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HENSCHE RECHTSANWÄLTE, FACHANWALTSKANZLEI FÜR ARBEITSRECHT

 

BVerfG, Be­schluss vom 29.09.2016, 2 BvR 1549/07

   
Schlagworte: Massenentlassung, Konsultationsverfahren
   
Gericht: Bundesverfassungsgericht
Aktenzeichen: 2 BvR 1549/07
Typ: Beschluss
Entscheidungsdatum: 29.09.2016
   
Leitsätze:
Vorinstanzen: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 01.02.2007, 2 AZR 15/06
   

BUN­DES­VER­FASSUN­GS­GERICHT

- 2 BvR 1549/07 -

IM NA­MEN DES VOL­KES

In dem Ver­fah­ren
über
die Ver­fas­sungs­be­schwer­de

des Herrn J…

- Be­vollmäch­tig­te:

1.Prof. Dr. Dr. h.c. Götz Frank, Cäci­li­en­platz 4, 26122 Ol­den­burg,

2.Prof. Dr. Dag­mar Schiek, Uni­ver­si­ty of Leeds School of Law, 20 Lyd­don Ter­ra­ce, Leeds LS2 9JT, Großbri­tan­ni­en -

ge­gen

das Ur­teil des Bun­des­ar­beits­ge­richts

vom 1. Fe­bru­ar 2007 - 2 AZR 15/06 -

hat die 3. Kam­mer des Zwei­ten Se­nats des Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richts durch

die Rich­ter Hu­ber,

Müller,

Mai­dow­ski

am 10. De­zem­ber 2014 ein­stim­mig be­schlos­sen:

Das Ur­teil des Bun­des­ar­beits­ge­richts vom 1. Fe­bru­ar 2007 - 2 AZR 15/06 - ver­letzt den Be­schwer­deführer in sei­nem grund­rechts­glei­chen Recht aus Ar­ti­kel 101 Ab­satz 1 Satz 2 des Grund­ge­set­zes.

Das Ur­teil wird auf­ge­ho­ben.

Die Sa­che wird an das Bun­des­ar­beits­ge­richt zurück­ver­wie­sen.

Die Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land hat dem Be­schwer­deführer sei­ne not­wen­di­gen Aus­la­gen zu er­stat­ten.

G r ü n d e :

Die Ver­fas­sungs­be­schwer­de be­trifft un­ter an­de­rem Fra­gen der Vor­la­ge­pflicht zum Ge­richts­hof der Eu­ropäischen Uni­on (im Fol­gen­den: Ge­richts­hof).

I.

1. Der Be­schwer­deführer war seit 4. Ja­nu­ar 1993 bei der Be­klag­ten des ar-beits­ge­richt­li­chen Aus­gangs­ver­fah­rens, die ei­ne Großbäcke­rei be­trieb, als Pro­duk­ti­ons­hel­fer beschäftigt. Im Au­gust 2004 be­schloss die Be­klag­te des Aus­gangs­ver­fah­rens, die ei­ge­ne Her­stel­lung von Back­wa­ren zum 1. April 2005 ein­zu­stel­len. Sie kündig­te des­halb das Ar­beits­verhält­nis mit dem Be­schwer­deführer mit Schrei­ben vom 18. No­vem­ber 2004 zum 31. März 2005. Mit Schrei­ben vom 25. Ja­nu­ar 2005 zeig­te die Be­klag­te des Aus­gangs­ver­fah­rens die Ent­las­sung von 16 ih­rer 65 Mit­ar­bei­ter gemäß § 17 des Kündi­gungs­schutz­ge­set­zes (KSchG) bei der Bun­des-agen­tur für Ar­beit an. Die­se stimm­te den von der Be­klag­ten an­ge­zeig­ten Ent­las­sun­gen mit Be­scheid vom 15. Fe­bru­ar 2005 zu.

Der Be­schwer­deführer er­hob Kündi­gungs­schutz­kla­ge zum Ar­beits­ge­richt Ham­burg, die er un­ter an­de­rem da­mit be­gründe­te, dass die Be­klag­te ge­gen §§ 17, 18 KSchG in Ver­bin­dung mit Art. 2 f. der Richt­li­nie 98/59/EG des Ra­tes vom 20. Ju­li 1998 zur An­glei­chung der Rechts­vor­schrif­ten der Mit­glied­staa­ten über Mas­sen­ent­las­sun­gen (ABl Nr. L 225/16; im Fol­gen­den: Mas­sen­ent­las­sungs­richt­li­nie) ver­s­toßen ha­be, in­dem sie den Kon­sul­ta­ti­ons- und In­for­ma­ti­ons­pflich­ten gemäß Art. 2 bis Art. 4 Mas­sen­ent­las­sungs­richt­li­nie nicht vor Zu­gang des Kündi­gungs­schrei­bens beim Be­schwer­deführer ent­spro­chen ha­be.

§ 17 KSchG lau­tet aus­zugs­wei­se:

(1) 1Der Ar­beit­ge­ber ist ver­pflich­tet, der Agen­tur für Ar­beit An­zei­ge zu er­stat­ten, be­vor er

1. […]

2. in Be­trie­ben mit in der Re­gel min­des­tens 60 und we­ni­ger als 500 Ar­beit­neh­mern 10 vom Hun­dert der im Be­trieb re­gelmäßig beschäftig­ten Ar­beit­neh­mer oder aber mehr als 25 Ar­beit­neh­mer,

3. […]

in­ner­halb von 30 Ka­len­der­ta­gen entlässt. [...]

(2) 1Beabsichtigt der Ar­beit­ge­ber, nach Ab­satz 1 an­zei­ge­pflich­ti­ge Ent­las­sun­gen vor­zu­neh­men, hat er dem Be­triebs­rat recht­zei­tig die zweck­dien­li­chen Auskünf­te zu er­tei­len und ihn schrift­lich ins­be­son­de­re zu un­ter­rich­ten über […].

§ 18 KSchG lau­tet aus­zugs­wei­se:

(1) Ent­las­sun­gen, die nach § 17 an­zu­zei­gen sind, wer­den vor Ab­lauf ei­nes Mo­nats nach Ein­gang der An­zei­ge bei der Agen­tur für Ar­beit nur mit de­ren Zu­stim­mung wirk­sam; […].

Art. 2 bis Art. 4 Mas­sen­ent­las­sungs­richt­li­nie lau­ten aus­zugs­wei­se:

Ar­ti­kel 2

(1) Be­ab­sich­tigt ein Ar­beit­ge­ber, Mas­sen­ent­las­sun­gen vor­zu­neh­men, so hat er die Ar­beit­neh­mer­ver­tre­ter recht­zei­tig zu kon­sul­tie­ren, um zu ei­ner Ei­ni­gung zu ge­lan­gen.

(2) Die­se Kon­sul­ta­tio­nen er­stre­cken sich zu­min­dest auf die Möglich­keit, Mas­sen­ent­las­sun­gen zu ver­mei­den oder zu be­schränken, so­wie auf die Möglich­keit, ih­re Fol­gen durch so­zia­le Be­gleit­maßnah­men, die ins­be­son­de­re Hil­fen für ei­ne an­der­wei­ti­ge Ver­wen­dung oder Um­schu­lung der ent­las­se­nen Ar­beit­neh­mer zum Ziel ha­ben, zu mil­dern.

Ar­ti­kel 3

(1) Der Ar­beit­ge­ber hat der zuständi­gen Behörde al­le be­ab­sich­tig­ten Mas­sen­ent­las­sun­gen schrift­lich an­zu­zei­gen.

Ar­ti­kel 4

(1) Die der zuständi­gen Behörde an­ge­zeig­ten be­ab­sich­tig­ten Mas­sen­ent­las­sun­gen wer­den frühes­tens 30 Ta­ge nach Ein­gang der in Ar­ti­kel 3 Ab­satz 1 ge­nann­ten An­zei­ge wirk­sam; […].

(2) Die Frist des Ab­sat­zes 1 muss von der zuständi­gen Behörde da­zu be­nutzt wer­den, nach Lösun­gen für die durch die be­ab­sich­tig­ten Mas­sen­ent­las­sun­gen auf­ge­wor­fe­nen Pro­ble­me zu su­chen.

