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HENSCHE RECHTSANWÄLTE, FACHANWALTSKANZLEI FÜR ARBEITSRECHT

 

LAG Rhein­land-Pfalz, Ur­teil vom 15.07.2010, 10 Sa 108/10

   
Schlagworte: Betriebsrat, Arbeitszeit, Arbeitsbefreiung, Freistellung
   
Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Aktenzeichen: 10 Sa 108/10
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 15.07.2010
   
Leitsätze:
Vorinstanzen: Arbeitsgericht Mainz, Urteil vom 12.01.2010, 6 Ca 898/09
   

Ak­ten­zei­chen:
10 Sa 108/10
6 Ca 898/09
ArbG Mainz
- AK Bad Kreuz­nach -
Ent­schei­dung vom 15.07.2010

Te­nor:
Die Be­ru­fung des Klägers ge­gen das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Mainz - Auswärti­ge Kam­mern Bad Kreuz­nach - vom 12. Ja­nu­ar 2010, Az.: 6 Ca 898/09, wird kos­ten­pflich­tig zurück­ge­wie­sen.
Die Re­vi­si­on wird nicht zu­ge­las­sen.

Tat­be­stand:
Die Par­tei­en strei­ten über Ansprüche auf Frei­zeit­aus­gleich für Be­triebs­ratstätig­keit außer­halb der Ar­beits­zeit so­wie Ent­gelt­fort­zah­lung.

Die Be­klag­te be­treibt ein Un­ter­neh­men des öffent­li­chen Per­so­nen­nah­ver­kehrs, sie beschäftigt ca. 120 Ar­beit­neh­mer. Während der Schul­fe­ri­en benötigt sie dienst­planmäßig neun Fah­rer we­ni­ger als in der Schul­zeit. Der Kläger (geb. am 18.12.1957) ist seit April 1991 bei der Be­klag­ten als Bus­fah­rer zu ei­nem Brut­to­mo­nats­ent­gelt von € 2.536,00 beschäftigt. Er ist Vor­sit­zen­der des sie­benköpfi­gen Be­triebs­ra­tes.

Am 16.03.2009 be­an­trag­te der Kläger, ihm für Be­triebs­ratstätig­keit außer­halb der persönli­chen Ar­beits­zeit, die er im ers­ten Quar­tal 2009 aus­geübt hat­te, Ar­beits­be­frei­ung nach § 37 Abs. 3 Be­trVG zu gewähren. Während für den be­an­trag­ten Zeit­raum vom 25. bis zum 28.03.2009 Ei­nig­keit er­zielt wer­den konn­te, lehn­te die Be­klag­te die be­an­trag­te Ar­beits­be­frei­ung am 10., 12. und 15.06.2009 ab. Sie schlug dem Kläger vor, ihn am 07., 08., 14., 16., 17. und 18.04.2009 - in den Os­ter­fe­ri­en - von der Ar­beit zu be­frei­en. Der Kläger erklärte sich mit ei­ner Frei­stel­lung am 07. und 08.04.2009 ein­ver­stan­den. Da­ge­gen lehn­te er die Ar­beits­be­frei­ung am 14., 16., 17. und 18.04.2009 ab und bot aus­drück­lich sei­ne Ar­beits­kraft an. Die Be­klag­te beschäftig­te den Kläger gleich­wohl nicht und buch­te auf sei­nem Zeit­kon­to am 14.04.2009 6:30 St­un­den, am 16.04.2009 8:44 St­un­den, am 17.04.2009 8:44 St­un­den und am 18.04.2009 8:04 St­un­den als Aus­gleichs­zeit für Be­triebs­ratstätig­keit ein. Hier­ge­gen wen­det sich der Kläger mit sei­nem Kla­ge­an­trag zu 1).

