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HENSCHE RECHTSANWÄLTE, FACHANWALTSKANZLEI FÜR ARBEITSRECHT

 

LAG Sach­sen-An­halt, Ur­teil vom 30.01.2008, 5 Sa 185/07

   
Schlagworte: Tarifvertrag: Funktionszulage
   
Gericht: Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen: 5 Sa 185/07
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 30.01.2008
   
Leitsätze:
Vorinstanzen: Arbeitsgericht Halle
   

Ak­ten­zei­chen:

5 Sa 185/07

2 Ca 2377/06

ArbG Hal­le

Verkündet am: 30.01.2008

, Jus­tiz­an­ge­stell­te

als Ur­kunds­be­am­tin

der Geschäfts­stel­le

 

LAN­DES­AR­BEITS­GERICHT

SACHSEN-AN­HALT

IM NA­MEN DES VOL­KES

UR­TEIL

In dem Rechts­streit

 

der Verkäufe­r­in und Kas­sie­re­rin

- Kläge­rin und Be­ru­fungskläge­rin -

Pro­zess­be­vollmäch­tig­te: 

ge­gen

 

- Be­klag­te und Be­ru­fungs­be­klag­te -

Pro­zess­be­vollmäch­tig­ter: 

hat die 5. Kam­mer des Lan­des­ar­beits­ge­richts Sach­sen-An­halt auf die münd­li­che Ver­hand­lung vom 30. Ja­nu­ar 2008 durch den Vor­sit­zen­den Rich­ter am Lan­des­ar­beits­ge­richt als Vor­sit­zen­den, den eh­ren­amt­li­chen Rich­ter und die eh­ren­amt­li­che Rich­te­rin als Bei­sit­zer für Recht er­kannt:

 


Die Be­ru­fung der Kläge­rin ge­gen das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Hal­le vom 01.03.2007 – 2 Ca 2377/06 – wird auf ih­re Kos­ten zurück­ge­wie­sen.

 

Die Re­vi­si­on wird für die Kläge­rin zu­ge­las­sen.

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T a t b e s t a n d:

Die Par­tei­en strei­ten über ei­nen An­spruch der Kläge­rin auf Zah­lung ei­ner Funk­ti­ons­zu­la­ge (sog. Kas­sen­zu­la­ge).
Die Kläge­rin ist seit 1995 bei der Be­klag­ten beschäftigt. Die mo­nat­li­che Ar­beits­zeit der Kläge­rin beträgt 110 St­un­den. Die Be­klag­te ist ein Ein­zel­han­dels­un­ter­neh­men, das im ge­sam­ten Bun­des­ge­biet Ver­brau­chermärk­te be­treibt. Die Kläge­rin ist Mit­glied des bei dem Markt in H an­ge­sie­del­ten Be­triebs­ra­tes. Auf das Ar­beits­verhält­nis der Par­tei­en fin­den An­wen­dung der Man­tel­ta­rif­ver­trag für den Ein­zel­han­del im Bun­des­land Sach­sen-An­halt (fort­an MTV) so­wie der Ta­rif­ver­trag über Gehälter, Löhne und Aus­bil­dungs­vergütun­gen für den Ein­zel­han­del im Bun­des­land Sach­sen-An­halt (fort­an ETV).
§ 2 A e) Zif­fer 3 ETV lau­tet wie folgt:

„(…)
3. SB-Kas­sie­re­rin­nen er­hal­ten in den Mo­na­ten, in de­nen sie auf An­wei­sung der Geschäfts­lei­tung im Wo­chen­durch­schnitt mehr als 24 St­un­den an Aus­gangs­kas­sen (check-out) tätig sind, ei­ne Funk­ti­ons­zu­la­ge von 4 % ih­res Ta­rif­ge­hal­tes.
(…)“

Die Funk­ti­ons­zu­la­ge beträgt im Fal­le der Kläge­rin 52,22 € brut­to.
Die Kläge­rin er­brach­te im Mo­nat No­vem­ber 2005 74,53 sog. rei­ne Ar­beits­stun­den als Kas-sie­re­rin an ei­ner Aus­gangs­kas­se. Im Mo­nat De­zem­ber 2005 be­trug die­se „rei­ne“ Ar­beits­zeit der Kläge­rin an ei­ner Aus­gangs­kas­se 77,25 St­un­den, im Ja­nu­ar 2006 78,22 Ar­beits­stun­den, im Fe­bru­ar 2006 99,20 Ar­beits­stun­den, im März 2006 93,53 Ar­beit­stun­den und im Mai 2006 71,09 St­un­den. Die Be­klag­te zahl­te der Kläge­rin wie auch al­len an­de­ren Kas­sie­re­rin­nen an Aus­gangs­kas­sen mit ei­ner mo­nat­li­chen Ge­samt­ar­beits­zeit von mehr als 103,9 Ar­beits­stun­den bis Au­gust 2005 mo­nat­lich ei­ne Zu­la­ge in Höhe von 4 vom Hun­dert des Ta­rif­ge­hal­tes. Im Au­gust 2005 führ­te die da­ma­li­ge Per­so­nal­lei­te­rin der Be­klag­ten in Hal­le ei­ne Be­spre­chung mit al­len Kas­sie­re­rin­nen durch. Was im ein­zel­nen Ge­gen­stand die­ses Gespräches war, ist strei­tig. Die Per­so­nal­lei­te­rin er­stell­te in Vor­be­rei­tung die­ser Be­spre­chung un­ter dem 28.07.2005 ei­ne mit „Ge­halts­ver­gleich“ über­schrie­be­ne und den Ar­beit­neh­mern be­kannt ge­ge­be­ne Dar­stel­lung (Bl. 18 d.A.).
Die Be­klag­te leg­te den Lohn- und Ge­halts­ab­rech­nun­gen für Sep­tem­ber 2006 al­ler Kas­sie­re­rin­nen ein Schrei­ben (Bl. 89 a d. A.) bei, das ne­ben der Ko­pie der Un­ter­schrift des Geschäfts­lei­ters auch die Ko­pie der Un­ter­schrift ei­nes Mit­glieds des Be­triebs­ra­tes der Be­klag­ten auf­weist.

