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Ver­trags­stra­fe für Ver­trags­be­en­di­gung oh­ne Ein­hal­tung der Kün­di­gungs­frist

Ei­ne Ver­trags­stra­fe für die "Be­en­di­gung" des Ver­trags oh­ne Ein­hal­tung der Kün­di­gungs­frist er­fasst nicht die ver­trags­wid­ri­ge Leis­tungs­ver­wei­ge­rung: Bun­des­ar­beits­ge­richt, Ur­teil vom 23.01.2014, 8 AZR 130/13
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22.07.2014. Ar­beits­ver­trä­ge dür­fen nach der Recht­spre­chung Ver­trags­stra­fe-Klau­seln ent­hal­ten, die der Ar­beit­ge­ber ein­sei­tig vor­for­mu­liert.

Al­ler­dings dür­fen sol­che Klau­seln, da sie zu den All­ge­mei­nen Ge­schäfts­be­din­gun­gen (AGB) des Ar­beit­ge­bers ge­hö­ren, für den Ar­beit­neh­mer nicht un­ver­ständ­lich sein, d.h. sie müs­sen mög­lichst ge­nau be­schrei­ben, wel­ches Ver­hal­ten des Ar­beit­neh­mers ei­ne Ver­trags­stra­fe zur Fol­ge hat.

In ei­nem ak­tu­el­len Fall hat das Bun­des­ar­beits­ge­richt (BAG) ent­schie­den, dass ei­ne Ver­trags­stra­fe für die "Be­en­di­gung" des Ver­trags oh­ne Ein­hal­tung der Kün­di­gungs­frist nicht die ver­trags­wid­ri­ge Leis­tungs­ver­wei­ge­rung er­fasst: BAG, Ur­teil vom 23.01.2014, 8 AZR 130/13.

Was heißt Be­en­di­gung des Ar­beits­ver­trags oh­ne Ein­hal­tung der Kündi­gungs­frist?

Kündigt ein Ar­beit­neh­mer oh­ne Ein­hal­tung der für ihn gel­ten­den Kündi­gungs­frist oder erklärt er ein­fach, dass er demnächst endgültig nicht mehr bei der Ar­beit er­schei­nen wer­de, ist der Ar­beit­ge­ber auf der Grund­la­ge des Ge­set­zes der Dum­me. Denn er hat zwar im Aus­gangs­punkt ei­nen Scha­dens­er­satz­an­spruch, weil sich der Ar­beit­ge­ber ver­trags­brüchig verhält, kann aber meist kei­nen kon­kre­ten Scha­den be­zif­fern, so dass der Er­satz­an­spruch wert­los ist.

Ver­brei­tet sind da­her Ver­trags­stra­fe-Klau­seln, die den Ar­beit­neh­mer zur Zah­lung ei­ner Ver­trags­stra­fe ver­pflich­ten, wenn er das Ar­beits­verhält­nis "ver­trags­wid­rig löst". Die­se For­mu­lie­rung hat das BAG als verständ­lich ab­ge­seg­net, denn sie be­deu­tet nach An­sicht des BAG fol­gen­des (BAG, Ur­teil vom 18.12.2008, 8 AZR 81/08):

"Ein ver­trags­wid­ri­ges Lösen des Dienst­verhält­nis­ses liegt vor, wenn der Ar­beit­neh­mer sei­ner Haupt­leis­tungs­pflicht aus dem Ar­beits­verhält­nis auf Dau­er und endgültig un­ter Be­ru­fung auf ei­nen Be­en­di­gungs­tat­be­stand nicht mehr nach­kommt, sich al­so vom Ver­trag los­sagt, ob­wohl ein recht­lich wirk­sa­mer Be­en­di­gungs­tat­be­stand (noch) nicht ein­ge­tre­ten ist."

Ist al­ler­dings in ei­ner Ver­trags­stra­fe-Klau­sel nicht von ei­nem "ver­trags­wid­ri­gen Lösen" oder "rechts­wid­ri­gen Los­sa­gen" vom Ver­trag die Re­de, son­dern von ei­ner "Be­en­di­gung des Ver­trags oh­ne Ein­hal­tung der Kündi­gungs­frist", ist auf den ers­ten Blick nicht klar, was da­mit ge­meint ist.

An ei­ner sol­chen Un­klar­heit bzw. "In­trans­pa­renz" kann die Wirk­sam­keit der Klau­sel gemäß § 307 Abs.1 Satz 2 Bürger­li­ches Ge­setz­buch (BGB) schei­tern.

Der Fall des BAG: Ar­beit­neh­mer kündigt dem In­sol­venz­ver­wal­ter or­dent­lich, stellt aber dann vor Ab­lauf der Kündi­gungs­frist die Ar­beit ein

Im Streit­fall hat­te sich ein Ar­beit­neh­mer auf­grund der In­sol­venz sei­nes Ar­beit­ge­bers ei­nen neu­en Job ge­sucht und dar­auf­hin das Ar­beits­verhält­nis am 11.11.2011 "zum nächstmögli­chen Ter­min" gekündigt. Die­ser Ter­min wäre gemäß der ver­trag­lich ver­ein­bar­ten sechs­mo­na­ti­gen Kündi­gungs­frist der 31.05.2012 ge­we­sen, doch war die­se Frist gemäß § 113 Satz 2 In­sol­venz­ord­nung (In­sO) auf drei Mo­na­te verkürzt. Die Kündi­gung hätte das Ar­beits­verhält­nis da­her zum 28.02.2012 be­en­det.

