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HENSCHE RECHTSANWÄLTE, FACHANWALTSKANZLEI FÜR ARBEITSRECHT

 

LSG Nord­rhein-West­fa­len, Ur­teil vom 22.05.2006, L 19 AL 193/05

   
Schlagworte: Arbeitslosengeld: Sperrzeit
   
Gericht: Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen: L 19 AL 193/05
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 22.05.2006
   
Leitsätze:
Vorinstanzen: Sozialgericht Gelsenkirchen, Urteil vom 26.09.2005, S 20 AL 56/05
   

So­zi­al­ge­richts­bar­keit Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land

NRW • Lan­des­so­zi­al­ge­richt Nord­rhein-West­fa­len 19. Se­nat

1. In­stanz So­zi­al­ge­richt Gel­sen­kir­chen S 20 AL 56/05 26.09.2005
2. In­stanz Lan­des­so­zi­al­ge­richt Nord­rhein-West­fa­len L 19 AL 193/05 22.05.2006
3. In­stanz Bun­des­so­zi­al­ge­richt B 7a AL 52/06 R 

Sach­ge­biet Ar­beits­lo­sen­ver­si­che­rung

 

Ent­schei­dung

Die Be­ru­fung der Be­klag­ten ge­gen das Ur­teil des So­zi­al­ge­richts Gel­sen­kir­chen vom 26.09.2005 wird zurück­ge­wie­sen. Die Be­klag­te hat der Kläge­rin auch die Kos­ten des Be­ru­fungs­ver­fah­rens zu er­stat­ten. Die Re­vi­si­on wird zu­ge­las­sen.

Tat­be­stand:

Die Be­tei­lig­ten strei­ten um den Ein­tritt ei­ner Sperr­zeit.

Die 1960 ge­bo­re­ne Kläge­rin, die Mut­ter ei­ner am 00.00.1990 ge­bo­re­nen Toch­ter ist, war vor der hier maßgeb­li­chen Ar­beits­los­mel­dung bei der L GmbH O in I beschäftigt, wo sie auch wohn­te. Am 15.03.2004 kündig­te sie das Beschäfti­gungs­verhält­nis zum 31.08.2004 und mel­de­te sich am 27.08.2004 ar­beits­los. Als Kündi­gungs­grund gab sie ih­ren ge­plan­ten Um­zug nach H an, wo ih­re Toch­ter zum neu­en Schul­jahr die Schu­le be­su­chen soll­te.

Mit Be­scheid vom 05.10.2004 stell­te die Be­klag­te den Ein­tritt ei­ner Sperr­zeit für das ge­setz­li­che Nor­mal­maß von 12 Wo­chen fest so­wie ei­ne Min­de­rung des An­spruchs auf Ar­beits­lo­sen­geld (Alg) um 90 Ta­ge, weil die Kläge­rin ihr Beschäfti­gungs­verhält­nis oh­ne wich­ti­gen Grund gekündigt ha­be.

Die seit dem 29.09.2004 wie­der beschäftig­te Kläge­rin leg­te am 04.11.2004 Wi­der­spruch ein, den sie da­mit be­gründe­te, dass sie nach H zu ih­rem Ver­lob­ten, Herrn C F (F), ge­zo­gen sei. Be­reits vor dem Um­zug ha­be sie sich um Ar­beit im Raum H bemüht. Die­se Bemühun­gen hätten aber erst jetzt zum Er­folg geführt. Nach der Recht­spre­chung des Bun­des­so­zi­al­ge­richts (BSG) bezüglich des Zu­zugs zum Ehe­gat­ten, wel­che auf das Verlöbnis eben­falls An­wen­dung fin­de, sei die Sperr­zeit zu Un­recht verhängt wor­den.

Mit Wi­der­spruchs­be­scheid vom 16.02.2005 wies die Be­klag­te den Wi­der­spruch als un­be­gründet zurück. Sie führ­te aus, die Kläge­rin könne sich nur auf ei­nen wich­ti­gen Grund be­ru­fen, wenn durch den Um­zug ei­ne Ehe ge­gründet oder ei­ne eheähn­li­che Ge­mein­schaft/Le­bens­part­ner­schaft wie­der her­ge­stellt wer­den soll­te, oder wenn die Ehe­sch­ließung / Ein­tra­gung der Le­bens­part­ner­schaft zum Zeit­punkt der Kündi­gung oder un­mit­tel­bar da­nach kon­kret ins Au­ge ge­fasst ge­we­sen sei. Die­se Vor­aus­set­zun­gen sei­en je­doch nicht erfüllt, weil ei­ne Ehe­sch­ließung bis zum jet­zi­gen Zeit­punkt nicht er­folgt sei. Der Zu­zug sei auch nicht zwecks Her­stel­lung der Er­zie­hungs­ge­mein­schaft für ein ge­mein­sa­mes Kind er­folgt. Der Um­zug zur Gründung ei­ner eheähn­li­chen Ge­mein­schaft könne da­ge­gen nicht als wich­ti­ger Grund an­er­kannt wer­den.

