HENSCHE RECHTSANWÄLTE, FACHANWALTSKANZLEI FÜR ARBEITSRECHT

 

EuGH, Ur­teil vom 26.09.2013, C-546/11 - Dansk Ju­rist- og Øko­nom­for­bund

   
Schlagworte: Diskriminierung: Alter, Altersdiskriminierung, Rentenalter
   
Gericht: Europäischer Gerichtshof
Aktenzeichen: C-546/11
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 26.09.2013
   
Leitsätze:

1. Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf ist dahin auszulegen, dass er nur auf eine Altersrente oder Leistungen bei Invalidität eines betrieblichen Systems der sozialen Sicherheit anwendbar ist.

2. Die Art. 2 und 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78 sind dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung entgegenstehen, nach der Beamte, die das für die Gewährung einer Altersrente erforderliche Alter erreicht haben, allein aus diesem Grund nicht das Freistellungsgehalt beziehen können, das für Beamte vorgesehen ist, die wegen der Streichung ihrer Stelle entlassen wurden.

Vorinstanzen:
   

UR­TEIL DES GERICH­TSHOFS (Zwei­te Kam­mer)

26. Sep­tem­ber 2013(*)

„Gleich­be­hand­lung in Beschäfti­gung und Be­ruf - Ver­bot der Dis­kri­mi­nie­rung aus Gründen des Al­ters - Richt­li­nie 2000/78/EG - Art. 6 Abs. 1 und 2 - Wei­ge­rung, Be­am­ten, die das 65. Le­bens­jahr voll­endet ha­ben und zum Be­zug ei­ner Al­ters­ren­te be­rech­tigt sind, ein Frei­stel­lungs­ge­halt zu zah­len“

In der Rechts­sa­che C-546/11

be­tref­fend ein Vor­ab­ent­schei­dungs­er­su­chen nach Art. 267 AEUV, ein­ge­reicht vom Højes­te­ret (Däne­mark) mit Ent­schei­dung vom 7. Ok­to­ber 2011, beim Ge­richts­hof ein­ge­gan­gen am 26. Ok­to­ber 2011, in dem Ver­fah­ren

Dansk Ju­rist- og Øko­nom­for­bund, han­delnd für Erik Toft­gaard,

ge­gen

In­den­rigs- og Sund­heds­mi­nis­te­riet,

Be­tei­lig­te:

Cen­tral­or­ga­ni­sa­tio­ner­nes Fælle­sud­valg (CFU),

Kom­mu­na­le Tje­nes­temænd og Over­ens­komst­an­sat­te (KTO),

Per­so­na­lesty­rel­sen,

Kom­mu­n­er­nes Lands­fo­re­ning (KL),

Dans­ke Re­gio­ner,

erlässt

DER GERICH­TSHOF (Zwei­te Kam­mer)

un­ter Mit­wir­kung der Kam­mer­präsi­den­tin R. Sil­va de La­pu­er­ta so­wie der Rich­ter G. Ares­tis, J.-C. Bo­ni­chot, A. Ara­b­ad­jiev (Be­richt­er­stat­ter) und J. L. da Cruz Vi­laça,

Ge­ne­ral­anwältin: J. Ko­kott,

Kanz­ler: C. Strömholm, Ver­wal­tungsrätin,

auf­grund des schrift­li­chen Ver­fah­rens und auf die münd­li­che Ver­hand­lung vom 15. No­vem­ber 2012,

un­ter Berück­sich­ti­gung der Erklärun­gen

- des Dansk Ju­rist- og Øko­nom­for­bund, han­delnd für Herrn Toft­gaard, ver­tre­ten durch K.‑M. Sche­bye, ad­vo­kat,

- der Kom­mu­n­er­nes Lands­fo­re­ning und der Dans­ke Re­gio­ner, ver­tre­ten durch J. Vin­ding, ad­vo­kat,

- der däni­schen Re­gie­rung, ver­tre­ten durch C. Vang als Be­vollmäch­tig­ten im Bei­stand von R. Hold­gaard, ad­vo­kat,

- der Re­gie­rung des Ver­ei­nig­ten König­reichs, ver­tre­ten durch S. Os­s­ow­ski und S. Lee als Be­vollmäch­tig­te,

- der Eu­ropäischen Kom­mis­si­on, ver­tre­ten durch J. En­e­gren und C. Bars­lev als Be­vollmäch­tig­te,

nach Anhörung der Schluss­anträge der Ge­ne­ral­anwältin in der Sit­zung vom 7. Fe­bru­ar 2013

fol­gen­des

Ur­teil

1 Das Vor­ab­ent­schei­dungs­er­su­chen be­trifft die Aus­le­gung von Art. 6 der Richt­li­nie 2000/78/EG des Ra­tes vom 27. No­vem­ber 2000 zur Fest­le­gung ei­nes all­ge­mei­nen Rah­mens für die Ver­wirk­li­chung der Gleich­be­hand­lung in Beschäfti­gung und Be­ruf (ABl. L 303, S. 16).
2 Die­ses Er­su­chen er­geht im Rah­men ei­nes Rechts­streits zwi­schen dem Dansk Ju­rist- og Øko­nom­for­bund (im Fol­gen­den: DJØF), han­delnd für Herrn Toft­gaard, und dem In­den­rigs- og Sund­heds­mi­nis­te­ri­um (In­nen- und Ge­sund­heits­mi­nis­te­ri­um, vor­mals In­nen- und So­zi­al­mi­nis­te­ri­um, im Fol­gen­den: Mi­nis­te­ri­um) we­gen des­sen Wei­ge­rung, Herrn Toft­gaard das Frei­stel­lungs­ge­halt zu gewähren.

Recht­li­cher Rah­men

Uni­ons­recht

3 Die Erwägungs­gründe 13 und 25 der Richt­li­nie 2000/78 lau­ten:

„(13) Die­se Richt­li­nie fin­det we­der An­wen­dung auf die So­zi­al­ver­si­che­rungs‑ und So­zi­al­schutz­sys­te­me, de­ren Leis­tun­gen nicht ei­nem Ar­beits­ent­gelt in dem Sin­ne gleich­ge­stellt wer­den, der die­sem Be­griff für die An­wen­dung des Ar­ti­kels [157 AEUV] ge­ge­ben wur­de, noch auf Vergütun­gen je­der Art sei­tens des Staa­tes, die den Zu­gang zu ei­ner Beschäfti­gung oder die Auf­recht­er­hal­tung ei­nes Beschäfti­gungs­verhält­nis­ses zum Ziel ha­ben.

(25) Das Ver­bot der Dis­kri­mi­nie­rung we­gen des Al­ters stellt ein we­sent­li­ches Ele­ment zur Er­rei­chung der Zie­le der beschäfti­gungs­po­li­ti­schen Leit­li­ni­en und zur Förde­rung der Viel­falt im Be­reich der Beschäfti­gung dar. Un­gleich­be­hand­lun­gen we­gen des Al­ters können un­ter be­stimm­ten Umständen je­doch ge­recht­fer­tigt sein und er­for­dern da­her be­son­de­re Be­stim­mun­gen, die je nach der Si­tua­ti­on der Mit­glied­staa­ten un­ter­schied­lich sein können. Es ist da­her un­be­dingt zu un­ter­schei­den zwi­schen ei­ner Un­gleich­be­hand­lung, die ins­be­son­de­re durch rechtmäßige Zie­le im Be­reich der Beschäfti­gungs­po­li­tik, des Ar­beits­mark­tes und der be­ruf­li­chen Bil­dung ge­recht­fer­tigt ist, und ei­ner Dis­kri­mi­nie­rung, die zu ver­bie­ten ist.“

4 Die Richt­li­nie 2000/78 be­zweckt gemäß ih­rem Art. 1 „die Schaf­fung ei­nes all­ge­mei­nen Rah­mens zur Bekämp­fung der Dis­kri­mi­nie­rung we­gen der Re­li­gi­on oder der Welt­an­schau­ung, ei­ner Be­hin­de­rung, des Al­ters oder der se­xu­el­len Aus­rich­tung in Beschäfti­gung und Be­ruf im Hin­blick auf die Ver­wirk­li­chung des Grund­sat­zes der Gleich­be­hand­lung in den Mit­glied­staa­ten“.
5 In Art. 2 Abs. 1 und 2 Buchst. a die­ser Richt­li­nie heißt es:

„(1) Im Sin­ne die­ser Richt­li­nie be­deu­tet ‚Gleich­be­hand­lungs­grund­satz‘, dass es kei­ne un­mit­tel­ba­re oder mit­tel­ba­re Dis­kri­mi­nie­rung we­gen ei­nes der in Ar­ti­kel 1 ge­nann­ten Gründe ge­ben darf.