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Von No­vem­ber 2005 bis März 2006 und im Mai 2006 zahl­te die Be­klag­te der Kläge­rin kei­ne Funk­ti­ons­zu­la­ge. Ih­ren An­spruch auf Zah­lung ei­ner Funk­ti­ons­zu­la­ge in Höhe von 52,22 € brut­to für No­vem­ber 2005 mach­te die Kläge­rin mit Schrei­ben vom 30.01.2006, bei der Be­klag­ten ein­ge­gan­gen am 30.01.2006, gel­tend. Mit Schrei­ben vom 07.02.2006, bei der Be­klag­ten ein­ge­gan­gen am 07.02.2006, mach­te die Kläge­rin die Funk­ti­ons­zu­la­ge in Höhe von 52,22 € brut­to für De­zem­ber 2005 gel­tend. Für Ja­nu­ar 2006 mach­te die Kläge­rin die Funk­ti­ons­zu­la­ge in Höhe von 52,22 € brut­to mit Schrei­ben vom 29.03.2006, bei der Be­klag­ten ein­ge­gan­gen am 29.03.2006, gel­tend. Mit Schrei­ben vom 03.03.2006, bei der Be­klag­ten ein­ge­gan­gen am 30.03.2006, mach­te die Kläge­rin für Fe­bru­ar 2006 die Zah­lung der Funk­ti­ons­zu­la­ge gel­tend. Für März 2006 be­gehr­te die Kläge­rin die Zah­lung der Funk­ti­ons­zu­la­ge in Höhe von 52,22 € brut­to mit Schrei­ben vom 30.06.2006, bei der Be­klag­ten ein­ge­gan­gen am 30.06.2006. Die Zah­lung der Funk­ti­ons­zu­la­ge in Höhe von je­weils 52,22 € brut­to für den Mo­nat Mai 2006 mach­te die Kläge­rin mit Schrei­ben vom 06.07.2006, bei der Be­klag­ten ein­ge­gan­gen am 22.08.2006, gel­tend.
Mit der vor­lie­gen­den Kla­ge be­gehrt die Kläge­rin die Zah­lung der Funk­ti­ons­zu­la­ge für die an­geführ­ten Mo­na­te.
Die Klägern hat die Auf­fas­sung ver­tre­ten, sie ha­be für die an­geführ­ten Mo­na­te An­spruch auf Zah­lung der Funk­ti­ons­zu­la­ge in Höhe von mo­nat­lich 52,22 € brut­to. Die­ser An­spruch be­ru­he auf ei­ner in­di­vi­du­al­recht­li­chen Ver­ein­ba­rung der Par­tei­en. Die Be­klag­te ha­be ihr, der Kläge­rin, bei dem Ein­stel­lungs­gespräch zu­ge­sagt, dass sie ei­ne Kas­sen­zu­la­ge in Höhe von 4 vom Hun­dert ih­res Brut­to­ge­halts mo­nat­lich er­hal­te. So ha­be es die Be­klag­te bis Au­gust 2005 auch bei ihr und den an­de­ren Kas­sie­re­rin­nen ge­hal­ten. Die Be­klag­te be­ab­sich­ti­ge of­fen­sicht­lich mit der Re­du­zie­rung der mo­nat­li­chen Ar­beits­zeit die Ein­spa­rung der mo­nat­li­chen Funk­ti­ons­zu­la­ge in Höhe von 52,22 €. Noch im Au­gust 2005 ha­be die da­ma­li­ge Per­so­nal­lei­te­rin der Be­klag­ten in ei­ner Ab­tei­lungs­ver­samm­lung aus­drück­lich die Zah­lung der Funk­ti­ons­zu­la­ge auch bei ei­ner Re­du­zie­rung der mo­nat­li­chen Ar­beits­zeit bestätigt. Der An­spruch der Kläge­rin be­ru­he un­abhängig da­von auf be­trieb­li­cher Übung. Die Hand­ha­bung der Zah­lung der Funk­ti­ons­zu­la­ge durch die Be­klag­te ver­s­toße im Übri­gen ge­gen § 4 Tz­B­fG. Die 24 St­un­den, auf die § 2 A e) Zif­fer 3 ETV Be­zug nimmt, sei­en be­rech­tigt für ei­ne Voll­zeit­kraft, die dem­gemäß 103,9 St­un­den rei­ne Ar­beits­zeit an ei­ner Aus­gangs­kas­se auf­brin­gen müsse. Ei­ne 110-Mo­nats­stun­den-Kraft müsse dem­gemäß an­tei­lig mo­nat­lich 70 St­un­den rei­ne Ar­beits­zeit an ei­ner Aus­gangs­kas­se leis­ten. Die Be­klag­te zah­le auch ei­ner 99-St­un­den-Kraft die Funk­ti­ons­zu­la­ge. Des­halb könne sie, die Kläge­rin, sich auch auf den Gleich­be­hand­lungs­grund­satz be­ru­fen.

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Die Kläge­rin hat be­an­tragt,

die Be­klag­te zu ver­ur­tei­len, an die Kläge­rin 313,32 € brut­to Vergütung für den Zeit­raum vom 01.11.2005 bis 31.03.2006 so­wie den Mo­nat mai 2006 zu zah­len nebst Zin­sen in Höhe von 5 Pro­zent­punk­ten über dem Ba­sis­zins­satz seit dem 10.11.2006 zu zah­len.

Die Be­klag­te hat be­an­tragt,

die Kla­ge ab­zu­wei­sen.


Die Be­klag­te hat die Auf­fas­sung ver­tre­ten, die Kläge­rin ha­be im streit­ge­genständ­li­chen Zeit­raum kei­nen An­spruch auf Zah­lung der Funk­ti­ons­zu­la­ge, weil sie die er­for­der­li­chen mo­nat­li­chen 103,9 St­un­den rei­ne Ar­beits­zeit an ei­ner Aus­gangs­kas­se nicht ge­leis­tet ha­be. Sie, die Be­klag­te, ha­be in der Ver­gan­gen­heit die Re­ge­lung in § 2 A e) Zif­fer 3 ETV falsch aus­ge­legt und da­mit feh­ler­haft an­ge­wandt und ne­ben der rei­nen Tätig­keit an der Aus­gangs­kas­se auch Ur­laub, Krank­heit und Frei­zeit­aus­gleich bei der Er­mitt­lung des Wo­chen­durch­schnitts berück­sich­tigt. Ei­ne be­trieb­li­che Übung könne hier­aus nicht re­sul­tie­ren. Sie ha­be auch im Au­gust 2005 nicht zu­ge­sagt, die Funk­ti­ons­zu­la­ge wei­ter­hin un­abhängig von den ta­rif­li­chen Vor­aus­set­zun­gen zu zah­len. Auch der von der da­ma­li­gen Per­so­nal­lei­te­rin an­ge­stell­te Ge­halts­ver­gleich be­gründe kei­nen in­di­vi­du­al­recht­li­chen An­spruch der Kläge­rin. Die Kläge­rin könne sich auch nicht auf den Gleich­be­hand­lungs­grund­satz be­ru­fen, da sie die von ihr an­geführ­te Ar­beit­neh­me­rin nicht be­nannt ha­be. Sie, die Be­klag­te, könne des­halb sub­stan­ti­iert auf die Be­haup­tung der Kläge­rin nicht ein­ge­hen. Sch­ließlich er­ge­be sich auch aus § 3 Abs. 6 des Ar­beits­ver­trags der Par­tei­en, dass sie frei­wil­li­ge Zu­la­gen je­der­zeit ein­sei­tig wi­der­ru­fen könne.

