HENSCHE RECHTSANWÄLTE, FACHANWALTSKANZLEI FÜR ARBEITSRECHT

 

EuGH, Ur­teil vom 12.12.2013, C-267/12 - Hay

   
Schlagworte: Diskriminierung: Sexuelle Identität
   
Gericht: Europäischer Gerichtshof
Aktenzeichen: C-267/12
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 12.12.2013
   
Leitsätze: Art. 2 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf ist dahin auszulegen, dass er einer Tarifvertragsbestimmung wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden entgegensteht, nach der ein Arbeitnehmer, der einen zivilen Solidaritätspakt mit einer Person gleichen Geschlechts schließt, von dem Anspruch auf Vergünstigungen wie Sonderurlaubstage und eine Gehaltsprämie ausgeschlossen ist, die Arbeitnehmern aus Anlass ihrer Eheschließung gewährt werden, wenn die nationale Regelung des betreffenden Mitgliedstaats Personen gleichen Geschlechts die Eheschließung nicht gestattet, da der betroffene Arbeitnehmer sich unter Berücksichtigung des Zwecks und der Voraussetzungen der Gewährung dieser Vergünstigungen in einer Situation befindet, die mit der eines Arbeitnehmers, der eine Ehe schließt, vergleichbar ist.
Vorinstanzen:
   

UR­TEIL DES GERICH­TSHOFS (Fünf­te Kam­mer)

12. De­zem­ber 2013(*)

„Richt­li­nie 2000/78/EG – Gleich­be­hand­lung – Ta­rif­ver­trag, der ei­ne Vergüns­ti­gung im Hin­blick auf Ar­beits­ent­gelt und Ar­beits­be­din­gun­gen Ar­beit­neh­mern vor­behält, die ei­ne Ehe schließen – Aus­schluss von Part­nern, die ei­nen zi­vi­len So­li­da­ritätspakt schließen – Dis­kri­mi­nie­run­gen auf­grund der se­xu­el­len Aus­rich­tung“

In der Rechts­sa­che C‑267/12

be­tref­fend ein Vor­ab­ent­schei­dungs­er­su­chen nach Art. 267 AEUV, ein­ge­reicht von der Cour de cas­sa­ti­on (Frank­reich) mit Ent­schei­dung vom 23. Mai 2012, beim Ge­richts­hof ein­ge­gan­gen am 30. Mai 2012, in dem Ver­fah­ren

Frédéric Hay

ge­gen

Crédit agri­co­le mu­tu­el de Cha­ren­te-Ma­ri­ti­me et des Deux-Sèvres

erlässt

DER GERICH­TSHOF (Fünf­te Kam­mer)

un­ter Mit­wir­kung des Kam­mer­präsi­den­ten T. von Dan­witz so­wie der Rich­ter E. Juhász, A. Ro­sas, D. Šváby (Be­richt­er­stat­ter) und C. Va­j­da,

Ge­ne­ral­an­walt: N. Jääski­nen,

Kanz­ler: A. Ca­lot Es­co­bar,

auf­grund des schrift­li­chen Ver­fah­rens,

un­ter Berück­sich­ti­gung der Erklärun­gen

– von Herrn Hay, ver­tre­ten durch A. La­mam­ra, avo­cat,

– des Crédit agri­co­le mu­tu­el de Cha­ren­te-Ma­ri­ti­me et des Deux‑Sèvres, ver­tre­ten durch J.‑J. Gati­neau, avo­cat,

– der französi­schen Re­gie­rung, ver­tre­ten durch G. de Ber­gues, D. Co­las und J. Ros­si als Be­vollmäch­tig­te,

– der bel­gi­schen Re­gie­rung, ver­tre­ten durch M. Ja­cobs als Be­vollmäch­tig­te,

– der Eu­ropäischen Kom­mis­si­on, ver­tre­ten durch J. En­e­gren und D. Mar­tin als Be­vollmäch­tig­te,

auf­grund des nach Anhörung des Ge­ne­ral­an­walts er­gan­ge­nen Be­schlus­ses, oh­ne Schluss­anträge über die Rechts­sa­che zu ent­schei­den,

fol­gen­des

Ur­teil

1 Das Vor­ab­ent­schei­dungs­er­su­chen be­trifft die Aus­le­gung von Art. 2 Abs. 2 der Richt­li­nie 2000/78/EG des Ra­tes vom 27. No­vem­ber 2000 zur Fest­le­gung ei­nes all­ge­mei­nen Rah­mens für die Ver­wirk­li­chung der Gleich­be­hand­lung in Beschäfti­gung und Be­ruf (ABl. L 303, S. 16).
2 Es er­geht im Rah­men ei­nes Rechts­streits zwi­schen Herrn Hay und sei­nem Ar­beit­ge­ber, dem Crédit agri­co­le mu­tu­el de Cha­ren­te-Ma­ri­ti­me et des Deux-Sèvres (im Fol­gen­den: Crédit agri­co­le), über des­sen Wei­ge­rung, Herrn Hay nach Ab­schluss ei­nes Pac­te ci­vil de so­li­da­rité (zi­vi­ler So­li­da­ritätspakt) (im Fol­gen­den: PACS) die Son­der­ur­laubs­ta­ge und die Prämie zu gewähren, die für Mit­ar­bei­ter, die ei­ne Ehe schließen, vor­ge­se­hen sind.