2. Das Bun­des­ar­beits­ge­richt hat­te seit 1973 (vgl. BAG, Ur­teil vom 6. De­zem­ber 1973 - 2 AZR 10/73 -, NJW 1974, S. 1263 f.) in ständi­ger Recht­spre­chung die Auf­fas­sung ver­tre­ten, dass un­ter „Ent­las­sung“ im Sin­ne der §§ 17, 18 KSchG nicht die Kündi­gungs­erklärung, son­dern die mit ihr be­ab­sich­tig­te tatsächli­che Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses zu ver­ste­hen sei (vgl. BAG, Ur­tei­le vom 24. Fe­bru­ar 2005 - 2 AZR 207/04 -, NZA 2005, S. 766 <767>; vom 13. April 2000 - 2 AZR 215/99 -, NZA 2001, S. 144 <145>; zu­letzt grund­le­gend BAG, Ur­teil vom 18. Sep­tem­ber 2003 - 2 AZR 79/02 -, NZA 2004, S. 375 <379 ff.>). Die An­zei­ge ei­ner Mas­sen­ent­las­sung muss­te da­her nicht vor dem Aus­spruch der Kündi­gung er­fol­gen (vgl. BAG, Ur­teil vom 24. Ok­to­ber 1996 - 2 AZR 895/95 -, NJW 1997, S. 2131 <2132>). Das Bun­des­ar­beits­ge­richt hat­te zu­dem be­tont, dass ei­ne mögli­cher­wei­se ge­bo­te­ne richt­li­ni­en­kon­for­me In­ter­pre­ta­ti­on des Be­griffs „Ent­las­sung“ als „Kündi­gungs­erklärung“ im Hin­blick auf die Mas­sen­ent­las­sungs­richt­li­nie, die un­ter an­de­rem durch die Re­ge­lun­gen der §§ 17 f. KSchG um­ge­setzt wer­den soll (vgl. BT­Drucks 13/668, S. 9; sie­he auch Kiel, in: Er­fur­ter Kom­men­tar zum Ar­beits­recht, 14. Aufl. 2014, § 17 KSchG, Rn. 1), nicht zulässig sei (vgl. BAG, Ur­teil vom 18. Sep­tem­ber 2003 - 2 AZR 79/02 -, NZA 2004, S. 375 <381 f.>).

3. Mit Ur­teil vom 27. Ja­nu­ar 2005 ent­schied der Ge­richts­hof der Eu­ropäischen Uni­on in der Rechts­sa­che Junk (EuGH, Ur­teil vom 27. Ja­nu­ar 2005, Junk, C-188/03, Slg. 2005, I-885) im Rah­men ei­nes vom Ar­beits­ge­richt Ber­lin be­an­trag­ten Vor­ab­ent­schei­dungs­ver­fah­rens zur Aus­le­gung der Art. 1 bis Art. 4 Mas­sen­ent­las­sungs­richt­li­nie (vgl. ArbG Ber­lin, Vor­la­ge­be­schluss vom 30. April 2003 - 36 Ca 19726/02 -, ju­ris), dass die Kündi­gungs­erklärung des Ar­beit­ge­bers das Er­eig­nis sei, das als Ent­las­sung gel­te, und dass der Ar­beit­ge­ber Mas­sen­ent­las­sun­gen (erst) nach En­de des Kon­sul­ta­ti­ons­ver­fah­rens nach Art. 2 Mas­sen­ent­las­sungs­richt­li­nie und nach der An­zei­ge der be­ab­sich­tig­ten Mas­sen­ent­las­sung im Sin­ne der Art. 3 und Art. 4 Mas­sen­ent­las­sungs­richt­li­nie vor­neh­men dürfe (vgl. EuGH, Ur­teil vom 27. Ja­nu­ar 2005, Junk, C-188/03, Slg. 2005, I-885, Rn. 39 ff.).

4. Das Ar­beits­ge­richt Ham­burg wies die Kündi­gungs­schutz­kla­ge des Be­schwer­deführers mit Ur­teil vom 25. Mai 2005 ab (Az. 13 Ca 375/04).

5. Die da­ge­gen ein­ge­leg­te Be­ru­fung des Be­schwer­deführers wies das Lan­des­ar­beits­ge­richt Ham­burg mit Ur­teil vom 25. No­vem­ber 2005 zurück (Az. 6 Sa 82/05).

6. Mit an­ge­grif­fe­nem Ur­teil vom 1. Fe­bru­ar 2007 wies das Bun­des­ar­beits­ge­richt die Re­vi­si­on des Be­schwer­deführers zurück (Az. 2 AZR 15/06), da die Kündi­gung nicht we­gen Ver­s­toßes ge­gen § 17 Abs. 1 Satz 1 KSchG rechts­un­wirk­sam sei. Zwar wäre die be­klag­te Ar­beit­ge­be­rin nach die­ser Norm ver­pflich­tet ge­we­sen, die Mas­sen­ent­las­sung vor Aus­spruch der Kündi­gung bei der Bun­des­agen­tur für Ar­beit an­zu­zei­gen, weil un­ter „Ent­las­sung“ im Sin­ne von § 17 Abs. 1 Satz 1 KSchG - wie der Se­nat in sei­ner Ent­schei­dung vom 23. März 2006 im Ver­fah­ren 2 AZR 343/05 un­ter Auf­ga­be sei­ner frühe­ren Recht­spre­chung an­ge­nom­men ha­be - der Aus­spruch der Kündi­gung zu ver­ste­hen sei. Der Un­wirk­sam­keit der Kündi­gung ste­he je­doch der Grund­satz des Ver­trau­ens­schut­zes ent­ge­gen. Die hierfür maßgeb­li­chen Grundsätze sei­en be­reits im Ur­teil vom 23. März 2006 dar­ge­legt wor­den.

Das Bun­des­ar­beits­ge­richt führ­te in­so­fern aus, dass Ge­rich­te auf­grund ih­rer Bin­dung an das Rechts­staats­prin­zip bei Ände­rung ih­rer Recht­spre­chung, nicht an­ders als bei Ge­set­zesände­run­gen der Ge­setz­ge­ber, den Grund­satz des Ver­trau­ens­schut­zes be­ach­ten müss­ten. Des­halb dürfe ei­ne Recht­spre­chungsände­rung re­gelmäßig nicht da­zu führen, ei­ner Par­tei rück­wir­kend Hand­lungs­pflich­ten auf­zu­er­le­gen, die sie nachträglich nicht mehr erfüllen könne. Zwar wir­ke die Ände­rung ei­ner auch lan­ge gel­ten­den höchst­rich­ter­li­chen Recht­spre­chung grundsätz­lich zurück, so­weit dem nicht der Grund­satz von Treu und Glau­ben ent­ge­gen­ste­he; ei­ne über § 242 BGB hin­aus­ge­hen­de Ein­schränkung der Rück­wir­kung sei aber ge­bo­ten, wenn die von der Rück­wir­kung der Recht­spre­chung be­trof­fe­ne Par­tei auf die Fort­gel­tung der bis­he­ri­gen höchst­rich­ter­li­chen Recht­spre­chung ha­be ver­trau­en dürfen und die An­wen­dung der geänder­ten Auf­fas­sung we­gen ih­rer Rechts­fol­gen im Streit­fall oder der Wir­kung auf an­de­re ver­gleich­ba­re Rechts­be­zie­hun­gen auch un­ter Berück­sich­ti­gung der be­rech­tig­ten In­ter­es­sen des Pro­zess­geg­ners ei­ne un­zu­mut­ba­re Härte be­deu­ten würde. Ei­ne sol­che Si­tua­ti­on sei hier ge­ge­ben.

Dem Se­nat sei die Ent­schei­dung über den Ver­trau­ens­schutz auch nicht „ent­zo­gen”. Ins­be­son­de­re sei er nicht zur Vor­la­ge an den Ge­richts­hof der Eu­ropäischen Uni­on ver­pflich­tet (un­ter Zi­tie­rung von Schiek, AuR 2006, S. 41 <43 f.>), weil er le­dig­lich sei­ne ei­ge­ne Recht­spre­chung und die Aus­le­gung der na­tio­na­len Re­ge­lun­gen des Kündi­gungs­schutz­ge­set­zes an das Ge­mein­schafts­recht an­ge­passt ha­be. In­dem er den Be­griff der „Ent­las­sung” zukünf­tig im Sin­ne der vom Ge­richts­hof ent­wi­ckel­ten Aus­le­gung der Richt­li­nie ver­stan­den wis­sen wol­le, ha­be er kein Ge­mein­schafts­recht aus­ge­legt, son­dern le­dig­lich das na­tio­na­le Kündi­gungs­schutz­recht „richt­li­ni­en­kon­form” an­ge­wandt. Das sei ei­ne Fra­ge der na­tio­na­len Rechts­an­wen­dung.