Der Kläger woll­te am 11. und 12.02.2009 an ei­ner Sit­zung des Kon­zern­be­triebs­ra­tes teil­neh­men. Er be­an­trag­te des­halb am 02.02.2009 Ar­beits­be­frei­ung, die ihm am 03.02.2009 ge­neh­migt wur­de. Für Frei­tag, den 13.02.2009, sah der auf­ge­stell­te Dienst­plan ursprüng­lich ei­nen Ar­beits­ein­satz des Klägers von 5:01 St­un­den vor. Am Sams­tag und Sonn­tag, 14. und 15.02.2009, war der Kläger nicht zum Dienst ein­ge­teilt. Ab 16.02.2009 hat­te er bis zum Mo­nats­en­de Er­ho­lungs­ur­laub. Der Kläger war vom 09.02. bis zum 13.02.2009 ar­beits­unfähig er­krankt. Ob sich die Par­tei­en vor der Er­kran­kung des Klägers auf ei­ne Ar­beits­be­frei­ung am 13.02.2009 zum Zwe­cke des Aus­gleichs von Über­stun­den für Be­triebs­ratstätig­keit ge­ei­nigt ha­ben, ist strei­tig. Mit dem Kla­ge­an­trag zu 2) ver­langt der Kläger Vergütung für 5:01 St­un­den mit ei­nem St­un­den­satz von € 12,74 brut­to nebst Zu­la­gen.

We­gen wei­te­rer Ein­zel­hei­ten des un­strei­ti­gen Sach­ver­halts, des strei­ti­gen Vor­brin­gens der Par­tei­en und der Sach­anträge in ers­ter In­stanz wird gemäß § 62 Abs. 2 ArbGG Be­zug ge­nom­men auf den Tat­be­stand des Ur­teils des Ar­beits­ge­richts Mainz - Auswärti­ge Kam­mern Bad Kreuz­nach - vom 12.01.2010 (dort Sei­te 2-5 = Bl. 121-124 d.A.).

Das Ar­beits­ge­richt hat die Kla­ge mit Ur­teil vom 12.01.2010 ab­ge­wie­sen und zur Be­gründung aus­geführt, die Be­klag­te ha­be dem Kläger in der Zeit vom 14. bis zum 18.04.2009 wirk­sam gemäß § 37 Abs. 3 Be­trVG Frei­zeit zum Aus­gleich von be­triebs­rats­be­dingt an­ge­fal­le­nen Über­stun­den gewährt. Der Kläger könne für den 13.02.2009 kei­ne Ent­gelt­fort­zah­lung be­an­spru­chen, weil oh­ne­hin kei­ne Ar­beits­pflicht be­stan­den ha­be. Das Ar­beits­ge­richt hat die Be­ru­fung we­gen grundsätz­li­cher Be­deu­tung zu­ge­las­sen. We­gen der Ein­zel­hei­ten der Ent­schei­dungs­gründe des Ar­beits­ge­richts wird auf Sei­te 5 bis 10 des Ur­teils (= Bl. 124-129 d.A.) Be­zug ge­nom­men.

Ge­gen die­ses Ur­teil, das ihm am 10.02.2010 zu­ge­stellt wor­den ist, hat der Kläger mit am 08.03.2010 beim Lan­des­ar­beits­ge­richt ein­ge­gan­ge­nem Schrift­satz Be­ru­fung ein­ge­legt und die­se in­ner­halb der bis zum 10.05.2010 verlänger­ten Be­gründungs­frist am 10.05.2010 be­gründet.