Mit Ur­teil vom 1. 3. 2007 hat das Ar­beits­ge­richt die Kla­ge ab­ge­wie­sen mit der – kurz zu­sam­men­ge­fass­ten – Be­gründung, die Kläge­rin ha­be kei­nen in­di­vi­du­al­recht­li­chen An­spruch auf Zah­lung ei­ner mo­nat­li­chen Zu­la­ge in Höhe von 52,22 € brut­to. Die Par­tei­en hätten bei Ver­trags­schluss nicht ver­ein­bart, die Zah­lung ei­ner mo­nat­li­chen Funk­ti­ons­zu­la­ge in Höhe von 52,22 € brut­to sei Be­stand­teil der ver­ein­bar­ten Vergütung. Der zwi­schen den Par­tei­en ge­schlos­se­ne Ar­beits­ver­trag vom 21.04.1995 bie­te hierfür kei­ne An­halts­punk­te. Dem ste­he auch nicht die Re­ge­lung in Zif­fer 13 des Ar­beits­ver­tra­ges ent­ge­gen. Dem­nach er­hal­te die Mit­ar­bei­te­rin ei­ne „mo­nat­li­che Funk­ti­ons­zu­la­ge lt. Ta­rif für den Ein-

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zel­han­del im Lan­des Sach­sen An­halt“. Die Zah­lung soll­te „lt. Ta­rif“ er­fol­gen, d.h. beim Vor­lie­gen der ta­rif­ver­trag­lich in § 2 A e) Zif­fer 3 ETV ge­re­gel­ten Vor­aus­set­zun­gen.
Die Kläge­rin könne die be­gehr­te Zah­lung der Funk­ti­ons­zu­la­ge nicht aus be­trieb­li­cher Übung ver­lan­gen. Dem ste­he be­reits die aus­drück­li­che Re­ge­lung in § 13 des Ar­beits­ver­tra­ges aus dem Jahr 1995 ent­ge­gen. Die Be­klag­te ha­be der Kläge­rin die Funk­ti­ons­zu­la­ge ge­ra­de nicht los­gelöst von de­ren ta­rif­ver­trag­li­chen Vor­aus­set­zun­gen ge­zahlt, son­dern in (feh­ler­haf­ter) An­wen­dung der ta­rif­ver­trag­li­chen Re­ge­lung. Die Be­klag­te ha­be in den der Kläge­rin er­teil­ten Lohn- und Ge­halts­ab­rech­nun­gen die 52,22 € auch stets als ta­rif­li­che Zu­la­ge, „Kas­sier­er­funkt.zul. %“ aus­ge­wie­sen. Leis­te ein Ar­beit­ge­ber in Ver­ken­nung bzw. auf­grund ei­ner feh­ler­haf­ten Aus­le­gung ei­ner ta­rif­li­chen Be­stim­mung, so be­rech­ti­ge ihn dies zur ein­sei­ti­gen Ein­stel­lung der Leis­tung. Ein An­spruch der Kläge­rin auf Zah­lung der mo­nat­li­chen Zu­la­ge be­gin­nend ab Au­gust 2005 be­ste­he auch nicht auf­grund der be­haup­te­ten Zu­si­che­rung durch die da­ma­li­ge Per­so­nal­lei­te­rin der Be­klag­ten. Nach dem Vor­trag der Kläge­rin ha­be die Per­so­nal­lei­te­rin der Be­klag­ten den Kas­sie­re­rin­nen an Aus­gangs­kas­sen zu­ge­si­chert, ih­nen ste­he auch im Fal­le der Re­du­zie­rung der mo­nat­li­chen Ar­beits­zeit in je-dem Fall die Funk­ti­ons­zu­la­ge zu. Der von der da­ma­li­gen Per­so­nal­lei­te­rin un­ter dem 28.07.2005 (Bl. 18 d.A.) ge­fer­tig­te Ge­halts­ver­gleich un­ter dem 28.07.2005 ge­be hierüber al­ler­dings kei­ne Aus­kunft, auch wenn in die Be­re­chung der Höhe der Vergütung die Funk­ti­ons­zu­la­ge ein­be­zo­gen wur­de. Un­abhängig da­von ste­he die­ser Vor­trag im Wi­der­spruch zu dem In­halt des An­schrei­bens der Be­klag­ten vom Sep­tem­ber 2005. Die­ses wei­se ne­ben der ei­genhändi­gen Un­ter­schrift des Geschäfts­lei­ters des Mark­tes auch die ei­genhändi­ge Un­ter­schrift ei­nes Mit­glie­des des Be­triebs­ra­tes auf. In dem An­schrei­ben führe die Be­klag­te aus, dass „wie be­reits in der Mit­ar­bei­ter­be­spre­chung im Au­gust ge­nannt, (…) die Kas­sier­zu­la­ge ab Sep­tem­ber nur och ent­spre­chend der ta­rif­li­chen Re­ge­lung ge­zahlt“ wer­de. Die Kläge­rin könne sich für die Be­gründung ih­res An­spru­ches nicht auf den all­ge­mei­nen Gleich­be­hand­lungs­grund­satz be­ru­fen. Die Kläge­rin ha­be trotz Auf­for­de­rung die von ihr an­geführ­te Ar­beit­neh­me­rin nicht na­ment­lich be­nannt.
Die von der Kläge­rin vor­ge­leg­te an­ony­mi­sier­te Lohn- und Ge­halts­ab­rech­nung ei­ner Kol­le­gin be­tref­fe Ju­li 2005 und ge­be des­halb kei­ne Aus­kunft darüber, ob und ge­ge­be­nen­falls in wel­chem Um­fang die Be­klag­te der be­tref­fen­den Ar­beit­neh­me­rin ab Sep­tem­ber 2005 wei­ter­hin ei­ne Kas­sen­zu­la­ge zah­le. Schon des­halb sei die vor­ge­leg­te Ab­rech­nung nicht ge­eig­net, ei­nen An­spruch der Kläge­rin aus dem Gleich­be­hand­lungs­grund­satz zu be­gründen.
Ein An­spruch der Kläge­rin auf Zah­lung der Funk­ti­ons­zu­la­ge er­ge­be sich nicht aus § 2 A e) Zif­fer 3 ETV. Der ETV fin­det auf das Ar­beits­verhält­nis der Par­tei­en An­wen­dung. Bei der

