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HENSCHE RECHTSANWÄLTE, FACHANWALTSKANZLEI FÜR ARBEITSRECHT

 

LAG Nie­der­sach­sen, Ur­teil vom 02.05.2011, 8 Sa 1258/10

   
Schlagworte: Erstattungsanspruch
   
Gericht: Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Aktenzeichen: 8 Sa 1258/10
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 02.05.2011
   
Leitsätze:
Vorinstanzen: Arbeitsgericht Stade, Urteil von 24.06.2010, 1 Ca 33/10
   

LAN­DES­AR­BEITS­GERICHT NIE­DERSACHSEN

IM NA­MEN DES VOL­KES

UR­TEIL

8 Sa 1258/10

1 Ca 33/10 ArbG Sta­de

In dem Rechts­streit

Kläger und Be­ru­fungskläger,

ge­gen

be­klag­tes und be­ru­fungs­be­klag­tes Land,

hat die 8. Kam­mer des Lan­des­ar­beits­ge­richts Nie­der­sach­sen auf die münd­li­che Ver­hand­lung vom 2. Mai 2011 durch

die Vor­sit­zen­de Rich­te­rin am Lan­des­ar­beits­ge­richt Stöcke-Muhlack,
den eh­ren­amt­li­chen Rich­ter Herrn Bal­ke,
den eh­ren­amt­li­chen Rich­ter Herrn Sro­ka
für Recht er­kannt:

Auf die Be­ru­fung des Klägers wird das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Sta­de vom 24. Ju­ni 2010 - 1 Ca 33/10 - teil­wei­se ab­geändert:

Das be­klag­te Land wird ver­ur­teilt, dem Kläger 14,36 Eu­ro nebst Zin­sen in Höhe von fünf Pro­zent­punk­ten über dem Ba­sis­zins­satz seit dem 6. April 2009 zu zah­len.

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Im Übri­gen wird die Be­ru­fung zurück­ge­wie­sen.

Die Kos­ten des Rechts­streits tra­gen der Kläger und das be­klag­te Land je­weils zu 50 v. H. mit Aus­nah­me der Kos­ten, die durch die Ver­wei­sung ent­stan­den sind. Die­se hat der Kläger zu tra­gen.

Die Re­vi­si­on wird zu­ge­las­sen.

 

Tat­be­stand

Die Par­tei­en strei­ten – so­weit im Be­ru­fungs­ver­fah­ren von Be­lang – um Auf­wen­dungs­er­satz für ein vom Kläger an­ge­schaff­tes Ma­the­ma­tik­buch, wel­ches er im Schul­jahr 2008/2009 nach Be­schluss der Fach­kon­fe­renz im Un­ter­richt be­nut­zen soll­te und das ihm von der Schu­le nicht zur Verfügung ge­stellt wur­de.

Der Kläger ist bei dem be­klag­ten Land (im Fol­gen­den: Land) seit dem 01.08.2002 als Lehr­kraft ei­ner Haupt­schu­le an­ge­stellt; Schulträger ist die Stadt A-Stadt. Für das Schul­jahr 2008/2009 wur­de der Kläger nach ei­ner Dienst­be­spre­chung vom 19.08.2008 für den Ma­the­ma­tik­un­ter­richt der fünf­ten Klas­se ein­ge­teilt. Laut Be­schluss der Kon­fe­renz war für sei­nen Un­ter­richt das Buch "Ma­the­ma­tik DuR 5 Nds." vor­ge­se­hen.

Mit fol­gen­dem Schrei­ben vom 21.08.2008 wand­te sich der Kläger an sei­ne Schul­lei­tung:

"Ich ge­he mitt­ler­wei­le da­von aus, dass die Schulbücher für den zu er­tei­len­den Un­ter­richt ge­stellt wer­den. Auf mei­ne An­fra­ge aus dem letz­ten Jahr ha­be ich so­wohl von der Lan­des­schul­behörde als auch vom Schulträger Ant­wor­ten er­hal­ten, die dies bestäti­gen. Strit­tig war zwi­schen Schul­behörde und Schulträger nur, wer für die Kos­ten zuständig ist. Die Brie­fe lie­gen dir vor. Ich un­ter­rich­te in die­sem Schul­jahr über­wie­gend in den 5. Klas­sen und benöti­ge hierfür die ent­spre­chen­den Schulbücher. Nach mei­ner Rechts­auf­fas­sung müssen die­se ge­stellt wer­den und ich ge­he da­von das (sic), dass das Kul­tus­mi­nis­te­ri­um mitt­ler­wei­le ent­spre­chen­de Re­ge­lun­gen ge­trof­fen hat und ich die Schulbücher spätes­tens in der nächs­ten Wo­che er­hal­te. Soll­te dies nicht der Fall sein, bit­te ich um

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kurz­fris­ti­ge Rück­spra­che, da­mit geklärt wer­den kann, wie ei­ne sach­ge­rech­te Vor­be­rei­tung und Durchführung des Un­ter­richts ge­si­chert wer­den kann."

Mit Schrei­ben vom 27.08.2008 ant­wor­te­te der Schul­lei­ter, er ha­be das An­lie­gen zur wei­te­ren Be­ar­bei­tung der B. über­sandt; von der Schu­le könne er lei­der kei­ne kos­ten­lo­sen Schulbücher zur Verfügung stel­len.

Ei­ner leih­wei­sen Über­las­sung von Büchern, die im Rah­men des Aus­leih­sys­tems fi­nan­ziert wer­den, stan­den nach Über­zeu­gung des Schul­lei­ters Be­den­ken recht­li­cher Art ent­ge­gen, die die­ser in der Be­ru­fungs­in­stanz fol­gen­der­maßen dar­ge­stellt hat:

"In un­se­rer Schul­bi­blio­thek ste­hen aus­sch­ließlich Schulbücher, die von den El­tern der Schüle­rin­nen und Schüler oder mit den Aus­gleichs­zah­lun­gen des Lan­des für un­se­re Schüle­rin­nen und Schüler be­zahlt wur­den. Ich den­ke, ich bin nicht be­fugt, die­se Bücher auch den Lehr­kräften zur Verfügung zu stel­len. In die­sem Sys­tem sind Schulbücher für Lehr­kräfte nicht vor­ge­se­hen."

