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ARBEITSRECHT AKTUELL // 13/383

Auch gleich­ge­schlecht­li­che Le­bens­part­ner ha­ben An­spruch auf Son­der­ur­laub

Un­mit­tel­ba­re Dis­kri­mi­nie­rung von Part­nern ei­nes "zi­vi­len So­li­da­ri­täts­pakts" durch Ver­wei­ge­rung von Son­der­ur­laub und Hoch­zeits­prä­mie: Eu­ro­päi­scher Ge­richts­hof, Ur­teil vom 12.12.2013, C-267/12 (Hay gg. Cré­dit agri­co­le)
Gayfahne Hoch­zeits­ver­güns­ti­gun­gen auch bei Ein­ge­hung ei­nes PACS

28.12.2013. Das eu­ro­päi­sche Recht ver­pflich­tet die Mit­glieds­staa­ten der Eu­ro­päi­schen Uni­on (EU) da­zu, Dis­kri­mi­nie­run­gen von Schwu­len und Les­ben im Ar­beits­le­ben zu be­sei­ti­gen.

Grund­la­ge die­ses Dis­kri­mi­nie­rungs­schut­zes ist die Richt­li­nie 2000/78/EG des Ra­tes vom 27.11.2000, die in Deutsch­land durch das All­ge­mei­ne Gleich­be­hand­lungs­ge­setz (AGG) um­ge­setzt wur­de. Die Richt­li­nie ver­bie­tet je­de Dis­kri­mi­nie­rung von Ho­mo­se­xu­el­len beim The­ma Lohn und Ge­halt.

Vor zwei Wo­chen hat der Eu­ro­päi­sche Ge­richts­hof (EuGH) klar­ge­stellt, dass ho­mo­se­xu­el­le Ar­beit­neh­mer, die ei­ne ehe­ähn­li­che recht­li­che Ge­mein­schaft ein­ge­hen wie z.B. ei­nen "zi­vi­len So­li­da­ri­täts­pakt" nach fran­zö­si­schem Recht (pac­te ci­vil de so­li­da­rité - PACS), die­sel­ben An­sprü­che auf ta­rif­li­chen Son­der­ur­laub und ei­ne Hoch­zeits­prä­mie ha­ben wie he­te­ro­se­xu­el­le Ar­beit­neh­mer: EuGH, Ur­teil vom 12.12.2013, C-267/12 (Hay gg. Cré­dit agri­co­le).

Wann können gleich­ge­schlecht­li­che Le­bens­part­ner von Leis­tun­gen aus­ge­nom­men wer­den, die ver­hei­ra­te­ten Ar­beit­neh­mern zu­ste­hen?

Mit sei­nem Ur­teil vom 01.04.2008 (Rs. C-267/06 -Ta­dao Ma­ru­ko) hat der EuGH ent­schie­den, dass die Art.1, Art.2 und Art.3 der Richt­li­nie 2000/78/EG die Be­nach­tei­li­gung gleich­ge­schlecht­li­cher Part­ner ei­ner ein­ge­tra­ge­nen Le­bens­part­ner­schaft nach deut­schem Recht beim Be­zug von Hin­ter­blie­be­nen­ren­ten ver­bie­tet, falls die Le­bens­part­ner­schaft der Ehe beim The­ma Ren­te "ver­gleich­bar" ist (wir be­rich­te­ten in Ar­beits­recht ak­tu­ell: 08/046 Eu­ro­pa­recht ver­bie­tet Be­nach­tei­li­gun­gen von Ho­mo­se­xu­el­len beim Be­zug von Hin­ter­blie­be­nen­ren­ten).

Die­se Ver­gleich­bar­keit von Ehe und Le­bens­part­ner­schaft beim The­ma Be­triebs­ren­te hat das Bun­des­ar­beits­ge­richt (BAG) für die Zeit ab dem 01.01.2005 be­jaht (wir be­rich­te­ten in Ar­beits­recht ak­tu­ell: 09/018 Kei­ne Hin­ter­blie­be­nen­ren­te für gleich­ge­schlecht­li­che Part­ner? und in Ar­beits­recht ak­tu­ell: 09/104 Hin­ter­blie­be­nen­ren­te für Le­bens­part­ner bei To­desfällen ab dem 01.01.2005). Denn seit An­fang 2005 ist bei der Auflösung ei­ner ein­ge­tra­ge­nen Le­bens­part­ner­schaft ein Ver­sor­gungs­aus­gleich durch­zuführen, d.h. ei­ne ge­richt­li­che Auf­tei­lung der während der Dau­er der Le­bens­part­ner­schaft er­wor­be­nen Ren­ten­an­wart­schaf­ten. Und da­mit sind Ehe und Le­bens­part­ner­schaft beim The­ma Be­triebs­ren­te ver­gleich­bar, so das BAG.