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Funk­ti­ons­zu­la­ge nach § 2 A e) Zif­fer 3 ETV han­delt es sich um ei­ne Er­schwer­nis­zu­la­ge. Mit ei­ner sol­chen Zu­la­ge soll­ten die Er­schwer­nis­se des SB-Kas­sen­per­so­nals im Verhält­nis zu den übri­gen, un­ter die Beschäfti­gungs­grup­pe K 2 fal­len­den An­ge­stell­ten, nämlich ständig un­ter re­la­tiv ho­her Kon­zen­tra­ti­on Wa­ren zu be­we­gen, Prei­se zu er­fas­sen und ein­zu­ge­ben, ge­ge­be­nen­falls Diebstähle auf­zu­de­cken und Geld kas­sie­ren zu müssen und da­bei stets im Blick­punkt der Kas­senöffent­lich­keit zu ste­hen, aus­ge­gli­chen wer­den. Die­se An­ge­stell­ten übten ei­ne mo­no­to­ne Tätig­keit mit je­doch ho­her fi­nan­zi­el­ler Ver­ant­wor­tung aus und sei­en dem Druck in vie­len Fällen ei­li­ger oder drängeln­der Kun­den aus­ge­setzt, de­nen sie ge­dul­dig und freund­lich ge­genüber­tre­ten müss­ten. Die­se Einschätzung sei auf die in § 2 A e) Zif­fer 3 ETV ge­re­gel­te Funk­ti­ons­zu­la­ge für Kas­sie­re­rin­nen an Aus­gangs­kas­sen (ck­eck-out) zu über­tra­gen. Die Er­schwer­nis­zu­la­ge ho­no­rie­re die­je­ni­ge Er­schwer­nis, die aus der Ar­beit an Aus­gangs­kas­sen re­sul­tie­re, weil in ei­nem be­stimm­ten Zeit­raum ei­ne be­stimm­te Zahl von Ar­beits­stun­den an­ge­fal­len sei.
Da­bei sei­en die durch Ur­laub oder Krank­heit aus­ge­fal­le­nen St­un­den bei der Er­mitt­lung der Zahl der für die Kas­sen­zu­la­ge er­for­der­li­chen Ar­beits­stun­den nicht mit­zu­rech­nen. Leis­te ein Ar­beit­neh­mer kei­ne Ar­beits­stun­den an Aus­gangs­kas­sen, weil er ar­beits­unfähig er­krankt ist oder sich im Ur­laub be­fin­det oder auch aus an­de­ren Gründen, so fal­le für ihn auch die Er­schwer­nis der Ar­beit an ei­ner Aus­gangs­kas­se nicht an.
Aus­ge­hend von ei­ner wöchent­li­chen Ar­beits­zeit an Aus­gangs­kas­sen im Um­fang von mehr als 24 St­un­den müsse ei­ne SB-Kas­sie­re­rin nach der Re­ge­lung in § 2 A e) Zif­fer 3 ETV im Mo­nat mehr als 103,9 Ar­beits­stun­den an ei­ner Aus­gangs­kas­se tätig sein. Die­se Zahl be­rech­ne sich nach der For­mel: Wöchent­li­che Ar­beits­zeit x 4,33 (13:3). Die Kläge­rin ha­be im No­vem­ber 2006 le­dig­lich 74,53 St­un­den ge­leis­tet.
Die Re­ge­lung in § 2 A e) Zif­fer 3 ETV sei auch mit § 4 Abs. 1 Satz 2 Tz­B­fG ver­ein­bar. Die Kläge­rin wer­de nicht we­gen der Teil­zeit­ar­beit schlech­ter be­han­delt als ein ver­gleich­ba­rer voll­zeit­beschäftig­ter Ar­beit­neh­mer. Ei­ne Un­gleich­be­hand­lung im Sin­ne des § 4 Abs. 1 Satz 1 Tz­B­fG lie­ge vor, wenn bei glei­cher An­zahl von St­un­den, die auf­grund ei­nes Ar­beits­verhält­nis­ses ge­leis­tet wer­den, die den Voll­zeit­beschäftig­ten ge­zahl­te Vergütung höher sei als die den Teil­zeit­beschäftig­ten ge­zahl­te. Er­hiel­ten Teil­zeit­beschäftig­te für die glei­che An­zahl ge­leis­te­ter Ar­beits­stun­den die glei­che Ge­samt­vergütung wie Voll­zeit­beschäftig­te, be­ste­he kei­ne Un­gleich­be­hand­lung. Wer­de die Vergütung der Kläge­rin mit der ei­ner voll­zeit­beschäftig­ten Kas­sie­re­rin ge­zahl­ten Vergütung bei glei­cher An­zahl von Ar­beits­stun­den ver­gli­chen, lie­ge ei­ne Un­gleich­be­hand­lung nicht vor.

