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Zeug­nis darf El­tern­zeit er­wäh­nen

Führt ei­ne El­tern­zeit zu ei­ner "we­sent­li­chen" Un­ter­bre­chung der Be­schäf­ti­gung, darf sie im Zeug­nis er­wähnt wer­den: Lan­des­ar­beits­ge­richt Köln, Ur­teil vom 04.05.2012, 4 Sa 114/12
Mann und Frau mit Kinderwagen Wel­che Aus­fall­zei­ten dür­fen im Zeug­nis ge­nannt wer­den?

11.06.2013. Nach ei­ner El­tern­zeit wer­den man­che Ar­beits­ver­hält­nis­se be­en­det, meist weil der Ar­beit­ge­ber kei­ne Ver­wen­dung mehr für den zu­rück kom­men­den Ar­beit­neh­mer hat.

Stellt der Ar­beit­ge­ber dann ein Zeug­nis aus, steht er vor der Fra­ge, ob er die El­tern­zeit im Zeug­nis er­wäh­nen darf oder nicht. Macht er es nicht, ent­steht der fal­sche Ein­druck, der Ar­beit­neh­mer hät­te sei­ne Auf­ga­ben län­ger er­füllt als das tat­säch­lich der Fall war.

Für den Ar­beit­neh­mer ist der Hin­weis auf ei­ne El­tern­zeit al­ler­dings nicht so schön, weil er die im Zeug­nis be­schei­nig­te Be­rufs­pra­xis ein Stück weit ent­wer­tet.

In ei­nem kürz­lich ver­öf­fent­lich­tem Ur­teil hat das Lan­des­ar­beits­ge­richt (LAG) Köln ent­schie­den, dass ei­ne El­tern­zeit von mehr als ei­nem Jahr im Zeug­nis er­wähnt wer­den kann: LAG Köln, Ur­teil vom 04.05.2012, 4 Sa 114/12.

Darf der Ar­beit­ge­ber im Ar­beits­zeug­nis auf ei­ne El­tern­zeit hin­wei­sen?

Gemäß § 109 Ge­wer­be­ord­nung (Ge­wO) hat der Ar­beit­neh­mer bei Be­en­di­gung ei­nes Ar­beits­verhält­nis­ses An­spruch auf ein schrift­li­ches Zeug­nis. Da­bei kann er ver­lan­gen, dass ihm ein qua­lif­zierters Zeug­nis er­teilt wird, d.h. ein Zeug­nis, das An­ga­ben zu sei­ner Leis­tung und zu sei­nem Ver­hal­ten enthält.

Zeug­nis­se wer­den heut­zu­ta­ge in al­ler Re­gel als qua­li­fi­zier­te Zeug­nis­se er­teilt, d.h. ein­fa­che Zeug­nis­se, die nur die Art und die Dau­er der Tätig­keit at­tes­tie­ren, gibt es prak­tisch nicht.

Ein (qua­li­fi­zier­tes) Zeug­nis muss ei­ner­seits wahr sein, an­de­rer­seits wohl­wol­lend, d.h. der Ar­beit­ge­ber darf dem Ar­beit­neh­mer beim be­ruf­li­chen Fort­kom­men kei­ne St­ei­ne in den Weg le­gen. Die­se dop­pel­te An­for­de­rung zu erfüllen ist für Ar­beit­ge­ber oft nicht leicht, wie das The­ma Aus­fall­zei­ten zeigt:

Ei­ner­seits ent­spricht die Erwähnung ei­ner länge­ren El­tern­zeit der Wahr­heit, d.h. wenn der Ar­beit­ge­ber auf ei­ne sol­che El­tern­zeit hin­weist, kann sich der Le­ser des Zeug­nis­ses ein ge­naue­res Bild über die tatsächli­che Dau­er der Tätig­keit des Ar­beit­neh­mers ma­chen. An­de­rer­seits ist in der Recht­spre­chung an­er­kannt, dass länge­re Krank­hei­ten oder ei­ne Frei­stel­lung als Be­triebs­rats­mit­glied im All­ge­mei­nen im Zeug­nis nichts zu su­chen ha­ben, da die Erwähnung sol­cher Aus­fall­zei­ten dem Ar­beit­neh­mer bei künf­ti­gen Be­wer­bun­gen scha­den könn­te.

Vie­le Ur­tei­le zu die­ser Fra­ge gibt es nicht. Im­mer­hin hat das Bun­des­ar­beits­ge­richt (BAG) be­reits 2005 ein Zeug­nis ab­ge­seg­net, das ei­nem vier Jah­re und zwei Mo­na­te "beschäftig­ten" Koch er­teilt wur­de und in dem ein fast dreijähri­ger Er­zie­hungs­ur­laub erwähnt wur­de (BAG, Ur­teil vom 10.05.2005, 9 AZR 261/04). In die­sem Ur­teil hat sich das BAG aber nicht all­ge­mein fest­le­gen wol­len, wann ei­ne El­tern­zeit (früher: "Er­zie­hungs­ur­laub") zu ei­ner so "we­sent­li­chen" Un­ter­bre­chung der Beschäfti­gung führt, dass der Ar­beit­ge­ber dar­auf im Zeug­nis hin­wei­sen darf.