Recht­li­cher Rah­men

Uni­ons­recht

3 Im 22. Erwägungs­grund der Richt­li­nie 2000/78 heißt es:

„Die­se Richt­li­nie lässt die ein­zel­staat­li­chen Rechts­vor­schrif­ten über den Fa­mi­li­en­stand und da­von abhängi­ge Leis­tun­gen un­berührt.“

4 Art. 1 der Richt­li­nie 2000/78 be­stimmt:

„Zweck die­ser Richt­li­nie ist die Schaf­fung ei­nes all­ge­mei­nen Rah­mens zur Bekämp­fung der Dis­kri­mi­nie­rung we­gen der Re­li­gi­on oder der Welt­an­schau­ung, ei­ner Be­hin­de­rung, des Al­ters oder der se­xu­el­len Aus­rich­tung in Beschäfti­gung und Be­ruf im Hin­blick auf die Ver­wirk­li­chung des Grund­sat­zes der Gleich­be­hand­lung in den Mit­glied­staa­ten.“

5 Art. 2 die­ser Richt­li­nie sieht vor:

„(1) Im Sin­ne die­ser Richt­li­nie be­deu­tet ‚Gleich­be­hand­lungs­grund­satz‘, dass es kei­ne un­mit­tel­ba­re oder mit­tel­ba­re Dis­kri­mi­nie­rung we­gen ei­nes der in Ar­ti­kel 1 ge­nann­ten Gründe ge­ben darf.

(2) Im Sin­ne des Ab­sat­zes 1

a) liegt ei­ne un­mit­tel­ba­re Dis­kri­mi­nie­rung vor, wenn ei­ne Per­son we­gen ei­nes der in Ar­ti­kel 1 ge­nann­ten Gründe in ei­ner ver­gleich­ba­ren Si­tua­ti­on ei­ne we­ni­ger güns­ti­ge Be­hand­lung erfährt, als ei­ne an­de­re Per­son erfährt, er­fah­ren hat oder er­fah­ren würde;

b) liegt ei­ne mit­tel­ba­re Dis­kri­mi­nie­rung vor, wenn dem An­schein nach neu­tra­le Vor­schrif­ten, Kri­te­ri­en oder Ver­fah­ren Per­so­nen mit ei­ner be­stimm­ten Re­li­gi­on oder Welt­an­schau­ung, ei­ner be­stimm­ten Be­hin­de­rung, ei­nes be­stimm­ten Al­ters oder mit ei­ner be­stimm­ten se­xu­el­len Aus­rich­tung ge­genüber an­de­ren Per­so­nen in be­son­de­rer Wei­se be­nach­tei­li­gen können, es sei denn:

i) die­se Vor­schrif­ten, Kri­te­ri­en oder Ver­fah­ren sind durch ein rechtmäßiges Ziel sach­lich ge­recht­fer­tigt, und die Mit­tel sind zur Er­rei­chung die­ses Ziels an­ge­mes­sen und er­for­der­lich …

(5) Die­se Richt­li­nie berührt nicht die im ein­zel­staat­li­chen Recht vor­ge­se­he­nen Maßnah­men, die in ei­ner de­mo­kra­ti­schen Ge­sell­schaft für die Gewähr­leis­tung der öffent­li­chen Si­cher­heit, die Ver­tei­di­gung der Ord­nung und die Verhütung von Straf­ta­ten, zum Schutz der Ge­sund­heit und zum Schutz der Rech­te und Frei­hei­ten an­de­rer not­wen­dig sind.“

6 In Art. 3 Abs. 1 der Richt­li­nie 2000/78 heißt es:

„Im Rah­men der auf die Ge­mein­schaft über­tra­ge­nen Zuständig­kei­ten gilt die­se Richt­li­nie für al­le Per­so­nen in öffent­li­chen und pri­va­ten Be­rei­chen, ein­sch­ließlich öffent­li­cher Stel­len, in Be­zug auf

c) die Beschäfti­gungs- und Ar­beits­be­din­gun­gen, ein­sch­ließlich der Ent­las­sungs­be­din­gun­gen und des Ar­beits­ent­gelts;

…“

Französi­sches Recht

Code ci­vil

7 Art. 144 des Code ci­vil in der durch das Ge­setz Nr. 99-944 vom 15. No­vem­ber 1999 geänder­ten Fas­sung (im Fol­gen­den: Code ci­vil) be­stimmt:

„Mann und Frau können die Ehe nicht vor dem voll­ende­ten acht­zehn­ten Le­bens­jahr schließen.“

8 Art. 515-1 des Code ci­vil sieht vor:

„Ein zi­vi­ler So­li­da­ritätspakt ist ein Ver­trag, den zwei volljähri­ge natürli­che Per­so­nen un­ter­schied­li­chen oder glei­chen Ge­schlechts mit­ein­an­der schließen, um ih­re Le­bens­ge­mein­schaft zu or­ga­ni­sie­ren.“

9 Art. 515-4 des Code ci­vil lau­tet:

„Die Part­ner ei­nes zi­vi­len So­li­da­ritätspakts ge­hen ei­ne Le­bens­ge­mein­schaft ein und ver­pflich­ten sich zu ge­gen­sei­ti­ger ma­te­ri­el­ler Un­terstützung und ge­gen­sei­ti­gem Bei­stand. So­fern die Part­ner kei­ne ab­wei­chen­de Re­ge­lung tref­fen, be­misst sich die ma­te­ri­el­le Un­terstützung nach ih­ren je­wei­li­gen Möglich­kei­ten.

Die Part­ner haf­ten Drit­ten ge­genüber als Ge­samt­schuld­ner für Ver­bind­lich­kei­ten, die ei­ner von ih­nen für den tägli­chen Le­bens­be­darf ein­ge­gan­gen ist …“

Code du tra­vail

10 Art. L. 122-45 des Code du tra­vail (Ar­beits­ge­setz­buch) in der zum im Aus­gangs­ver­fah­ren maßgeb­li­chen Zeit­punkt gel­ten­den Fas­sung (im Fol­gen­den: Code du tra­vail) ver­bie­tet un­mit­tel­ba­re oder mit­tel­ba­re Dis­kri­mi­nie­run­gen auf­grund u. a. der se­xu­el­len Aus­rich­tung im Hin­blick auf das Ar­beits­ent­gelt und die Ar­beits­be­din­gun­gen.
11 Art. L. 226-1 des Code du tra­vail be­stimmt:

„Je­der Ar­beit­neh­mer hat aus be­stimm­ten fa­mi­liären Anlässen auf Vor­la­ge ent­spre­chen­der Nach­wei­se An­spruch auf Son­der­ur­laub von

vier Ta­gen bei der Ehe­sch­ließung des Ar­beit­neh­mers;

…“

Con­ven­ti­on collec­tive na­tio­na­le du Crédit agri­co­le

12

Art. 20 („Son­der­ur­laub“) der Con­ven­ti­on collec­tive na­tio­na­le du Crédit agri­co­le (na­tio­na­ler Ta­rif­ver­trag des Crédit agri­co­le) be­stimmt:

„Be­zahl­ter Ur­laub bei vol­lem Ge­halt wird un­ter fol­gen­den Umständen gewährt:

3. Fest an­ge­stell­te Ar­beit­neh­mer

Ehe­sch­ließung

- des Ar­beit­neh­mers: 10 Ar­beits­ta­ge,

- ei­nes Kin­des des Ar­beit­neh­mers: 3 Ar­beits­ta­ge,

- ei­nes Ge­schwis­ter­teils des Ar­beit­neh­mers: 1 Ar­beits­tag.

…“

13 Art. 34 („Ver­schie­de­ne Prämi­en und Zu­la­gen“) der Con­ven­ti­on collec­tive na­tio­na­le du Crédit agri­co­le sieht vor:

„Ehe­sch­ließungs­prämie

Je­der fest­an­ge­stell­te Mit­ar­bei­ter erhält bei sei­ner Ehe­sch­ließung ei­ne Prämie in Höhe von 1/36 des mo­nat­li­chen Ge­halts, das er im der Ehe­sch­ließung vor­aus­ge­gan­ge­nen Mo­nat be­zo­gen hat, pro Mo­nat der Be­triebs­zu­gehörig­keit.

…“

14 Durch Ver­ein­ba­rung vom 10. Ju­li 2008 zur Ände­rung der Art. 20, 22 und 34 der Con­ven­ti­on collec­tive na­tio­na­le du Crédit agri­co­le wur­den die­se Vergüns­ti­gun­gen auf die Sch­ließung ei­nes PACS er­streckt. Die As­so­cia­ti­on françai­se des ban­ques (Französi­sche Ban­ken­ver­ei­ni­gung) und die Ge­werk­schafts­verbände schlos­sen am 27. Sep­tem­ber 2010 eben­falls ei­ne Zu­satz­ver­ein­ba­rung zur Con­ven­ti­on collec­tive na­tio­na­le de la ban­que (na­tio­na­ler Ban­ken­ta­rif­ver­trag) vom 10. Ja­nu­ar 2000, mit der der Ur­laub aus fa­mi­liären Anlässen auf Mit­ar­bei­ter er­streckt wur­de, die ei­nen PACS ge­schlos­sen ha­ben. Die Be­stim­mun­gen die­ser Zu­satz­ver­ein­ba­rung wur­den durch Er­lass des Mi­nist­re du Tra­vail, de l’Em­ploi et de la Santé (Mi­nis­ter für Ar­beit, Beschäfti­gung und Ge­sund­heit) vom 23. De­zem­ber 2010 auf den ge­sam­ten Ban­ken­sek­tor er­streckt.

