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BAG, Ur­teil vom 23.03.2011, 4 AZR 366/09

   
Schlagworte: Tarifvertrag
   
Gericht: Bundesarbeitsgericht
Aktenzeichen: 4 AZR 366/09
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 23.03.2011
   
Leitsätze: Eine tarifvertragliche Inhaltsnorm, die eine den Gewerkschaftsmitgliedern vorbehaltene Leistung dadurch absichert, dass sie für den Fall einer Kompensationsleistung des Arbeitgebers an nicht oder anders organisierte Arbeitnehmer das Entstehen eines entsprechend erhöhten Anspruchs für die Gewerkschaftsmitglieder vorsieht (sog. Spannenklausel), ist wegen Überschreitung der Tarifmacht unwirksam.
Vorinstanzen: Arbeitsgericht Hamburg, Urteil vom 26.02.2009, 15 Ca 188/08
   

BUN­DES­AR­BEITS­GERICHT

4 AZR 366/09

15 Ca 188/08 Ar­beits­ge­richt Ham­burg

Im Na­men des Vol­kes!

Verkündet am 23. März 2011

UR­TEIL

Frei­tag, Ur­kunds­be­am­tin der Geschäfts­stel­le

In Sa­chen

Kläge­rin und Re­vi­si­onskläge­rin,

pp.

Be­klag­te und Re­vi­si­ons­be­klag­te,


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hat der Vier­te Se­nat des Bun­des­ar­beits­ge­richts auf­grund der münd­li­chen Ver­hand­lung vom 23. März 2011 durch den Vor­sit­zen­den Rich­ter am Bun­des­ar­beits­ge­richt Prof. Be­p­ler, den Rich­ter am Bun­des­ar­beits­ge­richt Creutz­feldt, die Rich­te­rin am Bun­des­ar­beits­ge­richt Dr. Win­ter so­wie die eh­ren­amt­li­chen Rich­ter Kie­fer und Görgens für Recht er­kannt:

1. Auf die Sprung­re­vi­si­on der Kläge­rin wird das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Ham­burg vom 26. Fe­bru­ar 2009 - 15 Ca 188/08 - un­ter Zurück­wei­sung der Sprung­re­vi­si­on im Übri­gen teil­wei­se auf­ge­ho­ben und zur Klar­stel­lung ins­ge­samt wie folgt neu ge­fasst:

Es wird fest­ge­stellt, dass Ziff. V des zwi­schen den Par­tei­en am 30. Mai 2008 ge­schlos­se­nen Ta­rif­ver­tra­ges über ei­ne Er­ho­lungs­bei­hil­fe für Lohn- und Ge­halts­empfänger, die Mit­glied der Ver­ein­ten Dienst­leis­tungs­ge­werk­schaft ver.di sind, un­wirk­sam ist.

Im Übri­gen wird die Kla­ge ab­ge­wie­sen.

2. Die Kos­ten des Rechts­streits wer­den ge­gen­ein­an­der auf­ge­ho­ben.

Von Rechts we­gen!

Tat­be­stand

Die Par­tei­en strei­ten über die Wirk­sam­keit zwei­er ta­rif­li­cher Klau­seln,

die in dem zwi­schen ih­nen ge­schlos­se­nen „Ta­rif­ver­trag über ei­ne Er­ho­lungs­bei­hil­fe für Lohn- und Ge­halts­empfänger, die Mit­glied der Ver­ein­ten Dienst­leis­tungs­ge­werk­schaft ver.di sind“, (TV Er­hBeih) vom 30. Mai 2008 ent­hal­ten sind.

Die Kläge­rin ist ein Un­ter­neh­men im Be­reich der Ha­fen-Lo­gis­tik und

beschäftigt ca. 1.500 Ar­beit­neh­mer. Die von ihr ver­wen­de­ten For­mu­lar­ar­beits­verträge ver­wei­sen je­weils auf die ört­lich, zeit­lich und in­halt­lich für sie gel­ten­den Ta­rif­verträge. Die Be­klag­te ist ei­ne im Be­trieb der Kläge­rin ver­tre­te­ne Ge­werk­schaft.


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Im Frühjahr 2008 tra­ten die Par­tei­en in Ta­rif­ver­trags­ver­hand­lun­gen ein,

während de­rer die Be­klag­te der Kläge­rin ua. schrift­lich ankündig­te, „ei­ne ge­werk­schaft­li­che Vor­teils­re­ge­lung not­falls auch mit Ar­beits­kampf­maßnah­men durch­zu­set­zen“. Am 30. Mai 2008 ver­ein­bar­ten die Par­tei­en den TV Er­hBeih, der fol­gen­den Wort­laut hat:

I.

Lohn- und Ge­halts­empfänger, die Mit­glied der Ver­ein­ten Dienst­leis­tungs­ge­werk­schaft ver.di sind, er­hal­ten pro Ka­len­der­jahr ei­ne Er­ho­lungs­bei­hil­fe als Brut­to­be­trag in Höhe von Eu­ro 260.

...

II.

Die Zah­lung der Er­ho­lungs­bei­hil­fe er­folgt auf An­trag des Lohn- oder Ge­halts­empfängers in un­mit­tel­ba­rem Zu­sam­men­hang mit ei­nem min­des­tens einwöchi­gen Ur­laub. Der An­trag ist spätes­tens 14 Werk­ta­ge vor An­tritt des Ur­laubs zu stel­len. Die fälli­ge Pau­schal­steu­er nebst et­wai­ger Kir­chen­steu­er und So­li­da­ritäts­zu­schlag trägt der Ha­fen­ar­bei­ter. Wei­te­re Ein­zel­hei­ten zur Um­set­zung sind be­trieb­lich zu re­geln.

III.

Der An­spruch auf Gewährung der Er­ho­lungs­bei­hil­fe bleibt bei der Er­mitt­lung des durch­schnitt­li­chen Ar­beits­ent­gel­tes für Leis­tun­gen auf­grund ge­setz­li­cher oder ta­rif­li­cher Be­stim­mun­gen außer An­satz. Während der Al­ters­teil­zeit wird die Er­ho­lungs­bei­hil­fe bei Vor­lie­gen der Vor­aus­set­zun­gen in vol­ler Höhe gewährt.

IV.

Der An­spruch auf Gewährung der Er­ho­lungs­bei­hil­fe setzt vor­aus, dass der Lohn- oder Ge­halts­empfänger bei An­trag­stel­lung dem Ar­beit­ge­ber glaub­haft sei­ne Mit­glied­schaft in der Ver­ein­ten Dienst­leis­tungs­ge­werk­schaft ver.di nach­ge­wie­sen hat. Wei­te­re Ein­zel­hei­ten sind be­trieb­lich zu re­geln.

V.

Gewährt die H die Leis­tung nach Zif­fer I., ent­spre­chen­de oder über die in Zif­fer I fest­ge­leg­ten Ansprüche hin­aus­ge­hen­de Beträge oder sons­ti­ge Leis­tun­gen Lohn- und Ge­halts­empfängern, die nicht Mit­glied der Ver­ein­ten Dienst­leis­tungs­ge­werk­schaft ver.di sind, so erhöht sich für die Lohn- und Ge­halts­empfänger, die Mit­glied der Ver-


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ein­ten Dienst­leis­tungs­ge­werk­schaft ver.di sind, die Ar­beit­ge­ber­leis­tung ent­spre­chend.

VI.

Die­ser Ta­rif­ver­trag tritt am 01.06.2008 in Kraft.

Der Ver­trag kann mit ei­ner Frist von zwei Mo­na­ten, erst­mals zum 31.05.2009 gekündigt wer­den.

Für den Fall, dass sich we­sent­li­che, ins­be­son­de­re steu­er­ge­setz­li­che Re­ge­lun­gen zur Er­ho­lungs­bei­hil­fe ändern, ver­pflich­ten sich die Ta­rif­ver­trags­par­tei­en, mit dem Ziel ei­ner ein­ver­nehm­li­chen Lösung vor­zei­tig in Ver­hand­lun­gen ein­zu­tre­ten.“

Die Kläge­rin hält die Klau­seln in Ziff. I und V TV Er­hBeih für un­wirk­sam.

Ziff. I TV Er­hBeih ent­hal­te ei­ne un­zulässi­ge Dif­fe­ren­zie­rungs­klau­sel, in­dem sie die Mit­glied­schaft in der ta­rif­sch­ließen­den Ge­werk­schaft zu ei­nem ei­genständi­gen Merk­mal der An­spruchs­grund­la­ge ma­che und da­mit ei­ne Aus­deh­nung der Nor­men des Ta­rif­ver­tra­ges im We­ge der All­ge­mein­ver­bind­li­cherklärung oder der Be­zug­nah­me auf den Ta­rif­ver­trag ver­ei­te­le. Die Span­nen­klau­sel in Ziff. V TV Er­hBeih grei­fe in die ne­ga­ti­ve Ko­ali­ti­ons­frei­heit der nicht und an­ders or­ga­ni­sier­ten Ar­beit­neh­mer der Kläge­rin ein. Die Klau­sel ver­hin­de­re ei­ne Gleich­stel­lung mit Ge­werk­schafts­mit­glie­dern und übe auf die­se Wei­se er­heb­li­chen Druck auf die Nicht­mit­glie­der aus, der Be­klag­ten bei­zu­tre­ten. Die­ser Ein­griff sei auch nicht durch ein zulässi­ges Ziel ge­recht­fer­tigt.

Die Kläge­rin hat zu­letzt be­an­tragt

fest­zu­stel­len, dass Zif­fer I und Zif­fer V des zwi­schen den Pro­zess­par­tei­en am 30. Mai 2008 ab­ge­schlos­se­nen „Ta­rif­ver­tra­ges über ei­ne Er­ho­lungs­bei­hil­fe für Lohn- und Ge­halts­empfänger, die Mit­glied der Ver­ein­ten Dienst­leis­tungs­ge­werk­schaft ver.di sind“, rechts­un­wirk­sam sind.