Der Kläger be­stell­te am 27. oder 28.08.2008 das für den Ma­the­ma­tik­un­ter­richt benötig­te Lehr­buch im In­ter­net. Es wur­de ihm am 29.08.2008 zu ei­nem Preis in Höhe von 14,36 Eu­ro in­klu­si­ve Ver­sand­kos­ten ge­lie­fert. Mit Schrei­ben vom 09.09.2008 for­der­te der Kläger von der B. die Er­stat­tung der Kos­ten für das Schul­buch. Auf den ge­nau­en In­halt des Schrei­bens wird Be­zug ge­nom­men (Bl. 16 d. A.). Die B. lehn­te mit fol­gen­dem Schrei­ben vom 07.11.2008 (Bl. 17 d. A.) die Kos­ten­er­stat­tung ab (Be­son­der­hei­ten der Or­tho­gra­phie und Gram­ma­tik wur­den bei­be­hal­ten):

"Sie ha­ben mir ei­nen An­trag auf Kos­ten­er­stat­tung für von Ih­nen be­schaff­te Schulbücher für das Un­ter­richts­fach Ma­the­ma­tik vor­ge­legt. Ich kann Ih­nen da­zu Fol­gen­des mit­tei­len:

Wie Ih­nen be­reits be­kannt ist, hat das Nie­dersäch­si­sche Kul­tus­mi­nis­te­ri­um mehr­fach auf die Rechts­la­ge hin­ge­wie­sen, wo­nach das Land gemäß § 112 Abs. 1 Nie­ders. Schul­ge­setz (NSchG) die persönli­chen Kos­ten für die Lehr­kräfte trägt. Be­schaf­fungs­maßnah­men für Un­ter­richts­ma­te­ria­li­en zählen aber nicht zu den Per­so­nal­aus­ga­ben im Sin­ne des

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Lan­des­haus­halts­rechts. Lehr­mit­tel wie Schulbücher und Ma­te­ria­li­en sind gemäß den Lehr­kräften §§ 108, 113 NSchG vom Schulträger zur Verfügung zu stel­len. Dies gilt un­abhängig da­von, dass Ver­la­ge in der Ver­gan­gen­heit den Schu­len häufig Bücher un­ent­gelt­lich über­las­sen ha­ben.

Die­se Sach- und Rechts­la­ge ändert sich auch nicht durch das Ur­teil des Ober­ver­wal­tungs­ge­richts Rhein­land-Pfalz vom 26.02.2008 (s. bei­gefügte Leitsätze). Al­len­falls käme ei­ne Er­stat­tung durch das Land in­fra­ge, wenn Sie zu­vor zum Er­werb ermäch­tigt wor­den wären. Ei­ne sol­che Ermäch­ti­gung ist sei­tens des Dienst­herrn nicht aus­ge­spro­chen wor­den.

Ich emp­feh­le Ih­nen da­her, sich er­neut an den Schulträger zu wen­den oder die Kos­ten im Rah­men der Steu­er­erklärung gel­tend zu ma­chen."

Be­reits im Jah­re 2007 be­an­trag­te der Kläger die Be­reit­stel­lung ei­nes Schul­bu­ches für den Bio­lo­gie­un­ter­richt. Die­sen An­trag be­schied die B. mit Schrei­ben vom 17.12.2007 da­hin, dass die benötig­ten Schulbücher nach Auf­fas­sung des Mi­nis­te­ri­ums als Lehr­mit­tel vom Schulträger zur Verfügung zu stel­len sei­en und ei­ne Be­schaf­fung aus Haus­halts­mit­teln des Lan­des nicht in Be­tracht kom­men. Es blei­be dem Kläger un­be­nom­men, die Kos­ten beim Schulträger gel­tend zu ma­chen. Auf sei­ne An­fra­ge teil­te die­ser dem Kläger mit Schrei­ben vom 30.01.2008 mit, er sei für die Be­schaf­fung von Lehrbüchern nicht zuständig, weil er in kei­nem un­mit­tel­ba­ren Rechts­verhält­nis zu den Lehr­kräften des Lan­des ste­he. Aus­zugs­wei­se lau­tet das Schrei­ben wie folgt:

"Hier wur­de ei­ne Ab­stim­mung mit dem Nie­dersäch­si­schen Städte­tag getätigt. Anträge, wie der von Ih­nen ge­stell­te, gibt es auf­grund von Ur­tei­len in Nie­der­sach­sen der­zeit meh­re­re. Nach § 113 Abs. 1 Nds. Schul­ge­setz ist es so, dass der Schulträger die sächli­chen Kos­ten der Schu­le trägt, wo­zu auch die persönli­chen Kos­ten zählen, die nicht nach § 112 NSchG das Land trägt. Die­ses be­deu­tet, dass das Land die Per­so­nal­kos­ten für das pädago­gi­sche Per­so­nal über­nimmt und die kom­mu­na­len Schulträger die Per­so­nal­kos­ten für die übri­gen Mit­ar­bei­ter. Dar­aus re­sul­tiert, dass persönli­che Kos­ten für das Lan­des­per­so­nal vom Schulträger nicht über­nom­men wer­den können.

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Wei­ter­hin hat der Schulträger das not­wen­di­ge Schul­an­ge­bot und die er­for­der­li­chen Schul­an­la­gen vor­zu­hal­ten. Hier­mit ist die Aus­stat­tung mit all­ge­mei­nen und tech­nisch fach­li­chem Mo­bi­li­ar so­wohl für den Un­ter­richt als auch für die ei­ge­ne Ver­wal­tung der Schu­le ge­meint. Bei den von den Lehr­kräften ver­wen­de­ten Schulbüchern han­delt es sich je­doch um Ma­te­ria­li­en, die die Lehr­kräfte ständig, ins­be­son­de­re auch zur Vor­be­rei­tung des Un­ter­richts, benöti­gen und des­halb persönli­che Ar­beits­un­ter­la­gen der Lehr­kräfte sind. Für die Be­schaf­fung die­ser Lehrbücher kann der kom­mu­na­le Schulträger da­her nicht zuständig sein, da er in kei­nem un­mit­tel­ba­ren Rechts­verhält­nis zu Lehr­kräften des Lan­des Nie­der­sach­sen steht."

Mit der vor­lie­gen­den Kla­ge, die der Kläger zunächst beim Ver­wal­tungs­ge­richt Sta­de ein­ge­reicht hat, be­gehrt der Kläger die Er­stat­tung der von ihm auf­ge­wen­de­ten Kos­ten für das Schul­buch. Durch Be­schluss vom 15.01.2010 hat das Ver­wal­tungs­ge­richt Sta­de den Rechts­streit an das Ar­beits­ge­richt Sta­de ver­wie­sen.

Der Kläger hat die Kos­ten nicht im Rah­men sei­ner Steu­er­erklärung gel­tend ge­macht. Er hat das Buch dem Be­ru­fungs­ge­richt zur Ein­sicht vor­ge­legt und in der letz­ten münd­li­chen Ver­hand­lung erklärt, dem Land das Buch bis zur rechts­kräfti­gen Ent­schei­dung des Rechts­streits zur Verfügung zu stel­len und an­zu­bie­ten, es ihm zu übe­reig­nen, so­fern das Land rechts­kräftig zur Zah­lung ver­ur­teilt wird. Das Land hat hier­zu kei­ne Erklärung ab­ge­ge­ben und das Buch nicht ent­ge­gen­ge­nom­men.

