23.07.2010. Ausschlussklauseln sind eine typische Regelung in Arbeitsverträgen und Tarifverträgen, nach denen Ansprüche aus Arbeitsverhältnissen ersatzlos verfallen, wenn sie nicht form- und fristgerecht geltend gemacht werden. Die Zahl der möglichen Formulierungen ist dabei ebenso umfangreich wie die zu diesem Thema ergangene Rechtsprechung. Häufig geht es dabei um die Frage, ob die Form oder Frist für die rechtzeitige Geltendmachung eingehalten wurde. Seltener geht es um die Frage, ob ein bestimmter Anspruch überhaupt unter die Ausschlussklausel fällt. Ein solcher besonderer Fall lag Anfang des Jahres dem Hessischen Landesarbeitsgericht vor. Es musste entscheiden, ob die nach einem Prozessvergleich zu viel gezahlte Abfindung vom Arbeitgeber jederzeit zurückgefordert werden kann oder nach Ablauf einer Ausschlussfrist endgültig untergeht: Hessisches Landesarbeitsgericht, Urteil vom 09.02.2010, 13/7 Sa 1435/09.
von Rechtsanwalt Benjamin Biere, Frankfurt am Main
Ausschlussklauseln ist Regelungen in einem Arbeitsvertrag oder Tarifvertrag, die bestimmen, dass Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis ersatzlos verfallen, wenn sie nicht innerhalb einer bestimmten Frist auf bestimmte Weise geltend gemacht werden. Daher wird für sie auch der Begriff Verfallsklauseln verwendet.
In aller Regel müssen die Ansprüche innerhalb kurzer Frist schriftlich geltend gemacht werden. Die Frist beträgt dabei nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes (BAG) in Arbeitsverträgen regelmäßig mindestens drei Monate. In Tarifverträgen sind kürzere Fristen, z.B. zwei Monate erlaubt.
Solche Klauseln, in denen die fristgebundene schriftliche Geltendmachung von Ansprüchen notwendig gemacht wird, werden einstufige Ausschlussfristen genannt.
Häufig gibt es noch eine zweite Stufe. Nach der schriftlichen Geltendmachung muss innerhalb einer weiteren Frist für den Fall der Nichtzahlung Klage erhoben werden, d.h. der Gang zum Arbeitsgericht wird hier zwingend vorgeschrieben.
Ausschlussklauseln erfassen praktisch alle Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis. Neben Schadensersatzansprüchen, Ansprüchen auf Urlaubsabgeltung oder Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall sind insbesondere auch die Vergütungsansprüche des Arbeitnehmers (!) erfasst. Ausschussklauseln sind deshalb brandgefährlich. Wer es als Arbeitnehmer zu lange hinnimmt, nicht bezahlt zu werden, hat womöglich schneller als er denkt monatelang „kostenlos“ für seinen Arbeitgeber gearbeitet.
Nur ausnahmsweise sind Ausschlussklauseln nicht einschlägig bzw. können sie ausgehebelt werden. Wenn der Arbeitgeber durch die Erteilung einer Gehaltsabrechnung die Lohnforderung vorbehaltlos anerkennt, greifen Ausschlussklauseln beispielsweise nicht.
Kürzlich hatte das Hessische Landesarbeitsgericht die damit verwandte Frage zu klären, ob eine Ausschlussklausel auch für versehentliche Überbezahlungen des Arbeitgebers nach einem Prozessvergleich gilt: Hessisches Landesarbeitsgericht, Urteil vom 09.02.2010, 13/7 Sa 1435/09.