Er ist der An­sicht, die Be­klag­te ha­be ihn im Zeit­raum vom 14. bis 18.04.2009 nicht wirk­sam von der Ar­beit frei­ge­stellt. Die zeit­li­che La­ge der Ar­beits­be­frei­ung gemäß § 37 Abs. 3 Be­trVG könne nicht ein­sei­tig vom Ar­beit­ge­ber be­stimmt wer­den, son­dern rich­te sich nach den Wünschen des Be­triebs­rats­mit­glieds, so­fern kei­ne be­triebs­be­ding­ten Gründe da­ge­gen sprächen. Das Be­triebs­rats­mit­glied ha­be den An­spruch auf Ar­beits­be­frei­ung gel­tend zu ma­chen. Da er für die Zeit vom 14. bis zum 18.04.2009 kei­ne Frei­zeit­gewährung be­an­tragt ha­be, könne ihn die Be­klag­te nicht ge­gen sei­nen Wil­len frei­stel­len. Die Be­klag­te ha­be kei­ne er­heb­li­chen Gründe dafür vor­ge­tra­gen, wes­halb ei­ne Frei­zeit­gewährung im strei­ti­gen Zeit­raum zwin­gend er­for­der­lich ge­we­sen sei. Auch sein Zah­lungs­an­spruch für den 13.02.2009 sei be­gründet. Die Be­klag­te ha­be den Zeit­punkt der Frei­zeit­gewährung nachträglich und ein­sei­tig fest­ge­legt. Sie ha­be mit ihm über das Ab­fei­ern von Über­stun­den für die Be­triebs­ratstätig­keit nicht ge­spro­chen. Er sei vor dem 13.02.2009 zu­letzt am 04.02.2009 im Be­trieb ge­we­sen, die Dienst­planände­rung ha­be er nicht ge­kannt. Selbst wenn es ihm möglich ge­we­sen wäre, vor sei­ner Er­kran­kung ei­ne Dienst­planände­rung fest­zu­stel­len, hätte er selbst den Zeit­punkt der Frei­zeit­gewährung gel­tend ma­chen müssen. Dies sei Sa­che des Be­triebs­rats­mit­glieds. We­gen wei­te­rer Ein­zel­hei­ten der Be­ru­fungs­be­gründung wird auf den Schrift­satz des Klägers vom 10.05.2010 (Bl. 153-157 d.A.) Be­zug ge­nom­men.

Der Kläger be­an­tragt zweit­in­stanz­lich,
das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Mainz - Auswärti­ge Kam­mern Bad Kreuz­nach - vom 12.01.2010, 6 Ca 898/09, ab­zuändern und die Be­klag­te zu ver­ur­tei­len,
ihm für den 14.04.2009 6:30 St­un­den, für den 16.04.2009 8:44 St­un­den, für den 17.04.2009 8:44 St­un­den und für den 18.04.2009 8:04 St­un­den auf sei­nem Zeit­ar­beits­kon­to gut­zu­schrei­ben,
an ihn € 63,70 brut­to und € 7,40 nebst Zin­sen in Höhe von fünf Pro­zent­punk­ten über dem je­wei­li­gen Ba­sis­zins­satz seit 21.04.2009 zu zah­len.

Die Be­klag­te be­an­tragt,
die Be­ru­fung zurück­zu­wei­sen.

Sie ver­tei­digt das an­ge­foch­te­ne Ur­teil nach Maßga­be ih­res Schrift­sat­zes vom 17.06.2010 (Bl. 169-175 d.A.), auf den ergänzend Be­zug ge­nom­men wird. Der Kläger ha­be kei­nen An­spruch auf die be­an­trag­ten St­un­den­gut­schrif­ten. Sie ha­be ihm in­ner­halb der Mo­nats­frist des § 37 Abs. 3 Be­trVG Ar­beits­be­frei­ung gewährt. Wenn sich über den Frei­stel­lungs­zeit­punkt - wie hier - kei­ne Ei­nig­keit er­zie­len las­se, sei der Ar­beit­ge­ber in den Gren­zen bil­li­gen Er­mes­sens be­rech­tigt, den Zeit­punkt der Ar­beits­be­frei­ung ein­sei­tig zu be­stim­men. Vor­lie­gend ha­be während der Os­ter­fe­ri­en ein er­heb­lich re­du­zier­ter Be­darf an Fah­rern be­stan­den, so dass es möglich ge­we­sen sei, den Kläger oh­ne Mehr­be­las­tung an­de­rer Fah­rer von der Ar­beit zu be­frei­en. Der Kläger ha­be kei­ner­lei Gründe an­geführt, die ei­nem Frei­zeit­aus­gleich zwi­schen dem 14. und 18.04.2009 ent­ge­gen­ge­stan­den ha­ben könn­ten. Der Kläger ha­be kei­nen An­spruch auf Ent­gelt­fort­zah­lung für den 13.02.2009. Sie ha­be sich mit dem Kläger dar­auf ge­ei­nigt, dass er an die­sem Tag Mehr­ar­beits­stun­den für zu­vor er­brach­te Be­triebs­ratstätig­keit ab­feie­re. Der Dienst­plan sei vor Be­kannt­wer­den der Er­kran­kung des Klägers, nämlich be­reits am 05.02.2009, geändert wor­den.

