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LAG Ber­lin-Bran­den­burg, Ur­teil vom 16.02.2011, 4 Sa 2132/10

   
Schlagworte: E-Mail
   
Gericht: Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen: 4 Sa 2132/10
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 16.02.2011
   
Leitsätze: 1. Ein Arbeitgeber wird nicht allein dadurch zum Dienstanbieter i. S. d. Telekommunikationsgesetzes, dass er seinen Beschäftigten gestattet, einen dienstlichen E-Mail-Account auch privat zu nutzen.(Rn.36) 2. Belassen die Beschäftigten bei Nutzung des Arbeitsplatzrechners die eingehenden E-Mails im Posteingang bzw. die versendeten im Postausgang, so unterliegt der Zugriff des Arbeitgebers auf diese Daten nicht den rechtlichen Beschränkungen des Fernmeldegeheimnisses.(Rn.40)
Vorinstanzen: Arbeitsgericht Berlin, Urteil vom 17.08.2010, 36 Ca 235/10
   

Lan­des­ar­beits­ge­richt

Ber­lin-Bran­den­burg

 

Verkündet

am 16. Fe­bru­ar 2011

Geschäfts­zei­chen (bit­te im­mer an­ge­ben)

4 Sa 2132/10

36 Ca 235/10
Ar­beits­ge­richt Ber­lin
 

L.
Ver­wal­tungs­an­ge­stell­te
als Ur­kunds­be­am­ter/in
der Geschäfts­stel­le

 

Im Na­men des Vol­kes

 

Ur­teil

In Sa­chen

pp 

hat das Lan­des­ar­beits­ge­richt Ber­lin-Bran­den­burg, 4. Kam­mer,
auf die münd­li­che Ver­hand­lung vom 16. Fe­bru­ar 2011
durch den Vor­sit­zen­den Rich­ter am Lan­des­ar­beits­ge­richt Dr. Sch. als Vor­sit­zen­der
so­wie den eh­ren­amt­li­chen Rich­ter S. und die eh­ren­amt­li­che Rich­te­rin H.

für Recht er­kannt:

I. Die Be­ru­fung der Kläge­rin ge­gen das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Ber­lin
vom 17. Au­gust 2010 - 36 Ca 235/10 - wird auf Kos­ten der Kläge­rin zurück­ge­wie­sen.

II. Die Re­vi­si­on wird nicht zu­ge­las­sen.

 

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Tat­be­stand

Die Par­tei­en strei­ten dar­um, ob die Kläge­rin den Be­klag­ten den Zu­griff auf die in dem ih­rer E-Mail-An­schrift zu­ge­ord­ne­ten elek­tro­ni­schen Post­fach vor­han­de­nen E-Mails vollständig ver­wei­gern kann.

Zwi­schen der Kläge­rin und der Be­klag­ten zu 1), die ei­nen Be­trieb der Au­to­mo­bil­in­dus­trie be­treibt, be­steht seit dem Jahr 1988 ein Ar­beits­verhält­nis, in des­sen Rah­men die Kläge­rin zu­letzt als Ver­kaufs­be­ra­te­rin im Fir­men­an­gehöri­gen­geschäft in Ber­lin tätig war. Der Be­klag­te zu 2) ist ein Kol­le­ge der Kläge­rin, die Be­klag­te zu 3) ist ih­re Dienst­vor­ge­setz­te.

Ei­ne von der Be­klag­ten zu 1) mit Ver­ein­ba­rung vom 1. Mai 2003 als Ge­samt­be­triebs­ver­ein­ba­rung ab­ge­schlos­se­ne „In­ter­net- und E-Mail-Richt­li­nie“, enthält in Punkt 5 un­ter der Über­schrift „Re­ge­lun­gen für Elec­tro­nic Mail“ u. a. fol­gen­de Re­ge­lung:

„…
Mit Zu­stim­mung des Vor­ge­setz­ten darf E-Mail in ge­rin­gem Um­fang auch für die pri­va­te in­ter­ne und ex­ter­ne Kom­mu­ni­ka­ti­on ge­nutzt wer­den. …

E-Mails pri­va­ten In­halts können mit „pri­vat“ in der Be­treff­zei­le ge­kenn­zeich­net wer­den. Als pri­vat ge­kenn­zeich­ne­te E-Mails dürfen von Drit­ten grundsätz­lich nicht geöff­net, wei­ter­ge­lei­tet oder ge­spei­chert wer­den.

Als pri­vat ge­kenn­zeich­ne­te E-Mails dürfen nur dann kon­trol­liert wer­den, wenn ne­ben der In­for­ma­ti­on des Be­triebs­ra­tes zusätz­lich der be­trieb­li­che Da­ten­schutz­be­auf­trag­te nach Prüfung der schrift­lich zu do­ku­men­tie­ren­den tatsächli­chen An­halts­punk­te für den Ver­dacht ei­ner miss­bräuch­li­chen Nut­zung der Kon­trol­le zu­ge­stimmt hat. Die be­triebs­in­ter­ne Kon­trol­le rich­tet sich da­bei zunächst auf die Prüfung der Ver­bin­dungs­da­ten. Ei­ne in­halt­li­che Kon­trol­le kann nur mit Zu­stim­mung des Mit­ar­bei­ters oder ver­an­lasst durch Straf­ver­fol­gungs­behörden er­fol­gen. Bei Ver­wei­ge­rung der Zu­stim­mung kann dem Mit­ar­bei­ter die pri­va­te Nut­zung künf­tig un­ter­sagt wer­den. …

 

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Die Kläge­rin nutz­te ih­ren dienst­li­chen E-Mail-Ac­count auch für pri­va­te E-Mails. So­weit die Kläger pri­va­te E-Mails ver­sen­de­te, kenn­zeich­ne­te sie die­se mit dem Zu­satz „pri­vat“ in der Be­treff­zei­le.

Je­der Mit­ar­bei­ter bei der Be­klag­ten zu 1) hat si­cher­zu­stel­len, dass die Erfüllung sei­ner Auf­ga­ben bei Ab­we­sen­heit (Krank­heit, Ur­laub) nicht gefähr­det ist. Hier­zu exis­tiert ei­ne ent­spre­chen­de Richt­li­nie bei der Be­klag­ten, hin­sicht­lich de­ren Ein­zel­hei­ten auf Bl. 55 – 57 d. A. ver­wie­sen wird. Für das Team der Kläge­rin ist ge­re­gelt, dass im Fall der Ab­we­sen­heit des Mit­ar­bei­ters or­ga­ni­sa­to­risch si­cher zu stel­len ist, dass die Ar­beit­ge­be­rin – die Be­klag­te zu 1) - wei­ter­hin Zu­griff auf den E-Mail Ac­count hat, da­mit die dienst­li­chen Mails wei­ter be­ar­bei­tet wer­den können.