(2) Im Sin­ne des Ab­sat­zes 1

a) liegt ei­ne un­mit­tel­ba­re Dis­kri­mi­nie­rung vor, wenn ei­ne Per­son we­gen ei­nes der in Ar­ti­kel 1 ge­nann­ten Gründe in ei­ner ver­gleich­ba­ren Si­tua­ti­on ei­ne we­ni­ger güns­ti­ge Be­hand­lung erfährt, als ei­ne an­de­re Per­son erfährt, er­fah­ren hat oder er­fah­ren würde“.

6 In Art. 3 („Gel­tungs­be­reich“) Abs. 1 und 3 der Richt­li­nie 2000/78 heißt es:

„(1) Im Rah­men der auf die Ge­mein­schaft über­tra­ge­nen Zuständig­kei­ten gilt die­se Richt­li­nie für al­le Per­so­nen in öffent­li­chen und pri­va­ten Be­rei­chen, ein­sch­ließlich öffent­li­cher Stel­len, in Be­zug auf

c) die Beschäfti­gungs- und Ar­beits­be­din­gun­gen, ein­sch­ließlich der Ent­las­sungs­be­din­gun­gen und des Ar­beits­ent­gelts;

(3) Die­se Richt­li­nie gilt nicht für Leis­tun­gen je­der Art sei­tens der staat­li­chen Sys­te­me oder der da­mit gleich­ge­stell­ten Sys­te­me ein­sch­ließlich der staat­li­chen Sys­te­me der so­zia­len Si­cher­heit oder des so­zia­len Schut­zes.“

7 Art. 6 („Ge­recht­fer­tig­te Un­gleich­be­hand­lung we­gen des Al­ters“) der Richt­li­nie 2000/78 lau­tet:

„(1) Un­ge­ach­tet des Ar­ti­kels 2 Ab­satz 2 können die Mit­glied­staa­ten vor­se­hen, dass Un­gleich­be­hand­lun­gen we­gen des Al­ters kei­ne Dis­kri­mi­nie­rung dar­stel­len, so­fern sie ob­jek­tiv und an­ge­mes­sen sind und im Rah­men des na­tio­na­len Rechts durch ein le­gi­ti­mes Ziel, wor­un­ter ins­be­son­de­re rechtmäßige Zie­le aus den Be­rei­chen Beschäfti­gungs­po­li­tik, Ar­beits­markt und be­ruf­li­che Bil­dung zu ver­ste­hen sind, ge­recht­fer­tigt sind und die Mit­tel zur Er­rei­chung die­ses Ziels an­ge­mes­sen und er­for­der­lich sind.

Der­ar­ti­ge Un­gleich­be­hand­lun­gen können ins­be­son­de­re Fol­gen­des ein­sch­ließen:

a) die Fest­le­gung be­son­de­rer Be­din­gun­gen für den Zu­gang zur Beschäfti­gung und zur be­ruf­li­chen Bil­dung so­wie be­son­de­rer Beschäfti­gungs- und Ar­beits­be­din­gun­gen, ein­sch­ließlich der Be­din­gun­gen für Ent­las­sung und Ent­loh­nung, um die be­ruf­li­che Ein­glie­de­rung von Ju­gend­li­chen, älte­ren Ar­beit­neh­mern und Per­so­nen mit Fürsor­ge­pflich­ten zu fördern oder ih­ren Schutz si­cher­zu­stel­len;

(2) Un­ge­ach­tet des Ar­ti­kels 2 Ab­satz 2 können die Mit­glied­staa­ten vor­se­hen, dass bei den be­trieb­li­chen Sys­te­men der so­zia­len Si­cher­heit die Fest­set­zung von Al­ters­gren­zen als Vor­aus­set­zung für die Mit­glied­schaft oder den Be­zug von Al­ters­ren­te oder von Leis­tun­gen bei In­va­li­dität ein­sch­ließlich der Fest­set­zung un­ter­schied­li­cher Al­ters­gren­zen im Rah­men die­ser Sys­te­me für be­stimm­te Beschäftig­te oder Grup­pen bzw. Ka­te­go­ri­en von Beschäftig­ten und die Ver­wen­dung im Rah­men die­ser Sys­te­me von Al­ters­kri­te­ri­en für ver­si­che­rungs­ma­the­ma­ti­sche Be­rech­nun­gen kei­ne Dis­kri­mi­nie­rung we­gen des Al­ters dar­stellt, so­lan­ge dies nicht zu Dis­kri­mi­nie­run­gen we­gen des Ge­schlechts führt.“

Däni­sches Recht

8 Die Richt­li­nie 2000/78 wur­de in Däne­mark durch das Ge­setz Nr. 1417 zur Ände­rung des Ge­set­zes über das Ver­bot der Dis­kri­mi­nie­rung auf dem Ar­beits­markt (Lov Nr. 1417 om ænd­ring af lov om for­bud mod forskels­be­hand­ling på ar­be­jds­mar­ke­det m. v.) vom 22. De­zem­ber 2004 (im Fol­gen­den: An­ti­dis­kri­mi­nie­rungs­ge­setz) um­ge­setzt.
9 § 6a die­ses Ge­set­zes dient der Um­set­zung von Art. 6 Abs. 2 der Richt­li­nie 2000/78 und lau­tet:

„Un­ge­ach­tet der §§ 2 bis 5 steht die­ses Ge­setz der Fest­set­zung von Al­ters­gren­zen für den Zu­gang zu be­trieb­li­chen Sys­te­men der so­zia­len Si­cher­heit oder der Ver­wen­dung im Rah­men die­ser Sys­te­me von Al­ters­kri­te­ri­en für ver­si­che­rungs­ma­the­ma­ti­sche Be­rech­nun­gen nicht ent­ge­gen. Die An­wen­dung von Al­ters­kri­te­ri­en darf nicht zu Dis­kri­mi­nie­run­gen we­gen des Ge­schlechts führen.“

10 § 32 Abs. 1 und 4 des Be­am­ten­ge­set­zes (Tje­nes­te­mandslov) sah in der zum Zeit­punkt der Ent­las­sung von Herrn Toft­gaard gel­ten­den Fas­sung vor:

„(1) Ein Be­am­ter, der ent­las­sen wird, weil Ände­run­gen in der Or­ga­ni­sa­ti­on oder der Ar­beits­wei­se der Ver­wal­tung zu ei­ner Strei­chung der Stel­le führen, be­zieht vor­be­halt­lich der Abs. 3 bis 5 sein bis­he­ri­ges Ge­halt drei Jah­re lang wei­ter.