II.

Der Be­schwer­deführer sieht sich durch das Ur­teil des Bun­des­ar­beits­ge­richts in sei­nem grund­rechts­glei­chen Recht aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG so­wie in sei­nen Grund­rech­ten aus Art. 19 Abs. 4 GG be­zie­hungs­wei­se Art. 2 Abs. 1 in Ver­bin­dung mit Art. 20 Abs. 3 GG und Art. 12 GG ver­letzt.

Ei­ne Ver­let­zung sei­nes Rechts aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG lie­ge ins­be­son­de­re dar­in, dass das Bun­des­ar­beits­ge­richt in sei­nem Ur­teil vom 1. Fe­bru­ar 2007 die zeit­li­che Wir­kung der Junk -Ent­schei­dung be­zie­hungs­wei­se das uni­ons­recht­li­che Ge­bot der richt­li­ni­en­kon­for­men Aus­le­gung der­je­ni­gen Rechts­nor­men, die die Mas­sen­ent­las­sungs­richt­li­nie um­setz­ten, un­ter Be­ru­fung auf Ver­trau­ens­schutz nach na­tio­na­lem Recht auf die Zeit nach dem 27. Ja­nu­ar 2005 be­schränkt ha­be, oh­ne den Ge­richts­hof der Eu­ropäischen Uni­on zu­vor mit der Fra­ge nach der Zulässig­keit der zeit­li­chen Be­schränkung der Junk -Ent­schei­dung zu be­fas­sen. Nach der Recht­spre­chung des Ge­richts­hofs sei die Ent­schei­dung über die zeit­li­che Wir­kung sei­ner Ent­schei­dun­gen je­doch ihm selbst vor­be­hal­ten.

Dem Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt la­gen die Ak­ten des Aus­gangs­ver­fah­rens vor. Das Bun­des­mi­nis­te­ri­um für Ar­beit und So­zia­les, das Bun­des­mi­nis­te­ri­um der Jus­tiz und für Ver­brau­cher­schutz und die Be­klag­te des Aus­gangs­ver­fah­rens hat­ten Ge­le­gen­heit zur Stel­lung­nah­me.

III.

Die Ver­fas­sungs­be­schwer­de ist zur Ent­schei­dung an­zu­neh­men, weil dies zur Durch­set­zung des grund­rechts­glei­chen Rechts des Be­schwer­deführers aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG an­ge­zeigt ist (§ 93a Abs. 2 Buch­sta­be b BVerfGG). Der Ver­fas­sungs­be­schwer­de ist durch die Kam­mer statt­zu­ge­ben, da die maßgeb­li­chen ver­fas­sungs­recht­li­chen Fra­gen durch das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt be­reits ent­schie­den sind und die zulässi­ge Ver­fas­sungs­be­schwer­de of­fen­sicht­lich be­gründet ist (§ 93b Satz 1 i.V.m. mit § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG). Das an­ge­grif­fe­ne Ur­teil des Bun­des­ar­beits­ar­beits­ge­richts ver­letzt das grund­rechts­glei­che Recht des Be­schwer­deführers auf den ge­setz­li­chen Rich­ter (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG). Das Bun­des­ar­beits­ge­richt hat un­ter Be­ru­fung auf den Grund­satz des Ver­trau­ens­schut­zes auf der Grund­la­ge sei­ner frühe­ren Aus­le­gung der §§ 17 f. KSchG über die Re­vi­si­on des Be­schwer­deführers ent­schie­den, oh­ne sich zu­vor gemäß Art. 267 Abs. 1 und Abs. 3 AEUV an den Ge­richts­hof der Eu­ropäischen Uni­on zu wen­den und die Fra­ge klären zu las­sen, ob die Gewährung von Ver­trau­ens­schutz mit der uni­ons­recht­li­chen Pflicht zur richt­li­ni­en­kon­for­men Aus­le­gung na­tio­na­len Rechts (Art. 288 Abs. 3 AEUV und Art. 4 Abs. 3 EUV) und die da­mit ein­her­ge­hen­de Be­schränkung der Wir­kung der Junk -Ent­schei­dung mit dem Uni­ons­recht ver­ein­bar sind.

1. Der Ge­richts­hof der Eu­ropäischen Uni­on ist ge­setz­li­cher Rich­ter im Sin­ne von Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG (vgl. BVerfGE 73, 339 <366 ff.>; 75, 223 <233>; 82, 159 <192>; 126, 286 <315>; 128, 157 <186 f.>; 129, 78 <105>). Un­ter den Vor­aus­set­zun­gen des Art. 267 Abs. 3 AEUV sind die na­tio­na­len Ge­rich­te von Amts we­gen ge­hal­ten, den Ge­richts­hof an­zu­ru­fen (vgl. BVerfGE 82, 159 <192 f.>; 128, 157 <187>; 129, 78 <105>; stRspr). Kommt ein deut­sches Ge­richt sei­ner Pflicht zur An­ru­fung des Ge­richts­hofs im We­ge des Vor­ab­ent­schei­dungs­ver­fah­rens nicht nach, kann dem Rechts­schutz­su­chen­den des Aus­gangs­rechts­streits der ge­setz­li­che Rich­ter ent­zo­gen sein (vgl. BVerfGE 73, 339 <366 ff.>; 126, 286 <315>; zu­letzt ausführ­lich BVerfG, Ur­teil vom 28. Ja­nu­ar 2014 - 2 BvR 1561/12, 2 BvR 1562/12, 2 BvR 1563/12, 2 BvR 1564/12 -, NVwZ 2014, S. 646 <657>).

a) Nach der Recht­spre­chung des Ge­richts­hofs der Eu­ropäischen Uni­on (vgl. EuGH, Ur­teil vom 6. Ok­to­ber 1982, CIL­FIT, 283/81, Slg. 1982, 3415, Rn. 21) muss ein na­tio­na­les letzt­in­stanz­li­ches Ge­richt sei­ner Vor­la­ge­pflicht gemäß Art. 267 Abs. 3 AEUV nach­kom­men, wenn sich in ei­nem bei ihm schwe­ben­den Ver­fah­ren ei­ne Fra­ge des Uni­ons­rechts stellt, es sei denn, das Ge­richt hat fest­ge­stellt, dass die ge­stell­te Fra­ge nicht ent­schei­dungs­er­heb­lich ist, dass die be­tref­fen­de uni­ons­recht­li­che Be­stim­mung be­reits Ge­gen­stand ei­ner Aus­le­gung durch den Ge­richts­hof war oder dass die rich­ti­ge An­wen­dung des Uni­ons­rechts der­art of­fen­kun­dig ist, dass für vernünf­ti­gen Zwei­fel kei­ner­lei Raum bleibt (vgl. zu­letzt BVerfG, Ur­teil vom 28. Ja­nu­ar 2014 - 2 BvR 1561/12, 2 BvR 1562/12, 2 BvR 1563/12, 2 BvR 1564/12 -, NVwZ 2014, S. 646 <657>).

b) Das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt be­an­stan­det die Aus­le­gung und An­wen­dung von Nor­men, die die ge­richt­li­che Zuständig­keits­ver­tei­lung re­geln, je­doch nur, wenn sie bei verständi­ger Würdi­gung der das Grund­ge­setz be­stim­men­den Ge­dan­ken nicht mehr verständ­lich er­schei­nen und of­fen­sicht­lich un­halt­bar sind. Durch die grund­rechtsähn­li­che Gewähr­leis­tung des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG wird es nicht zu ei­nem Kon­troll­or­gan, das je­den die Zuständig­keit ei­nes Ge­richts berühren­den Ver­fah­rens­feh­ler kor­ri­gie­ren müss­te; viel­mehr ist das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt ge­hal­ten, sei­ner­seits die Kom­pe­tenz­re­geln zu be­ach­ten, die den Fach­ge­rich­ten die Kon­trol­le über die Be­fol­gung der Zuständig­keits­ord­nung über­tra­gen.