Der Kläger hat die Auf­fas­sung ver­tre­ten, ge­genüber dem Land aus der Fürsor­ge­pflicht und in ana­lo­ger An­wen­dung des § 670 BGB ei­nen An­spruch auf Be­reit­stel­lung der von ihm für sei­nen Un­ter­richt benötig­ten Bücher zu ha­ben. Da das Land sei­nen An­spruch nicht erfüllt ha­be, sei er be­rech­tigt, sich die Bücher selbst an­zu­schaf­fen und die Kos­ten an­sch­ließend gel­tend zu ma­chen. Oh­ne die Bücher sei ein ord­nungs­gemäßer Un­ter­richt nicht möglich. Zu­min­dest dann, wenn ab­seh­bar sei, dass ge­rau­me Zeit nach Schul­jah­res­be­ginn das not­wen­di­ge Schul­buch nicht ge­stellt wer­de, müsse ihm ein Selbst­ein­tritts­recht ein­geräumt wer­den. Es be­ste­he ein An­spruch auf Er­satz für Auf­wen­dun­gen, die im In­ter­es­se des Ar­beit­ge­bers ge­macht und die nicht mit der Vergütung ab­ge­gol­ten sei­en. Der Ver­weis an den Schulträger sei nicht durch­schla­gend, weil zwi­schen dem Kläger und dem Schulträger kei­ne un­mit­tel­ba­re Rechts­be­zie­hung

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be­ste­he. Da das Land ei­ne Er­stat­tung grundsätz­lich ab­ge­lehnt ha­be, be­ste­he Wie­der­ho­lungs­ge­fahr.

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Der Kläger hat be­an­tragt,

1. das be­klag­te Land zu ver­ur­tei­len, an den Kläger 28,86 Eu­ro nebst Zin­sen in Höhe von fünf Pro­zent­punk­ten über dem Ba­sis­zins­satz seit Klag­zu­stel­lung zu zah­len,

2. fest­zu­stel­len, dass das be­klag­te Land dann, wenn der Kläger re­gulärstun­den­planmäßig für ei­ne be­stimm­te Klas­se im Fach Ma­the­ma­tik ein­ge­plant ist, ihm nach schrift­li­cher Auf­for­de­rung ge­genüber der Schul­lei­tung das dort ein­zu­set­zen­de Lehr­buch in­ner­halb ei­ner Wo­che nach Auf­nah­me der Un­ter­richtstätig­keit nicht zur Verfügung ge­stellt wird, ver­pflich­tet ist, die Auf­wen­dun­gen, die der Kläger für ei­nen Er­werb des Bu­ches auf ei­ge­ne Rech­nung hat, zu er­stat­ten.

Das Land hat be­an­tragt,

die Kla­ge ab­zu­wei­sen.

Es hat die An­sicht ver­tre­ten, ein An­spruch auf Er­satz der Kos­ten be­ste­he nicht, weil es für die An­schaf­fung durch den Kläger an ei­ner ent­spre­chen­den Ermäch­ti­gung durch das Land feh­le. Der Kläger ha­be die Bücher auf ei­ge­nes Ri­si­ko ge­kauft. Der An­spruch auf Zur­verfügung­stel­lung ei­nes Schul­bu­ches un­ter­schei­de sich in den Vor­aus­set­zun­gen von dem Er­stat­tungs­an­spruch für die An­schaf­fung ei­nes sol­chen. Die An­spruchs­vor­aus­set­zun­gen dürf­ten nicht ver­mischt wer­den. Für ei­ne Ver­knüpfung durch ein kon­stru­ier­tes "Selbst­ein­tritts­recht" be­ste­he kei­ne Grund­la­ge.

Der Kläger ha­be der B. die Möglich­keit ge­nom­men, über die Kos­tenüber­nah­me für Schulbücher nach­zu­den­ken. Der Schul­lei­ter ha­be durch sein Schrei­ben an den Kläger vom 27.08.2008 zum Aus­druck ge­bracht, dass der An­trag auf Kos­ten­er­stat­tung nicht auf Schul­lei­tungs­ebe­ne ent­schie­den wer­de, der An­trag zur wei­te­ren Be­ar­bei­tung an die B. wei­ter­ge­ge­ben wer­de. Der Kläger ha­be das Schul­buch da­her in Kennt­nis der feh­len­den Zuständig­keit des Schul­lei­ters für die Fi­nan­zie­rungs­zu­sa­ge be­stellt und be­wusst in Kauf ge­nom­men, dass die Be­schaf­fungs­kos­ten nicht er­stat­tet würden. Zu­dem müsse nicht das Land, son­dern der Schulträger die Kos­ten er­stat­ten.

Das Ar­beits­ge­richt Sta­de hat die Kla­ge mit Ur­teil vom 24.06.2010 ab­ge­wie­sen. Zur Be­gründung hat es auf ein Ur­teil des OVG Rhein­land Pfalz vom 26.02.2008 ver­wie­sen

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und aus­geführt, der An­spruch auf Aus­la­gen­er­satz be­ste­he nicht, weil der Kläger nicht zunächst auf dem Dienst­weg ver­sucht ha­be, die Be­reit­stel­lung des Lehr­mit­tels durch sei­nen Dienst­herrn zu er­rei­chen. Erst wenn die­ses Vor­ge­hen kei­nen Er­folg ge­habt ha­be, kom­me un­ter Umständen die Er­stat­tung von Kos­ten in Fra­ge. Dem­ent­spre­chend ha­be der Kläger, nach­dem er be­an­tragt hat­te, ihm das Schul­buch zur Verfügung zu stel­len, ab­war­ten müssen, be­vor er wei­te­re Schrit­te er­grei­fe. In die­sem Zu­sam­men­hang sei es un­er­heb­lich, dass das be­klag­te Land ei­nem Er­stat­tungs­an­spruch grundsätz­lich ab­leh­nend ge­genüber­ste­he, weil die­ses je­weils Er­mes­sens­ent­schei­dun­gen im Ein­zel­fall tref­fe. Im Wei­te­ren sei der vom Kläger ge­stell­te Fest­stel­lungs­an­trag be­reits un­zulässig, weil es ihm an ei­nem Fest­stel­lungs­in­ter­es­se feh­le und Wie­der­ho­lungs­ge­fahr nicht ge­ge­ben sei.

Ge­gen die­ses ihm am 16.07.2010 zu­ge­stell­te Ur­teil hat der Kläger am 12.08.2010 Be­ru­fung ein­ge­legt, die er am 14.09.2010 un­ter Auf­recht­er­hal­tung sei­ner be­reits in ers­ter In­stanz ver­tre­te­nen Auf­fas­sung be­gründet hat. Im Schwer­punkt stellt er dar­auf ab, es han­de­le sich bei den Kos­ten des Bu­ches um Auf­wen­dun­gen im In­ter­es­se des Lan­des, die der Kläger den Umständen nach für er­for­der­lich hal­ten durf­te.