(4) Der An­spruch auf Frei­stel­lungs­ge­halt be­steht nicht, wenn der Be­tref­fen­de

l) auf ei­ne an­de­re Stel­le um­ge­setzt oder ver­setzt wird, die er nach den §§ 12 und 13 an­zu­neh­men ver­pflich­tet ist,

2) das 65. Le­bens­jahr voll­endet hat,

3) die für die Stel­le fest­ge­setz­te Al­ters­gren­ze für den Ein­tritt in den Ru­he­stand er­reicht hat oder

4) zum Ent­las­sungs­zeit­punkt we­gen Krank­heit oder man­geln­der Eig­nung nicht in der La­ge ist, ei­ne Stel­le an­zu­neh­men, die er nach den §§ 12 und 13 an­zu­neh­men ver­pflich­tet wäre.“

11 Der Vor­la­ge­ent­schei­dung ist zu ent­neh­men, dass das Frei­stel­lungs­ge­halt von der An­stel­lungs­behörde aus­be­zahlt wird und der Be­am­te ver­pflich­tet ist, die­ser während des Zeit­raums, in dem er das Frei­stel­lungs­ge­halt be­zieht, zur Verfügung zu ste­hen.
12 Nach dem Be­am­ten­ver­sor­gungs­ge­setz Nr. 230 (Tje­nes­te­man­ds­pen­si­ons­lov Nr. 230) vom 19. März 2004 in sei­ner auf den Sach­ver­halt des Aus­gangs­ver­fah­rens an­wend­ba­ren Fas­sung er­wer­ben Be­am­te während ih­rer Lauf­bahn Ver­sor­gungs­ansprüche, auch in der Zeit, in der das Frei­stel­lungs­ge­halt ge­zahlt wird. Ver­sor­gungs­ansprüche wer­den auch in dem Zeit­raum er­wor­ben, in dem der Be­am­te grundsätz­lich An­spruch auf das Frei­stel­lungs­ge­halt ge­habt hätte, die­ses aber we­gen der im Be­am­ten­ge­setz vor­ge­se­he­nen Al­ters­be­gren­zung nicht ge­zahlt wur­de.
13 Gemäß § 6 Abs. 6 des Be­am­ten­ver­sor­gungs­ge­set­zes können Be­am­te ih­re Al­ters­ren­te ab Voll­endung des 65. Le­bens­jahrs in vol­ler Höhe er­hal­ten.
14 Das vor­le­gen­de Ge­richt weist dar­auf hin, dass die Be­am­ten außer ih­rer Be­am­ten­pen­si­on An­spruch auf wei­te­re Leis­tun­gen zur Al­ters­ver­sor­gung ha­ben, wie ins­be­son­de­re die staat­li­che Al­ters­ren­te, die der Be­am­ten­pen­si­on hin­zu­zu­rech­nen ist.
15 Das Ge­setz Nr. 1005 über die staat­li­che Al­ters­ren­te (Lov Nr. 1005 om so­ci­al pen­si­on) vom 19. Au­gust 2010 setzt das ge­setz­li­che Ren­ten­ein­tritts­al­ter für Per­so­nen, die vor dem 1. Ja­nu­ar 1959 ge­bo­ren wur­den, auf 65 Le­bens­jah­re fest. Die Zah­lung die­ser Ren­te kann je­doch auf An­trag des Be­trof­fe­nen um bis zu zehn Jah­re hin­aus­ge­scho­ben wer­den, da­mit er dann ei­ne höhe­re Ren­te be­zie­hen kann. Außer­dem ist es zulässig, ne­ben dem Be­zug ei­ner staat­li­chen Al­ters­ren­te ei­ne Be­rufstätig­keit aus­zuüben; über­stei­gen die Ar­beits­einkünf­te je­doch be­stimm­te Ober­gren­zen, wird die­se Al­ters­ren­te her­ab­ge­setzt oder fällt ganz weg.

Aus­gangs­ver­fah­ren und Vor­la­ge­fra­gen

16 Herr Toft­gaard war Lei­ter der Kreis­ver­wal­tung Vej­le (Däne­mark), bis er am 8. Mai 2006 we­gen der Strei­chung die­ser Stel­le mit Wir­kung vom 31. De­zem­ber 2006 ent­las­sen wur­de. Da er be­reits 65 Jah­re alt war, er­hielt er kein Frei­stel­lungs­ge­halt, denn ab dem 31. De­zem­ber 2006 hat­te er An­spruch auf die Be­am­ten­pen­si­on.
17 Die Al­ters­gren­ze für den ob­li­ga­to­ri­schen Ein­tritt von Be­am­ten in den Ru­he­stand war zum Zeit­punkt, als Herr Toft­gaard ent­las­sen wur­de, auf 70 Jah­re fest­ge­setzt. Da er da­mals 65 Jah­re alt war, war er so­mit be­rech­tigt - je­doch nicht ver­pflich­tet -, in den Ru­he­stand zu tre­ten. Herr Toft­gaard teil­te dem Mi­nis­te­ri­um mit, dass er auf ei­ner an­de­ren Stel­le ein­ge­setzt wer­den wol­le und ge­ge­be­nen­falls be­reit sei, ei­ne Ge­haltskürzung hin­zu­neh­men. Nach sei­ner Ent­las­sung über­nahm er ei­ni­ge ge­ringfügig be­zahl­te eh­ren­amt­li­che Tätig­kei­ten.
18 Herr Toft­gaard sieht in der Ver­wei­ge­rung des Frei­stel­lungs­ge­halts ei­ne Dis­kri­mi­nie­rung we­gen des Al­ters. Des­halb er­hob der DJØF, han­delnd für Herrn Toft­gaard, ge­gen des­sen Dienst­herrn, d. h. das Mi­nis­te­ri­um, Kla­ge vor dem Øst­re Lands­ret. Nach­dem die­se ab­ge­wie­sen wor­den war, leg­te der DJØF beim Højes­te­ret ein Rechts­mit­tel ein, mit dem er u. a. gel­tend mach­te, dass § 32 Abs. 4 Nr. 2 des Be­am­ten­ge­set­zes ins­be­son­de­re ge­gen die Richt­li­nie 2000/78 ver­s­toße. Das Frei­stel­lungs­ge­halt sei kein be­trieb­li­ches Sys­tem der so­zia­len Si­cher­heit im Sin­ne von § 6a des An­ti­dis­kri­mi­nie­rungs­ge­set­zes und Art. 6 Abs. 2 der Richt­li­nie 2000/78, und die Al­ters­gren­ze von 65 Jah­ren sei kein an­ge­mes­se­nes und er­for­der­li­ches Mit­tel, um ein le­gi­ti­mes Ziel im Sin­ne von Art. 6 Abs. 1 die­ser Richt­li­nie zu er­rei­chen.
19 Das Mi­nis­te­ri­um mach­te gel­tend, dass § 32 Abs. 4 Nr. 2 des Be­am­ten­ge­set­zes un­ter die in § 6a des An­ti­dis­kri­mi­nie­rungs­ge­set­zes und Art. 6 Abs. 2 der Richt­li­nie 2000/78 vor­ge­se­he­ne Aus­nah­me­re­ge­lung fal­le, weil das Frei­stel­lungs­ge­halt als ein be­trieb­li­ches Sys­tem der so­zia­len Si­cher­heit im Sin­ne die­ser Vor­schrif­ten an­zu­se­hen sei. Hilfs­wei­se trug das Mi­nis­te­ri­um vor, § 32 Abs. 4 Nr. 2 des Be­am­ten­ge­set­zes erfülle die An­for­de­run­gen des Art. 6 Abs. 1 der Richt­li­nie 2000/78.
20 Un­ter die­sen Umständen hat das Højes­te­ret be­schlos­sen, das Ver­fah­ren aus­zu­set­zen und dem Ge­richts­hof fol­gen­de Fra­gen zur Vor­ab­ent­schei­dung vor­zu­le­gen:

1. Ist Art. 6 Abs. 2 der Richt­li­nie 2000/78 da­hin aus­zu­le­gen, dass die Mit­glied­staa­ten nur dann be­stim­men können, dass die Fest­set­zung von Al­ters­gren­zen für den Zu­gang zu be­trieb­li­chen Sys­te­men der so­zia­len Si­cher­heit oder den An­spruch auf Leis­tun­gen dar­aus kei­ne Dis­kri­mi­nie­rung dar­stellt, wenn die­se Sys­te­me Leis­tun­gen bei Al­ter oder In­va­li­dität be­tref­fen?

2. Ist Art. 6 Abs. 2 der frag­li­chen Richt­li­nie so zu ver­ste­hen, dass die Möglich­keit der Fest­set­zung von Al­ters­gren­zen nur den Bei­tritt zu ei­nem sol­chen Sys­tem be­trifft, oder ist die Be­stim­mung da­hin ge­hend zu ver­ste­hen, dass die Möglich­keit der Fest­set­zung von Al­ters­gren­zen auch den An­spruch auf Aus­zah­lung von Leis­tun­gen durch ein sol­ches Sys­tem be­trifft?