Die beklagte Arbeitnehmerin war bei der klagenden ehemaligen Arbeitgeberin seit Anfang 2006 als Strategic Alliance Manager beschäftigt. Der dem Arbeitsverhältnis zu Grunde liegende Arbeitsvetrag sah folgende Verfallsklausel vor:
„Alle Ansprüche, die sich aus dem Arbeitsverhältnis ergeben sind von den Parteien binnen einer Frist von drei Monaten seit Fälligkeit schriftlich gegenüber der anderen Partei geltend zu machen, anderenfalls verfallen sie. Lehnt die Gegenpartei den Anspruch ab oder erklärt sie sich nicht innerhalb von zwei Wochen nach der Geltendmachung des Anspruchs, so verfällt dieser, wenn er nicht innerhalb weiterer drei Monate nach der Ablehnung oder dem Fristablauf gerichtlich geltend gemacht wird.“
Am 31.03.2008 erklärte die Klägerin gegenüber der Beklagten fristgerecht zum 30.04.2008 eine ordentliche Kündigung aus betriebsbedingten Gründen. Im Rahmen der der von der Beklagten daraufhin erhobenen Kündigungsschutzklage schlossen die Parteien einen Vergleich. Das Arbeitsverhältnis sollte zwar weiterhin zum 30.04.2008 enden. Die Klägerin verpflichtete sich aber zur Zahlung einer Abfindung in Höhe von 35.000,00 Euro brutto sowie von Provisionen im Höhe von 14.000 Euro brutto.
Die klagende Arbeitgeberin zahlte am 10.07.2008 insgesamt 24.500 Euro, nämlich 17.500 Euro netto Vorschuss auf die Abfindung und 7.000 Euro netto auf die Provisionen. In der Verdienstabrechnung vom 23.07.2008 wurden dann die im Vergleich vereinbarten Bruttobeträge abgerechnet. Nur der Provisionsvorschuss wurde dabei angerechnet. Die Abfindung hingegen wurde versehentlich noch einmal in voller Höhe ausgezahlt.
Im Ergebnis hatte die Beklagte damit 17.500 Euro netto zu viel erhalten.
Nach einer kurzen eMail-Korrespondenz Anfang August 2008 zu Sozialversicherungsfragen der Abfindung forderte die Klägerin Mitte Dezember 2008 den überzahlen Betrag zurück.
Die Beklagte meinte, die Verfallsklausel erfasse auch den Rückforderungsanspruch und hatte damit in erster Instanz erfolglos. Es kam zur Berufung vor dem Hessischen Landesarbeitsgericht.
Das Hessische Landesarbeitsgericht gab der Arbeitgeberin Recht, d.h. ihre Berufung hatte Erfolg. Die beklagte Arbeitgeberin musste die 17.500 Euro samt Zinsen zurückzahlen.
In seiner Begründung unterstellt das LAG zu Gunsten der Beklagten, dass es um einen Anspruch handelt, der sich „aus dem Arbeitsverhältnis“ ergibt.
Die Klausel finde aber keine Anwendung, weil ihr Sinn und Zweck dies verbiete. Verfalls- bzw. Ausschlussklauseln sollen Rechtssicherheit und Rechtsklarheit schaffen. Innerhalb der Frist soll klar werden, ob noch Ansprüche erhoben werden. Es soll effektiv die Unklarheit beseitigt werden, ob Ansprüche bestehen und ob sie geltend gemacht werden.
Wegen dieses Zweckes ist eine Geltendmachung innerhalb der Ausschlussfrist zum Beispiel dann nicht nötig, wenn der Schuldner des jeweiligen Anspruchs die Forderung anerkannt hat. Dann besteht nämlich keine Unsicherheit, die beseitigt werden müsste. Es ist klar, was und in welchem Umfang der Gläubiger sein Leistung erhält. Ein typisches Beispiel hierfür ist die Anerkennung von Gehaltsansprüchen durch eine Vergütungsabrechnung.
Ähnlich liegt der Fall bei einem Vergleich: Die Parteien regeln hier genau, wer was von wem woraus erhalten darf. Es gibt keinerlei Unklarheiten mehr. Daher konnte die beklagte Arbeitnehmerin auch erkennen, dass sie wesentlich zu viel Geld erhalten hatte und musste davon ausgehen, diesen Betrag zurückzahlen zu müssen.
Das LAG hat die Revision gegen seine Entscheidung zugelassen. Sie ist beim Bundesarbeitsgericht anhängig unter dem Aktenzeichen 2 AZR 209/10.
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