Die Be­klag­te hat ih­ren Kla­ge­ab­wei­sungs­an­trag da­mit be­gründet, dass

die Kla­ge schon un­zulässig sei, weil es der Kläge­rin, die kurz zu­vor den Ta­rif­ver­trag un­ter­zeich­net ha­be, ver­wehrt sei, sich auf die Un­wirk­sam­keit der von ihr ver­ein­bar­ten Ta­rif­re­ge­lun­gen zu be­ru­fen. Im Übri­gen sei­en die Klau­seln auch


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wirk­sam. Sie dien­ten letzt­lich da­zu, sich in der Si­tua­ti­on der Ta­rif- und Ge­werk­schafts­plu­ra­lität im Wett­be­werb zu be­haup­ten. Der Ar­beit­ge­ber sei recht­lich nicht ge­hin­dert, die Er­ho­lungs­bei­hil­fe auch an nicht oder an­ders or­ga­ni­sier­te Ar­beit­neh­mer zu zah­len. Der Be­trag sei oh­ne­hin zu ge­ring, um ei­nen un­er­laub­ten Bei­tritts­druck bei Außen­sei­tern aus­zulösen. Im Übri­gen ken­ne die Pri­vat­au­to­no­mie auch kein Ver­bot von Ex­klu­siv­verträgen.

Das Ar­beits­ge­richt hat die Kla­ge ab­ge­wie­sen und die Sprung­re­vi­si­on

ge­gen sein Ur­teil zu­ge­las­sen. Mit ih­rer Re­vi­si­on ver­folgt die Kläge­rin ihr Kla­ge­ziel wei­ter. Die Be­klag­te be­an­tragt, die Re­vi­si­on zurück­zu­wei­sen.

Ent­schei­dungs­gründe

Die Re­vi­si­on ist un­be­gründet, so­weit sie die in Ziff. I TV Er­hBeih ge-

re­gel­te ein­fa­che Dif­fe­ren­zie­rungs­klau­sel an­greift. Sie ist da­ge­gen be­gründet, so­weit sie sich ge­gen die Wirk­sam­keit der Span­nen­klau­sel in Ziff. V TV Er­hBeih rich­tet.

A. Die Re­vi­si­on ist zulässig.

I. Die Kläge­rin konn­te die Re­vi­si­on als Sprung­re­vi­si­on ge­gen das erst-

in­stanz­li­che Ur­teil ein­le­gen, weil die ge­setz­li­chen Vor­aus­set­zun­gen ei­ner Sprung­re­vi­si­on nach § 76 ArbGG vor­lie­gen.

1. Die Sprung­re­vi­si­on ist vom Ar­beits­ge­richt auf An­trag der Kläge­rin im

Ur­teil zu­ge­las­sen wor­den (§ 76 Abs. 1 Satz 1 ArbGG). Die Kläge­rin hat den

An­trag in der münd­li­chen Kam­mer­ver­hand­lung am 26. Fe­bru­ar 2009 ge­stellt. In

dem am glei­chen Ta­ge verkünde­ten Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Ham­burg wur­de

die Sprung­re­vi­si­on in Ziff. 4 des Te­nors zu­ge­las­sen.

2. Die nach § 76 Abs. 1 Satz 1 ArbGG er­for­der­li­che Zu­stim­mung des
Geg­ners zur Sprung­re­vi­si­on ist er­teilt wor­den. Die Be­klag­te hat durch Erklärung des frühe­ren Pro­zess­be­vollmäch­tig­ten der Be­klag­ten im Schrift­satz an den


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Kläger­ver­tre­ter vom 13. Mai 2009 ihr Ein­verständ­nis mit der Durchführung, al­so auch der Ein­le­gung, der Sprung­re­vi­si­on erklärt.

3. Die Zu­stim­mungs­erklärung des Be­klag­ten ist der Re­vi­si­ons­ein­le­gungs-

schrift der Kläge­rin im Ori­gi­nal bei­gefügt wor­den und dem Re­vi­si­ons­ge­richt in­ner­halb der Re­vi­si­ons­frist zu­ge­gan­gen.

II. Hin­sicht­lich der sons­ti­gen Zulässig­keits­vor­aus­set­zun­gen der Re­vi­si­on

be­ste­hen kei­ne Be­den­ken.

B. Die Re­vi­si­on ist in­so­weit be­gründet als die Kläge­rin die Fest­stel­lung der

Un­wirk­sam­keit von Ziff. V TV Er­hBeih be­gehrt. Im Übri­gen ist die Re­vi­si­on un­be­gründet.

I. Die Kla­ge ist zulässig. Das er­for­der­li­che Fest­stel­lungs­in­ter­es­se der

Kläge­rin ist ge­ge­ben. Wie das Ar­beits­ge­richt zu Recht, wenn auch oh­ne aus­drück­li­che Be­zug­nah­me auf § 9 TVG, ver­tre­ten hat, er­gibt sich die Zulässig­keit dar­aus, dass hier zwi­schen Ta­rif­ver­trags­par­tei­en Streit über die Wirk­sam­keit von Re­ge­lun­gen des zwi­schen ih­nen ge­schlos­se­nen Ta­rif­ver­tra­ges be­steht.

1. Auch bei der sog. Ver­bands­kla­ge nach § 9 TVG muss ein Fest-

stel­lungs­in­ter­es­se gem. § 256 Abs. 1 ZPO ge­ge­ben sein. § 9 TVG ermöglicht die abs­trak­te Fest­stel­lungs­kla­ge über Ta­rif­nor­men und er­wei­tert da­mit das An­wen­dungs­ge­biet von § 256 Abs. 1 ZPO auf die Klärung ei­nes abs­trak­ten Rechts­verhält­nis­ses, nämlich über das Be­ste­hen oder Nicht­be­ste­hen oder über die Aus­le­gung ei­nes Ta­rif­ver­tra­ges. § 9 TVG hat vor­ran­gig den Zweck, die nor­ma­ti­ve Wir­kung des Ta­rif­ver­tra­ges mit ei­ner möglichst ein­heit­li­chen recht­li­chen Be­ur­tei­lung von Ta­rif­be­stim­mun­gen zu un­ter­set­zen und da­mit der Rechts­si­cher­heit und der Rechts­klar­heit zu die­nen und zu­gleich In­di­vi­du­al­strei­tig­kei­ten zu ver­mei­den. Es müssen An­halts­punk­te vor­lie­gen, die die Klärung der Rechts­fra­ge zum ge­genwärti­gen Zeit­punkt er­for­der­lich ma­chen, et­wa die ge­genwärti­ge oder zukünf­ti­ge feh­ler­haf­te An­wen­dung von Ta­rif­nor­men durch ei­nen Ta­rif­ver­trags­part­ner (hier­zu ausf. BAG 6. Ju­ni 2007 - 4 AZR 411/06 - Rn. 67 mwN, BA­GE 123, 46).


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2. Die­se Vor­aus­set­zun­gen lie­gen vor. Die Par­tei­en des Rechts­streits sind
zu­gleich die Par­tei­en des Ta­rif­ver­tra­ges, in dem die in ih­rer Wirk­sam­keit um­strit­te­nen Nor­men ent­hal­ten sind. Der Ta­rif­ver­trag ist in Kraft und gilt. Die Kläge­rin hat ein recht­lich geschütz­tes In­ter­es­se an der Fest­stel­lung der Un­wirk­sam­keit der Klau­seln und muss sich nicht bei Ver­wei­ge­rung der dort nor­mier­ten Leis­tun­gen in In­di­vi­dual­pro­zes­sen auf im Er­geb­nis mögli­cher­wei­se von­ein­an­der ab­wei­chen­de In­zi­dent­prüfun­gen ver­wei­sen las­sen.

3. An der Zulässig­keit des An­tra­ges und dem Fest­stel­lungs­in­ter­es­se der
Kläge­rin ändert ent­ge­gen der Auf­fas­sung der Be­klag­ten auch die Tat­sa­che nichts, dass die Kläge­rin den ih­rer Mei­nung nach teil­wei­se un­wirk­sa­men Ta­rif­ver­trag kurz vor Ein­rei­chung der Kla­ge selbst un­ter­zeich­net hat. Es ist je­der Ta­rif­ver­trags­par­tei un­be­nom­men, die Wirk­sam­keit ei­nes von ihr selbst ge­schlos­se­nen Ver­tra­ges über­prüfen zu las­sen (BAG 22. März 1957 - 1 AZR 64/56 - BA­GE 4, 133, 139 f.; Däubler/Rei­ne­cke TVG 2. Aufl. § 9 Rn. 20). Dies gilt ins­be­son­de­re dann, wenn - wie hier - sei­tens der ta­rif­sch­ließen­den Ge­werk­schaft Ar­beits­kampf­maßnah­men in Aus­sicht ge­stellt wa­ren. Die Be­klag­te be­ruft sich zwar dar­auf, dass die Kläge­rin ge­gen Ar­beits­kampf­maßnah­men im Zu­sam­men­hang mit dem Ab­schluss des TV Er­hBeih auch einst­wei­li­gen Rechts­schutz hätte su­chen können. Hier­zu kann sie je­doch - ins­be­son­de­re an­ge­sichts des nur sum­ma­ri­schen Er­kennt­nis­ver­fah­rens im einst­wei­li­gen Rechts­schutz, dem im Er­kennt­nis­ver­fah­ren nach § 4 TVG des­sen um­fas­sen­de Bin­dungs­wir­kung ge­genüber­steht - nicht ge­zwun­gen wer­den.

II. Die Kla­ge und da­mit die Re­vi­si­on der Kläge­rin ist un­be­gründet, so­weit

sie auf die Fest­stel­lung der Un­wirk­sam­keit von Ziff. I TV Er­hBeih ge­rich­tet ist. Die Re­ge­lung, wo­nach die Kläge­rin ver­pflich­tet ist, an die­je­ni­gen ih­rer Ar­beit­neh­mer, die Mit­glied der Be­klag­ten sind, ei­ne Er­ho­lungs­bei­hil­fe von jähr­lich 260,00 Eu­ro brut­to zu zah­len, be­geg­net als ein­fa­che Dif­fe­ren­zie­rungs­klau­sel kei­nen durch­grei­fen­den Be­den­ken.