Die­se Grundsätze gel­ten auch für die uni­ons­recht­li­che Zuständig­keits­vor­schrift des Art. 267 Abs. 3 AEUV. Das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt über­prüft da­her nur, ob die Aus­le­gung und An­wen­dung der Zuständig­keits­re­gel des Art. 267 Abs. 3 AEUV bei verständi­ger Würdi­gung der das Grund­ge­setz be­stim­men­den Ge­dan­ken nicht mehr verständ­lich er­scheint und of­fen­sicht­lich un­halt­bar ist. Durch die zurück­ge­nom­me­ne ver­fas­sungs­recht­li­che Prüfung be­hal­ten die Fach­ge­rich­te bei der Aus­le­gung und An­wen­dung von Uni­ons­recht ei­nen Spiel­raum ei­ge­ner Einschätzung und Be­ur­tei­lung, der dem­je­ni­gen bei der Hand­ha­bung ein­fach­recht­li­cher Be­stim­mun­gen der deut­schen Rechts­ord­nung ent­spricht. Das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt wacht al­lein über die Ein­hal­tung der Gren­zen die­ses Spiel­raums. Ein „obers­tes Vor­la­gen­kon­troll­ge­richt“ ist es nicht (vgl. BVerfGE 82, 159 <194>; 126, 286 <315 f.>; 128, 157 <187>; 129, 78 <106>; BVerfG, Ur­teil vom 28. Ja­nu­ar 2014 - 2 BvR 1561/12, 2 BvR 1562/12, 2 BvR 1563/12, 2 BvR 1564/12 -, NVwZ 2014, S. 646 <657>).

Das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt hat die An­for­de­run­gen des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG hin­sicht­lich der Vor­la­ge­pflicht gemäß Art. 267 Abs. 3 AEUV an­hand bei­spiel­haf­ter Fall­grup­pen näher präzi­siert.

aa) Da­nach wird die Vor­la­ge­pflicht nach Art. 267 Abs. 3 AEUV in den Fällen of­fen­sicht­lich un­halt­bar ge­hand­habt, in de­nen ein letzt­in­stanz­li­ches Haupt­sa­che­ge­richt ei­ne Vor­la­ge trotz der - sei­ner Auf­fas­sung nach be­ste­hen­den - Ent­schei­dungs­er­heb­lich­keit ei­ner uni­ons­recht­li­chen Fra­ge über­haupt nicht in Erwägung zieht, ob­wohl es selbst Zwei­fel hin­sicht­lich der rich­ti­gen Be­ant­wor­tung der Fra­ge hegt und das Uni­ons­recht so­mit ei­genständig fort­bil­det (grundsätz­li­che Ver­ken­nung der Vor­la­ge­pflicht; vgl. BVerfGE 82, 159 <195 f.>; 126, 286 <316 f.>; 128, 157 <187 f.>; 129, 78 <106 f.>; BVerfG, Ur­teil vom 28. Ja­nu­ar 2014 - 2 BvR 1561/12, 2 BvR 1562/12, 2 BvR 1563/12, 2 BvR 1564/12 -, NVwZ 2014, S. 646 <657>).

Dies gilt erst recht, wenn sich das Ge­richt hin­sicht­lich des (ma­te­ri­el­len) Uni­ons­rechts nicht hin­rei­chend kun­dig macht. Es ver­kennt dann re­gelmäßig die Be­din­gun­gen für die Vor­la­ge­pflicht (vgl. BVerfGK 8, 401 <405>; BVerfG, Be­schlüsse der 3. Kam­mer des Ers­ten Se­nats vom 14. Mai 2007 - 1 BvR 2036/05 -, NVwZ 2007, S. 942 <945>; vom 20. Fe­bru­ar 2008 - 1 BvR 2722/06 -, NVwZ 2008, S. 780 <781>; vom 25. Fe­bru­ar 2010 - 1 BvR 230/09 -, NJW 2010, S. 1268 <1269>). Glei­ches gilt, wenn es of­fen­kun­dig ein­schlägi­ge Recht­spre­chung des Ge­richts­hofs nicht aus­wer­tet. Um ei­ne Kon­trol­le am Maßstab des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG zu ermögli­chen, hat es die Gründe für sei­ne Ent­schei­dung über die Vor­la­ge­pflicht an­zu­ge­ben.

bb) Die Fra­ge nach dem Be­ste­hen ei­ner Vor­la­ge­pflicht gemäß Art. 267 Abs. 3 AEUV wird auch dann in nicht mehr verständ­li­cher und of­fen­sicht­lich un­halt­ba­rer Wei­se be­ant­wor­tet, wenn ein letzt­in­stanz­li­ches Haupt­sa­che­ge­richt in sei­ner Ent­schei­dung be­wusst von der Recht­spre­chung des Ge­richts­hofs zu ent­schei­dungs­er­heb­li­chen Fra­gen ab­weicht und gleich­wohl nicht oder nicht neu­er­lich vor­legt (be­wuss­tes Ab­wei­chen oh­ne Vor­la­ge­be­reit­schaft; vgl. BVerfGE 82, 159 <195 f.>; 126, 286 <316 f.>; 128, 157 <187 f.>; 129, 78 <106 f.>).

cc) Liegt zu ei­ner ent­schei­dungs­er­heb­li­chen Fra­ge des Uni­ons­rechts ein­schlägi­ge Recht­spre­chung des Ge­richts­hofs noch nicht vor oder hat ei­ne vor­lie­gen­de Recht­spre­chung die ent­schei­dungs­er­heb­li­che Fra­ge mögli­cher­wei­se noch nicht erschöpfend be­ant­wor­tet oder er­scheint ei­ne Fort­ent­wick­lung der Recht­spre­chung des Ge­richts­hofs nicht nur als ent­fern­te Möglich­keit (Un­vollständig­keit der Recht­spre­chung), wird Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG ver­letzt, wenn das letzt­in­stanz­li­che Haupt­sa­che­ge­richt den ihm in sol­chen Fällen not­wen­dig zu­kom­men­den Be­ur­tei­lungs­rah­men in un­ver­tret­ba­rer Wei­se über­schrei­tet (vgl. BVerfGE 82, 159 <195 f.>; 126, 286 <316 f.>; 128, 157 <187 f.>; 129, 78 <106 f.>). Dies ist je­den­falls dann der Fall, wenn das Fach­ge­richt das Vor­lie­gen ei­nes „ac­te clair“ oder ei­nes „ac­te éclairé“ willkürlich be­jaht.

c) Zu den we­sent­li­chen Ele­men­ten des Rechts­staats­prin­zips zählt die Rechts­si­cher­heit. Der rechts­un­ter­wor­fe­ne Bürger soll nicht durch die rück­wir­ken­de Be­sei­ti­gung er­wor­be­ner Rech­te in sei­nem Ver­trau­en auf die Verläss­lich­keit der Rechts­ord­nung enttäuscht wer­den (vgl. BVerfGE 45, 142 <167>; 72, 175 <196>; 88, 384 <403>; 105, 48 <57>; 126, 286 <313>).

