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ARBEITSRECHT AKTUELL // 13/015

Bei Leih­ar­beit equal pay trotz DGB-Leih­ar­beits­ta­ri­fen?

LAG Ba­den-Würt­tem­berg stellt Gel­tung der DGB-Zeit­ar­beits­ta­ri­fe in Fra­ge: Lan­des­ar­beits­ge­richt Ba­den-Würt­tem­berg, 20.03.2012, 22 Sa 71/11
Zwei Gruppen von je drei Arbeitnehmern mit Helm, Bekleidung der beiden Gruppen unterschiedlich Kippt in der Zeit­ar­beits-"Bran­che" ein Ta­rif­ver­trag nach dem an­de­ren?

22.01.2013. Ei­gent­lich gilt für Leih­ar­beit­neh­mer der Grund­satz des "equal pay", d.h. sie ha­ben An­spruch auf glei­che Be­zah­lung wie ver­gleich­ba­re Ar­beit­neh­mer im Be­trieb des Ent­lei­hers.

Von die­sem Grund­satz kann aber ge­mäß § 9 Nr.1 Ar­beit­neh­mer­über­las­sungs­ge­setz (AÜG) ab­ge­wi­chen wer­den, wenn Zeit­ar­beits­fir­ma und Leih­ar­beit­neh­mer per Ar­beits­ver­trag ver­ein­bart ha­ben, dass ein Ta­rif­ver­trag für die Leih­ar­beits­bran­che an­ge­wandt wer­den soll.

Da seit En­de 2010 auf­grund ei­ner Grund­satz­ent­schei­dung des Bun­des­ar­beits­ge­richts (BAG) klar ist, dass die Ta­rif­ge­mein­schaft Christ­li­cher Ge­werk­schaf­ten für Zeit­ar­beit und Per­so­nalSer­vice-Agen­tu­ren (CG­ZP) die Zeit­ar­beits­fir­men nicht mit wirk­sa­men "bil­li­gen" Ta­rif­ver­trä­gen ver­sor­gen kann (wir be­rich­te­ten in: Ar­beits­recht ak­tu­ell 11/034 BAG: Die CG­ZP kann kei­ne Ta­rif­ver­trä­ge ab­schlie­ßen), ist die Zeit­ar­beits­bran­che auf die vom Deut­schen Ge­werk­schafts­bund (DGB) ver­ein­bar­ten Zeit­ar­beits­ta­ri­fe um­ge­schwenkt, d.h. Leih­ar­beit­neh­mer wer­den seit­dem zu­neh­mend nach die­sen Ta­ri­fen be­zahlt.

Ob­wohl die DGB-Zeit­ar­beits­ta­rif­ver­trä­ge aus Ar­beit­neh­mer­sicht bes­ser sind als die Dum­ping-"Ta­rif­ver­trä­ge" der CG­ZP, ist auch ih­re Wirk­sam­keit nicht si­cher. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt (LAG) Ba­den-Würt­tem­berg hat in ei­ner vor kur­zem be­kannt ge­wor­de­nen Ent­schei­dung die Gel­tung der DGB-Zeit­ar­beits­ta­rif­ver­trä­ge in Fra­ge ge­stellt: LAG Ba­den-Würt­tem­berg, 20.03.2012, 22 Sa 71/11.

Sind auch die Zeit­ar­beits-Ta­rif­verträge, die der DGB mit der Bun­des­ver­band Zeit­ar­beit Per­so­nal-Dienst­leis­tun­gen (BZA) und dem In­ter­es­sen­ver­band Zeit­ar­beit (iGZ) ver­ein­bart hat, un­wirk­sam?

Kurz nach­dem die CG­ZP mit ih­ren (Schein-)Ta­rif­verträgen den Zeit­ar­beits­fir­men erst­mals ei­ne (schein­ba­re) "bil­li­ge" Al­ter­na­ti­ve zur An­wen­dung des ge­setz­li­chen Grund­sat­zes des equal pay eröff­ne­te, zog der DGB nach und ver­ein­bar­te sei­ner­seits Ta­rif­verträge für die "Bran­che" der Zeit­ar­beit. Die­se Ta­rif­verträge gel­ten ak­tu­ell für die Mit­glieds­un­ter­neh­men des Bun­des­ver­ban­des Zeit­ar­beit Per­so­nal-Dienst­leis­tun­gen (BZA) und des In­ter­es­sen­ver­bands Zeit­ar­beit (iGZ).