3. Wenn die ers­te Fra­ge zu ver­nei­nen ist:

Kann der Be­griff „be­trieb­li­che Sys­te­me der so­zia­len Si­cher­heit“ in Art. 6 Abs. 2 der frag­li­chen Richt­li­nie ein Sys­tem wie das Frei­stel­lungs­ge­halt nach § 32 Abs. 1 des Be­am­ten­ge­set­zes um­fas­sen, wo­nach ein Be­am­ter bei Ent­las­sung we­gen Stel­len­strei­chung als be­son­de­ren Schutz sein bis­he­ri­ges Ge­halt drei Jah­re lang wei­ter erhält und da­bei wei­ter­hin Ru­he­ge­halts­ansprüche er­wirbt, so­fern er im Ge­gen­zug für ei­ne an­de­re pas­sen­de Stel­le zur Verfügung steht?

4. Ist Art. 6 Abs. 1 der ge­nann­ten Richt­li­nie da­hin aus­zu­le­gen, dass er ei­ner na­tio­na­len Be­stim­mung wie § 32 Abs. 4 Nr. 2 des Be­am­ten­ge­set­zes nicht ent­ge­gen­steht, wo­nach ei­nem Be­am­ten kein Frei­stel­lungs­ge­halt ge­zahlt wird, falls er im Fall der Strei­chung sei­ner Stel­le ein Al­ter er­reicht hat, in dem die all­ge­mei­ne staat­li­che Al­ters­ren­te ge­zahlt wer­den kann?

Zu den Vor­la­ge­fra­gen

Ers­te Fra­ge

21 Mit sei­ner ers­ten Fra­ge möch­te das vor­le­gen­de Ge­richt wis­sen, ob Art. 6 Abs. 2 der Richt­li­nie 2000/78 da­hin aus­zu­le­gen ist, dass er nur auf ei­ne Al­ters­ren­te oder Leis­tun­gen bei In­va­li­dität ei­nes be­trieb­li­chen Sys­tems der so­zia­len Si­cher­heit an­wend­bar ist.
22 Zur Be­ant­wor­tung die­ser Fra­ge ist ers­tens zu prüfen, ob die im Aus­gangs­ver­fah­ren frag­li­che na­tio­na­le Re­ge­lung, die dis­kri­mi­nie­rend sein soll, in den Gel­tungs­be­reich der Richt­li­nie 2000/78 fällt.
23

In­so­weit er­gibt sich so­wohl aus dem Ti­tel und den Erwägungs­gründen als auch aus dem In­halt und der Ziel­set­zung die­ser Richt­li­nie, dass sie ei­nen all­ge­mei­nen Rah­men schaf­fen soll, der gewähr­leis­tet, dass je­der „in Beschäfti­gung und Be­ruf“ gleich­be­han­delt wird, in­dem dem Be­trof­fe­nen ein wirk­sa­mer Schutz vor Dis­kri­mi­nie­run­gen aus ei­nem der in ih­rem Art. 1 ge­nann­ten Gründe - dar­un­ter das Al­ter - ge­bo­ten wird (vgl. Ur­teil vom 8. Sep­tem­ber 2011, Hen­nings und Mai, C-297/10 und C-298/10, Slg. 2011, I-7965, Rand­nr. 49).