Die Kläge­rin rich­te­te am 27. No­vem­ber 2008 we­gen ei­ner ge­plan­ten Ab­we­sen­heit vom 28. No­vem­ber – 2. De­zem­ber 2008 ei­nen Ab­we­sen­heits­as­sis­ten­ten ein, der über ih­re Ab­we­sen­heit bis zum 2. De­zem­ber 2008 in­for­mier­te. Die Kläge­rin hat­te für kei­ne Stell­ver­tre­tung ge­sorgt, son­dern viel­mehr ei­ne be­reits ein­mal ein­ge­rich­te­te Stell­ver­tre­ter­re­ge­lung de­ak­ti­viert. Seit dem 28. No­vem­ber 2008 war die Kläge­rin ar­beits­unfähig er­krankt. Ihr Stell­ver­tre­ter hat­te kei­nen Zu­griff auf das der E-Mail-An­schrift der Kläge­rin zu­ge­ord­ne­te elek­tro­ni­sche Post­fach. Der Stell­ver­tre­ter der Kläge­rin, der Be­klag­te zu 2), ver­such­te des­halb nach dem Vor­trag der Be­klag­ten zu 1), der von der Kläge­rin mit Nicht­wis­sen be­strit­ten wur­de, die Kläge­rin En­de No­vem­ber/An­fang De­zem­ber 2008 mehr­fach te­le­fo­nisch zu er­rei­chen. Dies blieb er­folg­los. Er schrieb so­dann nach dem Vor­trag der Be­klag­ten zu 1), den die Kläge­rin eben­falls be­strei­tet, am 12. De­zem­ber 2008 ei­ne ent­spre­chen­de Mail an die Kläge­rin, in dem er ihr mit­teil­te, dass ein Zu­griff auf die E-Mails der Kläge­rin zur Be­ar­bei­tung not­wen­dig sei, er je­doch kei­nen Zu­griff ha­be. Hin­sicht­lich der Ein­zel­hei­ten der E-Mail wird auf Bl. 61 d. A. ver­wie­sen. Die E-Mail blieb un­be­ant­wor­tet. Nach­dem die Kläge­rin sich mit E-Mail vom 6. Ja­nu­ar 2009 wei­ter krank mel­de­te, schrieb die Vor­ge­setz­te, die Be­klag­te zu 3), der Kläge­rin, was sei­tens der Kläge­rin des­glei­chen be­strit­ten wird, eben­falls am 6. Ja­nu­ar 2009 ei­ne E-Mail mit der Bit­te sich mit dem Bekl. zu 2) in Ver­bin­dung zu set­zen, weil die Kun­de­mails nicht be­ar­bei­tet wer­den können. Hin­sicht­lich des ge­nau­en In­halts der E-Mail wird auf Bl. 62 d. A. ver­wie­sen.

 

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Nach In­for­ma­ti­on des bei der Be­klag­ten zu 1) ge­bil­de­ten Ber­li­ner Be­triebs­ra­tes und ei­ner zeit­lich strei­ti­gen Be­tei­li­gung des Da­ten­schutz­be­auf­trag­ten öff­ne­te am 21. Ja­nu­ar 2009 ge­gen 12.00 Uhr die IT-Ab­tei­lung der Be­klag­ten zu 1) das der E-Mail-An­schrift der Kläge­rin zu­ge­ord­ne­te elek­tro­ni­sche Post­fach. Dienst­li­che E-Mails wur­den geöff­net und aus­ge­druckt, um de­ren Be­ar­bei­tung zu ermögli­chen. Je­den­falls zeit­wei­se wa­ren außer dem Be­klag­ten zu 2) das Mit­glied des bei der Be­klag­ten zu 1) ge­bil­de­ten Ber­li­ner Be­triebs­ra­tes A. K. und auf Wunsch der Kläge­rin die So­zi­al­be­treue­rin des Wer­kes M. B. an­we­send.

Die Kläge­rin be­haup­tet, die Re­ge­lun­gen aus dem Jahr 2003 fänden auf sie kei­ne An­wen­dung, auf­grund ei­ner be­trieb­li­chen Übung ha­be sie ein Recht auf mo­de­ra­te Pri­vat­nut­zung des ihr von der Be­klag­ten zu 1) über­las­se­nen elek­tro­ni­schen Post­fa­ches. Am 20. Ja­nu­ar 2009 ha­be ihr ein Mit­glied des Be­triebs­ra­tes mit­ge­teilt, dass die Be­klag­te zu 1) be­an­tragt ha­be, ihr elek­tro­ni­sches Post­fach zu öff­nen mit der Be­gründung, es könn­ten geschäft­lich re­le­van­te E-Mails auf­ge­lau­fen sein. Um ei­nen Rest von Da­ten­schutz und Persönlich­keits­recht wah­ren zu können, ha­be sie die So­zi­al­be­treue­rin ge­be­ten, sich mit dem Be­triebs­rats­mit­glied ab­zu­stim­men und dar­auf zu ach­ten, dass ihr elek­tro­ni­sches Post­fach nach Be­en­di­gung der Ak­ti­on wie­der ge­schlos­sen wer­de. Der Be­klag­te zu 2) ha­be E-Mails aus ih­rem Post­fach wei­ter­ge­lei­tet. Da je­de Öff­nung ih­res elek­tro­ni­schen Post­fa­ches die Möglich­keit eröff­ne, ih­re pri­va­ten E-Mails zu le­sen, können sie von den Be­klag­ten ver­lan­gen, nicht oh­ne ih­re vor­he­ri­ge Ein­wil­li­gung an sie ge­rich­te­te E-Mails zur Kennt­nis zu neh­men, zu öff­nen, zu le­sen, zu ko­pie­ren, zu spei­chern, aus­zu­dru­cken und/oder wei­ter­zu­lei­ten.