1. Ei­ne Ta­rif­re­ge­lung wie die­je­ni­ge in Ziff. I TV Er­hBeih ist ei­ne ein­fa­che

Dif­fe­ren­zie­rungs­klau­sel. Sie nor­miert als zusätz­li­ches Tat­be­stands­merk­mal für das Ent­ste­hen ei­nes ein­zel­nen An­spruchs die Mit­glied­schaft in der ta­rif-


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schließen­den Ge­werk­schaft. Die Ko­ali­tio­nen sind bei der Be­stim­mung der tat­be­stand­li­chen Vor­aus­set­zun­gen für ta­rif­lich ge­re­gel­te Ansprüche weit­ge­hend frei. Der Maßstab für die Zulässig­keit von Dif­fe­ren­zie­rungs­klau­seln ist die ne­ga­ti­ve Ko­ali­ti­ons­frei­heit, ins­be­son­de­re der Außen­sei­ter, dh. der nicht oder an­ders or­ga­ni­sier­ten Ar­beit­neh­mer. Die­se wird durch ei­ne ein­fa­che Dif­fe­ren­zie­rungs­klau­sel nicht be­ein­träch­tigt, weil die Norm­set­zungs­macht der Ta­rif­ver­trags­par­tei­en sich von Ver­fas­sungs und von Ge­set­zes we­gen aus­sch­ließlich auf ih­re Mit­glie­der be­schränkt. Die nor­ma­ti­ve Wir­kung ei­ner Ta­rif­re­ge­lung auf Außen­sei­ter ist aus­ge­schlos­sen. Ei­ne ein­fa­che Dif­fe­ren­zie­rungs­klau­sel als sol­che schränkt auch die Hand­lungs- und ins­be­son­de­re Ver­trags­frei­heit des Ar­beit­ge­bers nicht ein, da es ihm - al­lein un­ter die­sem Ge­sichts­punkt - un­be­nom­men bleibt, sei­ne ver­trag­li­chen Be­zie­hun­gen zu nicht oder an­ders or­ga­ni­sier­ten Ar­beit­neh­mern frei zu ge­stal­ten und durch­zuführen. Der Rechts­kreis der nicht oder an­ders or­ga­ni­sier­ten Ar­beit­neh­mer kann durch ei­ne Ta­rif­norm nicht wirk­sam be­trof­fen wer­den. So­weit ei­ne Ta­rif­norm sich auf das Ar­beits­verhält­nis von Außen­sei­tern aus­wirkt, be­ruht dies nicht auf der nor­ma­ti­ven Wir­kung des Ta­rif­ver­tra­ges, son­dern auf der pri­vat­au­to­nom ge­stal­te­ten Ar­beits­ver­trags­be­zie­hung zwi­schen dem Außen­sei­ter und dem Ar­beit­ge­ber (vgl. da­zu ausf. BAG 18. März 2009 - 4 AZR 64/08 - Rn. 46 bis 59 mwN, BA­GE 130, 43; 22. Sep­tem­ber 2010 - 4 AZR 117/09 - Rn. 27 mwN).

2. Hilfs­wei­se und ergänzend ist fest­zu­stel­len, dass selbst wenn man

da­von aus­ge­hen soll­te, dass ein Ta­rif­ver­trag mögli­cher­wei­se grundsätz­lich ge­eig­net sein muss, al­le Ar­beits­verhält­nis­se in sei­nem Gel­tungs­be­reich zu re­geln, die vor­lie­gen­de Klau­sel nicht un­wirk­sam ist, weil sie nach Art und Um­fang der ge­re­gel­ten Dif­fe­ren­zie­rung kei­nen - im Verhält­nis zu ei­nem von Rechts we­gen schützens­wert ver­folg­ten Ziel - un­verhält­nismäßigen, ei­nen Zwang ähn­li­chen Druck ausübt, das Recht auf Fern­blei­ben von ei­ner Ko­ali­ti­on auf­zu­ge­ben (vgl. da­zu ausf. BAG 18. März 2009 - 4 AZR 64/08 - Rn. 60 bis 83 mwN, BA­GE 130, 43; 22. Sep­tem­ber 2010 - 4 AZR 117/09 - Rn. 28). Der nach dem TV Er­hBeih den Ge­werk­schafts­mit­glie­dern vor­be­hal­te­ne An­spruch auf die Er­ho­lungs­bei­hil­fe ist we­der sei­ner Art noch der ab­so­lu­ten Höhe nach ge­eig­net, ei­nen un­verhält­nismäßigen Zwang auf die nicht oder an­ders Or­ga­ni­sier­ten


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aus­zuüben. Es han­delt sich um ei­ne ein­mal jähr­lich fällig wer­den­de, und da­mit außer­halb des lau­fen­den Aus­tausch­verhält­nis­ses lie­gen­de Leis­tung von ins­ge­samt 260,00 Eu­ro, was ei­nem mo­nat­li­chen Be­trag von 21,66 Eu­ro ent­spricht. Ein verständi­ger Ar­beit­neh­mer wird al­lein im Hin­blick dar­auf kei­nen mit Zwang ver­gleich­ba­ren Druck ver­spüren, von sei­ner Ent­schei­dung ge­gen ei­ne Ge­werk­schafts­zu­gehörig­keit Ab­stand zu neh­men.

III. Die Re­vi­si­on ist aber be­gründet, so­weit sie auf die Fest­stel­lung der

Un­wirk­sam­keit der in Ziff. V TV Er­hBeih ge­re­gel­ten Span­nen­klau­sel ge­rich­tet ist. Die Klau­sel ist zwar be­stimmt ge­nug und wahrt auch die Schrift­form gemäß § 1 Abs. 2 TVG. Mit der Ver­ein­ba­rung ha­ben die Ta­rif­ver­trags­par­tei­en je­doch die ih­nen durch Art. 9 Abs. 3 GG zu­ge­wie­se­ne, aber auch be­grenz­te Ta­rif­macht über­schrit­ten.

1. Die strei­ti­ge Span­nen­klau­sel erfüllt das Be­stimmt­heits­er­for­der­nis, dem

je­de Ta­rif­norm un­ter­wor­fen ist.

a) Ta­rif­ver­trags­nor­men müssen so for­mu­liert sein, dass der von ih­nen
an­ge­streb­te Re­ge­lungs­in­halt zu­min­dest im We­ge der Aus­le­gung be­stimm­bar ist. Ei­ne fak­ti­sche De­le­ga­ti­on auf den ent­schei­den­den Rich­ter ist un­zulässig (Wie­de­mann/Thüsing TVG 7. Aufl. § 1 Rn. 230). Un­be­stimm­te Rechts­be­grif­fe genügen den rechts­staat­li­chen Er­for­der­nis­sen der Norm­klar­heit und Jus­ti­tia­bi­li-tät, wenn sie mit herkömmli­chen ju­ris­ti­schen Me­tho­den aus­ge­legt wer­den können (BVerfG 14. De­zem­ber 2000 - 2 BvR 1741/99, 276, 2061/00 - zu B I 2 b der Gründe, BVerfGE 103, 21). Da­bei müssen al­le Mit­tel der Aus­le­gung her­an­ge­zo­gen wer­den (Ja­cobs in Ja­cobs/Krau­se/Oet­ker Ta­rif­ver­trags­recht § 5 Rn. 17 ff.). Der Se­nat hat des­halb für den Fall des Ge­brauchs auch meh­re­rer un­be­stimm­ter Rechts­be­grif­fe in ei­ner Ta­rif­norm die hin­rei­chen­de Be­stimmt­heit nicht in Fra­ge ge­stellt (29. Ja­nu­ar 1986 - 4 AZR 465/84 - BA­GE 51, 59; vgl. auch jüngst 26. Ja­nu­ar 2011 - 4 AZR 159/09 -).

b) Da­nach er­weist sich die Span­nen­klau­sel in Ziff. V TV Er­hBeih als
hin­rei­chend be­stimmt. Sie ist ei­ner Aus­le­gung fähig, die ih­re An­wen­dung auf den Ein­zel­fall je­den­falls grundsätz­lich ermöglicht. Da­bei ist es für den vor-


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lie­gen­den Rechts­streit nicht er­for­der­lich, je­de denk­ba­re Kon­stel­la­ti­on ei­ner An­wen­dung die­ser Klau­sel zu über­prüfen. Die maßge­ben­den, für die Aus­le­gung im Ein­zel­fall an­wend­ba­ren Kri­te­ri­en er­ge­ben sich aus dem Wort­laut und dem er­kenn­ba­ren Zweck der Re­ge­lung.

aa) Die Span­nen­klau­sel baut dar­auf auf, dass ver.di-Mit­glie­dern in Ziff. I TV

Er­hBeih ei­ne Leis­tung mit nor­ma­ti­ver Wir­kung zu­steht. Die Wirk­sam­keit der dort ge­re­gel­ten ein­fa­chen Dif­fe­ren­zie­rungs­klau­sel wird in Ziff. V vor­aus­ge­setzt. Mit der Span­nen­klau­sel soll er­kenn­bar ver­hin­dert wer­den, dass der Ar­beit­ge­ber die Ex­klu­si­vität des Er­ho­lungs­bei­hil­fe­an­spruchs da­durch un­terläuft, dass er gleich­ar­ti­ge Leis­tun­gen mit kom­pen­sa­to­ri­schem Cha­rak­ter an Außen­sei­ter gewährt. Um dies zu gewähr­leis­ten, ord­net der Ta­rif­ver­trag an, dass im­mer dann, wenn der Ar­beit­ge­ber der­ar­ti­ge Leis­tun­gen an nicht oder an­ders Or­ga­ni­sier­te er­bringt, die­se oh­ne dass es von dem Gewährungs­zweck abhängt, in je­dem Fal­le auch den ver.di-Mit­glie­dern zu gewähren sind.

bb) Al­lein die Tat­sa­che, dass die Re­ge­lung ei­ne Be­zif­fe­rung der in­so­weit

ta­rif­lich be­gründe­ten „Stei­ge­rungs-“Ansprüche von ver.di-Mit­glie­dern nicht ermöglicht, reicht für sich ge­nom­men nicht aus, um von ei­ner nicht hin­rei­chen­den Be­stimmt­heit der Ta­rif­norm aus­zu­ge­hen. Auch in sons­ti­gen Ta­rif­nor­men er­gibt sich der letzt­lich zu­ste­hen­de Zah­lungs­an­spruch nicht im­mer un­mit­tel­bar aus dem Ta­rif­ver­trag selbst. Dies gilt bei­spiels­wei­se für Ver-wei­sungs­ta­rif­verträge, die gleich­wohl als das Be­stimmt­heits- und das Schrift-form­ge­bot des § 1 Abs. 2 TVG erfüllen­de Re­ge­lun­gen an­ge­se­hen wer­den (vgl. da­zu BAG 9. Ju­li 1980 - 4 AZR 564/78 - BA­GE 34, 42, 45 ff., 48; Krau­se in Ja­cobs/Krau­se/Oet­ker § 4 Rn. 4 f.). Aber auch die An­knüpfung ei­nes ta­rif­li­chen Über­stun­den­zu­schlags nicht an den Ta­rif-, son­dern an den - dem­ge­genüber höhe­ren - Ef­fek­tiv­lohn der ta­rif­ge­bun­de­nen Ar­beit­neh­mer ist zulässig, auch wenn sich die kon­kre­te Höhe der ta­rif­li­chen Leis­tung an­hand von Fak­to­ren be­stimmt, die im ein­zel­nen Ar­beits­ver­trag fest­ge­legt und nicht im Ta­rif­ver­trag selbst ge­re­gelt sind (BAG 7. Fe­bru­ar 2007 - 5 AZR 41/06 - Rn. 24 mwN, AP TVG § 1 Ta­rif­verträge: Be­wa­chungs­ge­wer­be Nr. 17 = EzA TVG § 4 Zu­la­ge Nr. 1).


