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BAG, Ur­teil vom 01.04.2009, 10 AZR 353/08

   
Schlagworte: Gleichbehandlung
   
Gericht: Bundesarbeitsgericht
Aktenzeichen: 10 AZR 353/08
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 01.04.2009
   
Leitsätze:
Vorinstanzen: Arbeitsgericht Stuttgart, Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg
   


BUN­DES­AR­BEITS­GERICHT

10 AZR 353/08
8 Sa 29/07
Lan­des­ar­beits­ge­richt

Ba­den-Würt­tem­berg

 

Im Na­men des Vol­kes!

Verkündet am

1. April 2009

UR­TEIL

Jatz , Ur­kunds­be­am­tin

der Geschäfts­stel­le

In Sa­chen

Be­klag­te, Be­ru­fungskläge­rin, Be­ru­fungs­be­klag­te und Re­vi­si­onskläge­rin,

pp.

Kläger, Be­ru­fungs­be­klag­ter, Be­ru­fungskläger und Re­vi­si­ons­be­klag­ter,

hat der Zehn­te Se­nat des Bun­des­ar­beits­ge­richts auf­grund der münd­li­chen Ver­hand­lung vom 1. April 2009 durch den Vor­sit­zen­den Rich­ter am Bun­des­ar­beits­ge­richt Dr. Frei­tag, die Rich­te­rin am Bun­des­ar­beits­ge­richt Mar­quardt, den Rich­ter am Bun­des­ar­beits­ge­richt Dr. Brühler so­wie die eh­ren­amt­li­chen Rich­ter Thiel und Pe­tri für Recht er­kannt:
 


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1. Die Re­vi­si­on der Be­klag­ten ge­gen das Ur­teil des Lan­des­ar­beits­ge­richts Ba­den-Würt­tem­berg vom 22. Ja­nu­ar 2008 - 8 Sa 29/07 - wird zurück­ge­wie­sen.

2. Die Be­klag­te hat die Kos­ten der Re­vi­si­on zu tra­gen.

Von Rechts we­gen!

Tat­be­stand

Die Par­tei­en strei­ten über ei­ne über­ta­rif­li­che Son­der­zah­lung für das Jahr 2006.

Die Be­klag­te ist ein Dienst­leis­tungs­un­ter­neh­men für die Ver­lags­aus­lie­fe­rung und beschäftigt ca. 650 Mit­ar­bei­ter. Sie war bis zum 31. März 2006 ta­rif­ge­bun­de­nes Mit­glied im Ver­band für Dienst­leis­tung, Groß- und Außen­han­del Ba­den-Würt­tem­berg e. V. (VD­GA). Auf das Ar­beits­verhält­nis der Par­tei­en fin­det der Man­tel­ta­rif­ver­trag des Groß- und Außen­han­dels in Ba­den-Würt­tem­berg in der ab dem 1. Ja­nu­ar 1997 gel­ten­den Fas­sung (im Fol­gen­den: MTV) An­wen­dung. Die­ser wur­de mit Wir­kung zum 31. De­zem­ber 2005 gekündigt. 96 % der Be­leg­schaft schlos­sen mit der Be­klag­ten bis zum 15. April 2006 Ände­rungs­ver­ein­ba­run­gen mit der Her­auf­set­zung ih­rer wöchent­li­chen ta­rif­li­chen Ar­beits­zeit von 38,5 St­un­den auf 40 St­un­den ab, oh­ne hierfür ei­nen Ent­gelt­aus­gleich zu er­hal­ten. Der Kläger nahm das Ände­rungs­an­ge­bot der Be­klag­ten nicht an. Mit Aus­hang vom 24. No­vem­ber 2006 teil­te die Be­klag­te den Mit­ar­bei­tern mit:


„Son­der­zah­lung No­vem­ber 2006


Die Geschäfts­lei­tung hat sich ent­schlos­sen, in die­sem Jahr ei­ne frei­wil­li­ge Son­der­zah­lung den­je­ni­gen Beschäftig­ten zu gewähren, die der ar­beits­ver­trag­li­chen Einführung der 40-St­un­den-Wo­che zu­ge­stimmt ha­ben. Nach­ste­hen­de Re­ge­lun­gen wer­den da­bei ein­be­zo­gen.