Wie der DGB zu­recht her­vor­hebt, sind die­se Ta­rif­verträge aus Ar­beit­neh­mer­sicht we­sent­lich güns­ti­ger als die Schmu­del-Ta­ri­fe der CG­ZP. Sie be­inhal­ten nämlich so­wohl für West- als auch für Ost­deutsch­land die 35-St­un­den-Wo­che, außer­dem Ur­laubs­re­ge­lun­gen, Son­der­zah­lun­gen und Ar­beits­be­din­gun­gen, die über dem bis­he­ri­gen Stan­dard in der Zeit­ar­beits­bran­che lie­gen (DGB, Ta­rif­verträge Zeit­ar­beit - iGZ und BZA, Pres­se­mit­tei­lung vom 22.03.2010).

Al­ler­dings ist da­mit nicht ent­schie­den, dass die­se "gu­ten" Ta­rif­verträge auch recht­lich wirk­sam sind. Denn das BAG hat­te in sei­nem CG­ZP-Be­schluss vom De­zem­ber 2010 (BAG, Be­schluss vom 14.12.2010, 1 ABR 19/10) die Un­wirk­sam­keit der CG­ZP-Ta­rif­verträge nicht et­wa da­mit be­gründet, dass die CG­ZP ei­ne Schein-Ge­werk­schaft ist, die al­lein im In­ter­es­se der Leih­ar­beits­fir­men den equal-pay-Grund­satz aus­he­beln soll. Viel­mehr ar­gu­men­tier­te das BAG da­mals rein for­mal-ju­ris­tisch:

Die CG­ZP konn­te, so das BAG, nie Ta­rif­verträge für die Zeit­ar­beits­bran­che ab­sch­ließen, weil sie ein Dach­ver­band ist, der sei­ne Ta­rif­zuständig­keit von der sat­zungsmäßigen Ta­rif­zuständig­keit sei­ner Mit­glieds­or­ga­ni­sa­tio­nen her­lei­tet. Und da die CG­ZP-Mit­glieds­or­ga­ni­sa­tio­nen laut ih­ren Sat­zun­gen nicht die In­ter­es­sen der Zeit­ar­beit­neh­mer ver­tre­ten wol­len, kann das auch die CG­ZP nicht.

Da­her fragt sich, ob der DGB an die­ser Stel­le bes­ser da­steht als die CG­ZP. Denn im­mer­hin lei­tet ja auch der DGB sei­ne Ta­rif­zuständig­keit für die In­ter­es­sen der Leih­ar­beit­neh­mer von sei­nen Mit­glieds­ge­werk­schaf­ten ab. Und die­se ha­ben mögli­cher­wei­se eben­so we­nig wie die Mit­glieds­or­ga­ni­sa­tio­nen der CG­ZP ei­ne sat­zungsmäßige Zuständig­keit für die Leih­ar­beits­bran­che.

Der Streit­fall: Ge­werb­li­cher Leih­ar­beit­neh­mer ver­langt für 2007 bis 2009 Lohn­nach­zah­lung gemäß equal pay

Ein ge­werb­li­cher Ar­beit­neh­mer war bei ei­ner Zeit­ar­beits­fir­ma vom 08.08.2005 bis zum 31.08.2009 als Pro­duk­ti­ons­mit­ar­bei­ter für den über­be­trieb­li­chen Ein­satz beschäftigt, zu­letzt ge­gen ei­nen St­un­den­lohn von 7,38 EUR brut­to. Während der Dau­er sei­nes Ar­beits­verhält­nis­ses wur­de er bei ei­nem Her­stel­ler für Bäder­zu­behör/Bad­aus­stat­tung, als Leih­ar­beit­neh­mer ein­ge­setzt. Be­zahlt wur­de er gemäß ar­beits­ver­trag­li­cher Be­zug­nah­me auf der Grund­la­ge der Ta­rif­verträge, die der DGB mit dem BZA ver­ein­bart hat­te.