Die Kläge­rin hat be­an­tragt,

1. die Be­klag­ten bei Mei­dung von Ord­nungs­geld bis zu 250.000,00 EUR für je­den Fall der Zu­wi­der­hand­lung – er­satz­wei­se Ord­nungs­haft – oder Ord­nungs­haft bis zu sechs Mo­na­ten zu ver­ur­tei­len, es oh­ne vor­he­ri­ge Ein­wil­li­gung der Kläge­rin zu un­ter­las­sen,
E-Mails, die un­ter dem E-Mail-Ac­count mit der E-Mail-Adres­se „……..“ oder un­ter ei­nem an­de­ren hin­sicht­lich der Per­son der Kläge­rin per­so­na­li­sier­ten Fir­men-E-Mail-Ac­count der Be­klag­ten zu 1) emp­fan­gen wer­den oder von der Kläge­rin ver­sen­det wer­den, zur

 

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Kennt­nis zu neh­men, zu öff­nen, zu le­sen, zu spei­chern, aus­zu­dru­cken, zu ko­pie­ren und/oder wei­ter­zu­lei­ten;

2. die Be­klag­ten bei Mei­dung von Ord­nungs­geld bis zu 250.000,00 EUR für je­den Fall der Zu­wi­der­hand­lung – er­satz­wei­se Ord­nungs­haft – oder Ord­nungs­haft bis zu sechs Mo­na­ten zu ver­ur­tei­len, es zu un­ter­las­sen, sich oh­ne vor­he­ri­ge Ein­wil­li­gung der Kläge­rin durch Über­win­dung der Zu­gangs­si­che­rung in Form ei­nes Pass­worts Zu­gang zu dem pass­wort­geschütz­ten E-Mail-Ac­count der Kläge­rin mit der E-Mail-Adres­se „………“ oder un­ter ei­nem an­de­ren hin­sicht­lich der Per­son der Kläge­rin per­so­na­li­sier­ten Fir­men-E-Mail-Ac­count der Be­klag­ten zu 1) zu ver­schaf­fen.

Die Be­klag­ten ha­ben be­an­tragt,

die Kla­ge ab­zu­wei­sen.

Die Be­klag­te zu 1) hat be­haup­tet, während der Er­kran­kung der Kläge­rin ha­be die Be­klag­te zu 1), nach­dem die Kläge­rin auf ver­schie­de­ne Auf­for­de­run­gen nicht re­agiert ha­be, le­dig­lich ein­mal in das der kläge­ri­schen E-Mail-An­schrift zu­ge­ord­ne­te elek­tro­ni­sche Post­fach Ein­sicht ge­nom­men. Ein­ge­gan­ge­ne dienst­li­che E-Mails sei­en aus­ge­druckt und später sei ein ak­tu­el­ler Ab­we­sen­heits­as­sis­tent ein­ge­rich­tet wor­den, denn es han­de­le sich in ers­ter Li­nie um ein Ar­beits­mit­tel. Ein Ein­blick oder ei­ne Öff­nung von pri­va­ten E-Mails sei nicht er­folgt.

Der Be­klag­te zu 2) hat vor­ge­tra­gen, er ha­be am 21. Ja­nu­ar 2009 im Bei­sein der bei­den Zeu­gen den Post­ein­gang ge­prüft, die dienst­li­chen E-Mails, die zur Wei­ter­be­ar­bei­tung benötigt wor­den sei­en, geöff­net und aus­ge­druckt. Es sei tech­nisch nicht möglich ge­we­sen, die E-Mails wei­ter­zu­lei­ten.

Die Be­klag­te zu 3) hat vor­ge­tra­gen, es ha­be auf­grund der Krank­heit der Kläge­rin die Si­tua­ti­on be­stan­den, dass der Stell­ver­tre­ter der Kläge­rin de­ren Ar­beit nicht ha­be fortführen können. Sie ha­be sich da­her an die Per­so­nal­ab­tei­lung der Be­klag­ten zu 1) ge­wandt, die das wei­te­re Vor­ge­hen ein­ge­lei­tet ha­be.

 

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Das Ar­beits­ge­richt hat die Kla­ge mit Ur­teil vom 17. Au­gust 2010 ab­ge­wie­sen. zur Be­gründung hat es – kurz ge­fasst – aus­geführt, ein Un­ter­las­sungs­an­spruch der Kläge­rin sei nicht er­sicht­lich. Die Kläge­rin könne sich im Rah­men ei­nes Un­ter­las­sungs­an­spruchs nach den §§ 1004, 823 BGB we­der auf Art. 10 Abs. 1 GG, noch auf § 88 TKG oder § 206 StGB stützen. Ei­ne le­dig­lich sich­ten­de Kennt­nis­nah­me auch pri­va­ter E-Mails zur Ermögli­chung ei­ner Fest­stel­lung, wel­che E-Mails dienst­lich sind, be­ein­träch­ti­ge auch das Recht der Kläge­rin auf in­for­mel­le Selbst­be­stim­mung nicht in ei­nem ver­fas­sungs­recht­lich be­denk­li­chen Maße.

Ge­gen das ihr am 6. Sep­tem­ber 2010 zu­ge­stell­te Ur­teil des Ar­beits­ge­richts hat die Kläge­rin mit beim Lan­des­ar­beits­ge­richt am 6. Ok­to­ber 2010 ein­ge­gan­ge­nen Schrift­satz Be­ru­fung ein­ge­legt und die­se nach Verlänge­rung der Be­ru­fungs­be­gründungs­frist bis zum 6. De­zem­ber 2010 mit beim Lan­des­ar­beits­ge­richt am 6. De­zem­ber 2010 ein­ge­gan­ge­nen Schrift­satz be­gründet.