Aus­gangs­rechts­streit und Vor­la­ge­fra­ge

15 Herr Hay ist seit 1998 beim Crédit agri­co­le beschäftigt.
16 Am 11. Ju­li 2007 schloss er ei­nen PACS mit ei­ner Per­son glei­chen Ge­schlechts. Aus die­sem An­lass be­an­trag­te er die Be­wil­li­gung der Son­der­ur­laubs­ta­ge und der Ehe­sch­ließungs­prämie, die den Ar­beit­neh­mern im Fall der Ehe­sch­ließung nach der Con­ven­ti­on collec­tive na­tio­na­le du Crédit agri­co­le gewährt wer­den. Der Crédit agri­co­le ver­wei­ger­te ihm die­se Vergüns­ti­gun­gen je­doch mit der Be­gründung, dass sie nach die­sem Ta­rif­ver­trag nur im Fall der Ehe­sch­ließung gewährt würden.
17 Am 17. März 2008 er­hob Herr Hay beim Con­seil de prud’hom­mes de Sain­tes (Ar­beits­ge­richt Sain­tes) Kla­ge mit dem An­trag, die Ehe­sch­ließungs­prämie in Höhe von 2637,85 Eu­ro und ei­ne Entschädi­gung in Höhe von 879,29 Eu­ro für die ihm nicht gewähr­ten Son­der­ur­laubs­ta­ge an ihn zu zah­len. Mit Ur­teil vom 13. Ok­to­ber 2008 wies der Con­seil de prud’hom­mes de Sain­tes die­se Kla­ge ab, da die Ehe­sch­ließungs­prämie nicht an die Beschäfti­gung, son­dern an den Per­so­nen­stand ge­knüpft sei und der Code ci­vil zwi­schen der Ehe und dem PACS un­ter­schei­de. Er wies je­doch dar­auf hin, dass durch die Ände­rung der Con­ven­ti­on collec­tive na­tio­na­le du Crédit agri­co­le vom 10. Ju­li 2008 die nach die­sem Ta­rif­ver­trag be­ste­hen­de Vergüns­ti­gung bezüglich der Prämie und der Ur­laubs­ta­ge bei Ehe­sch­ließung auf durch ei­nen PACS ver­bun­de­ne Per­so­nen er­streckt wor­den sei, die­se Er­stre­ckung aber nicht rück­wir­kend gel­te.
18 Mit Ur­teil vom 30. März 2010 bestätig­te die Cour d’ap­pel de Poi­tiers (Be­ru­fungs­ge­richt Poi­tiers) die­ses Ur­teil mit der Be­gründung, der PACS un­ter­schei­de sich von der Ehe durch die für die Sch­ließung gel­ten­den Form­vor­schrif­ten, den Um­stand, dass er von zwei volljähri­gen natürli­chen Per­so­nen ver­schie­de­nen oder glei­chen Ge­schlechts ge­schlos­sen wer­den könne, durch die Art der Be­en­di­gung so­wie durch die ge­gen­sei­ti­gen Ver­pflich­tun­gen auf dem Ge­biet des Vermögens­rechts, des Erbrechts und des Kind­schafts­rechts. Die un­ter­schied­li­che Be­hand­lung von Ver­hei­ra­te­ten und Part­nern ei­nes PACS im Hin­blick auf die aus fa­mi­liären Gründen ge­zahl­ten Vergüns­ti­gun­gen be­ru­he we­der auf ih­rer fa­mi­liären Si­tua­ti­on noch auf ih­rer se­xu­el­len Aus­rich­tung, son­dern auf ei­nem sich aus ih­rem Per­so­nen­stand er­ge­ben­den Sta­tus­un­ter­schied, so dass sie sich nicht in der­sel­ben La­ge befänden.
19 Am 28. Mai 2010 leg­te Herr Hay ge­gen die­ses Ur­teil Rechts­mit­tel bei der Cour de cas­sa­ti­on ein. Nach sei­ner An­sicht stellt die Wei­ge­rung des Crédit agri­co­le, ihm die Son­der­ur­laubs­ta­ge und die Ehe­sch­ließungs­prämie zu gewähren, die nach der Con­ven­ti­on collec­tive na­tio­na­le du Crédit agri­co­le vor­ge­se­hen sei­en, ei­ne Dis­kri­mi­nie­rung auf­grund sei­ner se­xu­el­len Aus­rich­tung dar, die ge­gen Art. L. 122-45 des Code du tra­vail, die Art. 1 bis 3 der Richt­li­nie 2000/78 und Art. 14 der am 4. No­vem­ber 1950 in Rom un­ter­zeich­ne­ten Eu­ropäischen Kon­ven­ti­on zum Schutz der Men­schen­rech­te und Grund­frei­hei­ten ver­s­toße.
20 Gemäß Art. 144 des Code ci­vil könn­ten nur Per­so­nen un­ter­schied­li­chen Ge­schlechts hei­ra­ten, während Per­so­nen glei­chen Ge­schlechts le­dig­lich nach Art. 515-1 ei­nen PACS schließen könn­ten. Aus die­ser Be­stim­mung in Ver­bin­dung mit der Con­ven­ti­on collec­tive na­tio­na­le du Crédit agri­co­le fol­ge, dass durch ei­nen PACS ver­bun­de­ne Per­so­nen glei­chen Ge­schlechts nicht in den Ge­nuss der Ur­laubs­ta­ge und der Ehe­sch­ließungs­prämie kom­men könn­ten, die den ver­hei­ra­te­ten Mit­ar­bei­tern die­ses Un­ter­neh­mens gewährt würden.
21

Un­ter die­sen Umständen hat die Cour de cas­sa­ti­on das Ver­fah­ren aus­ge­setzt und dem Ge­richts­hof fol­gen­de Fra­ge zur Vor­ab­ent­schei­dung vor­ge­legt:

Ist Art. 2 Abs. 2 Buchst. b der Richt­li­nie 2000/78 da­hin aus­zu­le­gen, dass die Ent­schei­dung des na­tio­na­len Ge­setz­ge­bers, das Ein­ge­hen ei­ner Ehe Per­so­nen un­ter­schied­li­chen Ge­schlechts vor­zu­be­hal­ten, ein rechtmäßiges, an­ge­mes­se­nes und er­for­der­li­ches Ziel dar­stel­len kann, das die mit­tel­ba­re Dis­kri­mi­nie­rung recht­fer­tigt, die sich dar­aus er­gibt, dass ein Ta­rif­ver­trag, in­dem er ei­ne Vergüns­ti­gung in Be­zug auf Ar­beits­ent­gelt und Ar­beits­be­din­gun­gen den ei­ne Ehe schließen­den Mit­ar­bei­tern vor­behält, zwangsläufig Part­ner glei­chen Ge­schlechts, die ei­nen PACS ge­schlos­sen ha­ben, von der Gewährung die­ser Vergüns­ti­gung aus­sch­ließt?