Mit die­ser Maßnah­me möch­te die Geschäfts­lei­tung die be­son­de­re Leis­tung die­ser Beschäftig­ten ho­no­rie­ren und sich auf die­se Wei­se für den zusätz­li­chen Ar­beits­ein­satz

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be­dan­ken.


Die Son­der­zah­lung wird nach Maßga­be der fol­gen­den Ta­bel­le gewährt.

Ein­tritt 2.12.2004 bis 1.12.2005 nach Ta­rif

Ein­tritt 2.12.2003 bis 1.12.2004 90 % vom mo­nat­li­chen Ef­fek­tiv­ge­halt/-lohn un­ter Ein­be­zie­hung der ta­rifl. Son­der­zah­lung und Ur-laubs­geld

Ein­tritt 1.12.2003 oder früher 100 % vom mo­nat­li­chen Ef­fek­tiv­ge­halt/-lohn un­ter Ein­be­zie­hung der ta­rifl. Son­der­zah­lung und Ur-laubs­geld


Mit­ar­bei­ter/in­nen, die der 40-St­un­den-Wo­che zu­ge­stimmt ha­ben und be­reits 2005 ei­ne Son­der­zah­lung von 80 % (ggf. an­tei­lig) oder 90 % er­hal­ten ha­ben, er­hal­ten 2006 ent­spre­chend 90 % bzw. 100 %.

Der An­spruch auf die frei­wil­li­ge Son­der­zah­lung be­steht nur, wenn das Ar­beits­verhält­nis zum Zeit­punkt der Aus­zah­lung un­gekündigt ist. En­det das Ar­beits­verhält­nis bis zum 31.3. des Fol­ge­jah­res, wird die frei­wil­li­ge Son­der­zah­lung mit dem Be­kannt­wer­den der Kündi­gung mit der nächs­ten Lohn-/Ge­halts­ab­rech­nung ein­be­hal­ten. Der zur Aus­zah­lung kom­men­de Be­trag ver­rin­gert sich um das Ur­laubs­geld. Eben­falls ist die ta­rif­li­che Son­der­zah­lung gemäß § 19 C MTV ent­hal­ten. Die Be­rech­nung der Son­der­zah­lung für Teil­zeit­beschäftig­te (auch Al­ters­teil­zeit) rich­tet sich nach der im Ar­beits­ver­trag ver­ein­bar­ten Soll­zeit. Im Übri­gen gel­ten die Be­stim­mun­gen des Man­tel­ta­rif­ver­tra­ges des Groß- und Außen­han­dels Ba­den-Würt­tem­berg in sei­ner Fas­sung vom 1.1.1997, auch für den über­ta­rif­li­chen Teil (z. B. bei In­an­spruch­nah­me von El­tern­zeit).

Aus recht­li­chen Gründen wei­sen wir dar­auf hin, dass es sich bei die­ser Son­der­zah­lung, so­weit sie die ta­rif­li­che Son­der­zah­lung und das Ur­laubs­geld be­tragsmäßig über-steigt, um ei­ne ein­ma­li­ge und frei­wil­li­ge Zu­wen­dung han­delt, die ei­nen An­spruch un­se­rer Beschäftig­ten auf künf­ti­ge glei­che oder ähn­li­che Zah­lun­gen nicht be­gründet.
...“
 


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Die Be­klag­te gewähr­te dem Kläger le­dig­lich ei­ne Son­der­zah­lung in ta­rif­li­cher Höhe. Mit der Kla­ge be­gehrt er den über­ta­rif­li­chen Teil der Son­der­zah­lung in Höhe von 423,72 Eu­ro brut­to.