24 Ins­be­son­de­re er­gibt sich aus Art. 3 Abs. 1 Buchst. c der Richt­li­nie 2000/78, dass die­se im Rah­men der auf die Eu­ropäische Uni­on über­tra­ge­nen Zuständig­kei­ten „für al­le Per­so­nen in öffent­li­chen und pri­va­ten Be­rei­chen, ein­sch­ließlich öffent­li­cher Stel­len“, u. a. in Be­zug auf „die Beschäfti­gungs- und Ar­beits­be­din­gun­gen, ein­sch­ließlich der Ent­las­sungs­be­din­gun­gen und des Ar­beits­ent­gelts“ gilt.
25 Der Gel­tungs­be­reich der Richt­li­nie 2000/78 er­streckt sich im Licht ih­res Art. 3 Abs. 1 Buchst. c und Abs. 3 in Ver­bin­dung mit ih­rem 13. Erwägungs­grund we­der auf die So­zi­al­ver­si­che­rungs‑ und So­zi­al­schutz­sys­te­me, de­ren Leis­tun­gen nicht ei­nem Ar­beits­ent­gelt in dem Sin­ne gleich­ge­stellt wer­den, der die­sem Be­griff für die An­wen­dung von Art. 157 Abs. 2 AEUV ge­ge­ben wur­de, noch auf Vergütun­gen je­der Art sei­tens des Staa­tes, die den Zu­gang zu ei­ner Beschäfti­gung oder die Auf­recht­er­hal­tung ei­nes Beschäfti­gungs­verhält­nis­ses zum Ziel ha­ben (Ur­tei­le vom 1. April 2008, Ma­ru­ko, C-267/06, Slg. 2008, I-1757, Rand­nr. 41, und vom 10. Mai 2011, Römer, C-147/08, Slg. 2011, I-3591, Rand­nr. 32).
26 Der Be­griff des Ent­gelts im Sin­ne von Art. 157 Abs. 2 AEUV um­fasst al­le ge­genwärti­gen oder künf­ti­gen in bar oder in Sach­leis­tun­gen gewähr­ten Vergütun­gen, vor­aus­ge­setzt, dass sie der Ar­beit­ge­ber dem Ar­beit­neh­mer we­nigs­tens mit­tel­bar auf­grund des Beschäfti­gungs­verhält­nis­ses gewährt (vgl. u. a. Ur­teil vom 17. Mai 1990, Bar­ber, C-262/88, Slg. 1990, I-1889, Rand­nr. 12).
27 Im vor­lie­gen­den Fall zahlt der Staat in sei­ner Ei­gen­schaft als Ar­beit­ge­ber das durch das Be­am­ten­ge­setz ein­geführ­te Frei­stel­lungs­ge­halt drei Jah­re lang mo­nat­lich an Be­am­te, die we­gen der Strei­chung ih­rer Stel­le frei­ge­stellt wur­den. Das Frei­stel­lungs­ge­halt ent­spricht in der Höhe dem Ge­halt, das der Be­am­te vor sei­ner Frei­stel­lung be­zog.
28 Außer­dem ist zu be­ach­ten, dass der Be­am­te als Ge­gen­leis­tung für den Er­halt des Frei­stel­lungs­ge­halts ver­pflich­tet ist, sei­nem Ar­beit­ge­ber in der Zeit, in der das Frei­stel­lungs­ge­halt ge­zahlt wird, zur Verfügung zu ste­hen. Weist ihm der Ar­beit­ge­ber ei­ne pas­sen­de Stel­le zu, so hat er die­se an­zu­tre­ten. Kommt er die­ser Ver­pflich­tung nicht nach, ver­liert er den An­spruch auf das Frei­stel­lungs­ge­halt.
29 Dar­aus er­gibt sich, dass das Frei­stel­lungs­ge­halt ei­ne ge­genwärti­ge Vergütung, die der Ar­beit­ge­ber dem Be­am­ten auf­grund des Dienst­verhält­nis­ses in bar gewährt, und da­mit ein Ent­gelt im Sin­ne von Art. 157 Abs. 2 AEUV dar­stellt.
30 Folg­lich berührt § 32 Abs. 4 Nr. 2 des Be­am­ten­ge­set­zes da­durch, dass er ei­ne gan­ze Grup­pe von Be­am­ten vom Be­zug des Frei­stel­lungs­ge­halts aus­nimmt, die Be­din­gun­gen des Ar­beits­ent­gelts die­ser Be­am­ten im Sin­ne von Art. 3 Abs. 1 Buchst. c der Richt­li­nie 2000/78. Da­her ist die­se Richt­li­nie auf ei­nen Sach­ver­halt wie den im vor­lie­gen­den Aus­gangs­ver­fah­ren in Re­de ste­hen­den an­wend­bar.
31 Zwei­tens ist zu prüfen, ob die im Aus­gangs­ver­fah­ren strei­ti­ge Re­ge­lung ei­ne Un­gleich­be­hand­lung we­gen des Al­ters im Sin­ne von Art. 2 Abs. 1 der Richt­li­nie 2000/78 be­gründet.
32 Nach die­ser Vor­schrift be­deu­tet „Gleich­be­hand­lungs­grund­satz“, dass es kei­ne un­mit­tel­ba­re oder mit­tel­ba­re Dis­kri­mi­nie­rung we­gen ei­nes der in Art. 1 die­ser Richt­li­nie ge­nann­ten Gründe ge­ben darf, zu de­nen das Al­ter gehört. Nach Art. 2 Abs. 2 Buchst. a der Richt­li­nie liegt ei­ne un­mit­tel­ba­re Dis­kri­mi­nie­rung im Sin­ne von Art. 2 Abs. 1 vor, wenn ei­ne Per­son we­gen ei­nes der in Art. 1 der Richt­li­nie ge­nann­ten Gründe in ei­ner ver­gleich­ba­ren Si­tua­ti­on ei­ne we­ni­ger güns­ti­ge Be­hand­lung erfährt, als ei­ne an­de­re Per­son erfährt, er­fah­ren hat oder er­fah­ren würde.
33 Im vor­lie­gen­den Fall be­gründet § 32 Abs. 4 Nr. 2 des Be­am­ten­ge­set­zes da­durch, dass er Be­am­ten, die das 65. Le­bens­jahr voll­endet ha­ben, das Frei­stel­lungs­ge­halt ver­sagt, ei­ne un­mit­tel­bar auf das Kri­te­ri­um des Al­ters gestütz­te Un­gleich­be­hand­lung im Sin­ne von Art. 2 Abs. 2 der Richt­li­nie 2000/78.
34 Drit­tens ist zu prüfen, ob die Mit­glied­staa­ten gestützt auf Art. 6 Abs. 2 die­ser Richt­li­nie vor­se­hen können, dass ei­ne der­ar­ti­ge Un­gleich­be­hand­lung kei­ne Dis­kri­mi­nie­rung we­gen des Al­ters dar­stellt.
35 Nach der französi­schen Fas­sung die­ser Vor­schrift können die Mit­glied­staa­ten un­ge­ach­tet des Art. 2 Abs. 2 der Richt­li­nie 2000/78 vor­se­hen, dass „ne con­sti­tue pas une dis­cri­mi­na­ti­on fondée sur l’âge la fixa­ti­on, pour les régimes pro­fes­si­onnels de sécu­rité so­cia­le, d’âges d’adhési­on ou d’ad­mis­si­bi­lité aux pre­sta­ti­ons de re­trai­te ou d’in­va­li­dité, y com­pris la fixa­ti­on, pour ces régimes, d’âges différents pour des tra­vail­leurs ou des grou­pes ou catégo­ries de tra­vail­leurs et l’uti­li­sa­ti­on, dans le cad­re de ces régimes, de critères d’âge dans les cal­culs ac­tua­ri­els, à con­di­ti­on que ce­la ne se tra­dui­se pas par des dis­cri­mi­na­ti­ons fondées sur le sexe“ [„bei den be­trieb­li­chen Sys­te­men der so­zia­len Si­cher­heit die Fest­set­zung von Al­ters­gren­zen als Vor­aus­set­zung für die Mit­glied­schaft oder den Be­zug von Al­ters­ren­te oder von Leis­tun­gen bei In­va­li­dität ein­sch­ließlich der Fest­set­zung un­ter­schied­li­cher Al­ters­gren­zen im Rah­men die­ser Sys­te­me für be­stimm­te Beschäftig­te oder Grup­pen bzw. Ka­te­go­ri­en von Beschäftig­ten und die Ver­wen­dung im Rah­men die­ser Sys­te­me von Al­ters­kri­te­ri­en für ver­si­che­rungs­ma­the­ma­ti­sche Be­rech­nun­gen kei­ne Dis­kri­mi­nie­rung we­gen des Al­ters dar­stellt, so­lan­ge dies nicht zu Dis­kri­mi­nie­run­gen we­gen des Ge­schlechts führt“].