Zur Vor­la­ge­fra­ge

22 Die Vor­la­ge­fra­ge be­ruht auf der An­nah­me, dass die Con­ven­ti­on collec­tive na­tio­na­le du Crédit Agri­co­le ei­ne mit­tel­ba­re Dis­kri­mi­nie­rung auf­grund der se­xu­el­len Aus­rich­tung im Sin­ne von Art. 2 Abs. 2 Buchst. b der Richt­li­nie 2000/78 enthält, und be­trifft die Fra­ge, ob die­se Dis­kri­mi­nie­rung ge­recht­fer­tigt sein kann.
23 Hier­zu ist dar­auf hin­zu­wei­sen, dass das vor­le­gen­de Ge­richt zwar sei­ne Fra­ge der Form nach auf die Aus­le­gung ei­ner be­stimm­ten Vor­schrift des Uni­ons­rechts be­schränkt hat, dass dies aber den Ge­richts­hof nach ständi­ger Recht­spre­chung nicht dar­an hin­dert, dem Ge­richt al­le Hin­wei­se zur Aus­le­gung des Uni­ons­rechts zu ge­ben, die die­sem bei der Ent­schei­dung des bei ihm anhängi­gen Ver­fah­rens von Nut­zen sein können, und zwar un­abhängig da­von, ob es bei sei­ner Fra­ge­stel­lung dar­auf Be­zug ge­nom­men hat (vgl. in die­sem Sin­ne Ur­teil vom 12. Ja­nu­ar 2010, Wolf, C-229/08, Slg. 2010, I-1, Rand­nr. 32 und die dort an­geführ­te Recht­spre­chung).
24 An­ge­sichts des Sach­ver­halts des Aus­gangs­ver­fah­rens, wie er in der Vor­la­ge­ent­schei­dung ge­schil­dert ist, ist zu prüfen, ob ein na­tio­na­ler Ta­rif­ver­trag wie der des Crédit agri­co­le ei­ne un­mit­tel­ba­re oder mit­tel­ba­re Dis­kri­mi­nie­rung im Sin­ne von Art. 2 Abs. 2 der Richt­li­nie 2000/78 enthält.
25 Es ist da­her da­von aus­zu­ge­hen, dass das vor­le­gen­de Ge­richt mit sei­ner Fra­ge wis­sen möch­te, ob Art. 2 Abs. 2 Buchst. a und b die­ser Richt­li­nie da­hin aus­zu­le­gen sind, dass sie ei­ner Ta­rif­ver­trags­be­stim­mung wie der im Aus­gangs­ver­fah­ren in Re­de ste­hen­den ent­ge­gen­ste­hen, nach der ein Ar­beit­neh­mer, der ei­nen PACS mit ei­ner Per­son glei­chen Ge­schlechts schließt, von dem An­spruch auf Vergüns­ti­gun­gen wie Son­der­ur­laubs­ta­ge und ei­ne Ge­haltsprämie aus­ge­schlos­sen ist, die Ar­beit­neh­mern aus An­lass ih­rer Ehe­sch­ließung gewährt wer­den, wenn das na­tio­na­le Recht des be­tref­fen­den Mit­glied­staats es Per­so­nen glei­chen Ge­schlechts nicht ge­stat­tet, ei­ne Ehe zu schließen.
26 Zunächst ist dar­auf hin­zu­wei­sen, dass, wie aus dem 22. Erwägungs­grund der Richt­li­nie 2000/78 her­vor­geht, Rechts­vor­schrif­ten über den Fa­mi­li­en­stand in die Zuständig­keit der Mit­glied­staa­ten fal­len. In­des ist Zweck der Richt­li­nie 2000/78 aus­weis­lich ih­res Art. 1 die Bekämp­fung be­stimm­ter For­men von Dis­kri­mi­nie­rung in Beschäfti­gung und Be­ruf, dar­un­ter Dis­kri­mi­nie­run­gen we­gen der se­xu­el­len Aus­rich­tung, um den Grund­satz der Gleich­be­hand­lung in den Mit­glied­staa­ten zu ver­wirk­li­chen (vgl. Ur­teil vom 10. Mai 2011, Römer, C-147/08, Slg. 2011, I-3591, Rand­nr. 38).
27 Was die An­wen­dung der Richt­li­nie 2000/78 auf Be­stim­mun­gen ei­nes Ta­rif­ver­trags wie des im Aus­gangs­ver­fah­ren in Re­de ste­hen­den be­trifft, müssen nach der Recht­spre­chung des Ge­richts­hofs die So­zi­al­part­ner, wenn sie Maßnah­men tref­fen, die in den Gel­tungs­be­reich die­ser Richt­li­nie fal­len, un­ter de­ren Be­ach­tung vor­ge­hen (vgl. Ur­tei­le vom 13. Sep­tem­ber 2011, Prig­ge u. a., C‑447/09, Slg. 2011, I-8003, Rand­nr. 48, und vom 7. Ju­ni 2012, Ty­ro­le­an Air­ways Ti­ro­ler Luft­fahrt, C-132/11, noch nicht in der amt­li­chen Samm­lung veröffent­licht, Rand­nr. 22).
28 In­dem die Art. 20 und 34 der Con­ven­ti­on collec­tive na­tio­na­le du Crédit Agri­co­le vor­se­hen, dass Ar­beit­neh­mern des Un­ter­neh­mens aus An­lass der Ehe­sch­ließung be­zahl­ter Ur­laub und ei­ne Ehe­sch­ließungs­prämie gewährt wer­den, le­gen sie Re­geln in Be­zug auf die Beschäfti­gungs- und Ar­beits­be­din­gun­gen, ins­be­son­de­re das Ar­beits­ent­gelt im Sin­ne von Art. 3 Abs. 1 Buchst. c der Richt­li­nie 2000/78 fest. Der Be­griff „Ar­beits­ent­gelt“ im Sin­ne die­ser Vor­schrift ist nämlich weit aus­zu­le­gen und um­fasst ins­be­son­de­re al­le ge­genwärti­gen oder künf­ti­gen in bar oder in Sach­leis­tun­gen gewähr­ten Vergütun­gen, vor­aus­ge­setzt, dass der Ar­beit­ge­ber sie dem Ar­beit­neh­mer we­nigs­tens mit­tel­bar auf­grund des Ar­beits­verhält­nis­ses gewährt, sei es auf­grund ei­nes Ar­beits­ver­trags, auf­grund von Rechts­vor­schrif­ten oder frei­wil­lig (vgl. Ur­teil vom 6. De­zem­ber 2012, Dittrich u. a., C-124/11, C-125/11 und C-143/11, noch nicht in der amt­li­chen Samm­lung veröffent­licht, Rand­nr. 35).
29 Folg­lich ist da­von aus­zu­ge­hen, dass die Richt­li­nie 2000/78 auf ei­nen Fall, wie er dem Rechts­streit des Aus­gangs­ver­fah­rens zu­grun­de liegt, An­wen­dung fin­det.
30 Nach Art. 2 die­ser Richt­li­nie be­deu­tet „Gleich­be­hand­lungs­grund­satz“, dass es kei­ne un­mit­tel­ba­re oder mit­tel­ba­re Dis­kri­mi­nie­rung we­gen ei­nes der in ih­rem Art. 1 ge­nann­ten Gründe ge­ben darf.