Nach Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses for­der­te der Ar­beit­neh­mer ei­ne saf­ti­ge Lohn­nach­zah­lung. Denn sei­ner An­sicht nach sind die Zeit­ar­beits­ta­ri­fe des DGB bzw. des BZA un­wirk­sam, weil die be­tei­lig­ten Or­ga­ni­sa­tio­nen we­der ta­riffähig noch ta­rif­zuständig sind. Die Ta­rif­verträge sei­en außer­dem sit­ten­wid­rig, ja so­gar bloße Schein­ta­rif­verträge. Sch­ließlich sei die in sei­nem Ar­beits­ver­trtag ent­hal­te­ne Be­zug­nah­me­klau­sel un­wirk­sam. Des­halb müsse ihm die Zeit­ar­beits­fir­ma gemäß dem Grund­satz des equal pay den Lohn be­zah­len, den ver­gleich­ba­re Ar­beit­neh­mer im Ent­lei­her­be­trieb er­hiel­ten, was nach sei­ner Be­rech­nung abzüglich des be­reits ge­zahl­ten Lohns 34.584,02 EUR brut­to nebst Zin­sen aus­macht.

Das in ers­ter In­stanz zuständi­ge Ar­beits­ge­richts Frei­burg (Kam­mern Of­fen­burg) wies die Kla­ge ab, weil der Kläger aus sei­ner Sicht sei­ne Dif­fe­renz­lohn­ansprüche nicht ge­nau ge­nug be­rech­net hat­te (Ur­teil vom 02.08.2011, 5 Ca 457/10).

LAG Ba­den-Würt­tem­berg: Es ist zwei­fel­haft, ob die der DGB-Ta­rif­ge­mein­schaft Zeit­ar­beit an­gehören­den Ein­zel­ge­werk­schaf­ten für die Zeit­ar­beits­bran­che ta­riffähig und ta­rif­zuständig sind

Das LAG setz­te den Pro­zess aus, bis in ei­nem ge­son­der­ten ge­richt­li­chen Ver­fah­ren nach § 2a Abs.1 Nr.4 und § 97 Abs.1 und Abs.5 Ar­beits­ge­richts­ge­setz (ArbGG) ent­schie­den ist, ob die der DGB-Ta­rif­ge­mein­schaft Zeit­ar­beit an­gehören­den Ein­zel­ge­werk­schaf­ten ta­riffähig und ta­rif­zuständig für die Zeit­ar­beits­bran­che sind oder nicht.

Denn der Kläger hat­te nach An­sicht des LAG "mit Sub­stanz" die Wirk­sam­keit der DGB-Ta­rif­verträge be­strit­ten, auf die sich die Zeit­ar­beits­fir­ma ge­genüber den ein­ge­klag­ten equal-pay-Ansprüchen be­rief. Das Ar­gu­ment des Klägers lau­te­te im we­sent­li­chen, dass die DGB-Ein­zel­ge­werk­schaf­ten eben­so we­nig wie der DGB selbst gemäß Sat­zung für die ge­werb­li­che Ar­beit­neh­merüber­las­sung zuständig ge­we­sen sei­en, als die strit­ti­gen Ta­ri­fe ab­ge­schlos­sen wor­den wa­ren.

Auch die Ein­be­zie­hung der Ge­werk­schaft der Po­li­zei (GdP) zeigt, so das LAG im An­schluss an die Ar­gu­men­ta­ti­on des Klägers, dass der DGB un­sorgfältig ge­ar­bei­tet ha­be, denn im Zuständig­keits­be­reich der GdP ist kei­ne ge­werb­li­che Ar­beit­neh­merüber­las­sung denk­bar.

Fa­zit: Ent­schie­den ist noch nichts, aber es ist da­mit zu rech­nen, dass über die Wirk­sam­keit der DGB-Zeit­ar­beits­ta­rif­verträge in den nächs­ten Jah­ren vor Ge­richt ge­strit­ten wird. Da­mit wird der sys­te­ma­ti­sche und dau­er­haf­te Ein­satz von Leih­ar­beit in großem Stil für die Zeit­ar­beits­fir­men und für de­ren Kun­den im­mer gefähr­li­cher.

Denn auch bei An­wen­dung der "gu­ten" DGB-Zeit­ar­beits­ta­rif­verträge dro­hen künf­tig Dif­fe­renz­lohn­kla­gen wie der hier vom LAG Ba­den-Würt­tem­berg zu ent­schei­den­de Streit­fall. Und nicht nur das: Auch der dau­er­haf­te Ein­satz von Leih­ar­beit als sol­cher wird in der ak­tu­el­len Recht­spre­chung als ge­set­zes­wid­rig an­ge­se­hen (wir be­rich­te­ten zu­letzt in: Ar­beits­recht ak­tu­ell: 13/007 Führt dau­er­haf­te Leih­ar­beit zu ei­nem Ar­beits­verhält­nis mit dem Ent­lei­her?).

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Letzte Überarbeitung: 22. November 2016

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