Die Kläge­rin hat am 15.03.2005 vor dem So­zi­al­ge­richt (SG) Gel­sen­kir­chen Kla­ge er­ho­ben, mit der sie ih­re Auf­fas­sung wei­ter ver­folgt hat.

Das SG hat die Kläge­rin an­gehört und E als Zeu­gen ver­nom­men. We­gen des­sen An­ga­ben wird auf die Sit­zungs­nie­der­schrift vom 26.09.2005 ver­wie­sen.

Mit Ur­teil vom 26.09.2005 hat das SG die Be­klag­te an­trags­gemäß ver­ur­teilt, der Kläge­rin ab dem 01.09.2004 Alg nach Maßga­be der ge­setz­li­chen Be­stim­mun­gen zu gewähren. Auf die Ent­schei­dungs­gründe wird Be­zug ge­nom­men.

Ge­gen das ihr am 26.10.2005 zu­ge­stell­te Ur­teil hat die Be­klag­te am 23.11.2005 Be­ru­fung ein­ge­legt. Sie macht gel­tend, dass nach ih­ren auf der Recht­spre­chung des BSG be­ru­hen­den Durchführungs­an­wei­sun­gen wich­ti­ge Gründe für die Lösung ei­nes Ar­beits­verhält­nis­ses we­gen des Zu­sam­men­zugs mit ei­nem Part­ner nur an­er­kannt wer­den könn­ten, wenn der Ar­beit­neh­mer zur Be­gründung der ehe­li­chen Ge­mein­schaft zu sei­nem Ehe­gat­ten zie­hen wol­le oder die Ehe­sch­ließung zu die­sem Zeit­punkt kon­kret ins Au­ge ge­fasst sei, oder die Her­stel­lung der Er­zie­hungs­ge­mein­schaft für ein ge­mein­sa­mes Kind ge­wollt sei oder die Fort­set­zung ei­ner eheähn­li­chen Ge­mein­schaft. All die­se Sach­ver­hal­te sei­en bei der Kläge­rin nicht erfüllt.

Die Be­klag­te be­an­tragt,

das Ur­teil des SG Gel­sen­kir­chen vom 26.09.2005 zu ändern und die Kla­ge ab­zu­wei­sen.

- 2 -

Die Kläge­rin be­an­tragt,

die Be­ru­fung zurück­zu­wei­sen.

Sie macht gel­tend, es ha­be be­reits vor der Kündi­gung ei­ne eheähn­li­che Le­bens­ge­mein­schaft be­stan­den, so dass ein wich­ti­ger Grund für die Kündi­gung ge­ge­ben ge­we­sen sei. Bezüglich des Zeit­punk­tes, zu dem die­se er­folgt sei, müsse außer­dem berück­sich­tigt wer­den, dass ein Schul­wech­sel der Toch­ter ha­be er­fol­gen müssen.
Zum Nach­weis ih­rer Bemühun­gen um ei­nen Ar­beits­platz in H hat sie meh­re­re Be­wer­bungs­schrei­ben bzw. Ab­leh­nungs­schrei­ben auf ih­re Be­wer­bun­gen vor­ge­legt.

We­gen der wei­te­ren Ein­zel­hei­ten des Sach- und Streit­stan­des wird auf den In­halt der Ge­richts­ak­te so­wie der bei­ge­zo­ge­nen Ver­wal­tungs­ak­te der Be­klag­ten Be­zug ge­nom­men, die Ge­gen­stand der münd­li­chen Ver­hand­lung ge­we­sen sind.

Ent­schei­dungs­gründe:

Die Be­ru­fung ist zulässig, aber un­be­gründet.

Das SG hat den Be­scheid über die Fest­stel­lung der Sperr­zeit, der nach der ver­gleichs­wei­sen Ei­ni­gung der Be­tei­lig­ten über die An­pas­sung des Be­schei­des über die Be­wil­li­gung des Alg al­lein noch Ge­gen­stand des Be­ru­fungs­ver­fah­rens ist, zu Recht auf­ge­ho­ben.