Der Kläger be­an­tragt,

un­ter Abände­rung des Ur­teils des Ar­beits­ge­richts Sta­de vom 24. Ju­ni 2010 – 1 Ca 33/10 –

1. das be­klag­te Land zu ver­ur­tei­len, an den Kläger 28,86 Eu­ro nebst Zin­sen in Höhe von 5 Pro­zent­punk­ten über dem Ba­sis­zins­satz seit Klag­zu­stel­lung zu zah­len,

2. fest­zu­stel­len, dass das be­klag­te Land dann, wenn der Kläger re­gulärstun­den­planmäßig für ei­ne be­stimm­te Klas­se im Fach Ma­the­ma­tik ein­ge­plant ist, ihm nach schrift­li­cher Auf­for­de­rung ge­genüber der Schul­lei­tung das dort ein­zu­set­zen­de Lehr­buch in­ner­halb ei­ner Wo­che nach Auf­nah­me der Un­ter­richtstätig­keit nicht zur Verfügung ge­stellt wird, ver­pflich­tet ist, die Auf­wen­dun­gen, die der Kläger für ei­nen Er­werb des Bu­ches auf ei­ge­ne Rech­nung hat, zu er­stat­ten;

hilfs­wei­se,
un­ter Abände­rung des Ur­teils des Ar­beits­ge­richts Sta­de vom 24. Ju­ni 2010 – 1 Ca 33/10 –

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1. das be­klag­te Land zu ver­ur­tei­len, an den Kläger 14,36 Eu­ro nebst Zin­sen in Höhe von fünf Pro­zent­punk­ten über dem Ba­sis­zins­satz seit Klag­zu­stel­lung zu zah­len, Zug um Zug ge­gen Über­tra­gung des Ei­gen­tums an dem in sei­nem Be­sitz be­find­li­chen Buch Ma­the­ma­tik DuR 5 NDS, ISBN-Nr.: 978-3-14-126075-5,

2. fest­zu­stel­len, dass das be­klag­te Land dann, wenn der Kläger re­gulär stun­den­planmäßig für ei­ne be­stimm­te Klas­se im Fach Ma­the­ma­tik ein­ge­plant wird und ihm nach schrift­li­cher Auf­for­de­rung ge­genüber der Schul­lei­tung das dort ein­zu­set­zen­de Lehr­buch nicht in­ner­halb ei­ner Wo­che – hilfs­wei­se in­ner­halb ei­nes Mo­nats – nach Auf­nah­me der Un­ter­richtstätig­keit zur Verfügung ge­stellt wird, ver­pflich­tet ist, die Auf­wen­dun­gen, die der Kläger für ei­nen Er­werb des Bu­ches auf ei­ge­ne Rech­nung hat, zu er­stat­ten, Zug um Zug ge­gen Übe­reig­nung des je­wei­li­gen Bu­ches.

Das Land be­an­tragt,

die Be­ru­fung zurück­zu­wei­sen.

Es ver­tei­digt das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts nach Maßga­be sei­ner Be­ru­fungs­er­wi­de­rung vom 22.11.2010 und sei­ner Schriftsätze vom 07.03.2011 und vom 08.04.2011, auf die Be­zug ge­nom­men wird (Bl. 132 bis 138 d. A.; Bl. 171 bis 175 d. A.; Bl. 187/188 d. A.).

Zu den Ausführun­gen der Par­tei­en zur Sach- und Rechts­la­ge wird auf die von ih­nen ein­ge­reich­ten Schriftsätze nebst An­la­gen ver­wie­sen, die Ge­gen­stand der münd­li­chen Ver­hand­lung wa­ren.

 

Ent­schei­dungs­gründe

A.
Die gemäß §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1 und 2 ArbGG statt­haf­te Be­ru­fung des Klägers ist von ihm frist- und form­ge­recht ein­ge­legt und be­gründet wor­den (§§ 519, 520 Abs. 1 und 3 ZPO, § 66 Abs. 1 und 2 ArbGG). Sie ist da­mit ins­ge­samt zulässig.

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B.
Die Be­ru­fung ist im zu­er­kann­ten Um­fang be­gründet. Hin­sicht­lich des Fest­stel­lungs­an­tra­ges ist sie un­be­gründet.

I.
Der Kläger hat ge­gen das Land ei­nen An­spruch auf Auf­wen­dungs­er­satz in ent­spre­chen­der An­wen­dung von § 670 BGB in Höhe von 14,36 Eu­ro für das von ihm an­ge­schaff­te Lehr­buch Ma­the­ma­tik DuR 5 Nds.

Der Kläger kann ver­lan­gen, dass ihm die zur Durchführung sei­nes Un­ter­richts er­for­der­li­chen Lehr- und Un­ter­richts­mit­tel, zu de­nen das in Re­de ste­hen­de Buch gehört, kos­ten­frei zur Verfügung ge­stellt wer­den. Der gel­tend ge­mach­te An­spruch auf Er­stat­tung des Kauf­prei­ses für das auf ei­ge­ne Rech­nung ge­kauf­te Lehr­buch ist sach­lich ge­recht­fer­tigt. Die Auf­wen­dun­gen durch den Kauf des Bu­ches durf­te der Kläger für er­for­der­lich hal­ten. Das Land ist sei­ner Ver­pflich­tung aus dem Ar­beits­verhält­nis, das Buch für den Kläger recht­zei­tig be­reit­zu­stel­len, nicht nach­ge­kom­men. Das Land kann sich vor­lie­gend nicht dar­auf be­ru­fen, es sei grundsätz­lich Sa­che des Dienst­herrn, zu ent­schei­den, wel­che Ar­beits­mit­tel für not­wen­dig er­ach­tet wer­den und un­ter wel­chen Vor­aus­set­zun­gen es die­se den Ar­beit­neh­mern zur Verfügung stel­le. Es kann sich auch nicht dar­auf be­ru­fen, der Kläger ha­be es un­ter­las­sen, ei­ne po­si­ti­ve Ent­schei­dung ein­zu­ho­len, be­vor er sich zur persönli­chen An­schaf­fung des Lehr­bu­ches ent­schließt. Sein Hin­weis auf ei­ne feh­len­de for­mel­le Ermäch­ti­gung ist treu­wid­rig.