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cc) Aus der Struk­tur der Re­ge­lung er­gibt sich fer­ner, dass hier le­dig­lich

Leis­tun­gen des Ar­beit­ge­bers an Außen­sei­ter als für ver.di-Mit­glie­der an­spruchs­be­gründend er­fasst sind, die be­stimm­te Kri­te­ri­en erfüllen, de­ren Vor­lie­gen von den Ge­rich­ten für Ar­beits­sa­chen grundsätz­lich über­prüfbar ist.

(1) Ein ent­schei­den­des Kri­te­ri­um für die Aus­le­gung der Ta­rif­re­ge­lung ist ihr
sich aus dem Wort­laut er­ge­ben­de Zweck. Sie dient er­kenn­bar der Ab­si­che­rung des durch die Er­ho­lungs­bei­hil­fe für ver.di-Mit­glie­der be­gründe­ten Vergütungs­vor­sprungs vor den nicht oder an­ders or­ga­ni­sier­ten Ar­beit­neh­mern. Dem Ar­beit­ge­ber soll es ver­wehrt blei­ben, die­sen Vergütungs­vor­sprung durch ei­ne wie auch im­mer be­zeich­ne­te Leis­tung an nicht oder an­ders Or­ga­ni­sier­te in ir­gend­ei­ner Wei­se ein­zu­schränken oder zu be­sei­ti­gen; er darf nach der Ta­rif­re­ge­lung ei­ne vergütungs­recht­li­che „Gleich­stel­lung“ nicht her­beiführen. Hier­zu be­dient sich der Ta­rif­ver­trag nicht ei­nes Ver­bots sol­cher Zah­lun­gen. Der Ab­stand zwi­schen den Leis­tun­gen an ver.di-Mit­glie­der und den­je­ni­gen an Außen­sei­ter, der in der Höhe durch Ziff. I TV Er­hBeih fest­ge­legt wor­den ist, soll viel­mehr da­durch ge­wahrt wer­den, dass jed­we­de Leis­tung an Außen­sei­ter, die im Er­geb­nis - teil­wei­se oder vollständig - zu ir­gend­ei­ner Form wirt­schaft­li­cher Kom­pen­sa­ti­on führt, ei­nen ent­spre­chen­den An­spruch des ver.di-Mit­glieds be­gründet und so­mit den in Ziff. I TV Er­hBeih fest­ge­setz­ten Vergütungs­ab­stand wie­der­her­stellt. So­bald der Ar­beit­ge­ber ei­nen sol­chen kom­pen­sie­ren­den An­spruch für die Nicht­mit­glie­der be­gründet, ent­steht un­mit­tel­bar aus die­sem Be­gründungs­akt auch ein An­spruch in glei­cher Höhe für al­le ver.di-Mit­glie­der.

(2) Dar­aus er­gibt sich, dass der an­spruchs­be­gründen­de Tat­be­stand hier
nur durch Leis­tun­gen des Ar­beit­ge­bers erfüllt wer­den kann, bei de­nen die Leis­tungs­gewährung nicht in­di­vi­du­ell an Außen­sei­ter er­folgt, son­dern auf­grund ei­nes ge­ne­ra­li­sie­ren­den Prin­zips mit kol­lek­ti­vem Be­zug. Der Zweck der Re­ge­lung, den Ab­stand zwi­schen ver.di-Mit­glie­dern und den Außen­sei­tern zu si­chern, muss nur ge­genüber ei­ner Maßnah­me ver­wirk­licht wer­den, die aus Sicht des Ar­beit­ge­bers den ge­gen­tei­li­gen Zweck hat, die­sen Ab­stand teil­wei­se oder ganz aus­zu­glei­chen. Ei­ne sol­che Maßnah­me hat im­mer kol­lek­ti­ven Cha­rak­ter. Sie ist zwar in ih­rer Durchführung auch als gebündel­te Ein­zel­maßnah­me mög-


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lich, et­wa im We­ge ei­ner Viel­zahl von Ein­zel­ver­ein­ba­run­gen; dies nimmt ihr je­doch nicht den kol­lek­ti­ven Be­zug. Ei­ne Ab­gren­zung mag hier im Ein­zel­fall schwie­rig sein. Im Be­triebs­ver­fas­sungs­recht und ins­be­son­de­re bei der Gewährung von zusätz­li­chen Leis­tun­gen, die Ge­gen­stand der Recht­spre­chung zu Ansprüchen sind, die sich auf den ar­beits­recht­li­chen Gleich­be­hand­lungs­grund-satz gründen, ist die­se Ab­gren­zung alltägli­che rich­ter­li­che Pra­xis. Im Er­geb­nis wird es re­gelmäßig um Ein­heits­ar­beits­be­din­gun­gen, Ge­samt­zu­sa­gen oder be­trieb­li­che Übun­gen ge­hen.

(3) Die für ver.di-Mit­glie­der an­spruchs­be­gründen­de Leis­tung des Ar­beit-

ge­bers an die Außen­sei­ter muss dem Zweck der Kom­pen­sa­ti­on des Vergütungs­vor­sprungs der ver.di-Mit­glie­der die­nen. Dies kann nur da­durch er­fol­gen, dass sie im Grund­satz nicht an an­de­re Zwe­cke ge­bun­den ist, wie et­wa dem Aus­gleich be­son­ders schwie­ri­ger Ar­beits­be­din­gun­gen oder un­gewöhn­lich gu­ter Ar­beits­er­geb­nis­se in Teil­be­rei­chen. Da­bei genügt es nach dem Wort­laut der Klau­sel nicht, dass der Ar­beit­ge­ber die von ihr er­fass­ten Leis­tun­gen le­dig­lich an­ders be­nennt; sie wer­den dann von dem Be­griff der „sons­ti­gen Leis­tun­gen“ er­fasst. Auch die­se Ab­gren­zung ist im Zwei­fel durch die Ge­rich­te vor­zu­neh­men.

dd) Auch die Rechts­fol­ge ist hin­rei­chend be­stimmt. So­bald der Ar­beit­ge­ber

ei­ne Maßnah­me trifft, die der Kom­pen­sa­ti­on des Vergütungs­vor­sprungs der ver.di-Mit­glie­der dient, ent­steht zum sel­ben Zeit­punkt ein ta­rif­lich be­gründe­ter ent­spre­chen­der An­spruch für das ver.di-Mit­glied, ver­gleich­bar der Wir­kung ei­ner Ta­rif­loh­nerhöhung auf ein Ar­beits­verhält­nis, in dem der Vergütungs­ta­rif­ver­trag nur über ei­ne Ver­wei­sungs­klau­sel an­wend­bar ist. Die vor­lie­gend zu be­ur­tei­len­de Span­nen­klau­sel ist da­mit ei­ne ta­rif­li­che In­halts­norm und wirkt in­so­weit nor­ma­tiv (vgl. nur Kem­pen/Za­chert/Wen­de­ling-Schröder TVG 4. Aufl. § 3 Rn. 258; Ja­cobs FS Bau­er S. 479, 484).

ee) Hin­sicht­lich der kon­kre­ten Durch­setz­bar­keit ei­nes sol­chen An­spruchs

durch die In­an­spruch­nah­me ge­richt­li­cher Hil­fe be­ste­hen kei­ne Be­son­der­hei­ten. Das ver.di-Mit­glied, das den An­spruch auf die auch ihm zu gewähren­de Leis­tung gel­tend macht, hat die An­spruchs­vor­aus­set­zun­gen im Zwei­fel vor Ge­richt


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dar­zu­le­gen und zu be­wei­sen. So­weit hier der Ar­beit­ge­ber auf­grund ei­ner ge­ne­ra­li­sie­ren­den Ent­schei­dung an Außen­sei­ter ei­ne Leis­tung gewährt hat, ob­liegt ihm die Dar­le­gung für den Zweck der Leis­tung, ei­ne dem ent­spre­chen­de Grup­pen­bil­dung, die ver.di-Mit­glie­der als sol­che im Er­geb­nis je­den­falls grundsätz­lich nicht aus­sch­ließt, und ggf. die zu­tref­fen­de Zu­ord­nung der begüns­tig­ten Ar­beit­neh­mer zu der Grup­pe. Die da­bei auf­tre­ten­den prak­ti­schen Schwie­rig­kei­ten mögen nicht un­er­heb­lich sein. Sie sind je­doch nicht be­reits von Rechts we­gen so groß, dass der Klau­sel als sol­cher we­gen feh­len­der Be­stimmt­heit die Wirk­sam­keit ver­sagt wer­den muss (vgl. auch BAG 26. Ja­nu­ar 2011 - 4 AZR 159/09 - Rn. 23 mwN).