Nach § 144 Abs. 1 Nr. 1 Drit­tes Buch So­zi­al­ge­setz­buch - Ar­beitsförde­rung - (SGB III) in der hier an­zu­wen­den­den Fas­sung des Ar­beitsförde­rungs-Re­form­ge­set­zes (AFRG) vom 24.03.1997 (BGBl. I 594) tritt ei­ne Sperr­zeit von 12 Wo­chen ein, wenn der Ar­beits­lo­se das Beschäfti­gungs­verhält­nis gelöst oder durch ein ar­beits­ver­trags­wid­ri­ges Ver­hal­ten An­lass für die Lösung des Beschäfti­gungs­verhält­nis­ses ge­ge­ben und da­durch vorsätz­lich oder grob fahrlässig die Ar­beits­lo­sig­keit her­bei­geführt hat, oh­ne für sein Ver­hal­ten ei­nen wich­ti­gen Grund zu ha­ben.

Die Kläge­rin hat durch ih­re Kündi­gung vom 15.03.2004 ihr Beschäfti­gungs­verhält­nis mit der L GmbH gelöst. Hier­durch hat sie auch zu­min­dest grob fahrlässig ih­re Ar­beits­lo­sig­keit her­bei­geführt, weil sie kei­ne kon­kre­te Aus­sicht auf ei­nen An­schluss­ar­beits­platz hat­te (vgl. BSG SozR 4100 § 119 Nrn. 17, 28). Auch wenn die Ar­beit­ge­be­rin der Kläge­rin in dem Raum, in dem der Part­ner der Kläge­rin leb­te und in den sie ver­zie­hen woll­te, Fi­lia­len un­ter­hielt, fehl­te es doch an ei­ner hin­rei­chen­den Zu­si­che­rung über ei­ne dor­ti­ge Beschäfti­gung der Kläge­rin.

Die Kläge­rin hat­te je­doch ei­nen wich­ti­gen Grund für die Lösung des Beschäfti­gungs­verhält­nis­ses. Umstände der persönli­chen Le­bens­pla­nung können wich­ti­ge Gründe im Sin­ne von § 144 Abs. 1 SGB III sein, wenn bei Abwägung der In­ter­es­sen der Leis­tungs­be­rech­tig­ten mit den­je­ni­gen der Ver­si­cher­ten­ge­mein­schaft ers­te­re über­wie­gen und der Ver­si­cher­ten kein an­de­res Ver­hal­ten zu­ge­mu­tet wer­den kann (vgl. BSG SozR 3 - 4300 § 144 Nr. 10 S. 24; SozR 3 - 4100 § 119 Nr. 26 S. 131). Die Kündi­gung ei­nes Ar­beits­verhält­nis­ses zur Fort­set­zung ei­ner eheähn­li­chen Ge­mein­schaft und Her­stel­lung ei­ner Er­zie­hungs­ge­mein­schaft können die Be­lan­ge der Ver­si­cher­ten­ge­mein­schaft in die­sem Sin­ne zurück­tre­ten las­sen (vgl. BSG SozR 4100 § 119 Nr. 17; SozR 3 - 4100 § 119 Nr. 17; SozR 3 - 4100 § 119 Nr. 26).

Dies setzt zunächst vor­aus, dass der Ar­beits­lo­se sei­ne Ar­beits­stel­le von der ge­mein­sa­men Woh­nung aus in zu­mut­ba­rer Zeit nicht er­rei­chen kann (vgl. zu­letzt BSG-Urt. vom 17.11.2005 - B 11a/11 AL 49/04 R - m.w.N.). Dies ist bei der Ent­fer­nung zwi­schen H und I of­fen­kun­dig der Fall, weil an­ge­sichts der Ent­fer­nung die­ser bei­den Or­te von­ein­an­der ein tägli­ches Pen­deln un­zu­mut­bar ist.