Das Ver­trau­en in den Fort­be­stand ei­nes Ge­set­zes kann auch durch die rück­wir­ken­de Fest­stel­lung sei­ner Nicht­an­wend­bar­keit berührt wer­den. Die Schutzwürdig­keit des Ver­trau­ens in ein uni­ons­rechts­wid­ri­ges Ge­setz be­stimmt sich ins­be­son­de­re da­nach, in­wie­weit vor­her­seh­bar war, dass der Ge­richts­hof ei­ne der­ar­ti­ge Re­ge­lung als uni­ons­rechts­wid­rig ein­ord­net. Es ist fer­ner von Be­lang, dass ei­ne Dis­po­si­ti­on im Ver­trau­en auf ei­ne be­stimm­te Rechts­la­ge vor­ge­nom­men, das Ver­trau­en mit an­de­ren Wor­ten betätigt wur­de (vgl. BVerfGE 13, 261 <271>; 126, 286 <313 f.>).

aa) Art. 267 AEUV spricht dem Ge­richts­hof der Eu­ropäischen Uni­on die grundsätz­lich ab­sch­ließen­de Ent­schei­dungs­be­fug­nis über die Aus­le­gung der Verträge und über die Gültig­keit und die Aus­le­gung der dort ge­nann­ten Hand­lun­gen von Stel­len der Uni­on zu (vgl. BVerfGE 52, 187 <200>; 73, 339 <368>; 75, 223 <234>). Im Fall von Aus­le­gungs­ent­schei­dun­gen erläutert er all­ge­mein, in wel­chem Sinn und mit wel­cher Trag­wei­te die vor­ge­leg­te Vor­schrift seit ih­rem In­kraft­tre­ten rich­ti­ger­wei­se zu ver­ste­hen und an­zu­wen­den ist be­zie­hungs­wei­se ge­we­sen wäre (vgl. EuGH, Ur­teil vom 27. März 1980, Den­ka­vit ita­lia­na, 61/79, Slg. 1980, 1205, Rn. 16; vgl. auch BVerfGE 126, 286 <304>). Dar­aus folgt, dass die na­tio­na­len Ge­rich­te die Uni­ons­vor­schrift in die­ser Aus­le­gung (grundsätz­lich) auch auf an­de­re Rechts­verhält­nis­se als das dem Vor­ab­ent­schei­dungs­er­su­chen zu­grun­de­lie­gen­de an­wen­den können und müssen, und zwar auch auf sol­che, die vor Er­lass der auf das Aus­le­gungs­er­su­chen er­gan­ge­nen Ent­schei­dung des Ge­richts­hofs ent­stan­den sind (vgl. BVerfGE 126, 286 <314>; vgl. auch EuGH, Ur­teil vom 27. März 1980, Den­ka­vit ita­lia­na, 61/79, Slg. 1980, 1205, Rn. 16; BAG, Ur­teil vom 24. März 2009 - 9 AZR 983/07 -, NZA 2009, S. 538 <542>). Dies dient den Zie­len der Verträge über die Eu­ropäische Uni­on, der Rechts­si­cher­heit und der Rechts­an­wen­dungs­gleich­heit so­wie ei­ner ein­heit­li­chen Aus­le­gung und An­wen­dung des Uni­ons­rechts (vgl. BVerfGE 52, 187 <200>; 75, 223 <234>).

Aus dem Er­for­der­nis der ein­heit­li­chen An­wen­dung des Uni­ons­rechts folgt auch, dass es Sa­che des Ge­richts­hofs ist, darüber zu ent­schei­den, ob - ent­ge­gen der grundsätz­li­chen ex-tunc-Wir­kung von Ent­schei­dun­gen gemäß Art. 267 AEUV (vgl. BVerfGE 126, 286 <314>; so auch Lu­de­wig, Die zeit­li­che Be­schränkung der Wir­kung von Ur­tei­len des EuGH im Vor­ab­ent­schei­dungs­ver­fah­ren, S. 64 u. 88; Wald­hoff, Rück­wir­kung von EuGH-Ent­schei­dun­gen, S. 4 u. 33) - auf­grund der uni­ons­recht­li­chen Grundsätze der Rechts­si­cher­heit und des Ver­trau­ens­schut­zes die Gel­tung der von ihm vor­ge­nom­me­nen Aus­le­gung ei­ner Norm in zeit­li­cher Hin­sicht aus­nahms­wei­se ein­ge­schränkt wer­den soll (vgl. BVerfGE 126, 286 <314>). Ei­ne sol­che Ein­schränkung der Wir­kung ei­ner Vor­ab­ent­schei­dung aus Gründen des uni­ons­recht­li­chen all­ge­mei­nen Rechts­grund­sat­zes des Ver­trau­ens­schut­zes (vgl. Wiss­mann, Ver­trau­ens­schutz - eu­ropäisch und deutsch, Fest­schrift für Jobst-Hu­ber­tus Bau­er, S. 1161 <1163 f.>) muss - we­gen des Er­for­der­nis­ses der ein­heit­li­chen An­wen­dung des Uni­ons­rechts - nach der Recht­spre­chung des Ge­richts­hofs in dem (ers­ten) Ur­teil selbst ent­hal­ten sein, durch das über die Aus­le­gungs­fra­ge ent­schie­den wird (vgl. EuGH, Ur­teil vom 27. März 1980, Den­ka­vit ita­lia­na, 61/79, Slg. 1980, 1205, Rn. 17 f. un­ter Ver­weis auf EuGH, Ur­teil vom 8. April 1976, De­fren­ne, 43/75, Slg. 1976, 455, Rn. 74/75).

bb) Die Möglich­kei­ten der na­tio­na­len Ge­rich­te zur Gewährung von Ver­trau­ens­schutz sind so­mit uni­ons­recht­lich vor­ge­prägt und be­grenzt. Die Aus­le­gung des Uni­ons­rechts durch den Ge­richts­hof ist von ih­nen auch auf Rechts­verhält­nis­se an­zu­wen­den, die vor Er­lass der Vor­ab­ent­schei­dung be­gründet wur­den. Ver­trau­ens­schutz kann von na­tio­na­len Ge­rich­ten dem­nach grundsätz­lich nicht da­durch gewährt wer­den, dass sie die Wir­kung ei­ner Vor­ab­ent­schei­dung zeit­lich be­schränken, in­dem sie die uni­ons­rechts­wid­ri­ge na­tio­na­le Re­ge­lung für die Zeit vor Er­lass der Vor­ab­ent­schei­dung an­wen­den (vgl. BVerfGE 126, 286 <314>).

d) Richt­li­ni­en können im Verhält­nis zwi­schen Pri­va­ten man­gels ho­ri­zon­ta­ler Wir­kung al­ler­dings auch nach ei­ner Aus­le­gungs­ent­schei­dung des Ge­richts­hofs gemäß Art. 267 AEUV grundsätz­lich nicht selbst Ver­pflich­tun­gen für ei­nen Bürger be­gründen und nicht ge­genüber ei­nem Bürger in An­spruch ge­nom­men wer­den (vgl. EuGH, Ur­tei­le vom 26. Fe­bru­ar 1986, Mar­shall, 152/84, Slg. 1986, 723, Rn. 48; vom 11. Ju­ni 1987, Pre­to­re di Salò, 14/86, Slg. 1987, 2545, Rn. 19; vom 5. Ok­to­ber 2004, Pfeif­fer, C-397/01, Slg. 2004, I-8835, Rn. 109; stRspr); im Verhält­nis zwi­schen Pri­va­ten können sie (in der Re­gel) nur im We­ge richt­li­ni­en­kon­for­mer Aus­le­gung na­tio­na­ler Vor­schrif­ten an­ge­wandt wer­den.

aa) Auch trifft der Ge­richts­hof im Vor­ab­ent­schei­dungs­ver­fah­ren über die Aus­le­gung ei­ner Richt­li­nie grundsätz­lich kei­ne Ent­schei­dung über die Aus­le­gung des na­tio­na­len Rechts (vgl. BVerfGE 52, 187 <201> un­ter Ver­weis auf EuGH, Ur­teil vom 3. Fe­bru­ar 1977, Be­nedet­ti, 52/76, Slg. 1977, 163, Rn. 25; BVerfGK 19, 89 <100>; vgl. auch EuGH, Ur­tei­le vom 4. Ju­li 2006, Aden­eler, C-212/04, Slg. 2006, I-6057, Rn. 103; vom 23. April 2009, An­gel­i­da­ki, C-378/07 bis 380/07, Slg. 2009, I-3071, Rn. 163). Gemäß Art. 288 Abs. 3 AEUV ob­liegt es viel­mehr den Mit­glied­staa­ten und im Rah­men ih­rer Zuständig­kei­ten den na­tio­na­len Ge­rich­ten, das in der Richt­li­nie vor­ge­se­he­ne Ziel zu ver­wirk­li­chen. Da­bei sind sie gemäß Art. 4 Abs. 3 EUV ver­pflich­tet, al­le ih­nen zur Verfügung ste­hen­den ge­eig­ne­ten Maßnah­men zur Erfüllung die­ser Ver­pflich­tung zu tref­fen (vgl. u.a. EuGH, Ur­tei­le vom 10. April 1984, 14/83, von Col­son und Ka­mann, Slg. 1984, 1891, Rn. 26; vom 18. De­zem­ber 1997, In­ter-En­vi­ron­ne­ment Wal­lo­nie, C-129/96, Slg. 1997, I-7411, Rn. 40; vom 15. April 2008, Im­pact, C-268/06, Slg. 2008, I-2483, Rn. 41 u. 85). Den na­tio­na­len Ge­rich­ten ob­liegt es, den Rechts­schutz zu gewähr­leis­ten, der sich für den Ein­zel­nen aus den uni­ons­recht­li­chen Be­stim­mun­gen er­gibt, und da­bei die vol­le Wirk­sam­keit des Uni­ons­rechts si­cher­zu­stel­len. Bei der An­wen­dung des in­ner­staat­li­chen Rechts, ins­be­son­de­re ei­ner spe­zi­ell zur Um­set­zung ei­ner Richt­li­nie er­las­se­nen Norm, müssen sie das in­ner­staat­li­che Recht da­her so weit wie möglich an­hand des Wort­lauts und des Zwecks der Richt­li­nie aus­le­gen, um der Ver­pflich­tung aus Art. 288 Abs. 3 AEUV nach­zu­kom­men (vgl. in die­sem Sin­ne u. a. Ur­tei­le des EuGH vom 10. April 1984, von Col­son und Ka­mann, 14/83, Slg. 1984, 1891, Rn. 26; vom 15. Ja­nu­ar 2014, As­so­cia­ti­on de média­ti­on so­cia­le, C-176/12, Slg. 2014, I-0000, Rn. 38 m.w.N.).