31 Ei­ne un­mit­tel­ba­re Dis­kri­mi­nie­rung liegt nach Art. 2 Abs. 2 Buchst. a der Richt­li­nie 2000/78 vor, wenn ei­ne Per­son we­gen ei­nes der in Art. 1 die­ser Richt­li­nie ge­nann­ten Gründe, zu de­nen die se­xu­el­le Aus­rich­tung gehört, ei­ne we­ni­ger güns­ti­ge Be­hand­lung erfährt, als ei­ne an­de­re Per­son, die sich in ei­ner ver­gleich­ba­ren Si­tua­ti­on be­fin­det.
32 Folg­lich setzt das Vor­lie­gen ei­ner sol­chen Dis­kri­mi­nie­rung vor­aus, dass die ge­gen­ein­an­der ab­zuwägen­den Si­tua­tio­nen ver­gleich­bar sind (vgl. u. a. Ur­teil Römer, Rand­nr. 41).
33 Hier­zu ist dar­auf hin­zu­wei­sen, dass zum ei­nen die Si­tua­tio­nen nicht iden­tisch, son­dern nur ver­gleich­bar sein müssen, und zum an­de­ren die Prüfung die­ser Ver­gleich­bar­keit nicht all­ge­mein und abs­trakt sein darf, son­dern spe­zi­fisch und kon­kret für die be­tref­fen­de Leis­tung er­fol­gen muss (vgl. Ur­tei­le vom 1. April 2008, Ma­ru­ko, C-267/06, Slg. 2008, I-1757, Rand­nrn. 67 bis 69, und Römer, Rand­nr. 42).
34 Da­her hat der Ge­richts­hof zur Ein­ge­tra­ge­nen Le­bens­part­ner­schaft, wie sie im deut­schen Ge­setz über die Ein­ge­tra­ge­ne Le­bens­part­ner­schaft vor­ge­se­hen ist, ent­schie­den, dass der Ver­gleich der Si­tua­tio­nen auf ei­ne Ana­ly­se zu stützen ist, die sich auf die Rech­te und Pflich­ten ver­hei­ra­te­ter Per­so­nen und ein­ge­tra­ge­ner Le­bens­part­ner kon­zen­triert, wie sie sich aus den an­wend­ba­ren in­ner­staat­li­chen Be­stim­mun­gen er­ge­ben, die un­ter Berück­sich­ti­gung des Zwecks und der Vor­aus­set­zun­gen für die Gewährung der im Aus­gangs­ver­fah­ren frag­li­chen Leis­tung re­le­vant sind, und nicht in der Prüfung be­ste­hen darf, ob die ein­ge­tra­ge­ne Le­bens­part­ner­schaft der Ehe im na­tio­na­len Recht all­ge­mein und um­fas­send recht­lich gleich­ge­stellt ist (vgl. Ur­teil Römer, Rand­nr. 43).
35 In Be­zug auf den be­zahl­ten Ur­laub und die Prämie, die Ar­beit­neh­mern nach den im Aus­gangs­ver­fah­ren in Re­de ste­hen­den Be­stim­mun­gen aus An­lass der Ehe­sch­ließung gewährt wer­den, ist zu prüfen, ob die Si­tua­ti­on von Per­so­nen, die ei­ne Ehe schließen, und die von Per­so­nen, die ei­nen PACS ein­ge­hen, weil sie nicht die Möglich­keit ha­ben, mit ei­ner Per­son glei­chen Ge­schlechts ei­ne Ehe zu schließen, ver­gleich­bar sind.
36 Aus der Vor­la­ge­ent­schei­dung und den dem Ge­richts­hof vor­ge­leg­ten Ak­ten er­gibt sich, dass Per­so­nen glei­chen Ge­schlechts ei­nen PACS schließen können, um ih­re Le­bens­ge­mein­schaft zu or­ga­ni­sie­ren, in­dem sie sich im Rah­men die­ser Le­bens­ge­mein­schaft zu ge­gen­sei­ti­ger ma­te­ri­el­ler Un­terstützung und ge­gen­sei­ti­gem Bei­stand ver­pflich­ten. Der PACS, der ei­ne ge­mein­sa­me Erklärung und ei­ne Ein­tra­gung bei der Kanz­lei des Tri­bu­nal d’in­stan­ce (erst­in­stanz­li­ches Ge­richt), in des­sen Be­zirk die Be­tref­fen­den ih­ren ge­mein­sa­men Wohn­sitz be­gründen, er­for­dert, stellt wie die Ehe ei­ne Form der Zi­vil­uni­on nach französi­schem Recht dar, die für das Paar ei­nen ge­nau be­stimm­ten recht­li­chen Rah­men schafft, in­dem sie Rech­te und Pflich­ten der Part­ner im Verhält­nis zu­ein­an­der und ge­genüber Drit­ten be­gründet. Auch wenn der PACS auch Per­so­nen un­ter­schied­li­chen Ge­schlechts of­fen­steht und un­ge­ach­tet der all­ge­mei­nen Un­ter­schie­de zwi­schen der Re­ge­lung über die Ehe und der Re­ge­lung über den PACS, stell­te der PACS die ein­zi­ge Möglich­keit dar, die das französi­sche Recht gleich­ge­schlecht­li­chen Paa­ren zum im Aus­gangs­ver­fah­ren maßgeb­li­chen Zeit­punkt bot, um ih­rer Part­ner­schaft ei­nen fes­ten recht­li­chen Sta­tus zu ver­lei­hen, der Drit­ten ent­ge­gen­ge­hal­ten wer­den kann.
37 In Be­zug auf Vergüns­ti­gun­gen im Hin­blick auf das Ar­beits­ent­gelt oder die Ar­beits­be­din­gun­gen wie Son­der­ur­laubs­ta­ge und ei­ne Prämie wie die, um die es im Aus­gangs­ver­fah­ren geht, die bei Sch­ließung der Zi­vil­uni­on der Ehe gewährt wer­den, be­fin­den sich da­her Per­so­nen glei­chen Ge­schlechts, die, weil sie kei­ne Ehe ein­ge­hen können, ei­nen PACS schließen, in ei­ner Si­tua­ti­on, die mit der von Paa­ren, die ei­ne Ehe schließen, ver­gleich­bar ist.
38 Hier­zu ist dar­auf hin­zu­wei­sen, dass gemäß der in Rand­nr. 33 des vor­lie­gen­den Ur­teils an­geführ­ten Recht­spre­chung der Um­stand, dass der Con­seil con­sti­tu­ti­on­nel (Ver­fas­sungs­rat) in sei­ner Ent­schei­dung Nr. 2011-155, Lau­rence L., ent­schie­den hat, dass sich ver­hei­ra­te­te Paa­re und durch ei­nen PACS ver­bun­de­ne Paa­re hin­sicht­lich des An­spruchs auf ei­ne Hin­ter­blie­be­nen­ren­te nicht in ei­ner ver­gleich­ba­ren Si­tua­ti­on befänden, die Ver­gleich­bar­keit der Si­tua­ti­on ver­hei­ra­te­ter Ar­beit­neh­mer mit der ho­mo­se­xu­el­ler Ar­beit­neh­mer, die ei­nen PACS ge­schlos­sen ha­ben, hin­sicht­lich der Gewährung von Ur­laubs­ta­gen und Prämi­en aus An­lass der Ehe­sch­ließung nicht aus­sch­ließt.