Die Kläge­rin ver­tritt un­ter Ver­tie­fung ih­res erst­in­stanz­li­chen Vor­brin­gens wei­ter­hin die Auf­fas­sung, die Be­klag­te zu 1) sei „Dienst­an­bie­ter“ im Sin­ne des Te­le­kom­mu­ni­ka­ti­ons­ge­set­zes. Da die Be­klag­te zu 1) ih­ren Mit­ar­bei­tern die pri­va­te Nut­zung des dienst­li­chen E-Mail-Ac­counts ge­stat­te, er­brin­ge sie geschäftsmäßig Te­le­kom­mu­ni­ka­ti­ons­dienst­leis­tun­gen iSd. § 3 Nr. 6 TKG und un­ter­fal­le da­mit dem An­wen­dungs­be­reich des § 88 TKG. Die Kläge­rin könne sich auch auf Art. 10 GG be­ru­fen. Der Schutz­be­reich des Fern­mel­de­ge­heim­nis­ses en­de im Fal­le der Kläge­rin nicht mit dem En­de des Über­tra­gungs­vor­gangs und Ein­gang der E-Mail, weil die ent­spre­chen­den E-Mails auf Grund der krank­heits­be­ding­ten Ab­we­sen­heit der Kläge­rin im Un­ter­neh­men der Be­klag­ten zu 1) tatsächlich nicht in den Herr­schafts­be­reich der Kläge­rin ge­langt sei­en. Der tech­nisch be­ding­te Man­gel an Be­herrsch­bar­keit be­gründe die be­son­de­re Schutz­bedürf­tig­keit durch das Fern­mel­de­ge­heim­nis. Die Be­klag­ten hätten wei­ter­hin durch den Zu­griff auf den dienst­li­chen E-Mail-Ac­count der Kläge­rin den Straf­tat­be­stand des § 202a StGB so­wie den Straf­tat­be­stand des § 206 StGB ver­wirk­licht; auch aus die­sem Grun­de sei der Un­ter­las­sungs­an­spruch der Kläge­rin ge­ge­ben. Ent­ge­gen der An­sicht des Ar­beits­ge­richts hätten die Be­klag­ten mit dem Zu­griff auf den dienst­li­chen E-Mail-Ac­count der Kläge­rin auch das all­ge­mei­ne Persönlich­keits­recht und das hier­aus ab­ge­lei­te­te Recht der in­for­ma­tio­nel­len Selbst­be­stim­mung der Kläge­rin ver­letzt. Die Be­klag­te hätte die

 

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be­trieb­li­chen Abläufe an­ders als durch Zu­griff auf den dienst­li­chen E-Mail-Ac­count der Kläge­rin si­chern können. Kun­den der Be­klag­ten hätten über Mit­ar­bei­ter­por­tal der Be­klag­ten zu 1) auch die E-Mail-Adres­sen und Te­le­fon­num­mern an­de­rer Verkäufer, ins­be­son­de­re der Be­klag­ten zu 2) und 3) her­aus­fin­den können. Es sei auch zu berück­sich­ti­gen, dass die Be­klag­te zu 1) vom 28. No­vem­ber 2008 bis zum 20. Ja­nu­ar 2009, mit­hin zwei Mo­na­te lang, kei­ner­lei Not­wen­dig­keit ge­se­hen ha­be, Zu­griff auf den E-Mail-Ac­count der Kläge­rin zu neh­men und auch nicht ge­nom­men ha­be.

Die Kläge­rin und Be­ru­fungskläge­rin be­an­tragt

1. Die Be­klag­ten wer­den un­ter Abände­rung des am 17. Au­gust 2010 verkünde­ten Ur­teils des Ar­beits­ge­richts Ber­lin, Az.: 36 Ca 235/10, bei Mei­dung von Ord­nungs­geld bis zu 250.000,00 EUR für je­den Fall der Zu­wi­der­hand­lung – er­satz­wei­se Ord­nungs­haft – oder Ord­nungs­haft bis zu sechs Mo­na­ten zu ver­ur­tei­len, es oh­ne vor­he­ri­ge Ein­wil­li­gung der Kläge­rin zu un­ter­las­sen, E-Mails, die un­ter dem E-Mail-Ac­count mit der E-Mail-Adres­se „……….“ oder un­ter ei­nem an­de­ren hin­sicht­lich der Per­son der Kläge­rin per­so­na­li­sier­ten Fir­men-E-Mail-Ac­count der Be­klag­ten zu 1) emp­fan­gen wer­den oder von der Kläge­rin ver­sen­det wer­den, zur Kennt­nis zu neh­men, zu öff­nen, zu le­sen, zu spei­chern, aus­zu­dru­cken, zu ko­pie­ren und/oder wei­ter­zu­lei­ten;

2. Die Be­klag­ten wer­den un­ter Abände­rung des am 17. Au­gust 2010 verkünde­ten Ur­teils des Ar­beits­ge­richts Ber­lin, Az.: 36 Ca 235/10, bei Mei­dung von Ord­nungs­geld bis zu 250.000,00 EUR für je­den Fall der Zu­wi­der­hand­lung – er­satz­wei­se Ord­nungs­haft – oder Ord­nungs­haft bis zu sechs Mo­na­ten zu ver­ur­tei­len, es zu un­ter­las­sen, sich oh­ne vor­he­ri­ge Ein­wil­li­gung der Kläge­rin durch Über­win­dung der Zu­gangs­si­che­rung in Form ei­nes Pass­worts Zu­gang zu dem pass­wort­geschütz­ten E-Mail-Ac­count der Kläge­rin mit der E-Mail-Adres­se „……….“ oder un­ter ei­nem an­de­ren hin­sicht­lich der Per­son der Kläge­rin per­so­na­li­sier­ten Fir­men-E-Mail-Ac­count der Be­klag­ten zu 1) zu ver­schaf­fen.

 

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Die Be­klag­ten und Be­ru­fungs­be­klag­ten be­an­tra­gen,

die Be­ru­fung zurück­zu­wei­sen.

Die Be­klag­ten ver­tei­di­gen das ar­beits­ge­richt­li­che Ur­teil un­ter Ver­tie­fung ih­res Rechts­vor­brin­gens und ver­wei­sen dar­auf, dass im Lau­fe des Ver­fah­rens deut­lich ge­wor­den sei, dass die Be­klag­ten kei­ner­lei pri­va­te E-Mails geöff­net, an­ge­se­hen oder aus­ge­druckt ha­ben. Die Be­klag­ten zu 3) ver­weist zusätz­lich dar­auf, dass sich aus dem Vor­trag der Kläge­rin wei­ter­hin nicht er­ge­be, dass die Be­klag­te zu 3) über­haupt Zu­griff auf den E-Mail-Ac­count der Kläge­rin ge­nom­men ha­be.

We­gen der Ein­zel­hei­ten des Par­tei­vor­brin­gens wird auf den vor­ge­tra­ge­nen In­halt der ge­wech­sel­ten Schriftsätze nebst An­la­gen Be­zug ge­nom­men.

Ent­schei­dungs­gründe

Die Be­ru­fung hat kei­nen Er­folg.

A. Die gemäß §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1 und Abs. 2 Ziff. b. statt­haf­te Be­ru­fung der Kläge­rin ist von ihr frist­gemäß und form­ge­recht ein­ge­legt und be­gründet wor­den (§§ 519, 520 Abs. 1 und 3 ZPO, § 66 Abs. 1 Satz 1 und 2 ArbGG). Sie ist da­mit zulässig.