2. Auch die nach § 1 Abs. 2 TVG er­for­der­li­che Schrift­form ist ge­wahrt.

a) Nach § 1 Abs. 2 TVG be­darf der Ta­rif­ver­trag zu sei­ner Wirk­sam­keit der
Schrift­form. Dies hat - an­ders als bei an­de­ren Fällen der An­ord­nung ei­ner Schrift­form - al­lein die Funk­ti­on, den Par­tei­en, den Nor­madres­sa­ten so­wie Drit­ten ge­genüber den In­halt des Ta­rif­ver­tra­ges klar­zu­stel­len und fest­stell­bar zu ma­chen. Die Schrift­form dient da­ge­gen we­der dem Übe­rei­lungs­schutz noch hat sie ei­ne Be­stimmt­heits­funk­ti­on (vgl. nur Wie­de­mann/Thüsing § 1 Rn. 310 mwN). Da­mit for­dert § 1 Abs. 2 TVG nicht, dass al­le auf der Grund­la­ge ei­nes Ta­rif­ver­tra­ges be­rech­ne­ten Leis­tun­gen schrift­lich be­zif­fert fest­ge­legt wer­den.

b) Die­sen An­for­de­run­gen genügt Ziff. V TV Er­hBeih, in­dem die Re­ge­lung
ei­nen An­spruch in Abhängig­keit von ei­ner zu­min­dest be­stimm­ba­ren kon­kre­ten Be­zugs­größe re­gelt und da­mit ei­ne Er­mitt­lung der Leis­tungs­ansprüche an­hand ob­jek­tiv fest­stell­ba­rer Kri­te­ri­en - wenn auch nicht not­wen­dig in ei­nem ein­fa­chen Er­kennt­nis­pro­zess - ermöglicht (Ley­de­cker Der Ta­rif­ver­trag als ex­klu­si­ves Gut S. 262 f. mwN).

3. Die Re­ge­lung in Ziff. V TV Er­hBeih ist je­doch des­halb un­wirk­sam, weil

die Ta­rif­ver­trags­par­tei­en mit ihr die ih­nen von Art. 9 Abs. 3 GG zu­ge­wie­se­ne, durch die­se Be­stim­mung aber auch be­grenz­te Ta­rif­macht über­schrit­ten ha­ben. Durch die Klau­sel wird ein ta­rif­li­cher An­spruch nor­ma­tiv be­gründet, der in Be­stand und Höhe von ver­trag­li­chen Be­din­gun­gen zwi­schen dem ta­rif-


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ge­bun­de­nen Ar­beit­ge­ber und nicht ta­rif­ge­bun­de­nen Ar­beit­neh­mern abhängig ist. Die Span­nen­klau­sel führt - ih­rem Zweck gemäß - da­zu, dass dem Ar­beit­ge­ber ei­ne Lohn­gleich­stel­lung der Außen­sei­ter mit den ver.di-Mit­glie­dern recht­lich-lo­gisch unmöglich ist, selbst wenn er zu höhe­ren Auf­wen­dun­gen durch ergänzen­de Leis­tun­gen an die Außen­sei­ter be­reit ist. Ei­ne sol­che Wir­kung kann ein Ta­rif­ver­trag nicht nor­ma­tiv an­ord­nen, weil es den Ko­ali­tio­nen nicht zu­kommt, ein sol­ches, dem außer­ta­rif­li­chen Be­reich zu­zu­ord­nen­des Ver­hal­ten des Ar­beit­ge­bers im Verhält­nis zu nicht oder an­ders or­ga­ni­sier­ten Ar­beit­neh­mern unmöglich zu ma­chen.

a) Ta­rif­ver­trags­par­tei­en können nor­ma­tiv Rech­te und Pflich­ten der ta­rif-

un­ter­wor­fe­nen Ar­beits­verhält­nis­se be­stim­men. Sie sind aber nicht be­fugt, die ein­zel­ver­trag­li­chen Ge­stal­tungsmöglich­kei­ten der Ar­beits­ver­trags­par­tei­en, ins­be­son­de­re der nicht oder an­ders or­ga­ni­sier­ten Ar­beit­neh­mer, mit zwin­gen­der Wir­kung in die­se Ar­beits­verhält­nis­se hin­ein ein­zu­schränken.

aa) Mit der Möglich­keit, die Wirt­schafts- und Ar­beits­be­din­gun­gen au­to­nom

zu re­geln, können die Ko­ali­tio­nen durch frei ver­ein­bar­te Re­ge­lun­gen Min­dest­ar­beits­be­din­gun­gen be­stim­men, die für ta­rif­un­ter­wor­fe­ne Ar­beits­verhält­nis­se nor­ma­ti­ve Wir­kung ent­fal­ten. Die Bin­dung des Ar­beits­verhält­nis­ses an ei­nen Ta­rif­ver­trag be­ruht - von der hier nicht be­deut­sa­men Aus­nah­me ei­ner All­ge-mein­ver­bind­li­cherklärung nach § 5 Abs. 4 TVG ab­ge­se­hen - da­bei auf pri­vat­au­to­no­men Ent­schei­dun­gen. Der In­halt und die ge­setz­lich an­ge­ord­ne­te Wir­kungs­wei­se des Ta­rif­ver­tra­ges er­lan­gen Le­gi­ti­ma­ti­on durch die freie Ent­schei­dung der Ar­beit­neh­mer und Ar­beit­ge­ber, Mit­glied ei­ner Ko­ali­ti­on zu wer­den bzw. als Ar­beit­ge­ber-Ta­rif­ver­trags­par­tei selbst den Ta­rif­ver­trag ab­zu­sch­ließen. Der Ab­schluss von Ta­rif­verträgen und die da­mit be­wirk­te Norm­set­zung ist kol­lek­tiv aus­geübte Pri­vat­au­to­no­mie (vgl. die Nachw. bei BAG 7. Ju­li 2010 - 4 AZR 549/08 - Rn. 22, AP GG Art. 9 Nr. 140 = EzA TVG § 4 Ta­rif­kon­kur­renz Nr. 25). Der Ta­rif­ver­trag hat da­mit - wie je­der Ver­trag zwi­schen ty­pi­scher­wei­se zur Durch­set­zung ih­rer In­ter­es­sen gleich fähi­gen Ver­trags­part­nern - die Ver­mu­tung der An­ge­mes­sen­heit für sich. Die Wir­kung der Ab­schluss-, In­halts- und Be­en­di­gungs­nor­men ei­nes Ta­rif­ver­tra­ges auf das ein­zel-


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ne, ihm un­ter­wor­fe­ne Ar­beits­verhält­nis ent­spricht da­bei der ei­ner ex­ter­nen Norm, die nach § 4 Abs. 1 TVG zwin­gend und un­mit­tel­bar als Min­dest­ar­beits-be­din­gung (§ 4 Abs. 3 TVG) für die­je­ni­gen Ar­beit­neh­mer gilt, die der ta­rif­sch­ließen­den Ge­werk­schaft an­gehören und de­ren Ar­beits­verhält­nis vom Gel­tungs­be­reich des Ta­rif­ver­tra­ges er­fasst ist (§ 3 Abs. 1 TVG).

bb) Die kol­lek­tiv aus­geübte Pri­vat­au­to­no­mie in der Ge­stalt von Ta­rif­ver-

trägen ver­drängt die in­di­vi­du­el­le Pri­vat­au­to­no­mie nicht grundsätz­lich. Bei der Be­stim­mung der ei­ge­nen Ar­beits­be­din­gun­gen bleibt auch dem ta­rif­ge­bun­de­nen Ar­beit­neh­mer der pri­vat­au­to­no­me Ge­stal­tungs­spiel­raum. Der Ar­beits­ver­trags­frei­heit des Ta­rif­un­ter­wor­fe­nen wird über das Güns­tig­keits­prin­zip nach § 4 Abs. 3 TVG ein, wenn auch aus dem ar­beits­recht­li­chen Schutz­prin­zip fol­gend nur par­ti­el­ler Vor­rang ein­geräumt (vgl. auch Ja­cobs in Ja­cobs/Krau­se/Oet­ker § 7 Rn. 15). Auch wenn die An­wen­dung des Güns­tig­keits­prin­zips im Ein­zel­fall, et­wa bei der ta­rif­li­chen Ver­ein­ba­rung von Höchst­ar­beits­zei­ten, ge­genüber den von den Ko­ali­tio­nen eben­falls ein­zu­be­zie­hen­den Ge­sichts­punk­ten der Beschäfti­gungs­si­che­rung des Aus­gleichs im We­ge der prak­ti­schen Kon­kor­danz nach dem Verhält­nismäßig­keits­prin­zip bedürfen kann (zB BAG 25. Ok­to­ber 2000 - 4 AZR 438/99 - zu II 2 der Gründe, BA­GE 96, 168), bil­det sei­ne Exis­tenz ei­ne for­mel­le Schran­ke der ta­rif­li­chen Re­ge­lungs­macht (Wie­de­mann/Wank § 4 Rn. 387). Hier­aus folgt, dass es den Ta­rif­ver­trags­par­tei­en auch un­ter dem Ge­sichts­punkt der Ta­rif­au­to­no­mie im Grund­satz ver­wehrt ist, Ar­beits­be­din­gun­gen ta­rif­lich zu ver­ein­ba­ren, die ei­ne Verkürzung in­di­vi­du­al­ver­trag­lich be­gründe­ter Rech­te be­deu­tet (vgl. BAG 18. Au­gust 1971 - 4 AZR 342/70 - BA­GE 23, 399, 404 f.). Ge­gen­stand kol­lek­ti­ver Re­ge­lun­gen durch ta­rif­li­che In­halts­nor­men ist die Fest­set­zung all­ge­mei­ner und glei­cher Min­dest­ar­beits­be­din­gun­gen. Die Möglich­keit, dem­ge­genüber güns­ti­ge­re Ar­beits­be­din­gun­gen ein­zel­ver­trag­lich zu ver­ein­ba­ren, kann ein Ta­rif­ver­trag auch für ta­rif­ge­bun­de­ne Ar­beits­verhält­nis­se nicht ein­schränken.

cc) Die­se Ein­schränkung der kol­lek­ti­ven Re­ge­lungs­macht für in­di­vi­du­al­ver-

trag­li­che Ge­stal­tun­gen gilt erst recht für die Er­stre­ckung der un­mit­tel­ba­ren und zwin­gen­den Wir­kun­gen von Ta­rif­nor­men auf Außen­sei­ter, dh. nicht oder an­ders