bb) Die auch aus dem Grund­satz der Uni­ons­treue (Art. 4 Abs. 3 EUV) fol­gen­de Ver­pflich­tung der Ge­rich­te, die­je­ni­ge Aus­le­gung des na­tio­na­len Rechts zu wählen, die dem In­halt der Richt­li­nie (in der vom Ge­richts­hof ent­schie­de­nen Aus­le­gung) ent­spricht (vgl. BVerfGE 75, 233 <237>), fin­det ih­re Gren­zen in dem nach der in­ner­staat­li­chen Rechts­tra­di­ti­on me­tho­disch Er­laub­ten. Das na­tio­na­le Ge­richt ist in­so­weit nur ver­pflich­tet, in­ner­staat­li­ches Recht „so­weit wie möglich“ an­hand des Wort­lauts und des Zwecks der Richt­li­nie aus­zu­le­gen und da­bei sei­ne Zuständig­keit nicht zu über­schrei­ten (vgl. EuGH, Ur­tei­le vom 10. April 1984, 14/83, von Col­son und Ka­mann, Slg. 1984, 1891, Rn. 26; vom 5. Ok­to­ber 2004, C-397/01, Pfeif­fer, Slg. 2004, I-8835, Rn. 113 ff.; stRspr). Über­dies hat der Ge­richts­hof - auch be­zo­gen auf ar­beits­recht­li­che Re­ge­lun­gen des Uni­ons­rechts - an­er­kannt, dass die Pflicht zur richt­li­ni­en­kon­for­men Aus­le­gung in den all­ge­mei­nen Rechts­grundsätzen, ins­be­son­de­re im Grund­satz der Rechts­si­cher­heit und im Rück­wir­kungs­ver­bot, ih­re Schran­ken fin­det und nicht als Grund­la­ge für ei­ne Aus­le­gung des na­tio­na­len Rechts con­tra le­gem die­nen kann (vgl. EuGH, Ur­tei­le vom 8. Ok­to­ber 1987, Kol­ping­huis Ni­j­me­gen, 80/86, Slg. 1987, 3969, Rn. 13; vom 4. Ju­li 2006, Aden­eler, C-212/04, Slg. 2006, I-6057, Rn. 110; vom 15. April 2008, Im­pact, C-268/06, Slg. 2008, I-2483, Rn. 100; vom 23. April 2009, An­gel­i­da­ki, C-378/07 bis 380/07, Slg. 2009, I-3071, Rn. 199; vom 16. Ju­li 2009, Mo­no Car Sty­ling, C-12/08, Slg. 2009, I-6653, Rn. 61; vom 15. Ja­nu­ar 2014, As­so­cia­ti­on de média­ti­on so­cia­le, C-176/12, Slg. 2014, I-0000, Rn. 39). Ob und in­wie­weit das in­ner­staat­li­che Recht ei­ne ent­spre­chen­de richt­li­ni­en­kon­for­me Aus­le­gung zulässt, können nur in­ner­staat­li­che Ge­rich­te be­ur­tei­len (vgl. BVerfGK 19, 89 <99 f.>; EuGH, Ur­tei­le vom 25. Fe­bru­ar 1999, Car­bo­na­ri, C-131/97, Slg. 1999, I-1103, Rn. 49; vom 5. Ok­to­ber 2004, Pfeif­fer, C-397/01, Slg. 2004, I-8835, Rn. 113 u. 116; vom 16. Ju­li 2009, Mo­no Car Sty­ling, C-12/08, Slg. 2009, I-6653, Rn. 63).

2. Ge­mes­sen an die­sen Grundsätzen hat das Bun­des­ar­beits­ge­richt das Recht des Be­schwer­deführers aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG ver­letzt. Es hat un­ter Be­ru­fung auf den Grund­satz des Ver­trau­ens­schut­zes auf der Grund­la­ge sei­ner frühe­ren Aus­le­gung der §§ 17 f. KSchG über die Re­vi­si­on des Be­schwer­deführers ent­schie­den, oh­ne sich zu­vor gemäß Art. 267 Abs. 1 und Abs. 3 AEUV an den Ge­richts­hof der Eu­ropäischen Uni­on zu wen­den und die Fra­ge klären zu las­sen, ob die Gewährung von Ver­trau­ens­schutz mit der uni­ons­recht­li­chen Pflicht zur richt­li­ni­en­kon­for­men Aus­le­gung na­tio­na­len Rechts (Art. 288 Abs. 3 AEUV und Art. 4 Abs. 3 EUV) und die da­mit ein­her­ge­hen­de Be­schränkung der Wir­kung der Junk -Ent­schei­dung mit dem Uni­ons­recht ver­ein­bar sind.

a) Zwar hat das Bun­des­ar­beits­ge­richt im Aus­gangs­ver­fah­ren zunächst die vom Ge­richts­hof der Eu­ropäischen Uni­on in sei­ner Junk -Ent­schei­dung fest­ge­stell­te Aus­le­gung des Be­griffs „Ent­las­sung“ gemäß Art. 2 bis Art. 4 Mas­sen­ent­las­sungs­richt­li­nie oh­ne - auch oh­ne zeit­li­che - Ein­schränkung der Aus­le­gung von § 17 Abs. 1 Satz 1 KSchG zu­grun­de ge­legt und un­ter Auf­ga­be sei­ner bis­he­ri­gen Recht­spre­chung ent­spre­chend der Ent­schei­dung vom 23. März 2006 (- 2 AZR 343/05 -, NZA 2006, S. 971 ff.) den Be­griff „Ent­las­sung“ in § 17 Abs. 1 Satz 1 KSchG als „Kündi­gungs­erklärung“ aus­ge­legt. Es hat auch nicht ent­ge­gen dem Ur­teil des Ge­richts­hofs vom 27. Ja­nu­ar 2005 fest­ge­stellt, dass der Be­griff der „Ent­las­sung“ im Sin­ne der Mas­sen­ent­las­sungs­richt­li­nie aus Gründen des uni­ons­recht­li­chen Ver­trau­ens­schut­zes nicht ex-tunc, son­dern erst ab ei­nem be­stimm­ten späte­ren Zeit­punkt nach der Junk -Ent­schei­dung zu ver­ste­hen sei (vgl. Wiss­mann, Ver­trau­ens­schutz - eu­ropäisch und deutsch, Fest­schrift für Jobst-Hu­ber­tus Bau­er, S. 1161 <1164>), und ist hin­sicht­lich des zeit­li­chen An­wen­dungs­be­reichs der Aus­le­gung des Be­griffs „Ent­las­sung“ im Sin­ne der Mas­sen­ent­las­sungs­richt­li­nie da­her nicht von der Recht­spre­chung des Ge­richts­hofs ab­ge­wi­chen (vgl. EuGH, Ur­teil vom 6. Ok­to­ber 1982, CIL­FIT, 283/81, Slg. 1982, 3415, Rn. 13 f.).