Im Übri­gen wird ergänzend auf die zwi­schen den Par­tei­en ge­wech­sel­ten Schriftsätze nebst An­la­gen so­wie die Sit­zungs­nie­der­schrift vom 15.07.2010 (Bl. 177-179 d.A.) Be­zug ge­nom­men.

Ent­schei­dungs­gründe:
I.
Die Be­ru­fung des Klägers ist nach § 64 Abs. 2 lit. a) ArbGG statt­haft, weil sie in dem Ur­teil des Ar­beits­ge­richts zu­ge­las­sen wor­den ist. Die Be­ru­fungs­kam­mer ist gemäß § 64 Abs. 4 ArbGG an die Zu­las­sung ge­bun­den. Die Be­ru­fung ist gemäß §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG i.V.m. §§ 517, 519 ZPO form- und frist­ge­recht ein­ge­legt und be­gründet wor­den. Sie ist so­mit zulässig.

II. In der Sa­che hat die Be­ru­fung kei­nen Er­folg. Das Ar­beits­ge­richt hat die Kla­ge zu Recht ab­ge­wie­sen. Die vom Kläger gel­tend ge­mach­ten Ansprüche be­ste­hen nicht.

1. Der Kläger hat kei­nen An­spruch ge­gen die Be­klag­te auf die be­an­trag­ten St­un­den­gut­schrif­ten auf sei­nem Zeit­ar­beits­kon­to für die Zeit vom 14. bis zum 18.04.2009. Der Kla­ge­an­trag zu 1) ist des­halb ab­zu­wei­sen. Dies hat das Ar­beits­ge­richt zu­tref­fend er­kannt.

Die Be­klag­te hat den Kläger am 14.04.2009 für 6:30 St­un­den, am 16.04.2009 für 8:44 St­un­den, am 17.04.2009 für 8:44 St­un­den und am 18.04.2009 für 8:04 St­un­den gemäß § 37 Abs. 3 Be­trVG von sei­ner Ar­beit un­ter Fort­zah­lung der Vergütung be­freit. Da die Gewährung die­ser Ar­beits­be­frei­ung rechtmäßig war, sind die Ansprüche des Klägers durch Erfüllung er­lo­schen (§ 362 Abs. 1 BGB). Die Be­klag­te be­fand sich nicht in An­nah­me­ver­zug.

Nach § 37 Abs. 3 Satz 1 Be­trVG hat das Be­triebs­rats­mit­glied zum Aus­gleich von Be­triebs­ratstätig­keit, die aus be­triebs­be­ding­ten Gründen außer­halb der Ar­beits­zeit durch­zuführen ist, ei­nen An­spruch auf ent­spre­chen­de Ar­beits­be­frei­ung un­ter Fort­zah­lung des Ar­beits­ent­gelts. Der Frei­zeit­aus­gleich ist nach Satz 3 die­ser Vor­schrift grundsätz­lich vor Ab­lauf ei­nes Mo­nats zu gewähren, ge­rech­net ab dem Zeit­punkt der außer­halb der Ar­beits­zeit durch­geführ­ten Be­triebs­ratstätig­keit (BAG Be­schluss vom 16.04.2003 - 7 AZR 423/01 - Rd. 25 - NZA 2004, 171). Ist dies aus be­triebs­be­ding­ten Gründen nicht möglich, so ist die auf­ge­wen­de­te Zeit wie Mehr­ar­beit zu vergüten.