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or­ga­ni­sier­te Ar­beit­neh­mer. Die das Grund­recht aus Art. 9 Abs. 3 GG aus­ge­stal­ten­den ge­setz­li­chen Vor­schrif­ten des Ta­rif­ver­trags­ge­set­zes be­gren­zen die Macht der Ta­rif­ver­trags­par­tei­en zur Set­zung von Ab­schluss-, In­halts- und Be­en­di­gungs­nor­men auf ih­re Mit­glie­der. Nach der Recht­spre­chung des Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richts trägt die Be­gren­zung auf die Mit­glie­der der Ta­rif­ver­trags­par­tei­en dem Grund­satz Rech­nung, dass der Staat sei­ne Norm­set­zungs-be­fug­nis nicht in be­lie­bi­gem Um­fang außer­staat­li­chen Stel­len über­las­sen und den Bürger nicht schran­ken­los der norm­set­zen­den Ge­walt au­to­no­mer Gre­mi­en aus­lie­fern darf, die ihm ge­genüber nicht de­mo­kra­tisch bzw. mit­glied­schaft­lich le­gi­ti­miert sind (24. Mai 1977 - 2 BvL 11/74 - BVerfGE 44, 322, 347 f.). Ta­rif­verträge dürfen da­her nicht mit zwin­gen­der Wir­kung Ar­beits­be­din­gun­gen für nicht or­ga­ni­sier­te Ar­beit­neh­mer fest­set­zen (BVerfG 14. Ju­ni 1983 - 2 BvR 488/80 - BVerfGE 64, 208). So hat das Bun­des­ar­beits­ge­richt auch von den Ta­rif­ver­trags­par­tei­en selbst er­stell­ten Se­nio­ritäts­lis­ten von Flug­zeugführern die nor­ma­ti­ve Wir­kung ab­ge­spro­chen, weil die Ta­rif­ver­trags­par­tei­en da­mit ih­re Ta­rif­macht über­schrit­ten ha­ben, da sie das ge­sam­te Bord­per­so­nal des Ar­beit­ge­bers er­fass­ten, die Ta­rif­ver­trags­par­tei­en je­doch das Ar­beits­verhält­nis re­geln­de In­halts­nor­men nur für ih­re Mit­glie­der set­zen durf­ten (28. Sep­tem­ber 1983 - 4 AZR 200/83 - BA­GE 43, 312, 322 f.). Außen­sei­ter­klau­seln, dh. ta­rif­li­che Re­ge­lun­gen, die nicht ta­rif­un­ter­wor­fe­ne Ar­beit­neh­mer be­tref­fen, sind da­her - außer­halb von § 3 Abs. 2 TVG - al­len­falls als schuld­recht­li­che Ver­ein­ba­run­gen zulässig, weil sich die Norm­set­zungs­macht nur auf die Ge­werk­schafts­mit­glie­der be­schränkt (Löwisch/Rieb­le TVG 2. Aufl. § 1 Rn. 234) und wer­den vor al­lem im Zu­sam­men­hang mit Wie­der­ein­stel­lungs­klau­seln und Maßre­ge­lungs­ver­bo­ten nach Ar­beitskämp­fen ver­ein­bart (Däubler/Lo­renz § 3 Rn. 274; Wie­de-mann/Oet­ker § 3 Rn. 411), die als den Außen­sei­ter be­rech­ti­gen­der Ver­trag zu Guns­ten Drit­ter mit der Möglich­keit, hier­von kei­nen Ge­brauch zu ma­chen, wirk­sam sein können (arg. § 333 BGB).

b) Die Span­nen­klau­sel in Ziff. V TV Er­hBeih er­fasst den außer­ta­rif­li­chen

Be­reich und ist des­halb un­wirk­sam. Sie be­wirkt zwar kei­ne ab­so­lu­te, aber ei­ne re­la­ti­ve Be­gren­zung der Ar­beits­be­din­gun­gen der Außen­sei­ter, in­dem sie es dem Ar­beit­ge­ber recht­lich-lo­gisch unmöglich macht, die ver­trag­li­chen Ar­beits-


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be­din­gun­gen der nicht oder an­ders or­ga­ni­sier­ten Ar­beit­neh­mer den ta­rif­lich nor­mier­ten Ar­beits­be­din­gun­gen der ver.di-Mit­glie­der an­zu­glei­chen, und da­mit dem Ar­beit­ge­ber zu­gleich ei­ne im We­ge der Ge­stal­tung von in­di­vi­du­al­ver­trag­li­chen Be­din­gun­gen nicht auflösba­re „Un­gleich­stel­lung“ zwin­gend auf­er­legt. Da­mit greift sie in un­zulässi­ger Wei­se über den ihr zu­ste­hen­den Re­ge­lungs­rah­men hin­aus und in die Ver­trags­frei­heit des Ar­beit­ge­bers und der nicht oder an­ders or­ga­ni­sier­ten Ar­beit­neh­mer ein.

aa) Die Be­fug­nis von Ta­rif­ver­trags­par­tei­en zur Re­ge­lung von Min­dest-

ar­beits­be­din­gun­gen er­streckt sich auf die nor­ma­ti­ve Re­ge­lung der Ar­beits­verhält­nis­se der un­mit­tel­bar ta­rif­ge­bun­de­nen Ar­beits­ver­trags­par­tei­en. Ei­ne Be­gren­zung der Frei­heit des Ar­beit­ge­bers zur ver­trag­li­chen Ge­stal­tung der Ar­beits­verhält­nis­se kann nicht ta­rif­lich er­zwun­gen wer­den (BAG 10. De­zem­ber 2002 - 1 AZR 96/02 - zu B I 3 b aa der Gründe, BA­GE 104, 155). Der Ar­beit­ge­ber kann ins­be­son­de­re we­der zu ei­ner Gleich­stel­lung noch zu ei­ner Un-gleich­stel­lung von Außen­sei­tern ge­genüber ta­rif­ge­bun­de­nen Ar­beit­neh­mern ge­zwun­gen wer­den.

(1) Grundsätz­lich ist ein Ar­beit­ge­ber nicht ver­pflich­tet, den nicht or­ga­ni­sier-
ten Ar­beit­neh­mern ta­rif­lich ge­re­gel­te Ar­beits­be­din­gun­gen an­zu­bie­ten. Er darf sie auf der Grund­la­ge ei­ner ein­zel­ver­trag­li­chen Ver­ein­ba­rung auch un­ter­ta­rif­lich ent­loh­nen (so be­reits BAG 20. Ju­li 1960 - 4 AZR 199/59 - AP TVG § 4 Nr. 7; vgl. auch zB ErfK/Die­te­rich 11. Aufl. Art. 9 GG Rn. 35; Wie­de­mann/Oet­ker § 3 Rn. 415 ff., 420; Däubler/Zwan­zi­ger § 4 Rn. 1058; Kem­pen/Za­chert Grund­la­gen Rn. 162; Schaub ArbR-Hdb. 13. Aufl. § 206 Rn. 41; Ha­nau FS Hromad­ka S. 115, 117; vgl. auch Ga­mill­scheg NZA 2005, 147: „bis zur Gren­ze der Sit­ten-wid­rig­keit“; eben­so Fran­zen RdA 2006, 1, 4). Die bei­der­sei­ti­ge Ta­rif­ge­bun­den­heit in ei­nem Ar­beits­verhält­nis ist ein le­gi­ti­mer Dif­fe­ren­zie­rungs­grund für ein un­ter­schied­li­ches Leis­tungs­ni­veau ge­genüber ei­nem Ar­beits­verhält­nis des­sel­ben Be­triebs, in dem es hier­an fehlt.

(2) Dem Ar­beit­ge­ber ist es un­ter dem Ge­sichts­punkt der Gleich­be­hand­lung 46
aber auch nicht ver­wehrt, Außen­sei­ter wie Ge­werk­schafts­mit­glie­der zu be­han­deln und ih­nen ins­be­son­de­re die ta­rif­lich ver­ein­bar­ten Leis­tun­gen, die er an


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Ge­werk­schafts­mit­glie­der schon auf­grund der nor­ma­ti­ven Wir­kung des Ta­rif­ver­tra­ges leis­ten muss, auf­grund ei­ner pri­vat­au­to­no­men Ent­schei­dung eben­falls zu gewähren (vgl. nur Däubler/Lo­renz § 3 Rn. 217; Thüsing Ar­beits­recht­li­cher Dis­kri­mi­nie­rungs­schutz Rn. 871; Ga­mill­scheg Kol­lek­ti­ves Ar­beits­recht Bd. I S. 731). So­weit er­sicht­lich be­zwei­felt nie­mand die Zulässig­keit ei­ner ar­beits­ver­trag­li­chen Ver­ein­ba­rung des Ar­beit­ge­bers mit sei­nen Ar­beit­neh­mern, auf­grund de­rer die Nor­men der - ein­schlägi­gen - Ta­rif­verträge im Ar­beits­verhält­nis an­ge­wandt wer­den sol­len. So hat zB der Se­nat in der Ent­schei­dung vom 14. De­zem­ber 2005 aus­geführt, dass es kei­ne Rechts­gründe gibt, die die Ver­ein­ba­rung ei­ner Gleich­stel­lungs­ab­re­de (hier: mit der die Dy­na­mik be­tref­fen­den zusätz­li­chen Ver­ein­ba­rung der auflösen­den Be­din­gung ei­ner Ta­rif­ge­bun­den­heit des Ar­beit­ge­bers) im Ar­beits­ver­trag aus­sch­ließen. Dies ist eben­so im Rah­men der Ver­trags­frei­heit des ta­rif­ge­bun­de­nen Ar­beit­ge­bers möglich, wie es die­sem frei steht, sich von ei­ner Ar­beit­ge­ber­ko­ali­ti­on fern­zu­hal­ten und gleich­wohl mit sei­nen Beschäftig­ten die Ge­stal­tung der Ar­beits­verhält­nis­se durch das ein­schlägi­ge Ta­rif­werk in sei­ner je­wei­li­gen Fas­sung zu ver­ein­ba­ren (- 4 AZR 536/04 - Rn. 23 f., BA­GE 116, 326; zur ent­spre­chen­den Üblich­keit im öffent­li­chen Dienst und der dar­auf ge­rich­te­ten be­rech­tig­ten Er­war­tung des Ar­beit­neh­mers BAG 3. April 2007 - 9 AZR 283/06 - Rn. 53, BA­GE 122, 33). Nor­ma­tiv ab­ge­si­chert ist die Zulässig­keit ei­ner sol­chen Vor­ge­hens­wei­se durch die ge­setz­li­chen Öff­nungs­klau­seln, die nicht nur den Ta­rif­ver­trags­par­tei­en selbst er­lau­ben, durch Ta­rif­ver­trag für ih­re Mit­glie­der Ar­beits­be­din­gun­gen zu ver­ein­ba­ren, die un­ter­halb des ge­setz­li­chen Schutz­ni­veaus lie­gen, zB in § 622 Abs. 4 BGB, § 13 BUrlG, § 4 Abs. 4 EFZG, § 7 Arb­ZG, § 9 Nr. 2 AÜG (krit. da­zu et­wa Da­ni­el Ul­ber Ta­rif­dis­po­si­ti­ves Ge­set­zes­recht S. 328 f.; Wal­ter­mann NZA 2010, 482; Busch­mann FS Ri­char­di S. 93 ff.). Auch wenn das Ar­beits­verhält­nis der nor­ma­ti­ven Wir­kung des Ta­rif­ver­tra­ges nicht un­terfällt, ist ei­ne Un­ter­schrei­tung die­ser ge­setz­li­chen Min­dest­ar­beits­be­din­gun­gen nach den an­geführ­ten Be­stim­mun­gen auch durch die Be­zug­nah­me auf die ent­spre­chen­den Re­gel­wer­ke in ei­nem Ar­beits­ver­trag zulässig und möglich.