Der Fall des LAG Köln: Sechs­ein­halb Jah­re beschäftig­te Ar­beit­neh­me­rin wehrt sich ge­gen ein Zeug­nis, das ei­ne mehr als einjähri­ge El­tern­zeit erwähnt

Im Streit­fall ging es um ei­ne Ar­beit­neh­me­rin, die vom 01.07.2004 bis zum 31.12.2010 in ei­nem Un­te­neh­men der Soft­ware­bran­che an­ge­stellt war. Ge­gen En­de des Ar­beits­verhält­nis­ses war sie mehr als ein Jahr auf Grund ei­ner El­tern­zeit nicht mehr im Be­trieb.

Der Ar­beit­ge­ber erwähn­te die El­tern­zeit im Zeug­nis, wor­auf­hin die Ar­beit­neh­me­rin erst auf Ände­rung des Zeug­nis­ses klag­te und in der zwei­ten In­stanz vor dem LAG Köln auf Zah­lung ei­ner Gel­dentschädi­gung we­gen be­haup­te­ter ge­schlechts­be­zo­ge­nen Dis­kri­mi­nie­rung. Der Zeug­nis­streit hat­te sich zwi­schen­zeit­lich er­le­digt, da der Ar­beit­ge­ber das Zeug­nis geändert und die Erwähnung der El­tern­zeit ge­stri­chen hat­te.

LAG Köln: Ei­ne mehr als einjähri­ge El­tern­zeit darf bei ei­ner Ge­samt­beschäfti­gungs­dau­er von sechs­ein­halb Jah­ren im Zeug­nis erwähnt wer­den

Das LAG Köln wies die Be­ru­fung zurück. Da­bei stützt es sich in sei­ner Be­gründung auf das o.g. Ur­teil des BAG (BAG, Ur­teil vom 10.05.2005, 9 AZR 261/04).

Ent­schei­dend war für das LAG die La­ge der mehr als einjähri­gen El­tern­zeit am En­de des Ar­beits­verhält­nis­ses und die recht kur­ze Ge­samt­dau­er des Ar­beits­verhält­nis­ses, die das Ge­richt mit fünf­ein­halb Jah­ren an­gibt (tatsächlich wa­ren es aber sechs­ein­halb).

Außer­dem, so das LAG, han­delt es sich bei der Soft­ware­bran­che, in der die Ar­beit­neh­me­rin tätig war, um ei­ne "sich schnell und dy­na­misch ent­wi­ckeln­de Bran­che". Da­her konn­te der Ar­beit­ge­ber da­von aus­ge­hen, dass es mögli­chen künf­ti­gen Ar­beit­ge­bern wich­tig sein würde zu wis­sen, ob die Ar­beit­neh­me­rin be­ruf­lich auf dem neu­es­ten Stand ist.

Vor die­sem Hin­ter­grund be­wer­te­te das LAG die einjähri­ge Aus­fall­zeit als "we­sent­li­che" Un­ter­bre­chung, auf die der Ar­beit­ge­ber dem­zu­fol­ge im Zeug­nis hin­wei­sen durf­te.

Fa­zit: In ei­nem Zeug­nis darf die El­tern­zeit ei­nes Ar­beit­neh­mers erwähnt wer­den, wenn die Aus­fall­zeit zu ei­ner "we­sent­li­chen" Un­ter­bre­chung der Beschäfti­gung geführt hat. Die Un­ter­bre­chung muss nach La­ge und Dau­er so er­heb­lich sein, dass ih­re Nich­terwähnung ei­nen fal­schen Ein­druck über die be­ur­teil­te Ar­beits­leis­tung ent­ste­hen las­sen würde.

Ob das im hier ent­schie­de­nen Fall so war, ist zwei­fel­haft, d.h. das LAG hätte die Zulässig­keit der Erwähnung der El­tern­zeit im Zeug­nis auch an­ders be­ur­tei­len können. Denn be­zo­gen auf die Ge­samt­dau­er des Ar­beits­verhält­nis­ses be­trug die El­tern­zeit hier nur et­wa 15 Pro­zent.

So oder so hätte die Ar­beit­neh­me­rin aber aus ei­nem zwi­schen­zeit­lich "falsch" er­teil­ten Zeug­nis noch nicht un­be­dingt ei­nen An­spruch auf Gel­dentschädi­gung we­gen ge­schlechts­be­zo­ge­ner Dis­kri­mi­nie­rung her­lei­ten können, denn schließlich können auch Väter El­tern­zeit in An­spruch neh­men. Außer­dem hat­te sich der Ar­beit­ge­ber hier im Streit­fall sehr da­mit be­eilt, der Ar­beit­neh­me­rin ein Zeug­nis oh­ne den strei­ti­gen Hin­weis auf die El­tern­zeit zu er­tei­len.

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Letzte Überarbeitung: 5. Juni 2020

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