Lie­gen - was vor­lie­gend un­strei­tig ist - die Vor­aus­set­zun­gen des § 37 Abs. 3 Satz 1 Be­trVG vor, so be­steht primär ein An­spruch des Be­triebs­rats­mit­glieds auf Frei­zeit­aus­gleich. Nur wenn die­ser An­spruch aus be­triebs­be­ding­ten Gründen nicht vor Ab­lauf ei­nes Mo­nats erfüllt wer­den kann, be­steht hilfs­wei­se ein Ab­gel­tungs­an­spruch auf Vergütung der auf­ge­wen­de­ten Zeit wie Mehr­ar­beit. Die Rang­ord­nung der Ansprüche ist zwin­gend (DLW/ Wildschütz, 8. Aufl., Kap. 12, Rd. 633; m.w.N.). Die Re­ge­lung des § 37 Abs. 3 Be­trVG geht vom Vor­rang des Frei­zeit­aus­gleichs vor des­sen Ab­gel­tung durch ei­nen Vergütungs­an­spruch aus. Nur bei ei­ner auf be­triebs­be­ding­ten Gründen be­ru­hen­den Unmöglich­keit der Gewährung von Ar­beits­be­frei­ung kommt ei­ne Vergütung der auf­ge­wen­de­ten Zeit in Be­tracht. Dies dient zum ei­nen der Be­gren­zung der Ar­beits­be­las­tung des Be­triebs­rats­mit­glieds. Zum an­de­ren soll hier­durch im In­ter­es­se der persönli­chen Un­abhängig­keit der Be­triebs­rats­mit­glie­der so­weit wie möglich ver­hin­dert wer­den, dass Be­triebs­rats­mit­glie­der ent­ge­gen dem Eh­ren­amts­prin­zip des § 37 Abs. 1 Be­trVG durch ih­re Be­triebs­ratstätig­keit zusätz­li­che Vergütungs­ansprüche er­wer­ben. Des­halb wan­delt sich der An­spruch auf Ar­beits­be­frei­ung we­der mit Ab­lauf der Mo­nats­frist des § 37 Abs. 3 Satz 2 Halb­satz 1 Be­trVG noch durch ei­ne bloße Untätig­keit des Ar­beit­ge­bers in ei­nen Vergütungs­an­spruch. Die Mo­nats­frist des § 37 Abs. 3 Satz 2 Be­trVG ist kei­ne Um­wand­lungs­vor­schrift. Der Vergütungs­an­spruch ent­steht viel­mehr nur, wenn die Ar­beits­be­frei­ung aus be­triebs­be­ding­ten Gründen nicht möglich ist (vgl. BAG Ur­teil vom 25.08.1999 - 7 AZR 713/97 - Rd. 16 - NZA 2000, 554; m.w.N.).

Über die zeit­li­che La­ge der Ar­beits­be­frei­ung nach § 37 Abs. 3 Be­trVG hat der Ar­beit­ge­ber nach bil­li­gem Er­mes­sen (§ 315 Abs. 1 BGB) zu ent­schei­den (so auch DLW/ Wildschütz, 8. Aufl., Kap. 12, Rz. 635; GK-Be­trVG/ We­ber, 9. Aufl., § 37 Rd. 94; Ri­char­di/ Thüsing, Be­trVG, 12. Aufl., § 37 Rd. 54; je­weils m.w.N.). Zwar wird in der Li­te­ra­tur teil­wei­se die Auf­fas­sung ver­tre­ten, dass die Grundsätze für die Ur­laubs­gewährung ent­spre­chend gel­ten, wo­bei sich die zeit­li­che La­ge der Ar­beits­be­frei­ung nach den Wünschen des Be­triebs­rats­mit­glieds rich­ten soll, so­fern kei­ne be­triebs­be­ding­ten Gründe ent­ge­gen­ste­hen (z.B. ErfK/ Koch, 10. Aufl., § 37 Rd. 8; Fit­ting, Be­trVG, 25. Aufl., § 37 Rd. 95, DKK/ Wed­de, Be­trVG, 10. Aufl., § 37 Rd. 66).