Die Kläge­rin hat auch hin­rei­chen­de Bemühun­gen un­ter­nom­men, ei­nen An­schluss­ar­beits­platz zu fin­den (vgl. da­zu BSG SozR 4 - 4300 § 144 Nr. 3 Rd­nr. 8 ff.). Al­ler­dings ist nicht mit hin­rei­chen­der Si­cher­heit fest­stell­bar, dass sich die Kläge­rin schon vor der Kündi­gung bei der für H zuständi­gen Ar­beits­agen­tur ar­beit­su­chend ge­mel­det hat­te. Sie hat dies aber je­den­falls zeit­nah im April 2004 nach­ge­holt. Auch wenn die Be­wA der Be­klag­ten in­so­weit nicht ein­deu­tig ist, hat der Se­nat kei­nen Zwei­fel dar­an, dass der Vor­trag der Kläge­rin zu­trifft, dass sie sich persönlich am 19.04.2006 ar­beit­su­chend ge­mel­det hat. Ei­ne Kon­takt­auf­nah­me mit der Ar­beits­agen­tur zu die­sem Zeit­punkt wäre außer mit dem Ziel der Ar­beit­su­che nicht erklärlich. Ob die­se Vor­spra­che persönlich oder te­le­fo­nisch er­folg­te, ist hier letzt­lich oh­ne Be­lang; im Hin­blick auf die Be­wA-Ver­mer­ke über zwei Gespräche am 19.04.2004 ist aber von letz­te­rem aus­zu­ge­hen. Darüber hin­aus hat sich die Kläge­rin nach ih­rem glaub­haf­ten Vor­brin­gen bei ih­rer Ar­beit­ge­be­rin um ei­ne Beschäfti­gungs­al­ter­na­ti­ve im Raum H bemüht. Sch­ließlich hat sie sich schon vor der Kündi­gung bei ver­schie­de­nen Han­dels­un­ter­neh­men be­wor­ben (Fir­men Plus, Schle­cker, Al­di und Ede­ka). Selbst wenn die Kon­takt­auf­nah­me zur Ar­beits­agen­tur vor Aus­spruch der Kündi­gung zur An­nah­me aus­rei­chen­der

- 3 -

Ei­gen­bemühun­gen im Rah­men des § 144 Abs. 1 SGG grundsätz­lich er­for­der­lich sein soll­te (in die­se Rich­tung BSG SozR 3 - 4300 § 144 Nr. 10 S. 24 f.) wäre je­den­falls an­ge­sichts des Ge­samt­ver­hal­tens der Kläge­rin der in ei­ner ent-spre­chen­den Un­ter­las­sung lie­gen­de Ob­lie­gen­heits­ver­s­toß nicht als grob fahrlässig zu be­wer­ten (vgl. BSG SozR 4 - 4300 § 144 Nr. 3 Rd­nr. 8 ff.).

Die Lösung des Beschäfti­gungs­verhält­nis­ses ist auch zu dem von der Kläge­rin gewähl­ten Zeit­punkt von ei­nem wich­ti­gen Grund ge­deckt. Zu die­sem Zeit­punkt be­stand zwi­schen der Kläge­rin und E. be­reits ei­ne eheähn­li­che Ge­mein­schaft. Ei­ne sol­che ist die Le­bens­ge­mein­schaft ei­nes Man­nes und ei­ner Frau, die auf Dau­er an­ge­legt ist, da­ne­ben kei­ne wei­te­re Le­bens­ge­mein­schaft glei­cher Art zulässt und sich durch in­ne­re Bin­dun­gen aus­zeich­net, die ein ge­gen­sei­ti­ges Ein­ste­hen der Part­ner fürein­an­der be­gründen, al­so über die Be­zie­hun­gen in ei­ner rei­nen Haus­halts- und Wirt­schafts­ge­mein­schaft hin­aus­ge­hen (vgl. BVerfGE 87, 234, 264; BVerfGFam­RZ 1950). Der Se­nat geht zwar in ständi­ger Recht­spre­chung da­von aus, dass die Ver­fes­ti­gung ei­ner Be­zie­hung in die­sem Sin­ne in der Re­gel erst nach ei­nem Be­stand von drei Jah­ren an­zu­neh­men ist. Hier­bei han­delt es sich je­doch nicht um ei­ne zwin­gen­de Vor­aus­set­zung (vgl. auch BSG SozR 3- 4100 § 119 Nr. 26 S. 138). Hier lie­gen sol­che Be­son­der­hei­ten vor, die die An­nah­me ei­ner eheähn­li­chen Ge­mein­schaft schon zum Zeit­punkt der Kündi­gung des Beschäfti­gungs­verhält­nis­ses der Kläge­rin recht­fer­ti­gen.

