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Frist­lo­se Kün­di­gung we­gen an­geb­li­cher Ar­beits­ver­wei­ge­rung

Weist der Ar­beit­ge­ber nach ver­lo­re­nem Kün­di­gungs­schutz­pro­zess un­ter­wer­ti­ge Ar­bei­ten zu, die der Ar­beit­neh­mer ab­lehnt, ist ei­ne Kün­di­gung we­gen "Ar­beits­ver­wei­ge­rung" un­wirk­sam: Lan­des­ar­beits­ge­richt Rhein­land-Pfalz, Ur­teil vom 24.01.2013, 10 Sa 463/12
Polier, der zwei Bauarbeitern mit ausgestrecktem Arm Arbeit zuweist Zu­läs­si­ge Ar­beits­an­wei­sun­gen darf man nicht ver­wei­gern

25.05.2013. Der Ar­beit­ge­ber kann je­der­zeit ei­ne au­ßer­or­dent­li­che Kün­di­gung aus­spre­chen, und zwar oh­ne Ein­hal­tung ei­ner Kün­di­gungs­frist, vor­aus­ge­setzt na­tür­lich, er hat da­für ei­nen "wich­ti­gen Grund" im Sin­ne von § 626 Bür­ger­li­ches Ge­setz­buch (BGB).

Ein sol­cher "wich­ti­ger Grund" kann dar­in lie­gen, dass der Ar­beit­neh­mer die Ar­beit be­wusst und fort­ge­setzt ("be­harr­lich") ver­wei­gert. Das setzt vor­aus, dass der Ar­beit­neh­mer die von ihm ver­wei­ger­ten Ar­bei­ten nach sei­nem Ar­beits­ver­trag ver­rich­ten müss­te.

Weist der Ar­beit­ge­ber dem Ar­beit­neh­mer dem­ge­gen­über Auf­ga­ben zu, die vom Ar­beits­ver­trag nicht ge­deckt sind, ist die Ar­beits­ver­wei­ge­rung rech­tens und die dar­auf ge­stütz­te Kün­di­gung un­wirk­sam: Lan­des­ar­beits­ge­richt Rhein­land-Pfalz, Ur­teil vom 24.01.2013, 10 Sa 463/12.

Kündi­gung we­gen be­harr­li­cher Ar­beits­ver­wei­ge­rung - auch bei schi­kanösen Ar­beits­an­wei­sun­gen?

Mel­det sich der Ar­beit­neh­mer nach ge­won­ne­nem Kündi­gungs­schutz­pro­zess wie­der im Be­trieb zur Ar­beit zurück, ist die At­mo­sphäre dort oft fros­tig. Sch­ließlich will der Ar­beit­ge­ber den un­lieb­sa­men Rück­keh­rer nicht mehr se­hen und be­han­delt ihn dann nach der De­vi­se "Soll er mal se­hen, was er von sei­ner Kla­ge hat...".

In sol­chen Fällen kommt es vor, dass der Ar­beit­ge­ber Ar­bei­ten zu­weist, die un­ter­wer­tig sind, d.h. nicht die Be­deu­tung und den Schwie­rig­keits­grad der Auf­ga­ben ha­ben, die vom Ar­beits­ver­trag vor­ge­se­hen sind. Sol­che Ar­beits­an­wei­sun­gen sind vom Wei­sungs­recht (Di­rek­ti­ons­recht) des Ar­beit­ge­bers nicht ge­deckt und können da­her vom Ar­beit­neh­mer zurück­ge­wie­sen wer­den.

Ver­wei­gert der Ar­beit­neh­mer sol­che Ar­bei­ten, geht er aber ein ho­hes Ri­si­ko ein. Denn ob der Ar­beit­ge­ber mit ei­ner kon­kre­ten Ar­beits­an­wei­sung sein Wei­sungs­recht über­schrei­tet oder nicht, ist oft nicht klar. Und die Ar­beits­ge­rich­te ent­schei­den bei Fra­gen des Wei­sungs­rechts oft ar­beit­ge­ber­freund­lich, d.h. sie mu­ten dem Ar­beit­neh­mer ein ho­hes Maß an Fle­xi­bi­lität zu.

Dass Ar­beit­neh­mer es in ex­tre­men Fällen schi­kanöser Ar­beits­an­wei­sun­gen trotz­dem ein­mal dar­auf an­kom­men las­sen können, er­neut gekündigt zu wer­den, zeigt der Fall des LAG Rhein­land-Pfalz (Ur­teil vom 24.01.2013, 10 Sa 463/12).

Der Streit­fall: Führungs­kraft ei­nes überört­li­chen Vi­de­o­ver­lei­un­ter­neh­mens wird nach ge­won­ne­nem Kündi­gungs­schutz­pro­zess zum DVD-Put­zen ab­kom­man­diert

Im Streit­fall ging es um ei­nen größeren Ar­beit­ge­ber, der auf der Grund­la­ge von Fran­chise­verträgen bun­des­weit zahl­rei­che Vi­deo­the­ken be­treibt. Der seit 1987 beschäftig­te Ar­beit­neh­mer be­such­te als sog. Re­vi­sor (Ober­be­trei­ber) re­gelmäßig die von ihm zu be­treu­en­den Vi­deo­the­ken und über­prüfte dort u.a. den Film­be­stand und die Ver­kaufs­ar­ti­kel.