b) Das Bun­des­ar­beits­ge­richt hat das Recht des Be­schwer­deführers aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG je­doch da­durch ver­letzt, dass es § 17 Abs. 1 Satz 1 KSchG in der an­ge­grif­fe­nen Ent­schei­dung aus Gründen des in Art. 20 Abs. 3 GG ver­an­ker­ten Grund­sat­zes des Ver­trau­ens­schut­zes oh­ne Vor­la­ge an den Ge­richts­hof der Eu­ropäischen Uni­on (noch) nicht richt­li­ni­en­kon­form aus­ge­legt be­zie­hungs­wei­se an­ge­wen­det hat, ob­wohl dies me­tho­disch möglich war. Die Gewährung von Ver­trau­ens­schutz in die frühe­re, nicht richt­li­ni­en­kon­for­me Aus­le­gung von § 17 Abs. 1 Satz 1 KSchG be­ein­träch­tigt die Ver­wirk­li­chung der mit der Mas­sen­ent­las­sungs­richt­li­nie ver­bun­de­nen Zie­le (aa). Den­noch hat das Bun­des­ar­beits­ge­richt von ei­ner Vor­la­ge an den Ge­richts­hof ab­ge­se­hen (bb) und Art. 267 Abs. 3 AEUV in­so­weit in ei­ner of­fen­sicht­lich un­halt­ba­ren und nicht mehr verständ­li­chen Wei­se aus­ge­legt be­zie­hungs­wei­se an­ge­wen­det (cc).

aa) Das Bun­des­ar­beits­ge­richt hat aus Art. 20 Abs. 3 GG ein aus sei­ner Sicht be­ste­hen­des Hin­der­nis für ei­ne richt­li­ni­en­kon­for­me Aus­le­gung be­zie­hungs­wei­se An­wen­dung von § 17 Abs. 1 Satz 1 KSchG ab­ge­lei­tet und da­mit auf den ers­ten Blick nicht über die Aus­le­gung von Uni­ons­recht ent­schie­den, das heißt über ei­ne Fra­ge, für de­ren Be­ant­wor­tung gemäß Art. 267 AEUV der Ge­richts­hof zuständig ist. Durch die An­wen­dung von Art. 20 Abs. 3 GG hat es je­doch die prak­ti­sche Wirk­sam­keit der Mas­sen­ent­las­sungs­richt­li­nie in der Aus­le­gung des Ge­richts­hofs be­ein­träch­tigt und der uni­ons­recht­li­chen Ver­pflich­tung, das na­tio­na­le Recht richt­li­ni­en­kon­form aus­zu­le­gen, nicht aus­rei­chend Rech­nung ge­tra­gen. Die An­for­de­run­gen an die prak­ti­sche Wirk­sam­keit ei­ner Richt­li­nie er­ge­ben sich aus dem Uni­ons­recht. Sie zu be­stim­men, ist Sa­che des Ge­richts­hofs der Eu­ropäischen Uni­on, der grundsätz­lich auch über ei­ne zeit­li­che Be­gren­zung der Wir­kun­gen sei­ner Ur­tei­le ent­schei­den muss (vgl. EuGH, Ur­tei­le vom 27. März 1980, Den­ka­vit ita­lia­na, 61/79, Slg. 1980, 1205, Rn. 17 f. un­ter Ver­weis auf EuGH, Ur­teil vom 8. April 1976, De­fren­ne, 43/75, Slg. 1976, 455, Rn. 74/75; vom 10. April 1984, von Col­son und Ka­mann, 14/83, Slg. 1984, 1891, Rn. 26; vom 16. Ju­li 2009, Mo­no Car Sty-ling, C-12/08, Slg. 2009, I-6653, Rn. 60; vom 19. Ja­nu­ar 2010, Kücükde­ve­ci, C-555/07, Slg. 2010, I-365, Rn. 48; vom 15. Ja­nu­ar 2014, As­so­cia­ti­on de média­ti­on so­cia­le, C-176/12, Slg. 2014, I-0000, Rn. 38). Mit Blick auf die Mas­sen­ent­las­sungs­richt­li­nie hat er ei­ne der­ar­ti­ge (zeit­li­che) Be­gren­zung nicht für er­for­der­lich ge­hal­ten (vgl. EuGH, Ur­teil vom 27. Ja­nu­ar 2005, Junk, C-188/03, Slg. 2005, I-885).

bb) Den­noch hat es das Bun­des­ar­beits­ge­richt vor­lie­gend un­ter­las­sen, den Ge­richts­hof mit der im Aus­gangs­ver­fah­ren ent­schei­dungs­er­heb­li­chen Fra­ge zu be­fas­sen, ob es ge­gen Art. 288 Abs. 3 AEUV be­zie­hungs­wei­se Art. 4 Abs. 3 EUV verstößt, wenn die uni­ons­recht­lich ge­bo­te­ne und me­tho­disch mögli­che Aus­le­gung von §§ 17 f. KSchG aus Gründen des in Art. 20 Abs. 3 GG ver­an­ker­ten Grund­sat­zes des Ver­trau­ens­schut­zes ab­ge­lehnt wird, be­zie­hungs­wei­se ob die Gewährung von Ver­trau­ens­schutz und die da­mit (fak­tisch) ein­her­ge­hen­de zeit­li­che Be­schränkung der Wir­kung der Junk -Ent­schei­dung aus­sch­ließlich ihm vor­be­hal­ten ist (vgl. Vor­la­ge­fra­ge 7 des Ar­beits­ge­richts Nien­burg, Ge­richts­in­for­ma­ti­on des EuGH vom 27. Ju­ni 2012 zur Rechts­sa­che - C-311/12 -, ju­ris).

cc) Das Bun­des­ar­beits­ge­richt hat hier­bei Art. 267 Abs. 3 AEUV in ei­ner of­fen­sicht­lich un­halt­ba­ren und nicht mehr verständ­li­chen Wei­se aus­ge­legt be­zie­hungs­wei­se an­ge­wen­det und da­durch das grund­rechts­glei­che Recht des Be­schwer­deführers aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG ver­letzt. Zwar hat es das Vor­lie­gen ei­ner Vor­la­ge­pflicht nach Art. 267 Abs. 3 AEUV ge­prüft und sei­ne Ent­schei­dung auch be­gründet (1). Es hat sie je­doch in nicht mehr ver­tret­ba­rer Wei­se ver­neint (2).

(1) Aus­weis­lich der Be­gründung hat das Bun­des­ar­beits­ge­richt die Fra­ge der Vor­la­ge­pflicht hin­sicht­lich der Gewährung von Ver­trau­ens­schutz in die frühe­re, nicht richt­li­ni­en­kon­for­me Aus­le­gung der §§ 17 f. KSchG zwar durch­aus ge­se­hen. Dies er­gibt sich aus der aus­drück­li­chen Fest­stel­lung, dass dem Bun­des­ar­beits­ge­richt die Ent­schei­dung über den Ver­trau­ens­schutz nicht „ent­zo­gen“ sei und es (dies­bezüglich) ins­be­son­de­re nicht zur Vor­la­ge an den Ge­richts­hof ver­pflich­tet sei, so­wie aus dem Hin­weis auf die ei­ne Vor­la­ge­pflicht be­ja­hen­de Auf­fas­sung von Schiek (AuR 2006, S. 41 <43 f.>), die sich das Bun­des­ar­beits­ge­richt nicht zu Ei­gen ge­macht hat. Es hat die Vor­la­ge­pflicht viel­mehr ver­neint und dies in der Sa­che da­mit be­gründet, dass es nicht Uni­ons­recht, son­dern na­tio­na­les Recht aus­le­ge und sich in­so­weit al­lein im Be­reich der na­tio­na­len Rechts­an­wen­dung be­fin­de. Aus sei­ner Sicht war so­mit kei­ne uni­ons­recht­li­che Fra­ge ent­schei­dungs­er­heb­lich, so dass ei­ne Vor­la­ge­pflicht nicht in Be­tracht kam.