1.
§ 670 BGB ist für Auf­wen­dungs­er­satz­ansprüche im Zu­sam­men­hang mit ei­nem Ar­beits­verhält­nis ent­spre­chend an­zu­wen­den. Die Vor­schrift enthält ei­nen all­ge­mei­nen Rechts­grund­satz, der auch für das Ar­beits­verhält­nis gilt: Der Ar­beit­neh­mer kann vom Ar­beit­ge­ber Er­satz der Auf­wen­dun­gen ver­lan­gen, die er in des­sen In­ter­es­se hat­te und die er den Umständen nach für er­for­der­lich hal­ten durf­te (vgl. Be­schluss des Großen Se­nats der Bun­des­ar­beits­ge­rich­te vom 10. No­vem­ber 1961 – GS 1/60 – BA­GE 12, 15, 27 = AP Nr. 2 zu § 611 BGB Gefähr­dungs­haf­tung des Ar­beit­ge­bers; BAG vom 21. Au­gust 1985 – 7 AZR 199/83 – AP Nr. 19 zu § 618 BGB = EzA § 618 BGB Nr. 5; vom 19. Mai 1998 – 9 AZR 307/96 – BA­GE 89, 26 = AP Nr. 31 zu § 670 BGB; vom 14. Ok­to­ber 2003 – 9 AZR 657/02 – AP Nr. 32 zu § 670 BGB = EzA § 670 BGB 2002 Nr. 1). Auf­wen­dun­gen sind

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frei­wil­li­ge Vermögens­op­fer für die In­ter­es­sen ei­nes an­de­ren (BGH vom 12. Ok­to­ber 1972 – VII ZR 51/72 – BGHZ 59, 328 = NJW 1973, 46; BGH vom 26. April 1989 – IVb ZR 42/88 – NJW 1989, 2816 = LM Nr. 27 zu § 1606 BGB). Es muss sich um Vorgänge han­deln, die sich auf das Vermögen des Be­auf­trag­ten ne­ga­tiv aus­wir­ken. Dies setzt nicht vor­aus, dass sich das Vermögen des Be­auf­trag­ten rech­ne­risch min­dert (BAG vom 14. Ok­to­ber 2003 – 9 AZR 657/02 – AP Nr. 32 zu § 670 BGB = EzA-SD 2004, Nr. 9, 6).

2.
Die An­wen­dung die­ser Grundsätze er­gibt ei­nen An­spruch des Klägers ge­gen das Land ent­spre­chend § 670 BGB auf Er­stat­tung des Kauf­prei­ses für das Ma­the­ma­tik­buch.

a)
Das Ma­the­ma­tik­buch ist zur sach­ge­rech­ten Durchführung des Un­ter­richts er­for­der­li­ches Lehr- und Un­ter­richts­mit­tel. Es war von der Fach­kon­fe­renz für den Un­ter­richt vor­ge­ge­ben. Es soll­te im Un­ter­richt be­nutzt wer­den und stellt da­mit ein not­wen­di­ges Ar­beits­mit­tel dar. Der Kläger benötigt es, um ord­nungs­gemäß Un­ter­richt zu er­tei­len, Haus­auf­ga­ben auf­zu­ge­ben oder um The­men für Klas­sen­ar­bei­ten vor­zu­be­rei­ten.

b)
Der zu sei­ner Be­schaf­fung aus­ge­ge­be­ne Kauf­preis ist ei­ne Auf­wen­dung im In­ter­es­se des Ar­beit­ge­bers, der zum Zwe­cke der Ver­trags­ausführung er­bracht wor­den ist. Auf­wen­dun­gen im Sin­ne von § 670 BGB wer­den ins­be­son­de­re dann an­ge­nom­men, wenn sie vom Ar­beit­ge­ber an­ge­ord­net wur­den oder der Ar­beit­ge­ber die Auf­wen­dun­gen auch hätte tra­gen müssen, wenn er an­stel­le des Be­auf­trag­ten tätig ge­wor­den wäre.

Das Land ist ver­pflich­tet, den bei ihm an­ge­stell­ten Lehr­kräften die zur sach­ge­rech­ten Durchführung des Un­ter­richts er­for­der­li­chen Lehr- und Un­ter­richts­mit­tel zur Verfügung zu stel­len. Die­se Ver­pflich­tung folgt aus der Fürsor­ge­pflicht des Ar­beit­ge­bers (vgl. OVG Rhein­land-Pfalz vom 26.02.2008 – 2 A 11288/07 – AS RP-SL 35, 449 = DÖD 2008, 175). Es ist dem an­ge­stell­ten Leh­rer grundsätz­lich nicht zu­mut­bar, die Kos­ten für die Be­schaf­fung von Ar­beits­mit­teln, die zur sach­ge­rech­ten Durchführung sei­nes Un­ter­richts zwin­gend er­for­der­lich sind, aus sei­ner Vergütung zu tra­gen (vgl. OVG Rhein­land-Pfalz vom 26.02.2008 – 2 A 11288/07 – AS RP-SL 35, 449 = DÖD 2008, 175). Nur was zur selbst­verständ­li­chen Ein­satz­pflicht des Ar­beit­neh­mers bei der Ar­beit gehört, wird durch die Vergütungs­zah­lung aus­ge­gli­chen (BAG Großer Se­nat 10. No­vem­ber 1961 – GS 1/60 –

- 12 -

BA­GE 12, 15, 27). Not­wen­di­ge Ar­beits­mit­tel gehören hier­zu nicht. Das ent­spricht dem herkömmli­chen Verständ­nis des Ar­beits­verhält­nis­ses.

c)
Der Kläger durf­te die Kos­ten den Umständen nach für er­for­der­lich hal­ten. Woll­te der Kläger sei­nen Pflich­ten aus dem Ar­beits­verhält­nis als Ma­the­ma­tik­leh­rer der fünf­ten Klas­sen or­dent­lich nach­kom­men, benötig­te er das Lehr­buch. Es war zur Un­ter­richts­vor­be­rei­tung not­wen­dig; nach dem Be­schluss der Fach­kon­fe­renz war es zur Grund­la­ge des vom Kläger zu er­tei­len­den Un­ter­richts ge­macht wor­den und von den Schülern und ihm als de­ren Leh­rer im Un­ter­richt zu ver­wen­den; aus dem Be­stand der Schu­le wur­de es nicht zur Verfügung ge­stellt. We­der das Land noch der Schulträger woll­ten die Kos­ten für die Be­schaf­fung des Bu­ches be­reit stel­len. Das Land hätte die Auf­wen­dun­gen über­neh­men müssen, wenn es an­stel­le des Klägers tätig ge­wor­den wäre. Un­er­heb­lich ist, ob im In­nen­verhält­nis ein An­spruch ge­gen den Schulträger auf Er­satz be­steht, denn der Kläger ist ar­beits­ver­trag­lich nur dem Land ver­pflich­tet.