36 Die däni­sche Fas­sung von Art. 6 Abs. 2 die­ser Richt­li­nie weicht von dem in der vor­ste­hen­den Rand­num­mer des vor­lie­gen­den Ur­teils wie­der­ge­ge­be­nen Text in­so­weit ab, als dort u. a. die „Al­ters­ren­te oder … Leis­tun­gen bei In­va­li­dität“ nicht erwähnt sind.
37 In­so­weit ist dar­auf hin­zu­wei­sen, dass die Vor­schrif­ten des Uni­ons­rechts nach ständi­ger Recht­spre­chung im Licht al­ler Sprach­fas­sun­gen der Uni­on ein­heit­lich aus­ge­legt und an­ge­wandt wer­den müssen. Wei­chen die ver­schie­de­nen Sprach­fas­sun­gen ei­ner uni­ons­recht­li­chen Vor­schrift von­ein­an­der ab, muss die­se an­hand der all­ge­mei­nen Sys­te­ma­tik und des Zwecks der Re­ge­lung aus­ge­legt wer­den, zu der sie gehört (vgl. u. a. Ur­teil vom 8. De­zem­ber 2005, Jys­ke Fin­ans, C-280/04, Slg. 2005, I-10683, Rand­nr. 31 und die dort an­geführ­te Recht­spre­chung).
38 Zur For­mu­lie­rung von Art. 6 Abs. 2 der Richt­li­nie 2000/78 in den an­de­ren Spra­chen der Uni­on ist fest­zu­stel­len, dass die­se Fas­sun­gen − wie in der in Rand­nr. 35 des vor­lie­gen­den Ur­teils wie­der­ge­ge­be­nen französi­schen Fas­sung − bei den be­trieb­li­chen Sys­te­men der so­zia­len Si­cher­heit aus­drück­lich die Fest­set­zung von Al­ters­gren­zen als Vor­aus­set­zung für die Mit­glied­schaft oder den Be­zug von Al­ters­ren­te oder von Leis­tun­gen bei In­va­li­dität vor­se­hen. So heißt es z. B. in der spa­ni­schen Fas­sung die­ser Vor­schrift „la de­ter­mi­n­ación, pa­ra los regíme­nes pro­fe­sio­na­les de se­gu­ri­dad so­ci­al, de eda­des pa­ra po­der be­ne­fi­ci­ar­se de pre­sta­cio­nes de ju­bi­la­ción o in­va­li­dez u op­tar a las mis­mas“, in der deut­schen Fas­sung „die Fest­set­zung von Al­ters­gren­zen als Vor­aus­set­zung für die Mit­glied­schaft oder den Be­zug von Al­ters­ren­te oder von Leis­tun­gen bei In­va­li­dität“ und in der eng­li­schen Fas­sung „the fi­xing for oc­cupa­tio­nal so­ci­al se­cu­ri­ty sche­mes of ages for ad­mis­si­on or en­t­it­le­ment to re­ti­re­ment or in­va­li­di­ty be­ne­fits“, während die pol­ni­sche Fas­sung der Vor­schrift die Wen­dung „ustala­nie, dla sys­temów zabez­piec­ze­nia społecz­ne­go pra­cow­ników, wie­ku przyz­na­nia lub na­by­cia praw do świ­adc­zeń eme­ry­talnych lub in­wa­lidz­kich“ enthält.
39 Der Wort­laut von Art. 6 Abs. 2 der Richt­li­nie 2000/78 legt in den in der vor­ste­hen­den Rand­num­mer des vor­lie­gen­den Ur­teils an­geführ­ten Fas­sun­gen außer­dem na­he, dass die­se Vor­schrift nur in den dort ab­sch­ließend an­geführ­ten Fällen An­wen­dung fin­den soll. Hätte der Uni­ons­ge­setz­ge­ber nämlich den Gel­tungs­be­reich die­ser Vor­schrift über die dort aus­drück­lich ge­nann­ten Fälle hin­aus aus­deh­nen wol­len, hätte er dies aus­drück­lich, z. B. un­ter Ver­wen­dung des Ad­verbs „ins­be­son­de­re“, ge­tan.
40 Für die­se Schluss­fol­ge­rung spre­chen auch die all­ge­mei­ne Sys­te­ma­tik und der Zweck der Richt­li­nie 2000/78. Die­se kon­kre­ti­siert nämlich im Be­reich der Beschäfti­gung und des Be­rufs den Grund­satz des Ver­bots der Dis­kri­mi­nie­rung we­gen des Al­ters, der ein all­ge­mei­ner Grund­satz des Uni­ons­rechts ist (vgl. in die­sem Sin­ne Ur­teil vom 19. Ja­nu­ar 2010, Kücükde­ve­ci, C-555/07, Slg. 2010, I-365, Rand­nr. 21). Das Ver­bot je­der Dis­kri­mi­nie­rung u. a. we­gen des Al­ters ist im Übri­gen in Art. 21 der Char­ta der Grund­rech­te der Eu­ropäischen Uni­on ent­hal­ten, die seit dem 1. De­zem­ber 2009 den glei­chen recht­li­chen Rang wie die Verträge hat.
41 Da Art. 6 Abs. 2 der Richt­li­nie 2000/78 den Mit­glied­staa­ten ge­stat­tet, ei­ne Aus­nah­me vom Ver­bot der Dis­kri­mi­nie­rung aus Gründen des Al­ters vor­zu­se­hen, ist die­se Vor­schrift eng aus­zu­le­gen (vgl. ent­spre­chend Ur­teil vom 12. Ja­nu­ar 2010, Pe­ter­sen, C‑341/08, Slg. 2010, I‑47, Rand­nr. 60).
42 Ei­ne Aus­le­gung von Art. 6 Abs. 2 der Richt­li­nie 2000/78 da­hin, dass die­se Vor­schrift für al­le Ar­ten von be­trieb­li­chen Sys­te­men der so­zia­len Si­cher­heit gilt, würde un­ter Ver­s­toß ge­gen das Er­for­der­nis, die Vor­schrift eng aus­zu­le­gen, ei­ne Aus­deh­nung ih­res Gel­tungs­be­reichs be­wir­ken.
43 Dar­aus er­gibt sich, dass Art. 6 Abs. 2 der Richt­li­nie 2000/78 nur auf be­trieb­li­che Sys­te­me der so­zia­len Si­cher­heit an­wend­bar ist, die die Ri­si­ken von Al­ter und In­va­li­dität ab­de­cken.
44 Im vor­lie­gen­den Fall stellt das Frei­stel­lungs­ge­halt, selbst wenn es Teil ei­nes be­trieb­li­chen Sys­tems der so­zia­len Si­cher­heit sein soll­te, in An­be­tracht der Ausführun­gen in den Rand­nrn. 27 bis 29 des vor­lie­gen­den Ur­teils of­fen­sicht­lich we­der ei­ne Al­ters­ren­te noch ei­ne Leis­tung bei In­va­li­dität dar. Des­halb fin­det Art. 6 Abs. 2 der Richt­li­nie 2000/78 auf ei­nen Sach­ver­halt wie den des Aus­gangs­ver­fah­rens kei­ne An­wen­dung.
45 Nach al­le­dem ist auf die ers­te Fra­ge zu ant­wor­ten, dass Art. 6 Abs. 2 der Richt­li­nie 2000/78 da­hin aus­zu­le­gen ist, dass er nur auf ei­ne Al­ters­ren­te oder Leis­tun­gen bei In­va­li­dität ei­nes be­trieb­li­chen Sys­tems der so­zia­len Si­cher­heit an­wend­bar ist.