Dem kann sich die Be­ru­fungs­kam­mer nicht an­sch­ließen. Ein Vor­rang der In­ter­es­sen des Be­triebs­rats­mit­glieds an ei­ner Art Zu­satz­ur­laub ist dem Ge­setz nicht zu ent­neh­men. Das Be­triebs­rats­mit­glied hat un­ter den Vor­aus­set­zun­gen des § 37 Abs. 3 Be­trVG ei­nen An­spruch - so wört­lich - auf „Ar­beits­be­frei­ung“, nicht auf zusätz­li­che Ur­laubs­ta­ge. Ur­laubs­ansprüche und Ansprüche auf Ar­beits­be­frei­ung un­ter­schei­den sich in­halt­lich in mehr­fa­cher Hin­sicht. Nach § 7 Abs. 1 Satz 1 BUrlG kann der Ar­beit­ge­ber die zeit­li­che La­ge ei­nes Ur­laubs­wun­sches le­dig­lich aus den im Ge­setz ge­nann­ten Gründen ab­leh­nen. Bei der zeit­li­chen Fest­le­gung von Ansprüchen auf Frei­zeit­aus­gleich hat er da­ge­gen (nur) bil­li­ges Er­mes­sen nach § 106 Satz 1 Ge­wO, § 315 BGB aus­zuüben, so­weit sein Er­mes­sen nicht durch Ge­setz, Kol­lek­tiv­recht oder Ver­trag be­schränkt ist (vgl. BAG Ur­teil vom 19.01.2010 - 9 AZR 426/09 - Rd. 17, Ju­ris). Den be­rech­tig­ten In­ter­es­sen des Ar­beit­neh­mers trägt die Pflicht des Ar­beit­ge­bers gemäß § 106 Satz 1 Ge­wO Rech­nung, bei Ausübung sei­nes Wei­sungs­rechts die Gren­zen bil­li­gen Er­mes­sens nach § 315 Abs. 3 BGB ein­zu­hal­ten. Da­mit muss er auch auf die be­rech­tig­ten In­ter­es­sen des Ar­beit­neh­mers an der Plan­bar­keit sei­ner Frei­zeit Rück­sicht neh­men (vgl. BAG Ur­teil vom 19.05.2009 - 9 AZR 433/08 - Rd. 28, 29, NZA 2009, 1211).

Die Be­klag­te hat vor­lie­gend die Gren­zen bil­li­gen Er­mes­sens ge­wahrt. Der Kläger hat­te im ers­ten Quar­tal 2009 aus be­triebs­be­ding­ten Gründen ins­ge­samt 77,16 St­un­den Be­triebs­ratstätig­kei­ten außer­halb sei­ner persönli­chen Ar­beits­zeit durch­geführt. Die Be­klag­te hat­te den Frei­zeit­aus­gleich grundsätz­lich vor Ab­lauf ei­nes Mo­nats zu erfüllen. Sie war des­halb nicht ge­zwun­gen, dem An­trag des Klägers vom 16.03.2009, ihm am 10., 12. und 15.06.2009 Ar­beits­be­frei­ung zu gewähren, statt­zu­ge­ben. Müss­te sich die Ar­beit­ge­be­rin al­lein nach den Wünschen des Be­triebs­rats­mit­glieds rich­ten, könn­te das Be­triebs­rats­mit­glied ent­ge­gen dem Eh­ren­amts­prin­zip des § 37 Abs. 1 Be­trVG durch sei­ne Be­triebs­ratstätig­keit ho­he Frei­zeit­aus­gleichs­ansprüche an­sam­meln und die­se als ei­ne Art Zu­satz­ur­laub nach Gutdünken ab­bau­en. Das ist nicht Sinn und Zweck des § 37 Abs. 3 Be­trVG. Der Ar­beit­ge­ber kann durch die Gewährung des Frei­zeit­aus­gleichs viel­mehr ein sol­ches An­sam­meln ver­hin­dern und da­mit er­rei­chen, dass der Aus­gleich zeit­nah
- möglichst in­ner­halb der Mo­nats­frist - ge­nom­men wird.

Die Be­klag­te hat den Kläger in den Os­ter­fe­ri­en zwi­schen dem 14. und 18.04.2009 wirk­sam von der Ar­beit be­freit. In den Schul­fe­ri­en be­stand un­strei­tig ein er­heb­lich re­du­zier­ter Be­darf an Fah­rern, so dass sich die Ar­beits­be­frei­ung des Klägers oh­ne Mehr­be­las­tung an­de­rer Ar­beit­neh­mer durchführen ließ. Der Kläger hat - außer sei­nem ent­ge­gen­ste­hen­den Wil­len - kei­ner­lei Gründe an­geführt, die ei­ner Ar­beits­be­frei­ung in den Os­ter­fe­ri­en ent­ge­gen­stan­den. Nach al­le­dem hat die Be­klag­te mit ih­rer Ent­schei­dung, den Kläger am 14., 16., 17. und 18.04.2009 von der Ar­beit zu be­frei­en, die Gren­zen bil­li­gen Er­mes­sens nicht über­schrit­ten. Ein An­spruch des Klägers, ihm die ab­ge­bau­ten St­un­den auf sei­nem Zeit­ar­beits­kon­to wie­der gut­zu­schrei­ben, be­steht nicht.