3.
Das Land kann nicht da­mit durch­drin­gen, es ha­be aus Gründen der Spar­sam­keit und Wirt­schaft­lich­keit der Ver­wen­dung von Haus­halts­mit­teln ei­nen wei­ten Er­mes­sens­spiel­raum bei der Be­schaf­fung von Ar­beits­mit­teln. Zwar ist es rich­tig, dass das Land bei der Be­ant­wor­tung der Fra­ge, in wel­cher Wei­se den Lehr­kräften Lehr­mit­tel ge­stellt wer­den, ei­nen wei­ten Er­mes­sens­spiel­raum hat. Hier­auf kann es sich vor­lie­gend je­doch nicht be­ru­fen. Das Land hat dem Kläger we­der ei­ne güns­ti­ge­re Al­ter­na­ti­ve auf­ge­zeigt noch sei­nen Wil­len, zukünf­tig für die Be­reit­stel­lung der Ar­beits­mit­tel zu sor­gen. Viel­mehr hat es – wie be­reits zu­vor – den An­trag des Klägers mit Schrei­ben vom 7. No­vem­ber 2008 un­ter wie­der­hol­tem Hin­weis ab­ge­lehnt, für die Lehr­mit­tel­be­schaf­fung nicht zuständig zu sein. Er­neut hat das Land dem Kläger emp­foh­len, sich an den Schulträger zu wen­den oder die Kos­ten im Rah­men der Steu­er­erklärung gel­tend zu ma­chen. Das Land hat auch kei­nen Weg auf­ge­zeigt, wie das Lehr­buch güns­ti­ger hätte an­ge­schafft wer­den können. Es hat die Be­reit­stel­lung grundsätz­lich ab­ge­lehnt, sei­nen Er­mes­sens­spiel­raum al­so nicht aus­geübt.

4.
Das Land kann auch nicht dar­auf ver­wei­sen, es feh­le an ei­nem Auf­trag des Dienst­herrn und Schulträgers; ei­ne Er­stat­tung käme al­len­falls in­fra­ge, wenn der Kläger zu­vor zum Er­werb ermäch­tigt wor­den wäre. Die­ser Ein­wand ist treu­wid­rig (§ 242 BGB).

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a)
Für die An­nah­me, der von ei­nem Schuld­ner er­ho­be­ne Ein­wand ver­s­toße ge­gen Treu und Glau­ben, gilt grundsätz­lich ein stren­ger Maßstab (vgl. et­wa BGH vom 21.01.1988 – IX ZR 65/87 – MDR 1988, 578 = NJW 1988, 2245; BAG vom 07. No­vem­ber 2007 – 5 AZR 910/06 – AP Nr. 23 zu § 196 BGB = EzA § 242 BGB 2002 Rechts­miss­brauch Nr. 4). Der Grund­satz von Treu und Glau­ben bil­det ei­ne al­len Rech­ten, Rechts­la­gen und Rechts­nor­men im­ma­nen­te In­halts­be­gren­zung. Die ge­gen § 242 BGB ver­s­toßen­de Rechts­ausübung oder Aus­nut­zung ei­ner Rechts­la­ge ist un­zulässig (BAG vom 4. De­zem­ber 1997 – 2 AZR 799/96 – BA­GE 87, 200).

Rech­te können dann un­zulässig aus­geübt wer­den, wenn sich der An­spruch­stel­ler da­mit in Wi­der­spruch zu sei­nem ei­ge­nen vor­aus­ge­gan­ge­nen Ver­hal­ten setzt. Ein wi­dersprüchli­ches Ver­hal­ten ist dann rechts­miss­bräuch­lich, wenn für den an­de­ren Teil ein schützens­wer­ter Ver­trau­en­stat­be­stand ge­schaf­fen wor­den ist oder wenn an­de­re Umstände die Rechts­ausübung als treu­wid­rig er­schei­nen las­sen (st. Rspr., vgl. et­wa BAG vom 9. De­zem­ber 2009 – 10 AZR 850/08 – AP Nr. 318 zu § 1 TVG Ta­rif­verträge: Bau = NZA-RR 2010, 336; vom 12. März 2009 – 2 AZR 894/07 – AP BGB § 626 Nr. 221 = EzA BGB 2002 § 242 Kündi­gung Nr. 8; vom 13. De­zem­ber 2007 – 2 AZR 971/06 – BA­GE 125, 198; vom 14. Ok­to­ber 2003 – 9 AZR 657/02 – AP BGB § 670 Nr. 32 = EzA BGB 2002 § 670 Nr. 1; vom 4. De­zem­ber 2002 – 5 AZR 556/01 – BA­GE 104, 86; vom 4. De­zem­ber 1997 – 2 AZR 799/96 – BA­GE 87, 200; BGH 5. Ju­ni 1997 – X ZR 73/95 – NJW 1997, 3377;
17. April 2008 – III ZB 97/06 – MDR 2008, 757; vgl. auch BVerfG 15. April 2004 – 1 BvR 622/98 – NJW 2004, 2149 für das Ver­fas­sungs­recht; BGH 1. April 2008 – 5 StR 357/07 – NStZ 2008, 475 für das Straf­pro­zess­recht; 18. Ok­to­ber 2007 – I ZR 24/05 – Mar­kenR 2008, 203 für das Mar­ken­recht; 25. Sep­tem­ber 2007 – KVR 25/06 – WM 2007, 2213 zum Kar­tell­recht; 7. Fe­bru­ar 2006 – VI ZR 20/05 – MDR 2006, 990 – zum De­liktsrecht „Rem­pel­tanz“). Die ge­gen § 242 BGB ver­s­toßen­de Rechts­ausübung oder Aus­nut­zung ei­ner Rechts­la­ge wird we­gen der Rechtsüber­schrei­tung als un­zulässig an­ge­se­hen. Wann dies der Fall ist, ist un­ter Berück­sich­ti­gung der Umstände des Ein­zel­falls zu ent­schei­den (BAG vom 4. De­zem­ber 1997 – 2 AZR 799/96 – BA­GE 87, 200).

b)

- 14 -

Die Umstände des vor­lie­gen­den Ein­zel­fal­les las­sen die Rechts­ausübung des Lan­des als treu­wid­rig er­schei­nen (vgl. zum Ein­wand der Treu­wid­rig­keit im Schul­dienst LAG Hamm vom 3. Fe­bru­ar 2011 – 11 Sa 1852/10 – AA 2011,64). Be­reits ein Jahr zu­vor hat­te der Kläger die Be­reit­stel­lung von Lehrbüchern be­gehrt. Er er­hielt von der B. die Mit­tei­lung, das Nie­dersäch­si­sche Kul­tus­mi­nis­te­ri­um ha­be mehr­fach auf die Rechts­la­ge hin­ge­wie­sen, wo­nach das Land gemäß § 112 Abs. 1 NSchG die persönli­chen Kos­ten für die Lehr­kräfte tra­ge, zu de­nen gemäß Abs. 2 Satz 1 die Per­so­nal­aus­ga­ben im Sin­ne des Lan­des­haus­halts­rechts und die Rei­se­kos­ten gehörten. Be­schaf­fungs­maßnah­men für die Un­ter­richts­ma­te­ria­li­en zähl­ten aber nicht zu den Per­so­nal­aus­ga­ben im Sin­ne des Lan­des­haus­halts­rechts. Viel­mehr sei­en die von den Leh­re­rin­nen und Leh­rern für Un­ter­richts­zwe­cke benötig­ten Schulbücher nach Auf­fas­sung des Mi­nis­te­ri­ums den Lehr­kräften vom Schulträger – ggf. leih­wei­se – zur Verfügung zu stel­len. Ei­ne Be­schaf­fung des Schul­bu­ches aus Haus­halts­mit­teln des Lan­des kom­me so­mit nicht in Be­tracht. Es blei­be der Lehr­kraft un­be­nom­men, die Kos­ten beim Schulträger oder zum Bei­spiel im Rah­men der Steu­er­erklärung gel­tend zu ma­chen.