Mit­te 2011 wur­de er aus be­triebs­be­ding­ten Gründen we­gen der an­geb­lich be­ab­sich­tig­ten Sch­ließung sämt­li­cher Vi­deo­the­ken gekündigt und er­hob da­ge­gen Kündi­gungs­schutz­kla­ge. Und zwar mit Er­folg, denn die Vi­deo­the­ken wur­den wei­ter be­trie­ben. Noch während des Kla­ge­ver­fah­rens und nach ge­won­ne­nem Pro­zess wur­de ihm die Auf­ga­be zu­ge­wie­sen, in ei­nem Dienst­leis­tungs­zen­trum bzw. La­ger DVDs zu rei­ni­gen.

Die­se Ar­bei­ten führ­te der Ar­beit­neh­mer zunächst aus, ver­wei­ger­te sie dann aber im März 2012, nach­dem er den Pro­zess ge­won­nen hat­te. Prompt er­hielt er ei­ne Ab­mah­nung und prak­tisch zeit­gleich ei­ne frist­lo­se Kündi­gung we­gen an­geb­li­cher Ar­beits­ver­wei­ge­rung.

Ge­gen die­se Kündi­gung so­wie ei­ne wei­te­re nach­ge­scho­be­ne Kündi­gung vom Mai 2012 zog er vor das Ar­beits­ge­richt Ko­blenz, das sei­ne Kla­ge ab­wies (Ur­teil vom 22.08.2012, 4 Ca 3775/11). Denn nach An­sicht des Ar­beits­ge­richts hat­te die Tat­sa­che, dass der Ar­beit­neh­mer die strei­ti­gen La­ger­ar­bei­ten 2011 vorüber­ge­hend ver­rich­te­te, zu ei­ner ein­ver­nehm­li­chen Ände­rung der ver­trag­li­chen Ar­beits­auf­ga­ben geführt.

LAG Rhein­land-Pfalz: Weist der Ar­beit­ge­ber nach ver­lo­re­nem Kündi­gungs­schutz­pro­zess un­ter­wer­ti­ge Ar­bei­ten zu, die der Ar­beit­neh­mer ab­lehnt, kann er nicht we­gen "Ar­beits­ver­wei­ge­rung" kündi­gen

Das LAG hob das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts auf und gab der Kla­ge statt. Da­mit steht fest, dass die we­gen der Ar­beitssver­wei­ge­rung aus­ge­spro­che­nen Kündi­gun­gen un­wirk­sam wa­ren.

Denn nach An­sicht des LAG hat­ten die Par­tei­en kei­ne Ände­rung der Ar­beits­auf­ga­ben ver­ein­bart. Für ei­ne sol­che Ver­ein­ba­rung hätte es aus Sicht des Ar­beit­neh­mers auch kei­nen vernünf­ti­gen Grund ge­ge­ben, denn die­se Auf­ga­benände­rung führ­te da­zu, dass der Ar­beit­neh­mer dau­er­haft un­qua­li­fi­zier­te Hilfs­ar­bei­ten hätte ver­rich­ten müssen und oben­drein 40 Pro­zent we­ni­ger Ge­halt be­kom­men hätte.

Folg­lich war die strei­ti­ge Wei­sung vom März 2012 rechts­wid­rig, da sie vom Wei­sungs­recht des Ar­beit­ge­bers nicht ab­ge­deckt war. Mehr noch: Nach An­sicht des LAG war die Kündi­gung ver­bo­te­ne Maßre­ge­lung zu be­wer­ten, d.h. sie ver­stieß ge­gen § 612a BGB. Das wie­der­um hat­te zur Fol­ge, dass der Ar­beit­neh­mer mit sei­ner Ver­wei­ge­rungs­hal­tung sei­ne Ver­trags­pflich­ten nicht ver­letz­te und der Ar­beit­ge­ber dem­zu­fol­ge kei­nen Grundfür ei­ne frist­lo­se Kündi­gung hat­te.

Fa­zit: Dass das Ar­beits­ge­richt Ko­blenz die Ar­beits­an­wei­sung als rech­tens, das LAG sie da­ge­gen als rechts­wid­rig und so­gar als Maßre­ge­lung im Sin­ne von § 612a BGB be­wer­te­te, macht das Ri­si­ko deut­lich, das Ar­beit­neh­mer bei of­fe­ner Zurück­wei­sung von Ar­beits­an­wei­sun­gen tra­gen. Trotz­dem kommt man in man­chen Fällen nicht dar­um her­um, "Kan­te zu zei­gen", denn an­dern­falls läuft man Ge­fahr, dau­er­haft schlech­te be­zahl­te Hilfs­ar­bei­ten ver­rich­ten zu müssen. Ei­ne sol­che "Ab­si­che­rung" des Ar­beits­ver­trags ist aber letzt­lich wert­los.

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Letzte Überarbeitung: 31. Januar 2019

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