39  Fer­ner sind die Un­ter­schie­de zwi­schen der Ehe und dem PACS, die die Cour d’ap­pel de Poi­tiers im Aus­gangs­ver­fah­ren hin­sicht­lich der für die Sch­ließung gel­ten­den Form­vor­schrif­ten, der Möglich­keit, von zwei volljähri­gen natürli­chen Per­so­nen ver­schie­de­nen oder glei­chen Ge­schlechts ge­schlos­sen zu wer­den, der Art der Be­en­di­gung oder der ge­gen­sei­ti­gen Ver­pflich­tun­gen auf dem Ge­biet des Vermögens­rechts, des Erbrechts und des Kind­schafts­rechts fest­ge­stellt hat, un­er­heb­lich für die Be­ur­tei­lung, ob ein Ar­beit­neh­mer An­spruch auf Vergüns­ti­gun­gen in Be­zug auf das Ent­gelt oder die Ar­beits­be­din­gun­gen wie die im Aus­gangs­ver­fah­ren in Re­de ste­hen­den hat.
40 In die­sem Zu­sam­men­hang ist dar­auf hin­zu­wei­sen, dass die ge­nann­ten Vergüns­ti­gun­gen nach der Con­ven­ti­on collec­tive na­tio­na­le du Crédit Agri­co­le aus An­lass der Ehe­sch­ließung gewährt wer­den und nicht im Hin­blick auf die Rech­te und Pflich­ten, die sich aus der Ehe er­ge­ben. Dies wird da­durch bestätigt, dass nach Art. 20 die­ses Ta­rif­ver­trags Son­der­ur­laub nicht nur aus An­lass der Ehe­sch­ließung des fest an­ge­stell­ten Ar­beit­neh­mers selbst, son­dern auch aus An­lass der Ehe­sch­ließung sei­ner Kin­der und sei­ner Ge­schwis­ter gewährt wird.
41 Was das Vor­lie­gen der Dis­kri­mi­nie­rung be­trifft, er­gibt sich aus der Recht­spre­chung des Ge­richts­hofs, dass die Re­ge­lung ei­nes Mit­glied­staats, die nur ver­hei­ra­te­ten Ar­beit­neh­mern ei­nen An­spruch auf Vergüns­ti­gun­gen in Be­zug auf das Ent­gelt oder die Ar­beits­be­din­gun­gen einräumt, während die Sch­ließung ei­ner Ehe in die­sem Mit­glied­staat recht­lich nur zwi­schen Per­so­nen un­ter­schied­li­chen Ge­schlechts möglich ist, ei­ne un­mit­tel­ba­re, auf der se­xu­el­len Aus­rich­tung be­ru­hen­de Dis­kri­mi­nie­rung von ho­mo­se­xu­el­len Ar­beit­neh­mern be­gründet, die ei­nen PACS ge­schlos­sen ha­ben und sich in ei­ner ver­gleich­ba­ren Si­tua­ti­on be­fin­den (vgl. in die­sem Sin­ne Ur­tei­le Ma­ru­ko, Rand­nr. 73, und Römer, Rand­nr. 52).
42 Die Art. 20 und 34 der Con­ven­ti­on collec­tive na­tio­na­le du Crédit Agri­co­le gewähren Ar­beit­neh­mern, die ei­ne Ehe schließen, be­zahl­ten Ur­laub und ei­ne Prämie. Da die Ehe nach An­ga­ben des vor­le­gen­den Ge­richts Per­so­nen glei­chen Ge­schlechts nicht of­fen­steht, können die­se nicht in den Ge­nuss die­ser Vergüns­ti­gun­gen ge­lan­gen.
43 Dass der PACS im Un­ter­schied zur ein­ge­tra­ge­nen Le­bens­part­ner­schaft, um die es in den Rechts­sa­chen ging, in de­nen die Ur­tei­le Ma­ru­ko und Römer er­gan­gen sind, nicht ho­mo­se­xu­el­len Paa­ren vor­be­hal­ten ist, ist un­er­heb­lich und ändert ins­be­son­de­re nichts am We­sen der Dis­kri­mi­nie­rung die­ser Paa­re, de­nen - an­ders als he­te­ro­se­xu­el­len Paa­ren - zum für das Aus­gangs­ver­fah­ren maßgeb­li­chen Zeit­punkt die Sch­ließung ei­ner Ehe recht­lich nicht möglich war.
44 Ei­ne un­ter­schied­li­che Be­hand­lung, die dar­auf be­ruht, dass Ar­beit­neh­mer ver­hei­ra­tet sind, und nicht aus­drück­lich auf ih­rer se­xu­el­len Aus­rich­tung, stellt den­noch ei­ne un­mit­tel­ba­re Dis­kri­mi­nie­rung dar, da ho­mo­se­xu­el­le Ar­beit­neh­mer die not­wen­di­ge Vor­aus­set­zung nicht erfüllen können, um die be­an­spruch­te Vergüns­ti­gung zu er­hal­ten, weil die Ehe Per­so­nen un­ter­schied­li­chen Ge­schlechts vor­be­hal­ten ist.
45 Im Übri­gen kann die Dis­kri­mi­nie­rung, wenn sie un­mit­tel­bar ist, nicht durch ein „rechtmäßiges Ziel“ im Sin­ne von Art. 2 Abs. 2 Buchst. b die­ser Richt­li­nie ge­recht­fer­tigt wer­den, da die­se Be­stim­mung nur mit­tel­ba­re Dis­kri­mi­nie­run­gen be­trifft, son­dern nur durch ei­nen der in Art. 2 Abs. 5 die­ser Richt­li­nie be­zeich­ne­ten Gründe, nämlich die öffent­li­che Si­cher­heit, die Ver­tei­di­gung der Ord­nung und die Verhütung von Straf­ta­ten, den Schutz der Ge­sund­heit und den Schutz der Rech­te und Frei­hei­ten an­de­rer.
46 Hier­zu ist dar­auf hin­zu­wei­sen, dass im Rah­men des Aus­gangs­ver­fah­rens kei­ner die­ser Gründe gel­tend ge­macht wur­de. Außer­dem ist Art. 2 Abs. 5 der Richt­li­nie 2000/78, da er ei­ne Ab­wei­chung vom Grund­satz des Ver­bots der Dis­kri­mi­nie­run­gen be­gründet, eng aus­zu­le­gen (vgl. Ur­teil Prig­ge u. a., Rand­nr. 56).
47 Nach al­le­dem ist auf die Vor­la­ge­fra­ge zu ant­wor­ten, dass Art. 2 Abs. 2 Buchst. a der Richt­li­nie 2000/78 da­hin aus­zu­le­gen ist, dass er ei­ner Ta­rif­ver­trags­be­stim­mung wie der im Aus­gangs­ver­fah­ren in Re­de ste­hen­den ent­ge­gen­steht, nach der ein Ar­beit­neh­mer, der ei­nen PACS mit ei­ner Per­son glei­chen Ge­schlechts schließt, von dem An­spruch auf Vergüns­ti­gun­gen wie Son­der­ur­laubs­ta­ge und ei­ne Ge­haltsprämie aus­ge­schlos­sen ist, die Ar­beit­neh­mern aus An­lass ih­rer Ehe­sch­ließung gewährt wer­den, wenn die na­tio­na­le Re­ge­lung des be­tref­fen­den Mit­glied­staats Per­so­nen glei­chen Ge­schlechts die Ehe­sch­ließung nicht ge­stat­tet, da der be­trof­fe­ne Ar­beit­neh­mer sich un­ter Berück­sich­ti­gung des Zwecks und der Vor­aus­set­zun­gen der Gewährung die­ser Vergüns­ti­gun­gen in ei­ner Si­tua­ti­on be­fin­det, die mit der ei­nes Ar­beit­neh­mers, der ei­ne Ehe schließt, ver­gleich­bar ist.