Auf­grund die­ser Erklärun­gen und der Wei­ge­rung des Schul­lei­ters, ein Buch leih­wei­se aus den Beständen der Bi­blio­thek zur Verfügung zu stel­len, durf­te der Kläger be­reits am 27./28. Au­gust 2008 da­von aus­ge­hen, ihm wer­de das Ma­the­ma­tik­buch auch für das neue am 21. Au­gust 2008 be­gon­ne­ne Schul­jahr nicht zur Verfügung ge­stellt. Er konn­te auch da­von aus­ge­hen, von sei­nem Ar­beit­ge­ber nicht ermäch­tigt zu wer­den, das Buch auf Rech­nung des Lan­des zu kau­fen oder es kostengüns­tig auf an­de­re Wei­se zu be­sor­gen.

Das Land hat­te in dem Schrei­ben des Vor­jah­res be­reits über den kon­kre­ten Vor­gang hin­aus­ge­hend sei­ne Rechts­auf­fas­sung dar­ge­legt, nach der ei­ne Er­stat­tung von An­schaf­fungs­kos­ten für Schulbücher durch das Land ge­ne­rell aus­ge­schlos­sen sei. Mit ei­ner er­neu­ten – an­de­ren – ein­zel­fall­be­zo­ge­nen Er­mes­sens­ent­schei­dung war nicht zu rech­nen.

Die Ant­wort des Lan­des mit Schrei­ben vom 7. No­vem­ber 2008 bestätigt die­se Einschätzung. Er­neut ver­weist es den Kläger auf die ihm „be­kann­te Rechts­la­ge“, nach der das Land gemäß § 112 Abs. 1 NSchG (nur) die persönli­chen Kos­ten für die Lehr­kräfte tra­ge und Be­schaf­fungs­maßnah­men für Un­ter­richts­ma­te­ria­li­en nicht zu den Per­so­nal­aus­ga­ben zähl­ten; Lehr­mit­tel sei­en vom Schulträger zur Verfügung zu stel­len.

- 15 -

Un­ter die­sen Umständen ist es treu­wid­rig, sich den Pflich­ten aus dem Ar­beits­verhält­nis da­durch zu ent­zie­hen, dass for­mal auf ei­ne feh­len­de Ermäch­ti­gung ver­wie­sen wird, die oh­ne­hin nicht er­teilt wer­den soll­te.

5.
Das Land kann sich auch nicht mit Er­folg dar­auf be­ru­fen, dem Kläger sei es im vor­lie­gen­den Ver­fah­ren nicht al­lein um die Möglich­keit der Nut­zung des be­tref­fen­den Schul­bu­ches ge­gan­gen; viel­mehr ha­be er das Schul­buch für den Ei­gen­be­darf ge­kauft.

Der Sach­ver­halt steht die­ser An­nah­me ent­ge­gen. Der Schul­lei­ter hat erklärt, dem Kläger ein Buch auch leih­wei­se nicht zur Verfügung stel­len zu können, weil ihm dies aus recht­li­chen Erwägun­gen nicht er­laubt sei. Ge­gen ei­ne leih­wei­se Über­las­sung des Schul­bu­ches hätte der Kläger sich nicht ge­wandt, denn er be­gehr­te nicht die Übe­reig­nung des Schul­bu­ches. Der Kläger hat das von ihm ge­kauf­te Buch auch we­der steu­er­lich gel­tend ge­macht noch wie ein ei­ge­nes be­nutzt: In dem Buch be­fin­den sich kei­ne persönli­chen Auf­zeich­nun­gen, kei­ne Strei­chun­gen oder auf Ei­gen­nut­zung hin­wei­sen­de Schäden; der Kläger hat es nicht mit sei­nem Na­men ge­kenn­zeich­net: Vom Ge­richt dar­auf an­ge­spro­chen, wes­halb er nach dem Schul­jahr 2008/2009 das Buch nicht der Schu­le zur Verfügung ge­stellt ha­be, erklärte der Kläger so­gleich, hier­mit kein Pro­blem zu ha­ben und sei­nen An­trag ent­spre­chend um­stel­len zu wol­len. Auch die­ses Ver­hal­ten spricht der An­nah­me ent­ge­gen, der Kläger ha­be die Ar­beits­mit­tel be­hal­ten wol­len.

6.
Ei­ner Zug-um-Zug Ver­ur­tei­lung be­durf­te es nicht. Der Kläger hat dem Land die Ei­gen­tumsüber­tra­gung an­ge­bo­ten. Das Land hat die An­nah­me ver­wei­gert. Es be­fin­det sich so­mit im Ver­zug.

II.
Der Zins­an­spruch be­ruht auf §§ 286, 288, 284 BGB.

III.
Dem Kläger steht je­doch nicht der darüber hin­aus gel­tend ge­mach­te Fest­stel­lungs­an­spruch zu. Der Kla­ge­an­trag ist man­gels hin­rei­chen­der Be­stimmt­heit un­zulässig. Er lässt kei­ne Aus­le­gung zu, die den Er­for­der­nis­sen des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO genügt. Der An­trag ist in die Zu­kunft ge­rich­tet. We­der die Er­for­der­lich­keit noch die Höhe der For­de­rung las­sen sich be­stim­men.