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Es sei auch nicht zu be­an­stan­den, dass der Ta­rif­ver­trag ei­ne Funk­ti­ons­zu­la­ge nur dann gewähre, wenn in ei­nem Ka­len­der­mo­nat mehr als im Wo­chen­durch­schnitt 24 Ar­beits­stun­den an ei­ner Aus­gangs­kas­se ge­leis­tet würden. Die Ta­rifer­trags­par­tei­en hätten ei­ne weit­ge­hen­de Ge­stal­tungs­frei­heit. Sie brauch­ten nicht die zweckmäßigs­te, vernünf­tigs­te oder ge­rech­tes­te Lösung zu wählen. Viel­mehr genüge es, wenn sich für die ge­trof­fe­ne Re­ge­lung ein sach­lich ver­tret­ba­rer Grund er­ge­be. Ob ein sach­lich ver­tret­ba­rer Grund für ei­ne un­ter-schied­li­che Be­hand­lung be­ste­he, hänge vom Zweck der Leis­tung ab. Der Leis­tungs­zweck sei aus den je­wei­li­gen An­spruchs­vor­aus­set­zun­gen, Aus­sch­ließungs- und Kürzungs­re­ge­lun­gen zu er­mit­teln. Bei ta­rif­li­chen Leis­tun­gen sei­en die Leis­tungs­zwe­cke maßgeb­lich, die mit der Ta­rif­re­ge­lung ver­folgt würden. Da­bei kom­me es nicht auf die denk­ba­ren Zwe­cke an, die mit der be­tref­fen­den Leis­tung ver­folgt wer­den können, son­dern auf die­je­ni­gen, um die es den Ta­rif­ver­trags­par­tei­en bei der be­tref­fen­den Leis­tung nach ih­rem im Ta­rif­ver­trag selbst zum Aus­druck ge­kom­me­nen, durch die Ta­rif­au­to­no­mie geschütz­ten Wil­len ge­he. Ei­ne ta­rif­ver­trag­li­che Be­stim­mung, die den An­spruch auf Zah­lung ei­ner Er­schwer­nis­zu­la­ge al­lein da­von abhängig ma­che, dass die die Er­schwer­nis auslösen­den Tätig­kei­ten über ein be­stimm­tes St­un­den­vo­lu­men hin­aus ge­leis­tet würden, be­zwe­cke re­gelmäßig, ei­ne be­son­de­re Be­las­tung durch ein zusätz­li­ches Ent­gelt aus­zu­glei­chen. Et­was an­de­res gel­te nur dann, wenn der Ta­rif­ver­trag selbst An­halts­punk­te dafür ent­hal­te, dass an­de­re Re­ge­lungs-zwe­cke im Vor­der­grund ste­he. Hierfür bie­te der ETV kei­ne An­halts­punk­te. Die Ta­rif­ver­trags­par­tei­en hätten mit den fest­ge­schrie­be­nen „im Wo­chen­durch­schnitt mehr als 24 St­un­den“ für die Kas­siertätig­keit an Aus­gangs­kas­sen die zeit­li­che Ober­gren­ze fest­ge­legt, bis zu der Ar­beit­neh­mer an sol­chen Kas­sen ein­ge­setzt wer­den könn­ten, oh­ne dass die Tätig­keit als be­son­de­re Er­schwer­nis ver­stan­den wer­de. Dem ste­he nicht ent­ge­gen, dass die Kläge­rin 94 vom Hun­dert der Ge­samt­ar­beits­zeit als sog. rei­ne Ar­beits­zeit an ei­ner Aus­gangs­kas­se er­brin­gen müsse, um An­spruch auf Zah­lung der Funk­ti­ons­zu­la­ge zu ha­ben, während ei­ne Voll­zeit­kraft mit ei­ner mo­nat­li­chen Ar­beits­zeit von 164,54 Ar­beits­stun­den (38 x 4,33) le­dig­lich 63 vom Hun­dert ih­rer Ar­beits­zeit an ei­ner sol­chen Aus­gangs­kas­se er­brin­gen müsse, um An­spruch auf die Funk­ti­ons­zu­la­ge zu ha­ben. Die Ta­rif­ver­trags­par­tei­en hätten ganz be­wusst in § 2 A e) Zif­fer 3 ETV das Vo­lu­men der­je­ni­gen Wo­chen­ar­beits­zeit fest­ge­schrie­ben. Die Ta­rif­ver­trags­par­tei­en hätten er­kenn­bar nicht zwi­schen Voll­zeit- und Teil­zeit­kräften un­ter­schei­den wol­len, un­ge­ach­tet des­sen, dass sie für die teil­zeit­beschäftig­ten Ar­beit­neh­mer in § 3 MTV Re­ge­lun­gen ge­trof­fen hätten. Maßgeb­li­ches Kri­te­ri­um für die Zah­lung der Er­schwer­nis­zu­la­ge ha­be al­lein das Maß der in­di­vi­du­el­len Ar­beits­zeit an ei­ner Aus­gangs­kas­se sein sol­len.

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Ein An­spruch der Kläge­rin auf Zah­lung der Funk­ti­ons­zu­la­ge be­ste­he aus die­sem Grund auch nicht, wenn sie – wie vor­lie­gend – mo­nat­lich mehr als 69,48, aber we­ni­ger als 103,9 St­un­den Ar­beits­zeit an ei­ner Aus­gangs­kas­se leis­te.
Aus die­sen Gründen be­ste­he auch für den Zeit­raum von De­zem­ber 2005 bis März 2006 und für Mai 2006 kein An­spruch der Kläge­rin auf Zah­lung der Funk­ti­ons­zu­la­ge.

Ge­gen die­ses ihr am 23. 3. 2007 zu­ge­stell­te Ur­teil hat die Kläge­rin am 5. 4. 2007 Be­ru­fung ein­ge­legt und die­se am 22. 5. 2007 be­gründet.

Sie wie­der­holt und ver­tieft ihr erst­in­stanz­li­ches Vor­brin­gen.

Die Kläge­rin be­an­tragt,

das Ur­teil des Ar­beits­ge­rich­tes Hal­le vom 01.03.2007, Az.: 2 Ca 2377/06, wird ab­geändert und die Be­klag­te ver­ur­teilt, an die Kläge­rin 313,32 EUR brut­to Ver-gütung für den Zeit­raum vom 01.11.2005 bis 31.03.2006 so­wie den Mo­nat Mai 2006 nebst 5 % Zin­sen über dem Ba­sis­zins­satz seit dem 10.11.2006 zu zah­len.


Die Be­klag­te be­an­tragt,

die Be­ru­fung zurück­zu­wei­sen.

Der Nähe­ren wird auf den vor­ge­tra­ge­nen In­halt der zwi­schen den Par­tei­en in der Be­ru­fungs­in­stanz ge­wech­sel­ten Schriftsätze Be­zug ge­nom­men.

Ent­schei­dungs­gründe

Die Be­ru­fung der Kläge­rin ist un­be­gründet. Sie hat, wie das Ar­beits­ge­richt zu­tref­fend ent­schie­den hat, kei­nen An­spruch auf Zah­lung der ein­ge­klag­ten Zu­la­ge.

I. Die Kläge­rin hat kei­nen ta­rif­ver­trag­lich gestütz­ten An­spruch auf die gel­tend ge­mach­te Zu­la­ge.

1. Die Vor­aus­set­zun­gen ei­nes An­spruchs auf die Zu­la­ge sind in § 2 A e Zif­fer 3 ETV ge­re­gelt. In­so­weit kommt es nicht ent­schei­dend dar­auf an, ob es sich um ei­ne „Funk­ti­ons­zu-

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la­ge“ oder um ei­ne „Er­schwer­nis­zu­la­ge“ han­delt. Nach § 2 A e Zif­fer 3 ETV soll die Zu­la­ge er­hal­ten das SB-Kas­sen­per­so­nal, das durch­schnitt­lich wöchent­lich mehr als 24 St­un­den oder 103,9 St­un­den mo­nat­lich an Aus­gangs­kas­sen tätig ist. Das war die Kläge­rin in den hier streit­ge­genständ­li­chen Zeiträum­en nicht. Da­mit entfällt ein An­spruch der Kläge­rin auf­grund die­ser ta­rif­li­chen Vor­schrift.

