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ARBEITSRECHT AKTUELL // 11/049

Ver­trags­stra­fe für rechts­wid­ri­ge Ver­trags­auf­lö­sung durch Ar­beit­neh­mer

Ver­trags­stra­fen müs­sen dem wirt­schaft­li­chen In­ter­es­se des Ar­beit­ge­bers an­ge­mes­sen sein: Bun­des­ar­beits­ge­richt, Ur­teil vom 23.09.2010, 8 AZR 897/08
Taschenrechner auf Geldscheinen Ver­trags­stra­fen auf dem rich­ter­li­chen Prüf­stand

10.03.2011. Ar­beits­ver­trä­ge ent­hal­ten meist Ver­trags­klau­seln, die der Ar­beit­ge­ber ein­sei­tig vor­gibt.

Sie sind ein gu­tes Bei­spiel da­für, dass nicht al­les rech­tens ist, was schwarz auf weiß ge­schrie­ben steht.

Ob Ar­beits­ver­trags­klau­seln wirk­sam sind oder nicht, be­stimmt sich näm­lich nach dem Recht der All­ge­mei­nen Ge­schäfts­be­din­gun­gen (AGB), vgl. § 310 Abs.3 Nr.2 Bür­ger­li­ches Ge­setz­buch (BGB) und § 305 Abs.1 BGB. Die­ser AGB-Kon­trol­le fal­len im­mer wie­der un­kla­re oder in­halt­lich un­an­ge­mes­se­ne Klau­seln zum Op­fer.

Da­bei sind al­ler­dings "die im Ar­beits­recht gel­ten­den Be­son­der­hei­ten an­ge­mes­sen zu be­rück­sich­ti­gen" (§ 310 Abs.4 Satz 2 BGB). Die­ses Hin­ter­tür­chen kann da­zu füh­ren, dass im Ar­beits­recht Klau­seln er­laubt sind, die bei­spiels­wei­se in ei­nem Miet­ver­trag kei­ne Chan­ce hät­ten.

Dies gilt nach der Rech­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts (BAG) z.B. für Ver­trags­stra­fen, die für den Fall ei­ner rechts­wid­ri­gen Kün­di­gung ver­ein­bart wer­den. Au­ßer­halb des Ar­beits­rechts sind sol­che Klau­seln ge­mäß § 309 Nr. 6 BGB un­wirk­sam, dür­fen aber in Ar­beits­ver­trä­gen ver­ein­bart wer­den.

Sie sind zum ei­nen ein Warn­si­gnal an den Ar­beit­neh­mer, sich ver­trags­treu zu ver­hal­ten, und ma­chen im Fal­le ei­nes Ver­trags­bruchs den sonst meist un­mög­li­chen Nach­weis ei­nes kon­kre­ten Scha­dens über­flüs­sig. An­stel­le ei­nes Scha­dens­nach­wei­ses ge­nügt dann der Hin­weis auf das ver­trags­wid­ri­ge Ver­hal­ten und die da­für ver­ein­bar­te Stra­fe.

Doch auch wenn Ver­trags­stra­fen grund­sätz­lich ver­ein­bart wer­den dür­fen, müs­sen sie in ih­rer kon­kre­ten Aus­ge­stal­tung mit dem AGB-Recht ver­ein­bar sein. Da­zu ge­hört, dass der Ar­beit­neh­mer als Ver­trags­part­ner des Klau­sel-Ver­wen­ders (= Ar­beit­ge­bers) nicht "un­an­ge­mes­sen be­nach­tei­ligt" wird (§ 307 BGB).

Ein ak­tu­el­les Ur­teil des Bun­des­ar­beits­ge­richts (BAG) zeigt, wann Ver­trags­stra­fe-Klau­seln un­an­ge­mes­sen und da­her un­wirk­sam sein kön­nen (BAG, Ur­teil vom 23.09.2010, 8 AZR 897/08). Die hier strei­ti­ge Ver­trags­klau­sel lau­te­te aus­zugs­wei­se:

"Der Ar­beit­neh­mer ver­pflich­tet sich, ei­ne Ver­trags­stra­fe in Hö­he ei­ner re­gel­mä­ßi­gen Brut­to­mo­nats­ver­gü­tung (...) zu zah­len, wenn er das An­stel­lungs­ver­hält­nis (...) ver­trags­wid­rig vor­zei­tig be­en­det."