- 16 -

1.
Nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO muss die Kla­ge­schrift ne­ben ei­nem An­trag die be­stimm­te An­ga­be des Ge­gen­stan­des und des Grun­des des er­ho­be­nen An­spru­ches ent­hal­ten. Dafür kommt es dar­auf an, dem Schuld­ner den Wil­len des Gläubi­gers zur Durch­set­zung sei­ner For­de­run­gen zu ver­deut­li­chen; im all­ge­mei­nen ist es aus­rei­chend, wenn der An­spruch als sol­cher iden­ti­fi­zier­bar ist (st.Rspr., vgl. BGH, Ur­teil vom 17. Ju­li 2003 – I ZR 295/00, WRP 2003, 1458 = BGH-Re­port 2003, 1438, un­ter II 3 a m.w.Nachw.; Zöller/Gre­ger, ZPO, 24. Aufl., § 253 Rn. 12a). Ein Zah­lungs­an­spruch ist in die­sem Sin­ne be­stimmt, wenn er be­tragsmäßig fest­ge­legt ist oder sich oh­ne wei­te­res er­rech­nen lässt (BGH vom 30. Ju­ni 1982 – V ZB 20/82 – BGHZ 88, 62 = WM 1983, 960; vom 23. Ok­to­ber 1980 – III ZR 62/79 – WM 1981, 189; vom 24. Ok­to­ber 1954 – V ZR 127/55 – BGHZ 22, 54). Das ist er­for­der­lich, um zu klären, worüber das Ge­richt ent­schei­det und wie der ob­jek­ti­ve Um­fang der Rechts­kraft ei­ner Sach­ent­schei­dung im Sin­ne von § 322 Abs. 1 ZPO ist (vgl. BAG vom 12. Ja­nu­ar 2011 – 7 ABR 94/09 – n.v. zi­tiert nach ju­ris; vom 18. Au­gust 2009 – 1 ABR 45/08 – AP Nr. 2 zu § 84 SGB IX).

Der Fest­stel­lungs­an­trag wird den Er­for­der­nis­sen des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO nicht ge­recht, weil er die Höhe der zu er­set­zen­den Auf­wen­dun­gen eben­so we­nig fest­le­gen lässt wie die im je­wei­li­gen Fall zu prüfen­de Er­for­der­lich­keit der Auf­wen­dung. Die­se An­ga­ben sind für die Be­stimmt­heit des Ver­fah­rens­ge­gen­stands aber un­ent­behr­lich.

Wie der vor­lie­gen­de Rechts­streit be­legt, hängt es von den Umständen des Ein­zel­fal­les ab, ob Auf­wen­dungs­er­satz­ansprüche be­ste­hen oder nicht. Dem An­spruch ent­ge­gen ste­hen könn­te bei­spiels­wei­se auch, dass der Be­schluss der Klas­sen­kon­fe­renz, auf der die (ver­meint­li­che) Er­for­der­lich­keit der An­schaf­fung be­ruht, auf­grund for­mel­ler Feh­ler un­wirk­sam ist. Denk­bar ist, dass ein kostengüns­ti­ger Weg auf­ge­zeigt wird. Würde dem An­trag oh­ne Wei­te­res statt­ge­ge­ben, könn­te das Land ei­ne kostengüns­ti­ge­re An­schaf­fungsmöglich­keit nicht mehr ein­wen­den.

2.
Darüber hin­aus fehlt es dem An­trag am be­son­de­ren Fest­stel­lungs­in­ter­es­se. Gemäß § 256 Abs. 1 ZPO kann Kla­ge auf Fest­stel­lung des Be­ste­hens oder Nicht­be­ste­hens ei­nes Rechts­verhält­nis­ses er­ho­ben wer­den, wenn der Kläger ein recht­li­ches In­ter­es­se dar­an hat, dass das Rechts­verhält­nis durch rich­ter­li­che Ent­schei­dung als­bald fest­ge­stellt wer­de. Die Fest­stel­lungs­kla­ge kann sich auf ein­zel­ne Be­zie­hun­gen oder Fol­gen aus ei­nem

- 17 -

Rechts­verhält­nis, auf be­stimm­te Ansprüche oder Ver­pflich­tun­gen oder auf den Um­fang ei­ner Leis­tungs­pflicht be­schränken. Das be­son­de­re Fest­stel­lungs­in­ter­es­se muss als Sa­chur­teils­vor­aus­set­zung in je­der La­ge des Ver­fah­rens ge­ge­ben sein. Es liegt nur dann vor, wenn durch die Ent­schei­dung über den Fest­stel­lungs­an­trag der Streit ins­ge­samt be­sei­tigt wird und das Rechts­verhält­nis der Par­tei­en ab­sch­ließend geklärt wer­den kann. Es fehlt, wenn durch die Ent­schei­dung kein Rechts­frie­den ge­schaf­fen wird (BAG vom 21.04.2010 – 4 AZR 755/08 – zi­tiert nach ju­ris, Rz. 19 bis 21 m.w.N.).

Durch die Ent­schei­dung über den Fest­stel­lungs­an­trag würde der Streit nicht ins­ge­samt bei­ge­legt und kann das Rechts­verhält­nis der Par­tei­en nicht ab­sch­ließend geklärt wer­den. Die Über­nah­me der Kos­ten hängt von vie­len un­ter­schied­lich aus­fal­len­den Fak­to­ren ab, die der Prüfung des je­wei­li­gen Ein­zel­fal­les ob­liegt. Dies wur­de oben auf­ge­zeigt.

C.
Die Kos­ten­ent­schei­dung folgt aus § 92 ZPO i. V. m. § 64 Abs. 6 ArbGG.

D.
Die Re­vi­si­on war gem. § 72 ArbGG zu­zu­las­sen, weil die Ent­schei­dung für die All­ge­mein­heit von be­son­de­rer Be­deu­tung ist, auch wenn es sich um die Ent­schei­dung ei­nes Ein­zel­falls han­delt.


Rechts­mit­tel­be­leh­rung

Ge­gen die­ses Ur­teil fin­det, wie sich aus der Ur­teils­for­mel er­gibt, die Re­vi­si­on statt.

Die Re­vi­si­ons­schrift muss in­ner­halb ei­nes Mo­nats nach Zu­stel­lung die­ses Ur­teils, die Re­vi­si­ons­be­gründung in­ner­halb von zwei Mo­na­ten nach Zu­stel­lung die­ses Ur­teils bei dem Bun­des­ar­beits­ge­richt ein­ge­hen.

Die An­schrift des Bun­des­ar­beits­ge­richts lau­tet:

Post­fach, 99113 Er­furt

oder

Hu­go-Preuß-Platz 1, 99084 Er­furt.

Te­le­fax-Nr.: (0361) 26 36 – 20 00

- 18 -

Vor dem Bun­des­ar­beits­ge­richt müssen sich die Par­tei­en durch Pro­zess­be­vollmäch­tig­te ver­tre­ten las­sen. Als Be­vollmäch­tig­te sind außer Rechts­anwälten nur die in § 11 Ab­satz 2 Satz 2 Nr. 4 und 5 ArbGG be­zeich­ne­ten Or­ga­ni­sa­tio­nen zu­ge­las­sen. Die­se müssen in Ver­fah­ren vor dem Bun­des­ar­beits­ge­richt durch Per­so­nen mit Befähi­gung zum Rich­ter­amt han­deln.

Die Re­vi­si­ons­schrift, die Re­vi­si­ons­be­gründungs­schrift und die sons­ti­gen wech­sel­sei­ti­gen Schriftsätze im Re­vi­si­ons­ver­fah­ren sol­len 7-fach – für je­den wei­te­ren Be­tei­lig­ten ein Ex­em­plar mehr – ein­ge­reicht wer­den.

 

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