Der Kläger hat die Auf­fas­sung ver­tre­ten, ihm ste­he der An­spruch auf die über­ta­rif­li­che Son­der­zah­lung aus dem Ge­sichts­punkt der Gleich­be­hand­lung zu. Aus der Rück­zah­lungs­pflicht der Son­der­zah­lung bei ei­nem Aus­schei­den bis zu ei­nem be­stimm­ten Stich­tag er­ge­be sich, dass die Son­der­zah­lung die Be­triebs­treue der Ar­beit­neh­mer ho­no­rie­ren soll­te. Die Her­aus­nah­me der Mit­ar­bei­ter aus dem Kreis der Begüns­tig­ten, die ei­ner verlänger­ten Ar­beits­zeit nicht zu­ge­stimmt hätten, sei sach­lich nicht ge­recht­fer­tigt und ver­s­toße ge­gen das Maßre­ge­lungs­ver­bot des § 612a BGB.


Der Kläger hat zu­letzt be­an­tragt, 


die Be­klag­te zu ver­ur­tei­len, an ihn 423,72 Eu­ro brut­to nebst Zin­sen iHv. fünf Pro­zent­punk­ten über dem Ba­sis­zins­satz seit dem 27. März 2007 zu zah­len.


Die Be­klag­te hat zu ih­rem Kla­ge­ab­wei­sungs­an­trag die An­sicht ver­tre­ten, der Zweck der ta­rif­li­chen Son­der­zah­lung sei aus­sch­ließlich die Be­loh­nung der zusätz­li­chen Leis­tung und Leis­tungs­be­reit­schaft der in der 40-St­un­den-Wo­che oh­ne Ent­gelt­aus­gleich ar­bei­ten­den Mit­ar­bei­ter, wenn die­se min­des­tens ein Jahr be­tra­ge. Mit der Zah­lung soll­te we­der er­brach­te noch künf­ti­ge Be­triebs­treue be­lohnt wer­den. Der Kläger sei mit den Ar­beit­neh­mern, die die Son­der­zah­lung er­hal­ten hätten, nicht ver­gleich­bar, da er im Ge­gen­satz zu die­sen le­dig­lich 38,5 St­un­den und nicht 40 St­un­den in der Wo­che oh­ne Ent­gelt­aus­gleich ar­bei­te. Je­den­falls sei die Dif­fe­ren­zie­rung sach­lich be­gründet. Begüns­tigt sei­en die­je­ni­gen Ar­beit­neh­mer, die stärker be­las­tet sei­en und ei­nen Ent­gelt­nach­teil ge­genüber der an­de­ren Grup­pe hätten. Die Rechts­ausübung durch den Kläger, die Ände­rungs­ver­ein­ba­rung zum Ar­beits­ver­trag nicht zu un­ter­zeich­nen, sei für die Her­aus­nah­me aus der Son­der­zah­lung kein Mo­tiv ge­we­sen. Aber selbst wenn von ei­ner Son­der­zah­lung, die meh­re­re Zwe­cke ver­fol­ge, aus­ge­gan­gen wer­de, kom­me ei­ne Dif­fe­ren­zie­rung nach über­ge­ord­ne­ten und un­ter­ge­ord­ne­ten Zwe­cken nicht in Be­tracht.
 


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Das Ar­beits­ge­richt hat der Kla­ge, so­weit sie noch im Streit ist, statt­ge­ge­ben. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat die Be­ru­fung der Be­klag­ten in­so­weit zurück­ge­wie­sen. Mit ih­rer Re­vi­si­on be­gehrt die Be­klag­te die vollständi­ge Kla­ge­ab­wei­sung. Der Kläger be­an­tragt, die Re­vi­si­on zurück­zu­wei­sen.

Ent­schei­dungs­gründe

Die Re­vi­si­on ist un­be­gründet. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat zu Recht ent­schie­den, dass dem Kläger ein An­spruch auf die über­ta­rif­li­che Son­der­zah­lung iHv. 423,72 Eu­ro brut­to zu­steht.


A. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat an­ge­nom­men, dass die Her­aus­nah­me der Mit­ar­bei­ter, die ei­ner Verlänge­rung der Ar­beits­zeit oh­ne Lohn­aus­gleich nicht zu­ge­stimmt hat­ten, ge­gen den Gleich­be­hand­lungs­grund­satz ver­s­toße. Die frei­wil­li­ge Son­der­zah­lung sei zur Auf­sto­ckung der ta­rif­li­chen Son­der­zu­wen­dung ge­dacht und neh­me in­so­weit an de­ren Zweck­be­stim­mung teil. Es sei kein zeit­li­cher Zu­sam­men­hang mit den Zeiträum­en, in de­nen die Ar­beit­neh­mer be­reits in der 40-St­un­den-Wo­che ge­ar­bei­tet hätten, aus der Re­ge­lung er­sicht­lich. Viel­mehr entsprächen die Leis­tungs­vor­aus­set­zun­gen den ty­pi­schen Re­ge­lun­gen bei der Gewährung ei­nes Weih­nachts­gel­des, das ver­gan­ge­ne Be­triebs­treue be­loh­nen und zukünf­ti­ge Be­triebs­treue fördern sol­le. Sol­le die Son­der­leis­tung so­mit nur den Ar­beit­neh­mern zu­gu­te kom­men, die die er­for­der­li­chen Be­triebs­zu­gehörig­keits­zei­ten auf­wie­sen und die sons­ti­gen ta­rif­li­chen Vor­aus­set­zun­gen erfüll­ten, so tref­fe dies eben­so auf sol­che Ar­beit­neh­mer zu, die der Ar­beits­zeit­verlänge­rung oh­ne Lohn­aus­gleich nicht zu­ge­stimmt hätten.


B. Die­se Ausführun­gen hal­ten den An­grif­fen der Re­vi­si­on stand. 


I. Die Re­vi­si­on der Be­klag­ten ist nicht be­reits des­halb un­be­gründet, weil die Be­ru­fung der Be­klag­ten un­zulässig war. Die am 27. Ju­li 2007 bei dem Lan­des­ar­beits­ge­richt ein­ge­gan­ge­ne Be­ru­fungs­be­gründung er­folg­te in­ner­halb

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der Frist des § 66 Abs. 1 Satz 1 ArbGG, denn das erst­in­stanz­li­che Ur­teil ist der Be­klag­ten ent­ge­gen dem Ver­merk auf der Post­zu­stel­lungs­ur­kun­de nicht am 26. Mai 2007, son­dern am 29. Mai 2007 zu­ge­stellt wor­den. Dies hat das Lan­des­ar­beits­ge­richt ein­ge­hend be­gründet, oh­ne dass der Kläger dies in sei­ner Re­vi­si­on an­ge­grif­fen hätte.

II. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat zu Recht er­kannt, dass dem Kläger der gel­tend ge­mach­te An­spruch auf die über­ta­rif­li­che Son­der­zah­lung zu­steht.


1. Der Kläger hat ei­nen An­spruch auf Zah­lung iHv. 423,72 Eu­ro brut­to aus dem ar­beits­recht­li­chen Gleich­be­hand­lungs­grund­satz.