Ei­ne sol­che Art von Gleich­stel­lung iSd. Her­stel­lung ei­nes tatsächlich

ein­heit­li­chen Er­geb­nis­ses für Ar­beits­verhält­nis­se mit recht­lich un­ter­schied­li­chen


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Aus­gangs­be­din­gun­gen (vgl. da­zu Fastrich RdA 2000, 65, 67 ff.) ist dem Ar­beit­ge­ber bei der Er­stre­ckung von ta­rif­li­chen Son­der­leis­tun­gen auf al­le - an­sons­ten ver­gleich­ba­ren - Ar­beit­neh­mer im Be­trieb möglich, auch wenn die­se hier­auf kei­nen an an­de­rer Stel­le ge­re­gel­ten An­spruch ha­ben. Der Ar­beit­ge­ber ist in­so­weit frei, zB nach ei­nem von ihm für rich­tig ge­hal­te­nen Grund­satz „glei­cher Lohn für glei­che Ar­beit“ den Zweck ei­ner gleichmäßigen Ent­loh­nung al­ler Ar­beit­neh­mer als An­lass für ei­ne hin­sicht­lich der nicht oder an­ders or­ga­ni­sier­ten Ar­beit­neh­mer pri­vat­au­to­nom be­gründe­te Son­der­zah­lung zu neh­men.

(3) Ei­ne Ta­rif­re­ge­lung, die die Ge­stal­tungs­frei­heit des Ar­beit­ge­bers hin-
sicht­lich der Ar­beits­verträge mit nicht oder an­ders ta­rif­ge­bun­de­nen Ar­beit­neh­mern in der Wei­se ein­schränkt, dass sie ihm ei­ne ver­trag­lich ver­ein­bar­te oder zu ver­ein­ba­ren­de Gleich­stel­lung mit den an den Ta­rif­ver­trag nor­ma­tiv ge­bun­de­nen Ar­beits­verhält­nis­sen recht­lich unmöglich macht, ist von der Rechts­set­zungs­macht der Ta­rif­ver­trags­par­tei­en nicht ge­deckt. So we­nig ein Ta­rif­ver­trag ei­ne der­ar­ti­ge Gleich­stel­lung in sei­nem nor­ma­ti­ven Be­reich an­ord­nen und un­mit­tel­ba­re und zwin­gen­de Rech­te für Außen­sei­ter be­gründen kann (Däubler/Lo­renz § 3 Rn. 217), so we­nig kann er ei­ne Un­gleich­heit mit zwin­gen­der Wir­kung re­geln. Die Möglich­keit, ei­ne Gleich­stel­lung zwi­schen Außen­sei­ter und Ge­werk­schafts­mit­glied her­bei­zuführen, hat das Ge­setz nicht ver­bo­ten und darf ei­ne Kol­lek­tiv­ver­ein­ba­rung nicht mit nor­ma­ti­ver Wir­kung ver­bie­ten (Wie­de­mann Ein­lei­tung Rn. 290 für ei­ne Be­zug­nah­me­klau­sel; ähn­lich auch Fran­zen RdA 2006, 1, 6, 7; Bau­er/Ar­nold NZA 2005, 1209, 1211; Löwisch/Rieb­le § 1 Rn. 819 f.; Hart­mann/Lo­bin­ger NZA 2010, 421, 424 ff.; Ar­nold FS Pi­cker S. 873, 885; i. Erg. auch Ja­cobs FS Bau­er S. 479, 490 ff.). Die Fest­set­zung ei­ner ta­rif­li­chen Leis­tung als Min­dest­ar­beits­be­din­gung für ta­rif­un­ter­wor­fe­ne Ar­beits­verhält­nis­se in Pro­por­tio­na­lität zu vom Ar­beit­ge­ber ar­beits­ver­trag­lich ver­ein­bar­ten Ar­beits­be­din­gun­gen mit nicht oder an­ders or­ga­ni­sier­ten Ar­beit­neh­mern ist des­halb un­zulässig.

(4) Dem lässt sich auch nicht ent­ge­gen­hal­ten, dass ei­ne Span­nen­klau­sel
die in­di­vi­du­al­ver­trag­li­che Gleich­stel­lung von Außen­sei­tern zu­las­se, weil von ihr le­dig­lich - was zu­tref­fend ist (vgl. oben III 1 b cc (2)) - Ver­ein­ba­run­gen mit


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ei­nem kol­lek­ti­ven Be­zug als Grund­la­ge für den ergänzen­den An­spruch der Ge­werk­schafts­mit­glie­der er­fasst würden; auf den Ab­schluss ei­ner sol­chen Ver­ein­ba­rung ha­be ein Ar­beit­neh­mer aber kei­nen grund­recht­lich geschütz­ten An­spruch (so Ley­de­cker AuR 2009, 338, 342). Die kol­lek­ti­ve Wir­kung von be­triebs­ein­heit­li­chen Re­ge­lun­gen ändert nichts an der Rechts­na­tur als ein­zel­ver­trag­li­cher Ver­ein­ba­rung. Des­halb gilt im Verhält­nis von Ein­heits­re­ge­lun­gen und Ta­rif­ver­trag auch das Güns­tig­keits­prin­zip des § 4 Abs. 3 TVG (Däu-bler/Zwan­zi­ger § 4 Rn. 1051; Wie­de­mann/Wank § 4 Rn. 650; Ja­cobs in Ja-cobs/Krau­se/Oet­ker § 7 Rn. 10). Es ist da­nach nicht möglich, bei der Über­prüfung der Be­ein­träch­ti­gung der Ver­trags­frei­heit da­nach zu dif­fe­ren­zie­ren, ob ei­ne be­stimm­te Ver­trags­be­stim­mung in ei­ner sol­chen An­zahl von Ar­beits­verhält­nis­sen ver­ein­bart wor­den ist, dass das Tat­be­stands­merk­mal des kol­lek­ti­ven Be­zugs erfüllt ist oder ob die An­zahl der ent­spre­chen­den Ver­ein­ba­run­gen ge­rin­ger ist. Die Ver­let­zung der Ver­trags­frei­heit durch die Ver­unmög-li­chung ei­ner An­glei­chung der ver­trag­li­chen Be­din­gun­gen an die ta­rif­li­chen Min­dest­ar­beits­be­din­gun­gen be­inhal­tet ein qua­li­ta­ti­ves Mo­ment, das bei ei­ner mas­sen­haf­ten Ausübung nicht re­la­ti­viert wer­den kann.

bb) Die in Ziff. V TV Er­hBeih nor­mier­te Span­nen­klau­sel macht der kla­gen

den Ar­beit­ge­be­rin ei­ne Gleich­stel­lung zwi­schen den Mit­glie­dern und Nicht­mit­glie­dern der ta­rif­sch­ließen­den Ge­werk­schaft unmöglich. Sie ist des­halb un­wirk­sam.

(1) Dies folgt al­ler­dings nicht be­reits aus ei­ner Be­ein­träch­ti­gung der Ver-

trags­frei­heit des Ar­beit­ge­bers in­fol­ge ei­ner na­tur­gemäß be­grenz­ten Leis­tungsfähig­keit. De ju­re wird er nicht dar­an ge­hin­dert, den Dif­fe­renz­be­trag - zunächst - auch an nicht oder an­ders or­ga­ni­sier­te Ar­beit­neh­mer sei­nes Un­ter­neh­mens zu zah­len, et­wa im We­ge ei­ner frei­wil­li­gen zusätz­li­chen Leis­tung. So­weit die Wirt­schafts­kraft des Ar­beit­ge­bers durch ei­ne ta­rif­lich nor­mier­te Leis­tung an Ge­werk­schafts­mit­glie­der ein­ge­schränkt wird und die­se Ein­schränkung zur Fol­ge hat, dass tatsächli­che Schwie­rig­kei­ten be­ste­hen, darüber hin­aus­ge­hen­de oder da­ne­ben be­ste­hen­de ver­trag­li­che Ver­pflich­tun­gen ge­genüber nicht oder an­ders ta­rif­ge­bun­de­nen Ar­beit­neh­mern zu erfüllen, ist die­se Wir­kung ta­rif­li­chen


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Leis­tungs­ver­spre­chen häufig ei­gen und kann nicht als Kri­te­ri­um für die Wirk­sam­keit oder Un­wirk­sam­keit der ta­rif­li­chen An­spruchs­grund­la­ge her­an­ge­zo­gen wer­den (ein­schränkend wohl Ri­char­di NZA 2010, 417, 420 f.; vgl. zur wirt­schaft­li­chen Be­las­tung durch die fa­kul­ta­ti­ve Leis­tung an Außen­sei­ter bei ei­ner ein­fa­chen Dif­fe­ren­zie­rungs­klau­sel BAG 18. März 2009 - 4 AZR 64/08 - Rn. 58, BA­GE 130, 43).