In vie­len Mit­glieds­staa­ten der EU können Schwu­le und Les­ben ih­ren gleich­ge­schlecht­li­chen Part­ner zwar im­mer noch nicht hei­ra­ten, ha­ben aber seit ei­ni­gen Jah­ren die Möglich­keit, ei­ne der Ehe recht­lich an­genäher­te ver­bind­li­che Le­bens­ge­mein­schaft ein­zu­ge­hen. Und weil vie­le Ge­set­ze, Ta­rif­verträge und Ar­beits­verträge tra­di­tio­nell nur ver­hei­ra­te­ten Ar­beit­neh­mern be­stimm­te Vergüns­ti­gun­gen gewähren, stellt sich auf der Grund­la­ge des Ma­ru­ko-Ur­teils des EuGH die Fra­ge, ob recht­lich ge­re­gel­te Le­bens­part­ner­schaf­ten mit der Ehe in Be­zug auf be­stimm­te Vergüns­ti­gun­gen ver­gleich­bar sind oder nicht.

Die­se Fra­ge stellt sich auch beim "zi­vi­len So­li­da­ritätspakt" nach französi­schem Recht, dem PACS und führ­te zu ei­nem ar­beits­ge­richt­li­chen Streit in Frank­reich, zu dem der EuGH jetzt Stel­lung ge­nom­men hat.

Der Streit­fall: An­spruch ei­nes französi­schen Ar­beit­neh­mers auf Hoch­zeits­leis­tun­gen (Son­der­ur­laub, Prämie) we­gen Ein­ge­hung ei­nes gleich­ge­schlecht­li­chen So­li­da­ritätspak­tes (pac­te ci­vil de so­li­da­rité - PACS)

Seit 1999 können Schwu­le, Les­ben und he­te­ro­se­xu­el­le Paa­re in Frank­reich ei­nen PACS ver­ein­ba­ren und ein­tra­gen las­sen. Paa­re, die sich dafür ent­schei­den, ha­ben nach französi­schem Recht die meis­ten Rech­te und Pflich­ten, die auch für Ehe­leu­te gel­ten.

Seit Mit­te Mai 2013 können Schwu­le und Les­ben darüber hin­aus auch ei­ne Ehe ein­ge­hen, was in Frank­reich zu mas­si­ven Pro­tes­ten der po­li­ti­schen Rech­ten geführt hat.

Im Streit­fall hat­te ein französi­scher Bank­an­ge­stell­ter, Herr Frédéric Hay, im Jah­re 2007 mit sei­nem Le­bens­part­ner ei­nen PACS ver­ein­bart und ver­lang­te dar­auf­hin von sei­nem Ar­beit­ge­ber, dem Crédit agri­co­le, ei­ne ta­rif­li­che Prämie, die he­te­ro­se­xu­el­len Ar­beit­neh­mern bei ih­rer Ehe­sch­ließung zu­steht. Außer­dem woll­te er zehn Ta­ge Son­der­ur­laub, der nach dem Ta­rif­ver­trag eben­falls nur für den Fall der Ehe­sch­ließung vor­ge­se­hen war.

Da der Crédit agri­co­le die Prämie und den Son­der­ur­laub ver­wei­ger­te, klag­te Herr Hay auf Zah­lung der Prämie und auf Scha­dens­er­satz we­gen des ver­wei­ger­ten Son­der­ur­laubs.

Die ers­ten zwei In­stan­zen wie­sen sei­ne Kla­ge ab. Die in der drit­ten In­stanz zuständi­ge Cour de cas­sa­ti­on setz­te das Ver­fah­ren aus und frag­te den EuGH, ob die hier maßgeb­li­chen französi­schen Vor­schrif­ten mögli­cher­wei­se ei­ne mit­tel­ba­re Dis­kri­mi­nie­rung ho­mo­se­xu­el­ler Ar­beit­neh­mer im Sin­ne von Art.2 Abs.2 Buch­sta­be b) der Richt­li­nie 2000/78/EG sind.

EuGH: So­lan­ge Mit­glieds­staa­ten Ho­mo­se­xu­el­len die Ehe­sch­ließung nicht er­lau­ben, aber ei­ne recht­lich ge­re­gel­te Le­bens­part­ner­schaft vor­se­hen, sind Le­bens­part­ner und Ehe­leu­te beim Be­zug von Hoch­zeits­leis­tun­gen (Son­der­ur­laub, Prämie) ver­gleich­bar

Der EuGH stellt zunächst klar, dass die Richt­li­nie 2000/78/EG trotz des fa­mi­li­en­recht­li­chen Hin­ter­grunds auf den Streit­fall an­zu­wen­den ist, da die Par­tei­en ja um ta­rif­ver­trag­lich fest­ge­leg­te Ansprüche strit­ten, die ein für den Crédit agri­co­le gel­ten­der Ta­rif­ver­trag Ar­beit­neh­mern aus An­lass der Ehe­sch­ließung zu­ge­steht. In­dem die­ser Ta­rif­ver­trag ei­nen be­zahl­ten Son­der­ur­laub und ei­ne Ehe­sch­ließungs­prämie vor­sieht, legt er Re­geln in Be­zug auf die Beschäfti­gungs- und Ar­beits­be­din­gun­gen fest, d.h. Ar­beits­ent­gelt im Sin­ne von Art.3 Abs.1 Buchst. c) der Richt­li­nie 2000/78.