2. Auch wenn der Ar­beit­ge­ber auf­grund ei­nes Frei­wil­lig­keits­vor­be­halts in sei­ner Ent­schei­dung frei ist, ob und un­ter wel­chen Vor­aus­set­zun­gen er sei­nen Ar­beit­neh­mern ei­ne zusätz­li­che Leis­tung gewährt, ist er an den ar­beits­recht­li­chen Grund­satz der Gleich­be­hand­lung ge­bun­den, wenn er nach von ihm ge­setz­ten all­ge­mei­nen Re­geln frei­wil­lig Son­der­zah­lun­gen leis­tet. Er darf ein­zel­ne Ar­beit­neh­mer nicht sach­fremd ge­genüber an­de­ren Ar­beit­neh­mern in ver­gleich­ba­rer La­ge schlech­ter stel­len. Gewährt der Ar­beit­ge­ber auf­grund ei­ner abs­trak­ten Re­ge­lung ei­ne frei­wil­li­ge Leis­tung nach ei­nem er­kenn­bar ge­ne­ra­li­sie­ren­den Prin­zip und legt er gemäß dem mit der Leis­tung ver­folg­ten Zweck die An­spruchs­vor­aus­set­zun­gen für die Leis­tung fest, darf er ein­zel­ne Ar­beit­neh­mer von der Leis­tung nur aus­neh­men, wenn dies sach­li­chen Kri­te­ri­en ent­spricht. Ar­beit­neh­mer wer­den dann nicht sach­fremd be­nach­tei­ligt, wenn sich nach dem Zweck der Leis­tung Gründe er­ge­ben, die es un­ter Berück­sich­ti­gung al­ler Umstände recht­fer­ti­gen, die­sen Ar­beit­neh­mern die den an­de­ren Ar­beit­neh­mern gewähr­te Leis­tung vor­zu­ent­hal­ten. Die Zweck­be­stim­mung ei­ner Son­der­zah­lung er­gibt sich vor­ran­gig aus ih­ren tatsächli­chen und recht­li­chen Vor­aus­set­zun­gen, so­weit die Be­zeich­nung nicht al­lein maßgeb­lich ist. Ist die un­ter­schied­li­che Be­hand­lung nach dem Zweck der Leis­tung nicht ge­recht­fer­tigt, kann der be­nach­tei­lig­te Ar­beit­neh­mer ver­lan­gen, nach Maßga­be der begüns­tig­ten Ar­beit­neh­mer be­han­delt zu wer­den (st. Rspr. des BAG, zu­letzt 30. Ju­li 2008 - 10 AZR 497/07 - EzA BGB 2002 § 242 Gleich­be­hand­lung Nr. 17; 28. März 2007 - 10 AZR 261/06 - AP BGB § 611 Gra­ti­fi­ka­ti­on Nr. 265 = EzA BGB 2002 § 611
 


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Gra­ti­fi­ka­ti­on, Prämie Nr. 21; 26. Sep­tem­ber 2007 - 10 AZR 569/06 - AP BGB § 242 Gleich­be­hand­lung Nr. 205 = EzA BGB 2002 § 242 Gleich­be­hand­lung Nr. 13).


3. Ge­mes­sen an die­sen Grundsätzen hat die Be­klag­te ge­gen den ar­beits­recht­li­chen Gleich­be­hand­lungs­grund­satz ver­s­toßen.

a) Die Be­klag­te hat zwei Grup­pen von Ar­beit­neh­mern ge­bil­det, und zwar die Grup­pe der­je­ni­gen, die der Erhöhung der Wo­chen­stun­den­zahl oh­ne Ent­gelt­aus­gleich zu­ge­stimmt ha­ben und die Grup­pe der­je­ni­gen, die dies nicht ge­tan ha­ben. Der ei­nen Grup­pe wur­de ei­ne zusätz­li­che Leis­tung un­ter den dar­ge­stell­ten Be­din­gun­gen an­ge­bo­ten, der an­de­ren nicht. Es be­ste­hen bei der Be­klag­ten nicht zwei Ent­gelt­sys­te­me, son­dern es gibt Ar­beit­neh­mer mit un­ter­schied­lich lan­ger Ar­beits­zeit bei glei­cher Grund­vergütung (vgl. BAG 14. März 2007 - 5 AZR 420/06 - BA­GE 122, 1; 30. Ju­li 2008 - 10 AZR 497/07 - EzA BGB 2002 § 242 Gleich­be­hand­lung Nr. 17). Ent­ge­gen der An­sicht der Be­klag­ten sind auch nicht des­halb zwei Ent­gelt­sys­te­me ent­stan­den, weil die Ar­beits­zeit des größten Teils der Mit­ar­bei­ter zum glei­chen Zeit­punkt her­auf­ge­setzt wur­de und sich die Un­ter­schie­de in der Ver­diensthöhe nicht - wie dies häufig ge­schieht - allmählich im Lauf der Zeit ge­bil­det ha­ben. Es hat sich nicht das Sys­tem in sei­nem We­sen verändert, son­dern es ist ei­ne neue - höhe­re - be­trieb­li­che Ar­beits­zeit fest­ge­setzt wor­den, was bei gleich­blei­ben­der Vergütung zu ei­ner nied­ri­ge­ren St­un­den­vergütung der ei­nen Grup­pe führt. Da­mit sind die Re­ge­lun­gen am Gleich­be­hand­lungs­grund­satz zu mes­sen.