2. Die Kläge­rin kann die Zu­la­ge auch nicht ver­lan­gen, weil sie nur in Teil­zeit ar­bei­tet und des­halb ihr An­spruch auf die Zu­la­ge be­reits dann ent­steht, wenn sie ei­ne An­zahl von Wo­chen- bzw. Mo­nats­stun­den an Aus­gangs­kas­sen tätig ist, de­ren Verhält­nis zu ih­rer in­di­vi­du­ell ver­ein­bar­ten Ar­beits­zeit dem Verhält­nis des ta­rif­li­chen Schwel­len­wer­tes zur mo­nat­li­chen Ge­samt­ar­beits­zeit ei­ner voll­beschäftig­ten Kas­sie­re­rin ent­spricht.
Dafür enthält die Ta­rif­re­ge­lung kei­nen An­halts­punkt.
Der An­spruch auf die Zu­la­ge setzt viel­mehr vor­aus, dass ei­ne Kas­sie­re­rin tatsächlich mehr als 24 St­un­den in der Wo­che tätig wird. Da­bei ha­ben die Ta­rif­ver­trags­par­tei­en of­fen­kun­dig vor­aus­ge­setzt, dass die durch die Tätig­keit an ei­ner Aus­gangs­kas­se ver­ur­sach­te Be­las­tung erst bei ei­ner St­un­den­zahl von mehr als 24 in der Wo­che durch die Zu­la­ge ho­no­riert wer-den soll. Nicht er­kenn­bar ist, dass die Ta­rif­ver­trags­par­tei­en da­nach ha­ben un­ter­schei­den wol­len, ob in­so­weit ei­ne Voll­zeit­kraft oder ei­ne Teil­zeit­kraft tätig wird. Ge­re­gelt ist viel­mehr, dass ei­ne Kas­sie­re­rin, die (nur) bis zu 24 Wo­chen­stun­den an Aus­gangs­kas­sen ar­bei­tet, kei­nen An­spruch auf die Zu­la­ge ha­ben soll.
Das ist ein nach­voll­zieh­ba­res Re­ge­lungs­ziel, das mit der Re­ge­lungs­kom­pe­tenz der Ta­rif­par­tei­en ver­ein­bar ist.
Hätten die Ta­rif­ver­trags­par­tei­en Teil­zeit­kräften die Zu­la­ge nach Maßga­be ih­rer (an­tei­li­gen) Wo­chen- bzw. Mo­nats­ar­beits­zeit gewähren wol­len, so hätte die Auf­nah­me des (sta­ti­schen) Schwel­len­wer­tes der 24 Wo­chen­stun­den in die Ta­rif­re­ge­lung kei­nen Sinn. Ggf. hätten die Ta­rif­par­tei­en ei­nen klären­den Zu­satz auf­ge­nom­men. Dar­an fehlt es aber.

3. Zu­tref­fend hat das Ar­beits­ge­richt auch fest­ge­stellt, dass Ur­laubs-, Krank­heits- oder sons­ti­ge freie Ta­ge oder St­un­den bei der Er­mitt­lung der er­for­der­li­chen St­un­den nicht mit­zu­rech­nen sind, da in die­sen Zei­ten eben nicht „an Aus­gangs­kas­sen“ ge­ar­bei­tet wird.

II. Zu­tref­fend hat das Ar­beits­ge­richt auch ent­schie­den, dass die Re­ge­lung des § 2 A (e), Zif­fer 3 ETV mit § 4 Abs. 1 Satz 2 Tz­B­fG ver­ein­bar ist. Die Kläge­rin wird nicht we­gen ih­rer

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Teil­zeit­beschäfti­gung schlech­ter be­han­delt als ver­gleich­ba­re Voll­zeit beschäftig­te Ar­beit­neh­mer/In­nen.

1. Ei­ne Un­gleich­be­hand­lung iS des § 4 Abs. 1 Satz 1 Tz­B­fG liegt nur dann vor, wenn bei glei­cher An­zahl von St­un­den, die auf Grund ei­nes Ar­beits­verhält­nis­ses ge­leis­tet wer­den, die den Voll­zeit­beschäftig­ten ge­zahl­te Vergütung höher ist als die den Teil­zeit­beschäftig­ten ge­zahl­te. Er­hal­ten Teil­zeit­beschäftig­te für die glei­che An­zahl ge­leis­te­ter St­un­den die glei­che Ge­samt­vergütung wie Voll­zeit­beschäftig­te, be­steht kei­ne Un­gleich­be­hand­lung (BAG, Ur­teil vom 5. 11. 2003 – 5 AZR 8/03 – AP Nr. 6 zu § 4 Tz­B­fG = NZA 2005, 222). Die Kläge­rin erhält die Zu­la­ge wie ein voll­beschäftig­ter Ar­beit­neh­mer, wenn sie im Mo­nat 103,9 „rei­ne“ Ar­beits­zeit (in­klu­si­ve Be­triebs­ratstätig­keit) an Aus­gangs­kas­sen er­bringt.

2. Es kommt auch nicht dar­auf an, ob sie in der Wo­che mehr als 24 St­un­den an der Aus­gangs­kas­se tätig ist, son­dern auf ei­ne Tätig­keit von mehr als 103,9 St­un­den im Mo­nat. Die ge­nann­ten „24 St­un­den“ sol­len in den be­tref­fen­den Mo­na­ten „im Wo­chen­durch­schnitt“ er­reicht wer­den. Die Kläge­rin hat al­ler­dings die Zu­la­ge auch nicht kon­kret für Wo­chen ver­langt, in de­nen die ggf. mehr als 24 St­un­den an Aus­gangs­kas­sen ge­ar­bei­tet hat.