Zwei­te und drit­te Fra­ge

46 An­ge­sichts der Ant­wort auf die ers­te Fra­ge sind die zwei­te und die drit­te Fra­ge nicht zu be­ant­wor­ten.

Vier­te Fra­ge

47 Mit sei­ner vier­ten Fra­ge möch­te das vor­le­gen­de Ge­richt wis­sen, ob die Art. 2 und 6 Abs. 1 der Richt­li­nie 2000/78 da­hin aus­zu­le­gen sind, dass sie ei­ner na­tio­na­len Re­ge­lung ent­ge­gen­ste­hen, nach der Be­am­te, die das für die Gewährung ei­ner Al­ters­ren­te er­for­der­li­che Al­ter er­reicht ha­ben, al­lein aus die­sem Grund nicht das Frei­stel­lungs­ge­halt be­zie­hen können, das für Be­am­te vor­ge­se­hen ist, die we­gen der Strei­chung ih­rer Stel­le ent­las­sen wur­den.
48 Nach Art. 6 Abs. 1 die­ser Richt­li­nie stellt ei­ne Un­gleich­be­hand­lung we­gen des Al­ters kei­ne Dis­kri­mi­nie­rung dar, so­fern sie ob­jek­tiv und an­ge­mes­sen ist und im Rah­men des na­tio­na­len Rechts durch ein le­gi­ti­mes Ziel, wor­un­ter ins­be­son­de­re rechtmäßige Zie­le aus den Be­rei­chen Beschäfti­gungs­po­li­tik, Ar­beits­markt und be­ruf­li­che Bil­dung zu ver­ste­hen sind, ge­recht­fer­tigt ist und die Mit­tel zur Er­rei­chung die­ses Ziels an­ge­mes­sen und er­for­der­lich sind.
49 Des­halb ist zunächst zu prüfen, ob die im Aus­gangs­ver­fah­ren frag­li­che Re­ge­lung ein le­gi­ti­mes Ziel ver­folgt. In die­sem Zu­sam­men­hang macht die däni­sche Re­gie­rung gel­tend, dass mit die­ser Re­ge­lung ein an­ge­mes­se­nes Gleich­ge­wicht zwi­schen den An­for­de­run­gen des Staa­tes im Hin­blick auf die An­pas­sung, Um­struk­tu­rie­rung und Ef­fi­zi­enz der öffent­li­chen Ver­wal­tung auf der ei­nen und dem Schutz der Be­am­ten vor un­an­ge­mes­se­nem persönli­chen oder po­li­ti­schem Druck auf der an­de­ren Sei­te her­ge­stellt wer­den sol­le. Ins­be­son­de­re ver­fol­ge die­se Re­ge­lung ein zwei­fa­ches Ziel, nämlich zum ei­nen, die Be­am­ten verfügbar zu hal­ten, um sie auf ei­nem an­de­ren Dienst­pos­ten ein­set­zen zu können, und zum an­de­ren, ih­re Un­abhängig­keit zu gewähr­leis­ten, in­dem sie vor je­dem Druck von außen geschützt würden. Dass Be­am­ten, die be­reits ei­ne Al­ters­ren­te be­an­spru­chen könn­ten, das Frei­stel­lungs­ge­halt vor­ent­hal­ten wer­de, sei durch das Er­for­der­nis ge­recht­fer­tigt, Miss­bräuche zu ver­hin­dern, denn es sei im All­ge­mei­nen we­nig wahr­schein­lich, dass die­se Be­am­ten be­reit sei­en, ei­nen an­de­ren Dienst­pos­ten an­zu­neh­men. Außer­dem sei­en sol­che Be­am­te we­ni­ger schutz­bedürf­tig, da sie be­reits ei­nen an­ge­mes­se­nen Ein­kom­mens­er­satz, z. B. ei­ne Al­ters­ren­te, be­zie­hen könn­ten.
50 In die­sem Zu­sam­men­hang ist dar­an zu er­in­nern, dass die Mit­glied­staa­ten und ge­ge­be­nen­falls die So­zi­al­part­ner auf na­tio­na­ler Ebe­ne beim ge­genwärti­gen Stand des Uni­ons­rechts nicht nur bei der Ent­schei­dung, wel­ches kon­kre­te Ziel von meh­re­ren im Be­reich der Ar­beits‑ und So­zi­al­po­li­tik sie ver­fol­gen wol­len, son­dern auch bei der Fest­le­gung der Maßnah­men zu sei­ner Er­rei­chung über ei­nen wei­ten Er­mes­sens­spiel­raum verfügen (Ur­teil vom 16. Ok­to­ber 2007, Pa­la­ci­os de la Vil­la, C-411/05, Slg. 2007, I-8531, Rand­nr. 68).
51 Das Ziel, die Verfügbar­keit der Be­am­ten zu gewähr­leis­ten und sie in dem Fall, dass ih­re Stel­le ge­stri­chen wird, zu schützen, da­bei je­doch das Frei­stel­lungs­ge­halt nur den Be­am­ten zu gewähren, die ei­nes Schut­zes bedürfen und ih­rer Pflicht, verfügbar zu sein, nach­kom­men, fällt in die Ka­te­go­rie der rechtmäßigen Zie­le aus den Be­rei­chen Beschäfti­gungs­po­li­tik und Ar­beits­markt im Sin­ne von Art. 6 Abs. 1 der Richt­li­nie 2000/78.
52 Gemäß die­ser Be­stim­mung können die­se Zie­le in Ab­wei­chung von dem Grund­satz, dass Dis­kri­mi­nie­run­gen we­gen des Al­ters ver­bo­ten sind, Un­gleich­be­hand­lun­gen recht­fer­ti­gen, die u. a. mit der „Fest­le­gung be­son­de­rer … Beschäfti­gungs- und Ar­beits­be­din­gun­gen ein­sch­ließlich der Be­din­gun­gen für Ent­las­sung und Ent­loh­nung, um die be­ruf­li­che Ein­glie­de­rung von Ju­gend­li­chen, älte­ren Ar­beit­neh­mern … zu fördern oder ih­ren Schutz si­cher­zu­stel­len“, in Zu­sam­men­hang ste­hen.
53 Dem­nach können Zie­le wie die mit der frag­li­chen na­tio­na­len Re­ge­lung ver­folg­ten grundsätz­lich ei­ne Un­gleich­be­hand­lung we­gen des Al­ters, wie in Art. 6 Abs. 1 Un­terabs. 1 der Richt­li­nie 2000/78 vor­ge­se­hen, „ob­jek­tiv und an­ge­mes­sen“ „im Rah­men des na­tio­na­len Rechts“ recht­fer­ti­gen.
54 Wei­ter ist zu prüfen, ob die Mit­tel, die zur Ver­wirk­li­chung die­ser Zie­le ein­ge­setzt wer­den, die­ser Vor­schrift ent­spre­chend „an­ge­mes­sen und er­for­der­lich“ sind.
55 Zur An­ge­mes­sen­heit der im Aus­gangs­ver­fah­ren frag­li­chen na­tio­na­len Re­ge­lung ist fest­zu­stel­len, dass die Gewährung des Frei­stel­lungs­ge­halts aus­sch­ließlich an Be­am­te, die ins­be­son­de­re kei­ne Al­ters­ren­te be­an­spru­chen können, im Hin­blick auf das vom Ge­setz­ge­ber an­ge­streb­te Ziel, Be­am­ten, die über kein sta­bi­les und dau­er­haft an­ge­leg­tes Er­satz­ein­kom­men verfügen, ei­nen stärke­ren Schutz zu ver­lei­hen, nicht un­an­ge­mes­sen er­scheint.
56 Die im Aus­gangs­ver­fah­ren frag­li­che na­tio­na­le Re­ge­lung ist of­fen­bar auch ge­eig­net, das Ziel zu er­rei­chen, die Verfügbar­keit von Be­am­ten, de­ren Stel­le ge­stri­chen wird, zu gewähr­leis­ten. Be­am­te, die noch kei­nen An­spruch auf ei­ne Al­ters­ren­te ha­ben, wären nämlich oh­ne das Frei­stel­lungs­ge­halt ge­zwun­gen, sich in den Ar­beits­markt ein­zu­glie­dern, so dass sie, wenn ih­nen später in der öffent­li­chen Ver­wal­tung ei­ne neue Stel­le an­ge­bo­ten würde, mögli­cher­wei­se nicht mehr zur Verfügung stünden. Da­ge­gen sind Be­am­te, die be­reits ei­ne Al­ters­ren­te be­an­spru­chen können, auf­grund der Nach­tei­le be­ruf­li­cher und pri­va­ter Art, die mit ei­ner Wie­der­ein­wei­sung in ei­ne neue Stel­le im öffent­li­chen Dienst ver­bun­den sein könn­ten, im All­ge­mei­nen we­ni­ger be­reit, ei­ne sol­che Stel­le an­zu­neh­men.
57 Darüber hin­aus er­laubt es § 32 Abs. 4 Nr. 2 des Be­am­ten­ge­set­zes auch, die Möglich­kei­ten ei­nes Miss­brauchs zu be­gren­zen, der dar­in be­steht, dass ein Be­am­ter ein Ge­halt be­zieht, das sei­ne Verfügbar­keit gewähr­leis­ten soll, ob­wohl er in den Ru­he­stand tritt.
58 Folg­lich ist fest­zu­stel­len, dass ei­ne na­tio­na­le Re­ge­lung wie die im Aus­gangs­ver­fah­ren in Re­de ste­hen­de nicht of­fen­sicht­lich un­ge­eig­net ist, die in Rand­nr. 49 des vor­lie­gen­den Ur­teils ge­nann­ten le­gi­ti­men Zie­le zu er­rei­chen.