(2) Da­mit hat es die Fra­ge der Vor­la­ge­pflicht in nicht mehr verständ­li­cher und of­fen­sicht­lich un­halt­ba­rer Wei­se be­ant­wor­tet, weil es sich hin­sicht­lich des (ma­te­ri­el­len) Uni­ons­rechts nicht hin­rei­chend kun­dig ge­macht und sei­ne Vor­la­ge­pflicht in­so­weit grund­le­gend ver­kannt hat.

(a) Die An­nah­me des Bun­des­ar­beits­ge­richts, es könne ei­ne richt­li­ni­en­kon­for­me Aus­le­gung der §§ 17 f. KSchG un­ter Be­ru­fung auf sei­ne frühe­re Recht­spre­chung un­ter­las­sen, ver­kennt die Pflicht zur richt­li­ni­en­kon­for­men Aus­le­gung des na­tio­na­len Rechts grund­le­gend. Es hat sich in­so­weit darüber hin­weg­ge­setzt, dass die Gewährung von Ver­trau­ens­schutz und die da­mit ver­bun­de­ne Un­ter­las­sung der richt­li­ni­en­kon­for­men Aus­le­gung ei­ner na­tio­na­len Norm zu­min­dest auch ei­ne Fra­ge des Uni­ons­rechts ist. Hin­zu kommt, dass der Ge­richts­hof in der Junk -Ent­schei­dung (EuGH, Ur­teil vom 27. Ja­nu­ar 2005, Junk, C-188/03, Slg. 2005, I-885) die Gel­tung der von ihm vor­ge­nom­me­nen Aus­le­gung der Richt­li­nie 98/59/EG des Ra­tes vom 20. Ju­li 1998 zur An­glei­chung der Rechts­vor­schrif­ten der Mit­glied­staa­ten über Mas­sen­ent­las­sun­gen (ABl Nr. L 225/16) nicht aus Gründen des uni­ons­recht­li­chen Rechts­grund­sat­zes des Ver­trau­ens­schut­zes in zeit­li­cher Hin­sicht ein­ge­schränkt und ei­ne zeit­li­che Gel­tungs­be­schränkung da­mit im­pli­zit ab­ge­lehnt hat. Durch die Un­ter­las­sung der richt­li­ni­en­kon­for­men Aus­le­gung der §§ 17 f. KSchG in der an­ge­grif­fe­nen Ent­schei­dung ver­schiebt das Bun­des­ar­beits­ge­richt die An­wen­dung der Mas­sen­ent­las­sungs­richt­li­nie in der vom Ge­richts­hof vor­ge­nom­me­nen Aus­le­gung aus Gründen des Ver­trau­ens­schut­zes nach na­tio­na­lem Recht auf ei­nen Zeit­punkt nach ih­rem In­kraft­tre­ten (vgl. BVerfGE 126, 286 <314>).

(b) Zwar ist ein Rück­griff auf na­tio­na­les Ver­fas­sungs­recht nach der ständi­gen Recht­spre­chung des Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richts auch bei der An­wen­dung des Uni­ons­rechts in Deutsch­land nicht ge­ne­rell aus­ge­schlos­sen. Dies setzt je­doch vor­aus, dass der vom Grund­ge­setz ge­bo­te­ne Min­dest­stan­dard an Grund­rechts­schutz durch das Uni­ons­recht ver­fehlt würde (vgl. BVerfGE 37, 271 <280 ff.>; 73, 339 <371 f., 387>; 89, 155 <174 f.>; 102, 147 <163 f.>). Ei­ne sol­che Fest­stel­lung wäre über­dies dem Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt vor­be­hal­ten (vgl. BVerfGE 123, 267 <354>; 126, 286 <308>). An­halts­punk­te dafür, dass das vom Grund­ge­setz ge­for­der­te Min­dest­maß an Grund­rechts­schutz un­ter­schrit­ten sein könn­te, lie­gen hier je­doch er­sicht­lich nicht vor und wur­den vom Bun­des­ar­beits­ge­richt nicht the­ma­ti­siert. In­dem es Be­stim­mun­gen des na­tio­na­len Ver­fas­sungs­rechts ins Feld führt, um die prak­ti­sche Wirk­sam­keit ei­ner Richt­li­nie zu be­gren­zen, setzt es sich da­her über die eta­blier­te Recht­spre­chung des Ge­richts­hofs zum Vor­rang des Uni­ons­rechts (vgl. EuGH, Ur­teil vom 17. De­zem­ber 1970, In­ter­na­tio­na­le Han­dels­ge­sell­schaft, 11/70, Slg. 1970, 1125, Rn. 3) hin­weg und ver­kennt auch in­so­weit sei­ne Vor­la­ge­pflicht.

(c) Dass sich das Bun­des­ar­beits­ge­richt, ob­wohl es sich grundsätz­lich be­wusst war, die Junk -Ent­schei­dung auf­grund ih­rer (uni­ons­recht­li­chen) Bin­dungs­wir­kung be­ach­ten zu müssen, bei der Prüfung der Ent­schei­dungs­er­heb­lich­keit ei­ner uni­ons­recht­li­chen Fra­ge im Zu­sam­men­hang mit der Gewährung von Ver­trau­ens­schutz zu­dem mit kei­nem Wort näher mit der (uni­ons­recht­li­chen) Bin­dungs­wir­kung von Vor­ab­ent­schei­dun­gen aus­ein­an­der­ge­setzt hat, er­scheint eben­falls nicht mehr verständ­lich.

Auf­grund die­ser me­tho­di­schen Mängel ist die An­wen­dung von Art. 267 Abs. 3 AEUV durch das Bun­des­ar­beits­ge­richt nicht mehr verständ­lich und of­fen­sicht­lich un­halt­bar. Liegt in Fällen, in de­nen das Fach­ge­richt die Ent­schei­dungs­er­heb­lich­keit ei­ner uni­ons­recht­li­chen Fra­ge er­kennt, so­dann je­doch ei­ne Vor­la­ge zum Ge­richts­hof der Eu­ropäischen Uni­on trotz Zwei­feln an der rich­ti­gen Be­ant­wor­tung ei­ner uni­ons­recht­li­chen Fra­ge nicht in Erwägung zieht (so­ge­nann­te grundsätz­li­che Ver­ken­nung der Vor­la­ge­pflicht), ein Ver­s­toß ge­gen die Ga­ran­tie des ge­setz­li­chen Rich­ters aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG vor (vgl. BVerfGE 82, 159 <195 f.>; 126, 286 <316 f.>; 128, 157 <187 f.>; 129, 78 <106 f.>; BVerfG, Ur­teil vom 28. Ja­nu­ar 2014 - 2 BvR 1561/12, 2 BvR 1562/12, 2 BvR 1563/12, 2 BvR 1564/12 -, NVwZ 2014, S. 646 <657>), so kann im vor­lie­gen­den Fall, in dem ein letzt­in­stanz­li­ches Ge­richt ei­ne Vor­la­ge­pflicht ver­neint, weil es trotz of­fen­kun­di­ger An­halts­punk­te gar nicht er­kennt, dass ei­ne uni­ons­recht­li­che Fra­ge ent­schei­dungs­er­heb­lich ist, und die Ent­schei­dung al­lein an na­tio­na­len Maßstäben ori­en­tiert trifft, nichts an­de­res gel­ten. In bei­den Fällen wird Art. 267 Abs. 3 AEUV in ei­ner me­tho­disch ein­deu­tig un­zu­rei­chen­den und auf ei­ner of­fen­kun­di­gen Ver­ken­nung sei­nes Re­ge­lungs­ge­halts be­ru­hen­den Wei­se aus­ge­legt. Die­se willkürli­che Ver­nei­nung der Vor­la­ge­pflicht ist da­her als Ver­s­toß ge­gen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG in Ver­bin­dung mit Art. 267 Abs. 3 AEUV ver­fas­sungs­recht­lich zu be­an­stan­den.

3. Das Ur­teil des Bun­des­ar­beits­ge­richts ist gemäß § 93c Abs. 2 in Ver­bin­dung mit § 95 Abs. 2 BVerfGG auf­zu­he­ben. Die Sa­che ist an das Bun­des­ar­beits­ge­richt zurück­zu­ver­wei­sen.

4. Die Ent­schei­dung über die Aus­la­gen­er­stat­tung be­ruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG.

Hu­ber Müller Mai­dow­ski

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