3. Die Kläge­rin kann ih­ren An­spruch auch nicht auf § 4 Abs. 1 S. 2 Tz­B­fG stützen. Da­nach ist ei­nem Teil­zeit beschäftig­ten Ar­beit­neh­mer Ar­beits­ent­gelt oder ei­ne an­de­re geld­wer­te Leis­tung min­des­tens in dem Um­fang zu gewähren, der dem An­teil sei­ner Ar­beits­zeit an der Ar­beits­zeit ei­nes ver­gleich­ba­ren Voll­zeit beschäftig­ten Ar­beit­neh­mers ent­spricht. § 4 Abs. 1 Satz 2 Tz­B­fG kon­kre­ti­siert das all­ge­mei­ne Be­nach­tei­li­gungs­ver­bot des Sat­zes 1. Die­se Re­ge­lung in Satz 2 des § 4 Abs. 1 Tz­B­fG setzt § 4 Nr. 2 der Rah­men­ver­ein­ba­rung um. Da­nach gilt der Pro-ra­ta-tem­po­ris-Grund­satz, wo dies an­ge­mes­sen ist. Der Ar­beit­ge­ber soll nach der Be­gründung des Re­gie­rungs­ent­wurfs zum Teil­zeit- und Be­fris­tungs­ge­setz (Tz­B­fG) Teil­zeit­beschäftig­ten be­stimm­te Vergütungs­be­stand­tei­le (z. B. So­zi­al­zu­la­gen) nicht we­gen der Teil­zeit oh­ne sach­li­chen Grund ver­sa­gen können (BT-Drucks. 14/4374 S. 16). Aus dem sys­te­ma­ti­schen Zu­sam­men­hang von Satz 1 und 2 des § 4 Abs. 1 Tz­B­fG und der Ge­set­zes­be­gründung folgt, dass § 4 Abs. 1 Tz­B­fG ein ein­heit­li­ches Ver­bot der sach­lich nicht ge­recht­fer­tig­ten Be­nach­tei­li­gung we­gen der Teil­zeit­ar­beit enthält (eben­so Thüsing in An­nuß/Thüsing Teil­zeit- und Be­fris­tungs­ge­setz § 4 Rn. 31; Boewer Tz­B­fG § 4 Rn. 54; Hromad­ka BB 2001, 674, 675; Kliemt NZA 2001, 63, 69;

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Mei­nel/Heyn/Herms Tz­B­fG § 4 Rn. 42; ErfK/Preis 4. Aufl. § 4 Tz­B­fG Rn. 12; Ri­char­di/An­nuß BB 2000, 2201).
Dem steht der Wort­laut des § 4 Abs. 1 Satz 2 Tz­B­fG nicht ent­ge­gen. Dar­aus, dass dort nicht aus­drück­lich ei­ne sach­lich ge­recht­fer­tig­te Un­gleich­be­hand­lung bei der Gewährung von Ar­beits­ent­gelt oder an­de­ren teil­ba­ren geld­wer­ten Leis­tun­gen zu­ge­las­sen ist, kann nicht ge­fol­gert wer­den, § 4 Abs. 1 Satz 2 Tz­B­fG ver­bie­te aus­nahms­los ei­ne Un­gleich­be­hand­lung von Teil­zeit- und Voll­zeit­beschäftig­ten beim Ar­beits­ent­gelt (a. A. Busch­mann/Die­ball/Ste­vens-Bar­tol TZA 2. Aufl. § 4 Tz­B­fG Rn. 43; Däubler ZIP 2001, 217, 218; Rolfs RdA 2001, 129, 131; MünchArbR/Schüren 2. Aufl. 2000, § 161 Rn. 61 f.; Sie­vers Tz­B­fG § 4 Rn. 14). Zweck die­ser Be­stim­mung ist zu ver­deut­li­chen, dass die Gleich­be­hand­lung Teil­zeit und Voll­zeit beschäftig­ter Ar­beit­neh­mer beim Ar­beits­ent­gelt und an­de­ren geld­wer­ten Leis­tun­gen min­des­tens pro­por­tio­nal zu er­fol­gen hat. Auch aus der Richt­li­nie 97/81/EG er­gibt sich kein An­halts­punkt dafür, dass der Ge­setz­ge­ber beim Ar­beits­ent­gelt ein ab­so­lu­tes Be­nach­tei­li­gungs­ver­bot schaf­fen und in den übri­gen Fällen sach­li­che Gründe für ei­ne un­glei­che Be­hand­lung von Teil­zeit- und Voll­zeit­beschäftig­ten zu­las­sen woll­te. Da-nach soll der Pro-ra­ta-tem­po­ris-Grund­satz nicht aus­nahms­los gel­ten, son­dern nur, wo dies an­ge­mes­sen ist.
Vor­lie­gend wird die Kläge­rin ge­genüber Voll­zeit beschäftig­ten Kas­sie­re­rin­nen schon nicht be­nach­tei­ligt. Sie erhält das­sel­be St­un­den be­zo­ge­ne Ent­gelt pro Ar­beits­stun­de wie Voll­zeit beschäftig­te Kas­sie­re­rin­nen. Das gilt auch, so­weit es sich um „Tätig­keit an Aus­gangs­kas­sen“ han­delt. Die Zu­la­ge wird an al­le Kas­sie­re­rin­nen pro Ar­beits­stun­de ge­zahlt, so­weit sie durch­schnitt­lich über 24 Wo­chen­stun­den „an Aus­gangs­kas­sen“ tätig sind. Die Kläge­rin un­ter­schei­det sich als (nur) Teil­zeit beschäftig­te Mit­ar­bei­te­rin von Voll­zeit beschäftig­ten Kas­sie­re­rin­nen da­durch, dass ih­re tatsächlich Chan­ce, die ta­rif­li­che Zeit­gren­ze für den Zu­la­gen­an­spruch zu über­schrei­ten, ge­rin­ger ist als die­je­ni­ge der Voll­zeit beschäftig­ten Kas­sie­re­rin­nen. Die­ser Um­stand zwingt aber nicht da­zu, die Vor­aus­set­zun­gen des Zu­la­gen­an­spruchs im Verhält­nis ih­rer Mo­nats­ar­beits­zeit zu der­je­ni­gen ei­ner Voll­zeit beschäftig­ten Kas­sie­re­rin zu mo­di­fi­zie­ren. Die Kläge­rin hätte dann ei­nen An­spruch auf die Zu­la­ge nach ei­ner ge­rin­ge­ren St­un­den­an­zahl „an Aus­gangs­kas­sen“ als Voll­zeit beschäftig­te Kas­sie­re­rin­nen und würde da­durch so­gar bes­ser ge­stellt als die­se. Das ist nicht Sinn der Ta­rif­re­ge­lung. Auch ei­ne Voll­zeit beschäftig­te Mit­ar­bei­te­rin hat kei­nen An­spruch auf die Zu­la­ge, wenn sie nicht durch­schnitt­lich mehr als 24 St­un­den an Aus­gangs­kas­sen ein­ge­setzt wird. Ei­ne gleich­heits­wid­ri­ge Dif­fe­ren­zie­rung liegt nicht vor.

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III. Zu­tref­fend hat das Ar­beit­ge­richt auch an­ge­nom­men, ein in­di­vi­du­al­recht­li­cher An­spruch der Kläge­rin auf Grund be­trieb­li­cher Übung aus Zah­lung der Zu­la­ge be­ste­he nicht.