59

Es ist je­doch zu prüfen, ob die­se Maßnah­me nicht über das hin­aus­geht, was zum Er­rei­chen die­ser Zie­le er­for­der­lich ist.
60 Die däni­sche Re­gie­rung macht in die­sem Zu­sam­men­hang gel­tend, dass sich die Gewährung des Frei­stel­lungs­ge­halts streng auf die­je­ni­gen Be­am­ten be­schränken müsse, die es wirk­lich benötig­ten und ge­ge­be­nen­falls tatsächlich für ei­ne Wie­der­ein­wei­sung in die öffent­li­che Ver­wal­tung zur Verfügung stünden.
61 Es trifft zwar zu, dass, wie in Rand­nr. 56 des vor­lie­gen­den Ur­teils aus­geführt, Be­am­te, die ei­ne Al­ters­ren­te be­an­spru­chen können, des­halb im All­ge­mei­nen we­ni­ger be­reit sind, sich in ei­ne an­de­re Stel­le ein­wei­sen zu las­sen.
62 Die­se Be­am­ten können mit ei­nem sta­bi­len und dau­er­haft an­ge­leg­ten Er­satz­ein­kom­men rech­nen, während Be­am­te, die noch kei­ne Al­ters­ren­te be­an­spru­chen können und de­ren Stel­le ge­stri­chen wur­de, des­halb ei­nes stärke­ren Schut­zes bedürfen. Be­am­te, die die­ser zwei­ten Grup­pe an­gehören, sind im All­ge­mei­nen nämlich eher ei­nem wirt­schaft­li­chen und so­zia­len Druck aus­ge­setzt, da sie oh­ne das Frei­stel­lungs­ge­halt kei­ne sta­bi­le Ein­kom­mens­quel­le hätten. Das Frei­stel­lungs­ge­halt soll da­her die Be­am­ten die­ser zwei­ten Grup­pe vor ei­nem der­ar­ti­gen Druck schützen, in­dem es ih­nen für ei­ne Zeit von drei Jah­ren ein an­ge­mes­se­nes Ein­kom­men si­chert.
63 Im Übri­gen ist der däni­sche Ge­setz­ge­ber tätig ge­wor­den, um die nach­tei­li­gen Aus­wir­kun­gen der im Aus­gangs­ver­fah­ren frag­li­chen Re­ge­lung zu be­schränken, in­dem er vor­ge­se­hen hat, dass Be­am­te, die das 65. Le­bens­jahr voll­endet ha­ben, in der Zeit, in der sie das Frei­stel­lungs­ge­halt hätten be­zie­hen müssen, es we­gen ih­res Al­ters je­doch fak­tisch nicht be­zo­gen ha­ben, wei­ter Ver­sor­gungs­ansprüche er­wer­ben.
64 § 32 Abs. 4 Nr. 2 des Be­am­ten­ge­set­zes stellt al­so Be­am­te, die tatsächlich ei­ne Al­ters­ren­te be­zie­hen wer­den, den­je­ni­gen gleich, die ei­ne Al­ters­ren­te be­an­spru­chen können.
65 Aus der dem Ge­richts­hof vor­lie­gen­den Ak­te er­gibt sich je­doch, dass die Be­am­ten mit Voll­endung des 65. Le­bens­jahrs in den Ru­he­stand tre­ten können, aber nicht müssen.
66 Nach der im Aus­gangs­ver­fah­ren frag­li­chen Re­ge­lung sind vom Be­zug des Frei­stel­lungs­ge­halts al­ler­dings so­wohl die­je­ni­gen Be­am­ten, die in den Ru­he­stand tre­ten wol­len und dem­zu­fol­ge tatsächlich ei­ne Al­ters­ren­te be­zie­hen wer­den, als auch die­je­ni­gen Be­am­ten aus­ge­nom­men, die ih­re be­ruf­li­che Lauf­bahn in der öffent­li­chen Ver­wal­tung über ihr 65. Le­bens­jahr hin­aus fort­set­zen wol­len.
67 In­dem sie das le­gi­ti­me Ziel ver­folgt, zu ver­mei­den, dass die­ses Ge­halt Be­am­ten zu­gu­te­kommt, die kei­ne neue Stel­le ein­neh­men wol­len, son­dern ein Er­satz­ein­kom­men in Form ei­ner Al­ters­ren­te be­zie­hen wer­den, läuft die frag­li­che Maßnah­me so­mit dar­auf hin­aus, Be­am­ten, die auf dem Ar­beits­markt blei­ben wol­len, die­ses Ge­halt al­lein des­halb vor­zu­ent­hal­ten, weil sie u. a. auf­grund ih­res Al­ters über ei­ne Al­ters­ren­te verfügen können.
68 Sie kann so­mit die­se Be­am­ten da­zu zwin­gen, ei­ne nied­ri­ge­re Al­ters­ren­te an­zu­neh­men als die, die sie be­an­spru­chen könn­ten, wenn sie bis in ein höhe­res Al­ter be­rufstätig blie­ben, ins­be­son­de­re in dem Fall, dass sie nicht genügend Bei­trags­jah­re zurück­ge­legt ha­ben, um ei­ne vol­le Pen­si­on zu er­hal­ten.
69 Über­dies ließen sich die mit der im Aus­gangs­ver­fah­ren frag­li­chen Re­ge­lung an­ge­streb­ten le­gi­ti­men Zie­le durch eben­so an­ge­mes­se­ne, je­doch we­ni­ger ein­schnei­den­de Maßnah­men er­rei­chen. So könn­te mit Vor­schrif­ten, die die Gewährung des Frei­stel­lungs­ge­halts auf Be­am­te be­schränken, die vorüber­ge­hend auf den Be­zug ei­ner Al­ters­ren­te ver­zich­tet ha­ben, um ih­re be­ruf­li­che Tätig­keit fort­zu­set­zen, und gleich­zei­tig Maßnah­men zur Ahn­dung von Miss­bräuchen vor­se­hen, falls sich ein Be­am­ter wei­gert, ei­ne an­de­re an­ge­mes­se­ne Stel­le an­zu­neh­men, si­cher­ge­stellt wer­den, dass die­ses Ge­halt nur den Be­am­ten zu­gu­te­kommt, die für die Be­set­zung ei­ner an­de­ren Stel­le tatsächlich zur Verfügung ste­hen.
70 Zwar kann in der Re­gel nicht ver­langt wer­den, dass ei­ne Maßnah­me wie die im Aus­gangs­ver­fah­ren in Re­de ste­hen­de vor­schreibt, dass je­der Ein­zel­fall in­di­vi­du­ell ge­prüft wird, um fest­zu­stel­len, was den spe­zi­fi­schen Bedürf­nis­sen des ein­zel­nen Be­am­ten am bes­ten ent­spricht, da die frag­li­che Re­ge­lung in tech­ni­scher und wirt­schaft­li­cher Hin­sicht hand­hab­bar blei­ben muss.
71 Ei­ne der­ar­ti­ge in­di­vi­du­el­le Prüfung der Verfügbar­keit von Be­am­ten, die jünger als 65 Jah­re sind, ist in dem Sys­tem, das mit der im Aus­gangs­ver­fah­ren frag­li­chen na­tio­na­len Re­ge­lung ein­geführt wur­de, of­fen­bar be­reits an­ge­legt, denn die dienst­li­che Ver­wen­dung ei­nes ent­las­se­nen Be­am­ten auf ei­ner Er­satz­stel­le hängt da­von ab, wel­che Er­fah­run­gen er im Hin­blick auf die spe­zi­fi­schen An­for­de­run­gen der ihm tatsächlich an­ge­bo­te­nen Stel­le hat. Im Übri­gen ist ei­ne der­ar­ti­ge in­di­vi­du­el­le Prüfung, wie der DJØF gel­tend macht, be­reits in § 32 Abs. 4 Nr. 4 des Be­am­ten­ge­set­zes vor­ge­se­hen.
72 So­mit ist fest­zu­stel­len, dass die im Aus­gangs­ver­fah­ren frag­li­che Re­ge­lung da­durch, dass sie es grundsätz­lich aus­sch­ließt, dass Be­am­te, die ei­ne Al­ters­ren­te be­an­spru­chen können, ein Frei­stel­lungs­ge­halt be­zie­hen, über das hin­aus­geht, was zum Er­rei­chen der an­ge­streb­ten Zie­le er­for­der­lich ist.
73 Die aus § 32 Abs. 4 Nr. 2 des Be­am­ten­ge­set­zes re­sul­tie­ren­de Un­gleich­be­hand­lung kann da­her nicht gemäß Art. 6 Abs. 1 der Richt­li­nie 2000/78 ge­recht­fer­tigt sein.
74 Nach al­le­dem ist auf die vier­te Fra­ge zu ant­wor­ten, dass die Art. 2 und 6 Abs. 1 der Richt­li­nie 2000/78 da­hin aus­zu­le­gen sind, dass sie ei­ner na­tio­na­len Re­ge­lung ent­ge­gen­ste­hen, nach der Be­am­te, die das für die Gewährung ei­ner Al­ters­ren­te er­for­der­li­che Al­ter er­reicht ha­ben, al­lein aus die­sem Grund nicht das Frei­stel­lungs­ge­halt be­zie­hen können, das für Be­am­te vor­ge­se­hen ist, die we­gen der Strei­chung ih­rer Stel­le ent­las­sen wur­den.

Kos­ten

75 Für die Par­tei­en des Aus­gangs­ver­fah­rens ist das Ver­fah­ren ein Zwi­schen­streit in dem bei dem vor­le­gen­den Ge­richt anhängi­gen Rechts­streit; die Kos­ten­ent­schei­dung ist da­her Sa­che die­ses Ge­richts. Die Aus­la­gen an­de­rer Be­tei­lig­ter für die Ab­ga­be von Erklärun­gen vor dem Ge­richts­hof sind nicht er­stat­tungsfähig.

Aus die­sen Gründen hat der Ge­richts­hof (Zwei­te Kam­mer) für Recht er­kannt:

1. Art. 6 Abs. 2 der Richt­li­nie 2000/78/EG des Ra­tes vom 27. No­vem­ber 2000 zur Fest­le­gung ei­nes all­ge­mei­nen Rah­mens für die Ver­wirk­li­chung der Gleich­be­hand­lung in Beschäfti­gung und Be­ruf ist da­hin aus­zu­le­gen, dass er nur auf ei­ne Al­ters­ren­te oder Leis­tun­gen bei In­va­li­dität ei­nes be­trieb­li­chen Sys­tems der so­zia­len Si­cher­heit an­wend­bar ist.

2. Die Art. 2 und 6 Abs. 1 der Richt­li­nie 2000/78 sind da­hin aus­zu­le­gen, dass sie ei­ner na­tio­na­len Re­ge­lung ent­ge­gen­ste­hen, nach der Be­am­te, die das für die Gewährung ei­ner Al­ters­ren­te er­for­der­li­che Al­ter er­reicht ha­ben, al­lein aus die­sem Grund nicht das Frei­stel­lungs­ge­halt be­zie­hen können, das für Be­am­te vor­ge­se­hen ist, die we­gen der Strei­chung ih­rer Stel­le ent­las­sen wur­den.

Un­ter­schrif­ten

 

* Ver­fah­rens­spra­che: Dänisch.

Quel­le: Ge­richts­hof der Eu­ropäischen Uni­on (EuGH), http://cu­ria.eu­ro­pa.eu

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