So­dann meint der EuGH, dass ho­mo­se­xu­el­le Part­ner, die ei­nen PACS nach französi­schem Recht be­gründet ha­ben, mit Ehe­leu­ten ver­gleich­bar sind, wenn es um die hier strei­ti­gen ta­rif­li­chen Son­der­leis­tun­gen aus An­lass der Ehe­sch­ließung bzw. der Be­gründung ei­nes PACS geht. Denn auf recht­li­che Un­ter­schie­de zwi­schen der Ehe und dem PACS beim Erb­schafts- und beim Kind­schafts­recht kommt es hier nicht an, so der EuGH.

Da der Kläger des Aus­gangs­ver­fah­rens im Jah­re 2007 noch nicht die Möglich­keit hat­te, sei­nen Part­ner zu hei­ra­ten, son­dern mit ihm nur ei­nen PACS ein­ge­hen konn­te, stel­len die hier maßgeb­li­chen ta­rif­ver­trag­li­chen Re­ge­lun­gen ei­ne ver­bo­te­ne Dis­kri­mi­nie­rung we­gen der se­xu­el­len Iden­tität dar, so der EuGH.

Bei die­ser Dis­kri­mi­nie­rung han­delt es sich im Übri­gen nicht et­wa "nur" um ei­ne mit­tel­ba­re Dis­kri­mi­nie­rung, son­dern um ei­ne un­mit­tel­ba­re Dis­kri­mi­nie­rung im Sin­ne von Art.2 Abs.2 Buch­sta­be a) der Richt­li­nie 2000/78/EG. Denn Herr Hay wur­de un­mit­tel­bar we­gen sei­ner Ho­mo­se­xua­lität schlech­ter ge­stellt als ein ver­gleich­ba­rer he­te­ro­se­xu­el­ler An­ge­stell­ter des Crédit agri­co­le, weil er im Jah­re 2007 mit sei­nem Part­ner kei­ne Ehe ein­ge­hen konn­te, so der EuGH.

Während der EuGH im Ma­ru­ko-Ur­teil noch dem na­tio­na­len Ge­richt die Prüfung über­las­sen hat­te, ob ei­ne Ver­gleich­bar­keit von Le­bens­part­ner­schaft und Ehe beim The­ma Ren­te vor­liegt oder nicht, hat er nun­mehr oh­ne viel Fe­der­le­sen ei­ne sol­che Ver­gleich­bar­keit von schwu­len Ar­beit­neh­mern, die ei­nen PACS ein­ge­hen, und Ehe­leu­ten fest­ge­stellt. Be­mer­kens­wert ist außer­dem, dass der Ge­richts­hof hier von ei­ner un­mit­tel­ba­ren Dis­kri­mi­nie­rung aus­geht, denn das ist ei­ne stärke­re Form der Be­nach­tei­li­gung, die nur in sehr sel­te­nen Fällen aus­nahms­wei­se ein­mal ge­recht­fer­tigt sein kann.

Fa­zit: Ho­mo­se­xu­el­le Ar­beit­neh­mer, die ei­ne recht­lich ver­bind­li­che Le­bens­part­ner­schaft ein­ge­gan­gen sind, dürfen von kei­nen Vergüns­ti­gun­gen mehr aus­ge­nom­men wer­den, die Ehe­leu­ten zu­ste­hen, denn ei­ne sol­che Schlech­ter­stel­lung wäre ei­ne ver­bo­te­ne un­mit­tel­ba­re Dis­kri­mi­nie­rung we­gen der se­xu­el­len Iden­tität.

Da Schwu­le und Les­ben in Deutsch­land nicht hei­ra­ten können, son­dern le­dig­lich ei­ne ein­ge­tra­ge­ne Le­bens­part­ner­schaft be­gründen können, ist das Hay-Ur­teil des EuGH auch in Deutsch­land von Be­deu­tung.

Ob es um Gra­ti­fi­ka­tio­nen oder ei­nen Son­der­ur­laub aus An­lass der Ehe­sch­ließung, um be­trieb­li­che Hin­ter­blie­be­nen­ren­ten oder um die Nut­zung ei­nes Dienst­wa­gens durch ei­nen Ehe­gat­ten geht - in al­len die­sen und ähn­li­chen Fällen müssen an­ge­stell­te Le­bens­part­ner künf­tig eins zu eins die­sel­ben Ansprüche ha­ben wie Ver­hei­ra­te­te. Es spielt da­bei selbst­verständ­lich auch kei­ne Rol­le, ob sich sol­che Ansprüche aus ei­nem Ta­rif­ver­trag (wie hier in dem französi­schen Streit­fall), aus ei­ner Be­triebs­ver­ein­ba­rung, aus ei­nem Ar­beits­ver­trag oder aus ei­ner be­trieb­li­chen Übung er­ge­ben.

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Letzte Überarbeitung: 16. November 2020

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