b) Gründe, die es nach dem Zweck der Leis­tung un­ter Berück­sich­ti­gung al­ler Umstände recht­fer­ti­gen, der ei­nen Ar­beit­neh­mer­grup­pe die der an­de­ren Ar­beit­neh­mer­grup­pe gewähr­te Leis­tung vor­zu­ent­hal­ten, be­ste­hen nicht.

aa) Al­ler­dings kann ei­ne Dif­fe­ren­zie­rung sach­lich be­gründet sein, mit der un­ter­schied­li­che Ar­beits­be­din­gun­gen zwi­schen ver­schie­de­nen Grup­pen von Ar­beit­neh­mern aus­ge­gli­chen wer­den sol­len (vgl. BAG 14. März 2007 - 5 AZR 420/06 - BA­GE 122, 1). Hätte die Be­klag­te den Mit­ar­bei­tern mit der länge­ren Ar­beits­zeit ei­ne Ein­mal­zah­lung oder sons­ti­ge Leis­tung gewährt, die nichts
 


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an­de­res tat als die Ein­kom­mens­ein­bußen ganz oder teil­wei­se aus­zu­glei­chen, wäre nichts da­ge­gen ein­zu­wen­den ge­we­sen.

bb) Die Be­klag­te hat aber wei­te­re An­spruchs­vor­aus­set­zun­gen der über­ta­rif­li­chen Son­der­zah­lung in ih­rem Aus­hang vom 24. No­vem­ber 2006 for­mu­liert und da­mit wei­te­re Zwe­cke fest­ge­setzt. Die Zah­lung setzt ei­ne Min­dest­beschäfti­gungs­dau­er vor­aus, denn die in dem Zeit­raum vom 2. De­zem­ber 2004 bis 1. De­zem­ber 2005 ein­ge­tre­te­nen Mit­ar­bei­ter er­hal­ten nichts. Wei­ter­hin muss das Ar­beits­verhält­nis zu ei­nem be­stimm­ten Stich­tag be­ste­hen. Außer­dem enthält die Re­ge­lung ei­nen Rück­zah­lungs­vor­be­halt, wenn das Ar­beits­verhält­nis bis zum 31. März des Fol­ge­jah­res en­det. Das Ar­beits­verhält­nis muss zum Zeit­punkt der Aus­zah­lung un­gekündigt sein. Da­mit wird so­wohl ver­gan­ge­ne als auch zukünf­ti­ge Be­triebs­treue ho­no­riert.

Die Re­ge­lung ver­weist zu­dem auf die Be­stim­mun­gen des MTV. Da­nach entfällt die ta­rif­li­che Son­der­zah­lung bei Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses auf­grund grob treu­wid­ri­gen Ver­hal­tens oder Ver­trags­bruchs des Beschäftig­ten. Da­mit sol­len auch das Ar­beits­ver­hal­ten und die Be­triebs­treue mit der Leis­tung ge­steu­ert wer­den.