2. Der Kläger hat kei­nen An­spruch ge­gen die Be­klag­te auf Ent­gelt­fort­zah­lung im Krank­heits­fall für den 13.02.2009. Des­halb ist auch der Kla­ge­an­trag zu 2) ab­zu­wei­sen. Auch dies hat das Ar­beits­ge­richt zu­tref­fend er­kannt.

Die Be­klag­te hat dem Kläger am 13.02.2009 un­ter Fort­zah­lung des Ar­beits­ent­gel­tes Frei­zeit­aus­gleich gemäß § 37 Abs. 3 Be­trVG im Um­fang von 5:01 St­un­den gewährt. Der Kläger kann nicht zusätz­lich noch Ent­gelt­fort­zah­lung im Krank­heits­fall und da­mit ei­ne „dop­pel­te Be­zah­lung“ für die­sen Tag ver­lan­gen. Der 13.02.2009 ist von der Be­klag­ten be­reits vor der Er­kran­kung des Klägers (vom 09.02. bis zum 13.02.2009) ver­bind­lich als be­zahl­ter Frei­zeit­aus­gleichs­tag fest­ge­legt wor­den. Aus dem Um­stand, dass er an die­sem Tag durch ei­ne Er­kran­kung ar­beits­unfähig war, kann der Kläger kei­ne zusätz­li­che Zah­lungs­ver­pflich­tung der Be­klag­ten her­lei­ten.

Wenn ein Ar­beit­neh­mer - wie hier - an ei­nem be­zahl­ten ar­beits­frei­en Tag er­krankt, der nicht Ur­laub ist, kann er nicht zusätz­lich Ent­gelt­fort­zah­lung im Krank­heits­fall ver­lan­gen (so schon BAG Ur­teil vom 04.09.1985 - 7 AZR 531/82 - AP Nr. 13 zu § 17 BAT). Die Rechts­grundsätze der Ent­gelt­fort­zah­lung im Krank­heits­fall si­chern nur die Vergütung des Ar­beit­neh­mers, nicht aber die Nut­zung sei­ner Frei­zeit. Dem Kläger konn­te am 13.02.2009 an­ge­sichts der un­strei­tig fort­ge­zahl­ten Vergütung nach § 37 Abs. 3 Be­trVG durch sei­ne krank­heits­be­ding­te Ar­beits­unfähig­keit kein Ein­kom­mens­ver­lust ent­ste­hen. Sei­ne Er­kran­kung hat­te kei­nen Ein­fluss auf die Wirk­sam­keit der ihm von der Be­klag­ten er­teil­ten Ar­beits­be­frei­ung. Die Ar­beits­be­frei­ung des Klägers am 13.02.2009 ist be­reits vor sei­ner Er­kran­kung ab dem 09.02.2009, ei­nem Mon­tag, fest­ge­legt wor­den. Der Dienst­plan wur­de vor der Er­kran­kung des Klägers, be­reits am 05.02.2009, ei­nem Don­ners­tag, geändert. Da­mit war die Zeit der Ar­beits­be­frei­ung schon vor der Er­kran­kung des Klägers be­kannt­ge­ge­ben. Hier­auf kommt es an. Es kann des­halb da­hin­ste­hen, ob sich die Par­tei­en am 03.02.2009 auf die Ar­beits­be­frei­ung am 13.02.2009 ge­ei­nigt ha­ben, was der Kläger be­strei­tet. Dass er den - be­reits vor sei­ner Er­kran­kung - geänder­ten Dienst­plan nicht zur Kennt­nis ge­nom­men hat, fällt nicht in die Ri­si­ko­sphäre der Be­klag­ten.

III. Nach al­le­dem ist die Be­ru­fung des Klägers mit der Kos­ten­fol­ge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurück­zu­wei­sen.

Ein Grund, der nach den hierfür maßgeb­li­chen ge­setz­li­chen Kri­te­ri­en des § 72 Abs. 2 ArbGG die Zu­las­sung der Re­vi­si­on recht­fer­ti­gen könn­te, be­steht nicht.

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