Die Kläge­rin und E ha­ben sich nach ih­ren übe­rein­stim­men­den An­ga­ben im De­zem­ber 2003 ver­lobt. Auch wenn dem hier­durch be­gründe­ten Hei­rats­ver­spre­chen kein kon­kre­ter Hoch­zeits­ter­min zu­grun­de ge­le­gen hat und ein sol­cher bis­her auch noch nicht ab­seh­bar ist, ist nach der Ge­stal­tung der wei­te­ren Le­bens­verhält­nis­se der Kläge­rin und E doch da­von aus­zu­ge­hen, dass sie schon ab die­sem Zeit­punkt wie Ehe­leu­te fürein­an­der ein­ste­hen woll­ten. Dies zeigt sich nicht nur dar­an, dass sie so­weit wie mögli­che ih­re freie Zeit ge­mein­sam ver­bracht ha­ben und dem wirt­schaft­li­chen Ein­ste­hen fürein­an­der, son­dern ins­be­son­de­re dar­in, dass E. auch für die Toch­ter der Kläge­rin die Va­ter­rol­le über­neh­men woll­te. Da­ge­gen ist der Be­stand ei­ner ge­mein­sa­men Woh­nung kei­ne zwin­gen­de Vor­aus­set­zung ei­ner eheähn­li­chen Ge­mein­schaft (of­fen ge­las­sen vom BSG Urt. von 17.11.2005 - B 11 a/ 11 AL 49/04 R Rd­nr. 15). Dies zeigt sich dar­an, dass auch Ehe­leu­te z.B. aus be­ruf­li­chen Gründen ge­zwun­gen sein können, zwei Wohn­sit­ze zu führen (eben­so Säch­si­sches LSG Urt. vom 02.04.2004 - L 3 AL 126/03). Je­den­falls, wenn wie hier, zeit­nah die Ab­sicht be­steht, ei­nen ge­mein­sa­men Haus­stand zu gründen, ist al­lein die ge­trenn­te Woh­nung kein Grund, ei­ne eheähn­li­che Ge­mein­schaft zu ver­nei­nen.

Die Fort­set­zung der eheähn­li­chen Ge­mein­schaft zwi­schen der Kläge­rin und E un­ter den bis­he­ri­gen Be­din­gun­gen über den Zeit­punkt der Be­en­di­gung des Beschäfti­gungs­verhält­nis­ses hin­aus war der Kläge­rin nicht zu­mut­bar. In­so­weit kommt dem Um­stand be­son­de­re Be­deu­tung zu, dass der Um­zug auch der Her­stel­lung ei­ner Er­zie­hungs­ge­mein­schaft dien­te, wo­bei da­hin­ste­hen kann, ob dies nicht al­lein schon ei­nen wich­ti­gen Grund im Sin­ne des § 144 Abs. 1 SGB III bil­den kann, auch wenn es sich nicht um ge­mein­sa­me Kin­der han­delt (eben­so of­fen ge­las­sen von BSG Urt. vom 17.11.2005 - B 11a/11 AL 49/04 R - Rd­nr. 18 aber mit Hin­weis auf Voelz­ke im Kas­se­ler Hand­buch des Ar­beits­lo­sen­rechts, § 12 Rand­zif­fer 365). Die Toch­ter der Kläge­rin stand im Zeit­punkt der Kündi­gung des Beschäfti­gungs­verhält­nis­ses vor der Voll­endung ih­res 14. Le­bens­jah­res. Sie be­fand sich da­her in ei­nem für ih­re so­zia­le Ent­wick­lung be­son­ders be­deut­sa­men Le­bens­ab­schnitt. Das Ein­ge­bun­den­wer­den in ei­ne Fa­mi­lie mit "Va­ter" und Mut­ter hat­te da­her be­son­de­re Be­deu­tung für sie. Dies hat sich auch in der Ver­bes­se­rung ih­rer schu­li­schen Leis­tun­gen in­fol­ge der güns­ti­ge­ren Be­treu­ungsmöglich­kei­ten durch zwei un­mit­tel­ba­re Be­zugs­per­so­nen ge­zeigt. Der Zu­zug zum Part­ner ih­rer Mut­ter mach­te je­doch ei­nen Schul­wech­sel er­for­der­lich, der für die Toch­ter der Kläge­rin zusätz­lich mit dem Um­zug in ein an­de­res Bun­des­land und dem weit­ge­hen­den Ver­lust ih­res bis­he­ri­gen Freun­des­krei­ses ver­bun­den war. Die Ent­schei­dung der Kläge­rin, den Zeit­punkt des Um­zugs so zu le­gen, dass er sich mit dem Be­ginn des neu­en Schul­jah­res deck­te, dien­te da­her im Be­son­de­ren dem Wohl ih­res Kin­des (vgl. eben­so Säch­si­sches LSG wie vor; bestätigt durch BSG wie vor). Die­se Verhält­nis­se recht­fer­ti­gen es da­her auch, die In­ter­es­sen der Ver­si­cher­ten­ge­mein­schaft hin­ter die­je­ni­gen der Kläge­rin zurück­tre­ten zu las­sen.

Die Be­ru­fung der Be­klag­ten war da­her mit der auf § 193 So­zi­al­ge­richts­ge­setz (SGG) be­ru­hen­den Kos­ten­ent­schei­dung zurück­zu­wei­sen.

Der Se­nat hat we­gen der grundsätz­li­chen Be­deu­tung der Rechts­sa­che die Re­vi­si­on zu­ge­las­sen (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).

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