cc) Auch die Ar­beit­neh­mer, die der Ver­tragsände­rung nicht zu­ge­stimmt ha­ben, können die wei­te­ren Zwe­cke erfüllen, wenn sie ver­gan­ge­ne und künf­ti­ge Be­triebs­treue auf­wei­sen und sich loy­al ver­hal­ten ha­ben. Der von der Be­klag­ten be­an­spruch­te al­lei­ni­ge Zweck der Zah­lung, ge­leis­te­te und nicht ge­son­dert vergüte­te Mehr­ar­beit zu be­loh­nen, kann hin­ge­gen nur bei den Ar­beit­neh­mern ein­tre­ten, die die ent­spre­chen­den Beschäfti­gungs­zei­ten auf­wei­sen und de­ren Ar­beits­verhält­nis im Zeit­punkt der Aus­zah­lung un­gekündigt ist. Des Wei­te­ren müssen sie länger als bis zum 31. März des Fol­ge­jah­res beschäftigt sein und dürfen sich kein Fehl­ver­hal­ten zu­schul­den kom­men las­sen. Da­mit un­ter­schei­det sich die über­ta­rif­li­che Son­der­zah­lung in ih­ren Zwe­cken und Vor­aus­set­zun­gen nicht we­sent­lich von der ta­rif­li­chen Son­der­zah­lung.


dd) Dem wi­der­spricht auch nicht die Ent­schei­dung des Fünf­ten Se­nats des Bun­des­ar­beits­ge­richts vom 14. März 2007 (- 5 AZR 420/06 - BA­GE 122, 1).
 


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Da­nach be­nach­tei­ligt die Zah­lung ei­nes In­fla­ti­ons­aus­gleichs nur an die Stamm­be­leg­schaft nicht sach­wid­rig sol­che Ar­beit­neh­mer, die auf­grund ei­nes Be­triebsüber­gangs gem. § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB ein höhe­res Ent­gelt er­hal­ten. Die Her­stel­lung ein­heit­li­cher Ar­beits­be­din­gun­gen durch den Aus­gleich von Nach­tei­len und die An­glei­chung an die Be­din­gun­gen der über­nom­me­nen Be­leg­schaft recht­fer­tigt ei­ne dif­fe­ren­zier­te Be­hand­lung der ver­schie­de­nen Grup­pen. In dem dort ent­schie­de­nen Sach­ver­halt ging es dem Ar­beit­ge­ber je­doch aus­sch­ließlich um den Aus­gleich von Vergütungs­nach­tei­len. Wei­te­re Zwe­cke wur­den nicht ver­folgt. Hier hat die Be­klag­te die über­ta­rif­li­che Son­der­leis­tung je­doch an wei­te­re Vor­aus­set­zun­gen ge­bun­den und da­mit wei­te­re Zwe­cke fest­ge­legt.


c) Ent­ge­gen der Auf­fas­sung der Be­klag­ten muss­te der an­ge­bo­te­ne Zeu­gen­be­weis dafür, dass die Be­klag­te nur ge­leis­te­te und nicht ge­son­dert vergüte­te Mehr­ar­beit be­loh­nen woll­te und dass die Be­loh­nung ge­leis­te­ter und künf­ti­ger Be­triebs­treue über­haupt nicht be­zweckt wor­den sei, nicht er­ho­ben wer­den (§ 286 ZPO). Die Ver­fah­rensrüge nach § 286 ZPO ist un­be­gründet. Aus dem Vor­trag der Be­klag­ten er­ge­ben sich kei­ne er­heb­li­chen An­halts­punk­te für ei­ne ab­wei­chen­de recht­li­che Be­ur­tei­lung. Aus den von der Be­klag­ten aus­drück­lich for­mu­lier­ten Vor­aus­set­zun­gen für die Gewährung der über­ta­rif­li­chen Son­der­zah­lung wird er­kenn­bar, wel­che Zwe­cke die Be­klag­te mit die­ser Zah­lung ver­folgt. Die­se knüpften ge­ra­de nicht le­dig­lich an den Aus­gleich der er­lit­te­nen Vergütungs­nach­tei­le an.


