­aus­set­zun­gen der Ände­rungskündi­gung ge­trof­fen. Um dies nach­zu­ho­len, war die Sa­che an das Lan­des­ar­beits­ge­richt zurück­zu­ver­wei­sen (§ 563 ZPO).

Kreft 

Ey­lert 

Schmitz-Scho­le­mann

Söller 

A. Cla­es

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