B. Die Be­ru­fung ist je­doch un­be­gründet. Zu­tref­fend hat das Ar­beits­ge­richt die Kla­ge ab­ge­wie­sen.

I. Der An­spruch er­gibt sich nicht aus § 1004 BGB iVm. § 823 Abs. 2 BGB iVm. § 88 Abs. 2 und Abs. 3 TKG. We­der die Be­klag­te zu 1) noch die Be­klag­ten zu 2) und 3) ha­ben ge­gen § 88 Abs. 2 und Abs. 3 TKG ver­s­toßen.

1. Die Be­klag­te zu 1) ist eben­so we­nig wie die Be­klag­ten zu 2) und 3) Dienst­an­bie­ter iSd. § 88 TKG. Der Ar­beit­ge­ber, der le­dig­lich sei­nen Ar­beit­neh­mern auch die pri­va­te Nut­zung des dienst­li­chen E-Mail-Ac­counts ge­stat­tet, ist nach herr­schen­der Auf­fas­sung, der sich auch Ar­beits­ge­richt an­ge­schlos­sen hat, kein Dienst­an­bie­ter iSd. Te­le­kom­mu­ni­ka­ti­ons­ge­set­zes (LAG Nie­der­sach­sen 31. Mai 2010 – 12 Sa 875/09 – NZA-RR 2010, 406).

 

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Nach § 3 Ziff. 6 TKG ist „Dienst­an­bie­ter“ je­der, der ganz oder teil­wei­se geschäftsmäßig Te­le­kom­mu­ni­ka­ti­ons­leis­tun­gen er­bringt oder an der Er­brin­gung sol­cher Diens­te mit­wirkt. Die Be­klag­te zu 1) er­bringt we­der geschäftsmäßig Te­le­kom­mu­ni­ka­ti­ons­leis­tun­gen noch wirkt sie an die­sen mit. Das Be­ru­fungs­ge­richt folgt in­so­weit den zu­tref­fen­den Ausführun­gen des Ar­beits­ge­richts (S. 6 – 7 des Ur­teils = Bl. 140 – 141 d. A.) und schließt sich die­sen an (§ 69 Abs. 2 ArbGG).

2. Aber selbst, wenn man die Auf­fas­sung der Kläge­rin teil­te, ein Ar­beit­ge­ber wer­de al­lein durch die Ge­stat­tung pri­va­ten E-Mail Ver­kehrs un­ter Nut­zung des dienst­li­chen Rech­ners und des dienst­li­chen Ac­counts zum Dienst­an­bie­ter iSd. § 3 Ziff. 6 TKG, wäre der An­wen­dungs­be­reich des § 88 TKG nicht eröff­net.

a. § 88 TKG schützt das Fern­mel­de­ge­heim­nis iSd. Art. 10 Abs. 1 GG. Das Fern­mel­de­ge­heim­nis schützt die unkörper­li­che Über­mitt­lung von In­for­ma­tio­nen an in­di­vi­du­el­le Empfänger mit Hil­fe des Te­le­kom­mu­ni­ka­ti­ons­ver­kehrs (BVerfG 3. März 2006 – 2 BvR 2099/04 – BVerfGE 115, 166 (182); BVerfG 27. Fe­bru­ar 2008 - 1 BvR 370/07 und 1 BvR 595/07 – BVerfGE 120, 274 (306 f.)). Der Grund­rechts­schutz er­streckt sich nicht auf die außer­halb ei­nes lau­fen­den Kom­mu­ni­ka­ti­ons­vor­gangs im Herr­schafts­be­reich des Kom­mu­ni­ka­ti­ons­teil­neh­mers ge­spei­cher­ten In­hal­te und Umstände der Kom­mu­ni­ka­ti­on. Der Schutz des Fern­mel­de­ge­heim­nis­ses en­det in­so­weit in dem Mo­ment, in dem die E-Mail beim Empfänger an­ge­kom­men und der Über­tra­gungs­vor­gang be­en­det ist (BVerfG 3. März 2006 – 2 BvR 2099/04 – BVerfGE 115, 166 (183 ff.); BVerfG 27. Fe­bru­ar 2008 - 1 BvR 370/07 und 1 BvR 595/07 – BVerfGE 120, 274 (307 f.)). Nach Ab­schluss des Über­tra­gungs­vor­gangs im Herr­schafts­be­reich des Kom­mu­ni­ka­ti­ons­teil­neh­mers ge­spei­cher­ten Ver­bin­dungs­da­ten wer­den des­we­gen nicht durch Art 10 Abs. 1 GG geschützt (BVerfG 3. März 2006 – 2 BvR 2099/04 – BVerfGE 115, 166 (183 ff.).

Ge­stat­tet wie vor­lie­gend ein Ar­beit­ge­ber sei­nen Mit­ar­bei­tern, den Ar­beits­platz­rech­ner auch zum pri­va­ten E-Mail-Ver­kehr zu nut­zen und E-Mails, die von den Mit­ar­bei­tern nicht un­mit­tel­bar nach Ein­gang oder Ver­sen­dung gelöscht wer­den, im Post­ein­gang oder -aus­gang zu be­las­sen oder in an­de­ren auf lo­ka­len Rech­nern oder zen­tral ge­si­cher­ten Ver­zeich­nis­sen des Sys­tems ab­zu­spei­chern, un­ter­liegt der Zu­griff des Ar­beit­ge­bers oder Drit­ter auf die­se Da­ten­bestände

 

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dem­ent­spre­chend nicht den recht­li­chen Be­schränkun­gen des Fern­mel­de­ge­heim­nis­ses (LAG Nie­der­sach­sen 31. Mai 2010 – 12 Sa 875/09 – NZA-RR 2010, 406; Hes­si­scher VGH 19. Mai 2009 - 6 A 2672/08.Z - NJW 2009, 2470; VG Frank­furt 6. No­vem­ber 2008 – 1 K 628/08.F – WM 2009, 948).