d) Die Be­klag­te rügt er­folg­los, das Lan­des­ar­beits­ge­richt ha­be un­ter Ver­s­toß ge­gen § 139 ZPO aus dem Ver­weis im Aus­hang der Be­klag­ten auf den MTV den Schluss ge­zo­gen, dass der Zweck der Son­der­zah­lung 2006 dem der ta­rif­li­chen Son­der­zah­lung ent­spre­che. Auch wenn es zu­tref­fen soll­te, dass fast al­le Mit­ar­bei­ter mit ei­ner 40-St­un­den-Wo­che die Be­loh­nung er­hal­ten ha­ben, ver­weist der Aus­hang aus­drück­lich auf die Re­ge­lun­gen des MTV, ins­be­son­de­re auf die in § 19 C MTV ge­trof­fe­nen Re­ge­lun­gen zu den dort auf­gezähl­ten Son­derfällen wie El­tern­zeit, Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses auf­grund grob treu­wid­ri­gen Ver­hal­tens des Mit­ar­bei­ters, Aus­schei­den des Mit­ar­bei­ters we­gen Er­werbs- oder Be­rufs­unfähig­keits­ren­te oder Er­rei­chens der Al­ters­gren­ze. Dass
 


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die Be­klag­te bis zum Jahr 2005 im­mer wie­der im No­vem­ber ein über­ta­rif­li­ches Weih­nachts­geld an al­le Mit­ar­bei­ter aus­ge­zahlt, das eben­falls mit ei­nem Aus­hang an­gekündigt wur­de und im Ge­gen­satz zu der Son­der­zah­lung 2006 als „Weih­nachts­gra­ti­fi­ka­ti­on“ be­zeich­net wor­den sei, ändert an der Qua­lität der Zah­lung 2006 an­ge­sichts der de­tail­lier­ten Vor­aus­set­zun­gen nichts. Die An­zahl der Mit­ar­bei­ter, die die ent­spre­chen­den Be­triebs­zu­gehörig­kei­ten auf­wei­sen, ist für die Zweck­be­stim­mung un­er­heb­lich. Ent­schei­dend ist, dass die Be­klag­te über den Aus­gleich der Vergütungs­nach­tei­le hin­aus­ge­hen­de Vor­aus­set­zun­gen auf­ge­stellt hat, mit de­nen an­de­re Zwe­cke ver­folgt wer­den.


4. Die Aus­schluss­frist nach § 24 Ziff. 1 Buchst. c MTV wur­de nach der un­be­strit­te­nen Erklärung des Klägers im Ter­min zur münd­li­chen Ver­hand­lung vor dem Ar­beits­ge­richt am 27. März 2007, wo­nach er den An­spruch frist­wah­rend gel­tend ge­macht ha­be, ein­ge­hal­ten.


5. Es kann da­hin­ste­hen, ob das Maßre­ge­lungs­ver­bot gem. § 612a BGB ver­letzt ist und der An­spruch dem Kläger auch aus die­sem Grund zu­steht.


C. Die Zins­ent­schei­dung folgt aus §§ 288, 291 BGB. Zwar hat das Ar­beits­ge­richt ent­ge­gen § 308 Abs. 1 Satz 2 ZPO dem Kläger Zin­sen zu­ge­spro­chen, ob­wohl die­se nicht be­an­tragt wur­den. Ein Ver­s­toß ge­gen § 308 ZPO ist vom Re­vi­si­ons­ge­richt oh­ne Rüge von Amts we­gen zu be­ach­ten (BGH 20. No­vem­ber 1992 - V ZR 82/91 - BGHZ 120, 239). Der Kläger hat dies aber nachträglich ge­neh­migt, in­dem er die Zurück­wei­sung der Be­ru­fung be­an­trag­te. Da­durch wird der Man­gel ge­heilt, denn im Sich­zu­ei­gen­ma­chen der ge­gen § 308 ZPO ver­s­toßen­den Ent­schei­dun­gen liegt ei­ne noch in der Be­ru­fungs­in­stanz mögli­che Kla­ge­er­wei­te­rung (BAG 13. Ju­ni 1989 - 1 ABR 4/88 - BA­GE 62, 100, 105; BGH 20. April 1990 - V ZR 282/88 - BGHZ 111, 158, 161; Zöller/Voll­kom­mer ZPO 27. Aufl. § 308 Rn. 7).


Dr. Frei­tag 

Mar­quardt 

Brühler

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