Da­zu kam es aber nicht, weil der Ar­beit­neh­mer be­reits ab dem 01.12.2011 ein­fach nicht mehr bei der Ar­beit er­schien. Ei­ne ent­spre­chen­de Auf­for­de­rung des Ver­wal­ters lehn­te er mit E-Mail vom 02.12.2011 ab, da er be­reits ab dem 01.12.2011 ein an­de­res Ar­beits­verhält­nis an­ge­tre­ten ha­be. Dar­auf­hin erklärte der Ver­wal­ter die frist­lo­se Kündi­gung we­gen be­harr­li­cher Ar­beits­ver­wei­ge­rung.

Außer­dem ver­klag­te der Ver­wal­ter den Ar­beit­neh­mer auf ei­ne Ver­trags­stra­fe in Höhe ei­nes Mo­nats­ge­halts, wo­bei er sich auf fol­gen­de Ver­trags­klau­sel be­rief:

"Be­en­den Sie den Ver­trag oh­ne Ein­hal­tung der Kündi­gungs­frist, so ver­pflich­ten Sie sich, als Ver­trags­stra­fe für je­den Tag der vor­zei­ti­gen Be­en­di­gung ei­nen Be­trag in Höhe des durch­schnitt­li­chen Ta­ges­ver­diens­tes der letz­ten drei Mo­na­te, höchs­tens je­doch bis zu ei­nem Brut­to-Mo­nats­grund­ge­halt, zu zah­len."

Das Ar­beits­ge­richt Dres­den (Ur­teil vom 04.07.2012, 10 Ca 4163/11) und das Säch­si­sche Lan­des­ar­beits­ge­richt (LAG) wie­sen die Kla­ge ab, da sie mein­ten, hier läge kei­ne "Be­en­di­gung" des Ver­trags "oh­ne Ein­hal­tung der Kündi­gungs­frist" vor (Säch­si­sches LAG, Ur­teil vom 18.01.2013, 3 Sa 441/12).

BAG: Ei­ne Ver­trags­stra­fe für die "Be­en­di­gung" des Ver­trags oh­ne Ein­hal­tung der Kündi­gungs­frist er­fasst nicht die ver­trags­wid­ri­ge Leis­tungs­ver­wei­ge­rung

Das BAG sah das auch so und wies die Re­vi­si­on des In­sol­venz­ver­wal­ters zurück.

Denn hier hat­te der Ar­beit­neh­mer zunächst frist­ge­recht gekündigt und dann vor Ab­lauf der Kündi­gungs­frist (rechts­wid­rig) die Ar­beits­leis­tung endgültig ver­wei­gert. Bei­des ist aber kei­ne recht­li­che "Be­en­di­gung" des Ar­beits­verhält­nis­ses, so das BAG.

Letzt­lich ist die hier um­strit­te­ne Ver­trags­klau­sel un­sin­nig: Denn ei­ne recht­lich wirk­sa­me Be­en­di­gung tritt ja (ab­ge­se­hen vom Fall der wirk­sa­men frist­lo­sen Kündi­gung) im­mer erst nach Ab­lauf der Kündi­gungs­frist ein, und da­her kann es (ab­ge­se­hen vom Fall der wirk­sa­men frist­lo­sen Kündi­gung) kei­ne Be­en­di­gung oh­ne Ein­hal­tung der Kündi­gungs­frist ge­ben.

Da­her passt die Klau­sel nur auf den Fall ei­ner wirk­sa­men (!) frist­lo­sen Kündi­gung durch den Ar­beit­neh­mer, und ge­ra­de in die­sem Fall ist ei­ne Ver­trags­stra­fe ei­ne un­an­ge­mes­se­ne Be­nach­tei­li­gung des Ar­beit­neh­mers. Denn er kann ja schlecht dafür be­straft wer­den, dass er in zulässi­ger Wei­se von sei­nem Recht zur frist­lo­sen Kündi­gung Ge­brauch zu ma­chen.

Im Er­geb­nis kam es dar­auf im Streit­fall gar nicht an, weil hier oh­ne­hin nicht der Ar­beit­neh­mer, son­dern der In­sol­venz­ver­wal­ter die Ver­trags­be­en­di­gung her­bei­geführt hat­te, nämlich durch die frist­lo­se Kündi­gung, die er als Re­ak­ti­on auf die Ar­beits­ver­wei­ge­rung aus­ge­spro­chen hat­te. Und da die Ver­trags­stra­fe-Klau­sel zu den AGB des Ar­beit­ge­bers gehörte, konn­te sie nicht "sinn­gemäß" auf die­sen Vor­gang an­ge­wandt wer­den. Von dem Fall ei­ner be­rech­tig­ten ar­beit­ge­ber­sei­ti­gen Kündi­gung stand in der Klau­sel nichts.

Fa­zit: Ei­ne Ver­trags­stra­fe an ei­ne vor­fris­ti­ge "Ver­trags­be­en­di­gung" zu knüpfen, ist ver­fehlt, denn der Ar­beit­neh­mer kann ei­ner sol­chen Ver­trags­stra­fe ein­fach da­durch ent­ge­hen, dass er for­mal un­ter Ein­hal­tung der Kündi­gungs­frist kündigt und den­noch be­reits früher (rechts­wid­rig) die Ar­beits­leis­tung ver­wei­gert. So ein Vor­ge­hen löst nur Scha­dens­er­satz­ansprüche aus, und die hel­fen dem Ar­beit­ge­ber eben meist nicht wei­ter, da er meist kei­nen kon­kret zu be­zif­fern­den Scha­den er­lit­ten hat.

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Letzte Überarbeitung: 1. Januar 2015

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