b. So­weit die Kläge­rin die Auf­fas­sung ver­tritt, der Schutz­be­reich des Art. 10 GG müsse für sie auch auf die auf dem Rech­ner ge­spei­cher­te E-Mail er­wei­tert wer­den, weil sei auf Grund ih­rer krank­heits­be­ding­ten Ab­we­sen­heit kei­ne Möglich­keit des Zu­griffs auf ih­ren Rech­ner hat­te, folgt dem die Kam­mer nicht. Art. 10 Abs. 1 GG trägt ge­ra­de der Be­son­der­heit Rech­nung, dass für den Kom­mu­ni­ka­ti­ons­teil­neh­mer kei­ne tech­ni­schen Möglich­kei­ten vor­han­den sind, das Ent­ste­hen und die Spei­che­rung von Ver­bin­dungs­da­ten durch den Nach­rich­tenüber­mitt­ler zu ver­hin­dert oder auch nur zu be­ein­flus­sen. Dem­ge­genüber hat­te die Kläge­rin vor­lie­gend im Rah­men auch ih­res dienst­li­chen E-Mail-Ac­counts die Möglich­keit, grundsätz­lich dem Zu­griff Drit­ter auf ih­ren Ac­count durch Ein­rich­tung von Schutz­vor­rich­tun­gen zu be­geg­nen. Ge­nau dies hat die Kläge­rin auch ge­tan: Sie hat ein persönli­ches Pass­word ein­ge­rich­tet, oh­ne des­sen Kennt­nis auch die Be­klag­te nicht oh­ne wei­te­res auf den dienst­li­chen Ac­count der Kläge­rin zu­grei­fen konn­te. Der E-Mail Ac­count blieb im Übri­gen auch während der Er­kran­kung der Kläge­rin für die­se grundsätz­lich be­herrsch­bar. Die Be­klag­te zu 1) hat mehr­mals ver­geb­lich ver­sucht, die Kläge­rin we­gen der feh­len­den Zu­griffsmöglich­keit zu er­rei­chen. Die Tat­sa­che, dass die Kläge­rin dies of­fen­sicht­lich igno­rier­te und auch sich selbst die Möglich­keit nahm, das wei­te­re Vor­ge­hen zu be­ein­flus­sen, führt nicht zu ei­ner Er­wei­te­rung des Schutz­be­reichs des Art. 10 Abs. 1 GG.

So­weit die Kläge­rin die Ver­su­che ei­ner Kon­takt­auf­nah­me durch die Be­klag­te be­strei­tet, wi­der­spricht dies zu­min­dest den in Ko­pie ein­ge­reich­ten E-Mails an die Kläge­rin, bei de­nen auch Ab­sen­de­zeit, Ab­sen­de­da­tum und Adres­sat er­sicht­lich sind (Bl. 61 – 62 d. A.). In­so­weit war die Kam­mer nach dem Gang der münd­li­chen Ver­hand­lung und dem Ak­ten­in­halt über­zeugt, dass der Vor­trag der Be­klag­ten zu 1), sie ha­be mehr­fach ver­sucht die Kläge­rin so­wohl te­le­fo­nisch als auch per Mail zu er­rei­chen, zu­tref­fend ist. Ei­ne Be­fra­gung der Kläge­rin hier­zu war nicht möglich, da die­se trotz An­ord­nung des persönli­chen Er­schei­nens der münd­li­chen Ver­hand­lung fern­ge­blie­ben war, oh­ne Ent­schul­di­gungs­gründe glaub­haft zu ma­chen. In­so­weit war die Kam­mer viel­mehr über­zeugt, dass die

 

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Kläge­rin mit dem Be­strei­ten den An­for­de­run­gen des § 138 Abs. 1 ZPO nicht genügt hat­te.

II. Der An­spruch er­gibt sich aus den oben dar­ge­leg­ten Gründen auch nicht aus § 1004 BGB iVm. § 823 Abs. 2 BGB iVm. Art. 10 Abs. 1 GG. Der Schutz­be­reich des Art. 10 GG ist be­reits nicht eröff­net.

III. Der An­spruch er­gibt sich aus den oben dar­ge­leg­ten Gründen auch nicht aus § 1004 BGB iVm. § 823 Abs. 2 BGB iVm. § 206 StGB. Die Be­klag­ten wa­ren we­der In­ha­ber noch Beschäftig­te ei­nes Un­ter­neh­mens, das geschäftsmäßig Post- oder Te­le­kom­mu­ni­ka­ti­ons­diens­te er­bringt. In­so­weit ist der Vor­wurf der Kläge­rin, die Be­klag­ten hätten ei­nen Straf­tat­be­stand ver­wirk­licht, nicht zu­tref­fend.

IV. Der An­spruch er­gibt sich auch nicht aus § 1004 BGB iVm. § 823 Abs. 2 BGB iVm. § 202a StGB. Die Kläge­rin hat nicht dar­ge­legt und un­ter Be­weis ge­stellt, dass sich die Be­klag­ten un­be­fugt Zu­gang zu Da­ten, die nicht für sie be­stimmt wa­ren, ver­schafft ha­ben. Vor­lie­gend hat die Be­klag­te sich zwar Zu­griff auf den E-Mail-Ac­count der Kläge­rin ver­schafft; es er­folg­te aber so­weit er­sicht­lich al­lein ein Zu­griff auf dienst­li­che E-Mails der Kläge­rin. In­so­weit auch hat das bei der Öff­nung des Ac­counts an­we­sen­de Be­triebs­rats­mit­glied in sei­nem schrift­li­chen Gedächt­nis­pro­to­koll (Bl. 69 d. A.) aus­drück­lich klar­ge­stellt, dass es kei­ne Zwei­fel ge­ge­ben ha­be, dass pri­va­te E-Mails we­der geöff­net noch aus­ge­druckt wur­den, son­dern aus­sch­ließlich die ein­deu­tig durch die Kopf- oder Be­treff­zei­le als Geschäfts­mail zu iden­ti­fi­zie­ren­de Mail be­trof­fen wa­ren. Die­se E-Mails sind nicht der Kläge­rin, son­dern al­lein der Be­klag­ten zu 1) zu­zu­ord­nen. Die Kläge­rin hat die ent­spre­chen­den E-Mails al­lein als Ar­beit­neh­me­rin der Be­klag­ten zu 1) er­hal­ten; in­so­weit war die E-Mail aus Sicht des Sen­ders an die Be­klag­te zu 1) und nicht an die Kläge­rin als Pri­vat­per­son ge­rich­tet, es han­del­te sich da­mit iSd. § 202a StGB um Da­ten die für die Be­klag­te zu 1) be­stimmt wa­ren. So­weit die Kläge­rin be­strei­tet, die Be­klag­te ha­be al­lein auf dienst­li­che E-Mails zu­ge­grif­fen, so ist dies nicht rechts­er­heb­lich. Viel­mehr ist die Kläge­rin für die Vor­aus­set­zun­gen des von ihr ver­folg­ten Un­ter­las­sungs­an­spruchs dar­le­gungs- und be­weis­pflich­tig. So­weit die Kläge­rin in der Kla­ge­schrift noch po­si­tiv be­haup­tet hat, dass auf sämt­li­che E-Mail al­so auch pri­va­ten an­ge­se­hen wor­den sind (Bl. 7 d. A.), hat sie dies nicht auf­recht­er­hal­ten, son­dern hat sich nach­fol­gend dar­auf be­schränkt mit Nicht­wis­sen zu be­strei­ten, dass nur dienst­li­che E-Mails geöff­net wur­den (Bl. 119 d. A.).