1. Ein An­spruch aus be­trieb­li­cher Übung kann ent­ste­hen, wenn der Ar­beit­ge­ber be­stimm­te Ver­hal­tens­wei­sen re­gelmäßig wie­der­holt, aus de­nen die Ar­beit­neh­mer schließen können, dass ih­nen ei­ne Leis­tung oder Vergüns­ti­gung auf Dau­er gewährt wer­den soll. Auf Grund ei­ner sol­chen Wil­lens­erklärung, die von den Ar­beit­neh­mern re­gelmäßig still­schwei­gend an­ge­nom­men wird (§ 151 BGB), er­wach­sen ver­trag­li­che Ansprüche auf die üblich ge­wor­de­ne Vergütung (BAG, Ur­teil vom 20. 3. 1985 – 5 AZR 49/84 – do­ku­men­tiert in ju­ris; ausf. zur be­trieb­li­chen Übung Wal­ter­mann, RdA 2006, 257; Be­p­ler, Die „zwei­fel­haf­te Rechts­quel­le“ der be­trieb­li­chen Übung - Be­har­run­gen und Ent­wick­lun­gen, RdA 2005, 323; ders., Be­trieb­li­che Übun­gen - Ein er­wei­ter­ter Recht­spre­chungs­be­richt, RdA 2004, 226; Thüsing, Vom En­de ei­ner be­trieb­li­chen Übung, NZA 2005, 718).

2. Ein An­spruch aus be­trieb­li­cher Übung kann je­doch nur ent­ste­hen, wenn für den frag­li­chen An­spruch kei­ne an­de­re Rechts­grund­la­ge be­steht. An­sons­ten muss der Ar­beit­neh­mer da­von aus­ge­hen, dass der Ar­beit­ge­ber le­dig­lich den an­der­wei­tig be­gründe­ten An­spruch erfüllen will. Vor­lie­gend er­gibt sich der An­spruch aus § 2 A (ä) Zif­fer 3 des ETV. Auf Grund der der Kläge­rin er­teil­ten Ge­halts­ab­rech­nun­gen, die die ta­rif­li­che Zu­la­ge aus­wei­sen, muss­te sie da­von aus­ge­hen, dass die Be­klag­te le­dig­lich ei­nen ta­rif­li­chen An­spruch erfüllen woll­te. Leis­tet der Ar­beit­ge­ber in Ver­ken­nung u. a. auf Grund ei­ner feh­ler­haf­ten Ta­rif­aus­le­gung, kann er sei­ne Leis­tung für die Zu­kunft ein­stel­len, da es an ei­nem wirk­sa­men Ver­pflich­tungs­tat­be­stand fehlt (BAG, Ur­teil vom 26. 8. 1987 – 4 AZR 155/87 –AP Nr. 1 zu § 1 TVG Ta­rif­verträge - Brotin­dus­trie). Ei­ner Ände­rungs­ver­ein­ba­rung oder des Aus­spruchs ei­ner Ände­rungskündi­gung be­darf es dann nicht. Ein An­spruch auf Wei­ter­gewährung der bis­he­ri­gen Leis­tung kann le­dig­lich dann ent­ste­hen, wenn auf Grund be­son­de­rer An­halts-punk­te für den Ar­beit­neh­mer er­kenn­bar ist, dass der Ar­beit­ge­ber trotz der feh­len­den Rechts­pflicht wei­ter zur Leis­tungs­er­brin­gung be­reit ist (BAG, Ur­teil vom 22. 1. 2002 – 3 AZR 554/00 –AP Nr. 4 zu § 77 Be­trVG 1972 Be­triebs­ver­ein­ba­rung = NZA 2002, 1224).
Für das Vor­lie­gen der be­son­de­ren An­halts­punk­te ist der Ar­beit­neh­mer dar­le­gungs- und be­weis­pflich­tig (BAG, Ur­teil vom 19. 6. 2001 – 1 AZR 597/00 – n. v., do­ku­men­tiert in ju­ris).
Die Kläge­rin hat kei­ne Tat­sa­chen be­haup­tet, die ei­ne sol­che Schluss­fol­ge­rung zu­las­sen.

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IV. Zu­tref­fend hat das Ar­beits­ge­richt auch ent­schie­den, dass die Kläge­rin die Zu­la­ge nicht auf­grund in­di­vi­du­el­ler Zu­sa­ge der Be­klag­ten ver­lan­gen kann. Die Kläge­rin hat ei­ne sol­che ver­pflich­ten­de Zu­sa­ge, die die Kläge­rin als ver­trag­li­ches An­ge­bot an­ge­nom­men ha­ben könn­te, nicht dar­ge­legt. Al­lein der Um­stand, dass die da­ma­li­ge Per­so­nal­lei­te­rin der Kläge­rin (und an­de­ren Kol­le­gen/Kol­le­gin­nen) im Zu­sam­men­hang mit ei­ner mo­nat­li­chen Ar­beits­stun­den­den­re­du­zie­rung ei­nen schrift­li­chen Ge­halts­ver­gleich ein­sch­ließlich der Zu­la­ge zu­kom­men ließ, be­gründet ei­nen In­di­vi­dual­an­spruch nicht. Die ver­ein­bar­te Mo­nats­ar­beits­zeit der Kläge­rin beträgt schließlich 110 St­un­den, so dass es nicht aus­ge­schlos­sen ist, dass die Kläge­rin den ta­rif­li­chen Schwel­len­wert für die Zu­la­ge er­rei­chen kann.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Die Kam­mer hat für die Kläge­rin we­gen grundsätz­li­cher Be­deu­tung der Fra­ge, ob § 2 A e Zif­fer 3 Vergütungs­TV Sach­sen-An­halt ei­nen An­spruch auf die ta­rif­li­che Zu­la­ge nach die­ser Vor­schrift bei nur an­tei­li­ger Ar­beits­leis­tung an Aus­gangs­kas­sen, ggf. in Ver­bin­dung mit § 4 Abs. 1, Abs. 2 Tz­B­fG, be­gründet, die Re­vi­si­on zu­ge­las­sen.

Die Re­vi­si­ons­schrift muss in­ner­halb ei­nes Mo­nats nach Zu­stel­lung die­ses Ur­teils, die Re­vi­si­ons­be­gründung in­ner­halb zwei­er Mo­na­te nach Zu­stel­lung die­ses Ur­teils bei dem

Bun­des­ar­beits­ge­richt

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ein­ge­hen.

Die Re­vi­si­ons- und die Re­vi­si­ons­be­gründungs­schrift müssen von ei­nem Rechts­an­walt un­ter­zeich­net sein.

Die Re­vi­si­ons­schrift, die Re­vi­si­ons­be­gründungs­schrift und die sons­ti­gen wech­sel­sei­ti­gen Schriftsätze im Re­vi­si­ons­ver­fah­ren sol­len 7-fach – für je­den wei­te­ren Be­tei­lig­ten ein Ex­em­plar mehr – ein­ge­reicht wer­den.

 

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