(2) Ei­ne der­ar­ti­ge zusätz­li­che Leis­tung hat je­doch nach der Span­nen-

klau­sel der Ziff. V TV Er­hBeih die Be­gründung ei­nes un­mit­tel­ba­ren ta­rif­li­chen An­spruchs der ver.di-Mit­glie­der ge­gen den Ar­beit­ge­ber zur Fol­ge. Dies schließt nicht nur ei­ne fak­ti­sche Gleich­stel­lung der an­ders oder nicht or­ga­ni­sier­ten Ar­beit­neh­mer mit den ver.di-Mit­glie­dern bei der Be­klag­ten aus, son­dern ver­unmöglicht darüber hin­aus grundsätz­lich aus recht­lich-lo­gi­schen Gründen die Ein­hal­tung hier­auf ge­rich­te­ter, vor­her ein­ge­gan­ge­ner oder ein­zu­ge­hen­der ar­beits­ver­trag­li­cher oder ta­rif­ver­trag­li­cher Ver­pflich­tun­gen ge­genüber nicht oder an­ders or­ga­ni­sier­ten Ar­beit­neh­mern.

(a) Wie der Se­nat in sei­ner Ent­schei­dung vom 18. März 2009 zur Zulässig

keit von ein­fa­chen Dif­fe­ren­zie­rungs­klau­seln aus­geführt hat, ist es dem Ar­beit­ge­ber in der dor­ti­gen Kon­stel­la­ti­on un­be­nom­men, auf ver­trag­li­chem We­ge nicht nur die An­wen­dung des Ta­rif­ver­tra­ges oder Ta­rif­werks zu ver­ein­ba­ren, was al­lein re­gelmäßig noch nicht zu ei­ner gleich­sam ver­trag­lich ver­ein­bar­ten Be­gründung des Sta­tus ei­nes Ge­werk­schafts­mit­glieds führt (- 4 AZR 64/08 - Rn. 26 ff., BA­GE 130, 43; zust. Ka­man­ab­rou Anm. zu AP TVG § 3 Nr. 41; Ja­cobs FS Bau­er S. 479, 482; kri­tisch da­ge­gen zB Bau­er/Ar­nold NZA 2009, 1169, 1171; Grei­ner/Suh­re NJW 2010, 131, 132 f.). Er kann auch die vollständi­ge Gleich­stel­lung mit den Mit­glie­dern der am Ta­rif­ab­schluss be­tei­lig­ten Ge­werk­schaft da­durch her­beiführen, dass er mit sei­nen Ar­beit­neh­mern ar­beits­ver­trag­lich ver­ein­bart, dass die­se im Hin­blick auf ei­nen nicht nor­ma­tiv gel­ten­den­Ta­rif­ver­trag be­han­delt wer­den wie die Mit­glie­der der ta­rif­sch­ließen­den Ge­werk­schaft. Bei ei­ner sol­chen Ver­ein­ba­rung sind Leis­tun­gen ein­ge­schlos­sen, die nach ei­ner ein­fa­chen Dif­fe­ren­zie­rungs­klau­sel nur Ge­werk­schafts­mit­glie­dern vor­be­hal­ten sind (BAG 18. März 2009 - 4 AZR 64/08 - BA­GE 130, 34). An der


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Zulässig­keit und Wirk­sam­keit ei­ner sol­chen Ver­ein­ba­rung be­ste­hen kei­ne Zwei­fel (vgl. auch Ri­char­di NZA 2010, 417, 419; Fran­zen FS Pi­cker S. 929, 949; fer­ner die ent­spre­chen­den kon­kre­ten For­mu­lie­rungs­vor­schläge bei Bau­er/Ar­nold NZA 2009, 1169, 1173 und Thüsing/Braun/Men­gel/Burg Ta­rif­recht 5. Kap. Dif­fe­ren­zie­rungs­klau­seln Rn. 5; aA Ko­cher NZA 2009, 119, 123).

Dem­ge­genüber würde ei­ne wirk­sa­me Span­nen­klau­sel wie die hier

streit­ge­genständ­li­che in Ziff. V TV Er­hBeih dem Ar­beit­ge­ber die Erfüllung ei­ner sol­chen Ver­pflich­tung nicht nur wirt­schaft­lich, son­dern recht­lich-lo­gisch unmöglich ma­chen. Ei­ne ver­trag­lich ver­spro­che­ne Leis­tung des TV Er­hBeih an nicht oder an­ders or­ga­ni­sier­te Ar­beit­neh­mer führ­te un­mit­tel­bar zu ei­nem ent­spre­chen­den - erhöhen­den - An­spruch der ver.di-Mit­glie­der. Dies wie­der­um löste die ver­trag­lich ver­ein­bar­te „mit­glied­schaft­be­zo­ge­ne Gleich­stel­lungs­pflicht“ zu ei­ner wei­te­ren zusätz­li­chen Zah­lung aus, die ih­rer­seits wie­der­um den ta­rif­li­chen An­spruch erhöht. Da­mit ist nicht die zeit­li­che Ab­fol­ge be­schrie­ben; die Ansprüche der je­wei­li­gen Ar­beit­neh­mer­grup­pen stei­gen nicht nur par­al­lel, son­dern syn­chron, oh­ne dass ei­ne ju­ris­ti­sche Se­kun­de Ak­ti­on und Re­ak­ti­on trennt (so Ley­de­cker Der Ta­rif­ver­trag als ex­klu­si­ves Gut S. 284). Auf die­se Wei­se ent­steht un­mit­tel­bar in der ta­rif­li­chen Nor­mie­rung des „Ab­stands­an­spruchs“ bei be­ste­hen­der ver­trag­li­cher Ver­pflich­tung zur Gleich­stel­lung mit ei­nem Ge­werk­schafts­mit­glied oh­ne je­des wei­te­re Han­deln ei­nes Be­tei­lig­ten ei­ne recht­lich-lo­gisch nicht be­grenz­te un­end­li­che Erhöhung der je­wei­li­gen Leis­tungs­ver­pflich­tun­gen des Ar­beit­ge­bers.

(b) Zusätz­lich kann ei­ne ent­spre­chen­de recht­lich-lo­gisch un­end­li­che

Erhöhung der Leis­tungs­ver­pflich­tun­gen da­durch zu­stan­de kom­men, dass in ei­nem an­de­ren Ta­rif­ver­trag ge­genüber den Mit­glie­dern ei­ner zwei­ten Ge­werk­schaft ei­ne ent­spre­chen­de Ver­pflich­tung über­nom­men wur­de. Dies würde - ih­re Wirk­sam­keit un­ter­stellt - da­zu führen, dass beim Auf­ein­an­der­tref­fen zwei­er ent­spre­chen­der Klau­seln auf Ar­beits­verhält­nis­se in ei­nem Be­trieb auch im Be­reich der nor­ma­tiv be­gründe­ten Ansprüche ei­ne der­ar­ti­ge un­end­li­che Erhöhung der Leis­tungs­ver­pflich­tun­gen des Ar­beit­ge­bers ein­träte. Die be­klag­te Ge­werk­schaft hat sich für ih­re Auf­fas­sung der Zulässig­keit ei­ner Span­nen-

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klau­sel des­halb auch zu Un­recht dar­auf be­ru­fen, dass es et­wai­gen Kon­kur­renz­ge­werk­schaf­ten un­be­nom­men sei, selbst ähn­li­che Ver­ein­ba­run­gen durch­zu­set­zen. Ei­ne der­ar­ti­ge Fall­kon­stel­la­ti­on führ­te bei bei­den Ta­rif­verträgen zu der be­reits be­schrie­be­nen recht­lich-lo­gi­schen Unmöglich­keit.

Die­ses Pro­blem ließe sich auch nicht da­durch lösen, dass in­so­weit da-

von aus­zu­ge­hen wäre, dass in ei­nem Be­trieb oder Un­ter­neh­men le­dig­lich ei­ne sol­che ta­rif­ver­trag­li­che Span­nen­klau­sel möglich sein dürf­te. Es wäre dem Ar­beit­ge­ber bei ei­ner sol­chen recht­li­chen An­for­de­rung un­be­nom­men, durch den Ab­schluss ei­nes Ta­rif­ver­tra­ges mit ei­ner Ge­werk­schaft den wirk­sa­men Ab­schluss ei­nes ent­spre­chen­den Ta­rif­ver­tra­ges mit je­der an­de­ren Ge­werk­schaft zu blo­ckie­ren. Dies ist mit Art. 9 Abs. 3 GG nicht ver­ein­bar.

(3) Dem lässt sich auch nicht mit dem Ar­beits­ge­richt ent­ge­gen­hal­ten, dass

die Pri­vat­au­to­no­mie kein ge­ne­rel­les Ver­bot von Ex­klu­siv­verträgen kennt und kein An­spruch auf ei­nen be­stimm­ten Ver­trags­in­halt be­steht (ähn­lich Däub-ler/Hen­sche § 1 Rn. 881 f. mwN: was der Ar­beit­ge­ber tun könne, da­zu könne er sich auch schuld­recht­lich ver­pflich­ten). Nicht je­de denk­ba­re ver­trag­li­che Ver­pflich­tung, die ein Ar­beit­ge­ber ein­ge­hen kann, kann auch durch ei­ne auf bei­de Ar­beits­ver­trags­par­tei­en ein­wir­ken­de Ta­rif­norm be­gründet wer­den. Viel­mehr un­ter­lie­gen den - im Hin­blick auf die sons­ti­ge all­ge­mei­ne Form rechts­geschäft­li­chen Ver­hal­tens - ganz spe­zi­el­len Re­ge­lun­gen des Zu­stan­de­kom­mens und der Wir­kungs­wei­se von Ta­rif­verträgen nur die­je­ni­gen Re­ge­lungs­ge­genstände, die nach Art. 9 Abs. 3 GG iVm. den Vor­schrif­ten des TVG der Norm­set­zungs-be­fug­nis von Ko­ali­tio­nen über­las­sen sind. Hier­zu gehört aus den dar­ge­leg­ten Gründen nicht die ver­bind­li­che Re­ge­lung des außer­ta­rif­li­chen Ver­trags­ver­hal­tens des Ar­beit­ge­bers. Des­halb kommt es auf ei­ne quan­ti­ta­ti­ve Be­trach­tung der Span­nen­klau­sel nicht an (i. Erg. auch Ja­cobs FS Bau­er S. 479, 491). Mögli­cher­wei­se wei­ter ent­ge­gen­ste­hen­de Grund­rech­te der be­tei­lig­ten Ta­rif­ver­trags­par­tei­en oder Drit­ter bedürfen hier­nach eben­falls nicht der Erörte­rung (eben­so Fran­zen RdA 2006, 1, 6).


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C. Die Kos­ten­ent­schei­dung er­gibt sich aus § 92 Abs. 1 ZPO.

Be­p­ler Win­ter Creutz­feldt

Kie­fer Gärgens

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