 

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V. Der An­spruch der Kläge­rin er­gibt sich nicht aus § 1004 BGB iVm Art. 1 Abs. 1 und 2 Abs. 1 GG.

1. Es er­scheint der Kam­mer be­reits nicht un­zwei­fel­haft, ob die Be­klag­te in den Schutz­be­reich des Art. 2 Abs. 1 iVm. Art. 1 Abs. 1 GG gewähr­leis­te­ten Persönlich­keits­rechts ein­ge­grif­fen hat.

Das durch Art. 2 Abs. 1 iVm. Art. 1 Abs. 1 GG gewähr­leis­te­te all­ge­mei­ne Persönlich­keits­recht ist al­ler­dings auch im Pri­vat­rechts­ver­kehr und ins­be­son­de­re im Ar­beits­verhält­nis zu be­ach­ten (BAG 27. März 2003 - 2 AZR 51/02 - BA­GE 105, 356). Das all­ge­mei­ne Persönlich­keits­recht schützt den Ar­beit­neh­mer im Ar­beits­verhält­nis nicht nur vor ei­ner tech­ni­schen Über­wa­chung am Ar­beits­platz son­dern auch vor an­de­ren Ein­grif­fen (BAG 13. De­zem­ber 2007 - 2 AZR 537/06 - EzA § 626 BGB 2002 Nr. 20 = AP Nr. 210 zu § 626 BGB).

Vor­lie­gend hat die Be­klag­te sich zwar Zu­griff auf den E-Mail-Ac­count der Kläge­rin ver­schafft; es er­folg­te so­weit er­sicht­lich al­lein ein Zu­griff auf dienst­li­che E-Mails der Kläge­rin.

2. Aber auch wenn man ein Ein­griff in den Schutz­be­reich des all­ge­mei­nen Persönlich­keits­rechts mit der Kläge­rin des­we­gen be­jaht, weil durch die Öff­nung des dienst­li­chen E-Mail-Ac­count an­ge­sichts der auch pri­va­ten Nut­zung der dienst­li­chen E-Mail-Adres­se ein Zu­griff auf pri­va­te E-Mails zu­min­dest po­ten­ti­ell möglich war, wäre der Ein­griff nicht rechts­wid­rig ge­we­sen.

a. Das Persönlich­keits­recht des Ar­beit­neh­mers im Ar­beits­verhält­nis wird nicht schran­ken­los gewähr­leis­tet. Ein­grif­fe in das Persönlich­keits­recht des Ar­beit­neh­mers können durch Wahr­neh­mung über­wie­gend schutzwürdi­ger In­ter­es­sen des Ar­beit­ge­bers ge­recht­fer­tigt sein. Bei ei­ner Kol­li­si­on des all­ge­mei­nen Persönlich­keits­rechts mit den In­ter­es­sen des Ar­beit­ge­bers ist so­mit durch ei­ne Güter­abwägung im Ein­zel­fall zu er­mit­teln, ob das all­ge­mei­ne Persönlich­keits­recht den Vor­rang ver­dient (BVerfG 9. Ok­to­ber 2002 - 1 BvR 1611/96 - und - 1 BvR 805/98 - BVerfGE 106, 28; BVerfG 19. De­zem­ber 1991 - 1 BvR 382/85 - AP BGB § 611 Persönlich­keits­recht Nr. 24 = EzA BGB § 611 Persönlich­keits­recht Nr. 10; BVerfG 13. Fe­bru­ar 2007 - 1 BvR 421/05 - BVerfGE 117, 202; BAG 15. Au­gust 2002 - 2 AZR 214/01 - BA­GE 102, 190; BAG

 

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13. De­zem­ber 2007 - 2 AZR 537/06 - EzA § 626 BGB 2002 Nr. 20 = AP Nr. 210 zu § 626 BGB; BAG 18. No­vem­ber 1999 - 2 AZR 743/98 - BA­GE 93, 1; BAG 27. März 2003 - 2 AZR 51/02 - BA­GE 105, 356).

b. Vor­lie­gend über­wiegt das durch Art. 14 GG geschütz­te In­ter­es­se der Be­klag­ten zu 1) an der Auf­recht­er­hal­tung des un­gestörten Ar­beits­ab­lauf dem In­ter­es­se der Kläge­rin, dass ein Zu­griff auf ih­ren Ac­count gänz­lich un­ter­bleibt.

aa. Zu berück­sich­ti­gen ist da­bei zum ei­nen, dass die Not­wen­dig­keit ei­nes Zu­griffs al­lein durch ein Ver­hal­ten der Kläge­rin ent­stand. Die Kläge­rin war ar­beits­ver­trag­lich ver­pflich­tet, im Fal­le ih­rer Ab­we­sen­heit im Rah­men ei­ner Stell­ver­tre­ter­re­ge­lung dafür Sor­ge zu tra­gen, dass dienst­li­che E-Mails auch während ih­rer Ab­we­sen­heit be­ar­bei­tet wer­den können. Dem ist die Kläge­rin nicht nach­ge­kom­men, sie hat viel­mehr ei­ne be­ste­hen­de Stell­ver­tre­ter­re­ge­lung so­gar de­ak­ti­viert und da­mit ei­ne ord­nungs­gemäße Be­ar­bei­tung im Rah­men des Geschäfts­ab­laufs zusätz­lich er­schwert bzw. ver­hin­dert.

bb. Zur Wie­der­her­stel­lung ei­nes ord­nungs­gemäßen Geschäfts­ab­laufs war der Zu­griff auf den dienst­li­chen E-Mail-Ac­count der Kläge­rin auch er­for­der­lich und verhält­nismäßig.