Kos­ten

48 Für die Par­tei­en des Aus­gangs­ver­fah­rens ist das Ver­fah­ren ein Zwi­schen­streit in dem bei dem vor­le­gen­den Ge­richt anhängi­gen Rechts­streit; die Kos­ten­ent­schei­dung ist da­her Sa­che die­ses Ge­richts. Die Aus­la­gen an­de­rer Be­tei­lig­ter für die Ab­ga­be von Erklärun­gen vor dem Ge­richts­hof sind nicht er­stat­tungsfähig.

Aus die­sen Gründen hat der Ge­richts­hof (Fünf­te Kam­mer) für Recht er­kannt:

Art. 2 Abs. 2 Buchst. a der Richt­li­nie 2000/78/EG des Ra­tes vom 27. No­vem­ber 2000 zur Fest­le­gung ei­nes all­ge­mei­nen Rah­mens für die Ver­wirk­li­chung der Gleich­be­hand­lung in Beschäfti­gung und Be­ruf ist da­hin aus­zu­le­gen, dass er ei­ner Ta­rif­ver­trags­be­stim­mung wie der im Aus­gangs­ver­fah­ren in Re­de ste­hen­den ent­ge­gen­steht, nach der ein Ar­beit­neh­mer, der ei­nen zi­vi­len So­li­da­ritätspakt mit ei­ner Per­son glei­chen Ge­schlechts schließt, von dem An­spruch auf Vergüns­ti­gun­gen wie Son­der­ur­laubs­ta­ge und ei­ne Ge­haltsprämie aus­ge­schlos­sen ist, die Ar­beit­neh­mern aus An­lass ih­rer Ehe­sch­ließung gewährt wer­den, wenn die na­tio­na­le Re­ge­lung des be­tref­fen­den Mit­glied­staats Per­so­nen glei­chen Ge­schlechts die Ehe­sch­ließung nicht ge­stat­tet, da der be­trof­fe­ne Ar­beit­neh­mer sich un­ter Berück­sich­ti­gung des Zwecks und der Vor­aus­set­zun­gen der Gewährung die­ser Vergüns­ti­gun­gen in ei­ner Si­tua­ti­on be­fin­det, die mit der ei­nes Ar­beit­neh­mers, der ei­ne Ehe schließt, ver­gleich­bar ist.

Un­ter­schrif­ten

* Ver­fah­rens­spra­che: Französisch.

Quel­le: Ge­richts­hof der Eu­ropäischen Uni­on (EuGH), http://cu­ria.eu­ro­pa.eu

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