(1) So­weit die Kläge­rin die Auf­fas­sung ver­tritt, ein Zu­griff sei be­reits des­we­gen nicht er­for­der­lich, weil die Be­klag­te zu 1) mit dem Zu­griff „zwei Mo­na­te“ ge­war­tet ha­be, so kann dem die Kam­mer nicht fol­gen. Un­abhängig da­von, dass die Be­klag­te nicht gan­ze zwei Mo­na­te ab­war­te­te, ist zu berück­sich­ti­gen, dass die zeit­li­che Verzöge­rung al­lein dar­auf be­ruh­te, dass die Be­klag­te zuvörderst ver­such­te, durch Kon­tak­tie­rung der Kläge­rin ei­nen oh­ne Zu­stim­mung der Kläge­rin not­wen­di­gen Zu­griff ge­ra­de zu ver­hin­dern. Nach­dem die Kläge­rin nicht re­agier­te, hat die Be­klag­te zu 1) tatsächlich nicht so­fort auf den Ac­count zu­ge­grif­fen, son­dern sie hat zu­erst den Da­ten­schutz­be­auf­trag­ten so­wie den Be­triebs­rat ein­ge­schal­tet, um ei­ne Kon­trol­le der Be­klag­ten zu 1) bei dem Zu­griff zu gewähr­leis­ten. Dass es auf Grund des er­sicht­li­chen Bemühens der Be­klag­ten zu 1), sich in je­der Hin­sicht rechtmäßig zu ver­hal­ten, zu ei­ner wei­te­ren zeit­li­chen Verzöge­rung kam, führt nicht da­zu, dass der Zu­griff nicht er­for­der­lich ge­we­sen wäre.

 

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(2) So­weit die Kläge­rin meint, ein Zu­griff auf ih­ren dienst­li­chen Ac­count sei schon des­we­gen nicht er­for­der­lich, weil je­der Kun­de die Be­klag­te zu 1) auch an­der­wei­tig kon­tak­tie­ren konn­te, als durch E-Mail an die Kläge­rin, kann dem die Kam­mer eben­falls nicht fol­gen. Zu­tref­fend ver­wei­sen die Be­klag­ten in­so­weit dar­auf, dass durch den Ab­we­sen­heits­as­sis­ten­ten ei­ne Ab­we­sen­heit der Kläge­rin nur für ei­ne kur­ze Zeit über­mit­telt wur­de. Ein Kun­de hätte sich ver­mut­lich ent­spre­chend erst nach länge­rem Ab­war­ten – ggf. weil er kei­ne Ant­wort er­hielt – durch­ge­fragt und mögli­cher­wei­se ver­späte­te er­fah­ren, dass die Kläge­rin ih­re Mails nicht le­sen könne. Ge­ra­de dies soll­te aber im Rah­men ei­ner aus­rei­chen­den Ser­vice­ori­en­tie­rung ver­hin­dert wer­den. Des Wei­te­ren hat die Be­klag­te zu 3) in der münd­li­chen Ver­hand­lung auch un­be­strit­ten vor­ge­tra­gen, dass ei­ne Not­wen­dig­keit zum Han­deln auch des­we­gen be­stand, weil Kun­den ei­ne Ände­rung der Aus­stat­tung vor Aus­lie­fe­run­gen von be­stell­ten KFZ auch per E-Mail durch­ge­ben können. Er­langt die Be­klag­te kei­ne Kennt­nis von die­sen Ände­rungswünschen ist die Aus­stat­tung der KFZ feh­ler­haft und die Kun­den ha­ben kei­ne Ab­nah­me­ver­pflich­tung. In­so­weit droh­te der Be­klag­ten zu 1) auch ein nicht un­er­heb­li­cher fi­nan­zi­el­ler Scha­den.

(3) An der Verhält­nismäßig­keit es Zu­griffs be­ste­hen auch kei­ne Zwei­fel. Die Be­klag­te hat vor dem Zu­griff zunächst ver­sucht, die Kläge­rin zu kon­tak­tie­ren, sie hat wei­ter­hin, nach­dem dies nicht er­folg­reich war, erst ab­ge­war­tet, ob die Kläge­rin ge­sun­det und da­mit ein Zu­griff ent­behr­lich wird. Erst nach­dem ein wei­te­res Zu­war­ten nicht mehr ver­tret­bar er­schien, hat sich die Be­klag­te ent­schlos­sen, zur Auf­recht­er­hal­tung ih­res Geschäfts­be­triebs zu han­deln. Sie hat da­bei al­le for­mel­len Vor­aus­set­zun­gen ge­wahrt: Sie hat den Be­auf­trag­ten für den Da­ten­schutz recht­zei­tig zu­vor ein­ge­schal­tet, sie hat des Wei­te­ren dafür ge­sorgt, dass bei dem Zu­griff auf den Ac­count ua. ein Be­triebs­rats­mit­glied an­we­send ist. Durch die ent­spre­chen­de An­we­sen­heit hat die Be­klag­te zu 1) ih­re ei­ge­ne Über­wa­chung gewähr­leis­tet, ge­ra­de um durch die Kon­trol­le auch durch den Be­triebs­rat ei­nen Zu­griff auf pri­va­te E-Mail zu ver­hin­dern.

3. Nach al­le­dem hat die Be­klag­te zu 1) das all­ge­mei­ne Persönlich­keits­recht der Kläge­rin nicht ver­letzt. Glei­ches gilt für den Be­klag­ten zu 2). Die Be­klag­te zu 3) hat­te nicht ein­mal Zu­griff auf den dienst­li­chen E-Mail-Ac­count der Kläge­rin ge­nom­men. Der An­spruch der Kläge­rin er­gibt sich dem­ent­spre­chend auch nicht aus § 1004 BGB iVm Art. 1 Abs. 1 und 2 Abs. 1 GG.

 

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C. Die Kos­ten­ent­schei­dung be­ruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Da­nach hat die Kläge­rin die Kos­ten ih­res er­folg­lo­sen Rechts­mit­tels zu tra­gen.

D. Die Vor­aus­set­zun­gen für die Zu­las­sung der Re­vi­si­on gemäß § 72 Abs. 2 ArbGG lie­gen nicht vor. Die Kam­mer hat bei der Ent­schei­dung die höchst­rich­ter­li­che Recht­spre­chung zu­grun­de ge­legt, da­bei wa­ren al­lein Umstände des Ein­zel­fal­les maßge­bend.


Rechts­mit­tel­be­leh­rung

Ge­gen die­ses Ur­teil ist ein Rechts­mit­tel nicht ge­ge­ben. Die Kläge­rin wird auf die Möglich­keit der Nicht­zu­las­sungs­be­schwer­de hin­ge­wie­sen (§ 72 a ArbGG).

 

Dr. Sch.

S.

H.

 

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