Im Streit­fall war al­ler­dings ei­ne sechs­mo­na­ti­ge Pro­be­zeit mit ei­ner Kün­di­gungs­frist von zwei Wo­chen ver­ein­bart. Erst nach Ab­lauf der Pro­be­zeit er­höh­te sich die Kün­di­gungs­frist - da­für aber auch deut­lich.

Nach­dem der Ar­beit­neh­mer nach der Pro­be­zeit frist­los ge­kün­digt hat­te, klag­te der Ar­beit­ge­ber die ver­ein­bar­te Ver­trags­stra­fe ein. Da­mit blieb er in al­len drei In­stan­zen er­folg­los.

Nach Auf­fas­sung des BAG (Ur­teil vom 23.09.2010, 8 AZR 897/08) ist die Hö­he der Ver­gü­tung grund­sätz­lich ein ge­eig­ne­ter Maß­stab, um den Wert der Ar­beits­leis­tung für den Ar­beit­ge­ber fest­zu­stel­len. Die Län­ge der je­wei­li­gen Kün­di­gungs­frist und die für die­sen Zeit­raum zu zah­len­de Ver­gü­tung spie­geln dann re­gel­mä­ßig das wirt­schaft­li­che In­ter­es­se des Ar­beit­ge­bers an der Ar­beits­kraft des Ar­beit­neh­mers wi­der. Ist in dem Ar­beits­ver­trag ei­ne hö­he­re Ver­trags­stra­fe ver­ein­bart, muss der Ar­beit­ge­ber hier­an ein be­son­de­res wirt­schaft­li­ches In­ter­es­se ha­ben, an­dern­falls ist die Ab­re­de als un­an­ge­mes­sen be­nach­tei­li­gen­de "Über­si­che­rung" un­wirk­sam.

Der üb­li­che fi­nan­zi­el­le Mit­tel­ein­satz in der Ein­ar­bei­tungs­pha­se, der durch die Ver­trags­stra­fe auf­ge­bau­te Druck zu ver­trags­ge­rech­tem Ver­hal­ten und auch der Er­fül­lungs­an­spruch bis zum nächst zu­läs­si­gen Be­en­di­gungs­zeit­punkt rei­chen als ein sol­ches "be­son­de­res In­ter­es­se" nicht. Das BAG wies zu­dem aus­drück­lich dar­auf hin, dass die Ver­ein­ba­rung ei­ner ver­kürz­ten Kün­di­gungs­frist der An­nah­me ei­nes von An­fang an ge­stei­ger­ten Ar­beit­ge­ber­in­ter­es­ses an der Ver­trags­er­fül­lung wi­der­spricht.

Bei ei­ner zwei­wö­chi­gen Kün­di­gungs­frist in der Pro­be­zeit wä­re nach die­sen Maß­stä­ben le­dig­lich ein hal­bes Mo­nats­ge­halt Ver­trags­stra­fe an­ge­mes­sen ge­we­sen.

Und da die Klau­sel nicht zwi­schen der Pro­be­zeit und der Zeit da­nach un­ter­schied, war sie zum Zeit­punkt des Ver­trags­schlus­ses, al­so von An­fang an und in vol­lem Um­fang un­wirk­sam. Es war des­halb un­er­heb­lich, dass die be­klag­te Ar­beit­neh­me­rin erst nach der Pro­be­zeit ge­kün­digt hat­te und ob die frist­lo­se Kün­di­gung rechts­wid­rig ge­gen die ver­ein­bar­te Kün­di­gungs­frist ver­stieß.

Fa­zit: Ab­re­den über ei­ne Ver­trags­stra­fe bei vor­zei­ti­ger Kün­di­gung sind im Ar­beits­recht grund­sätz­lich mög­lich. Sie müs­sen al­ler­dings das wirt­schaft­li­che In­ter­es­se des Ver­wen­ders, d.h. des Ar­beit­ge­bers, an­ge­mes­sen wi­der­spie­geln. Das ist in al­ler Re­gel nur der Fall, wenn die Hö­he der ver­ein­bar­ten Stra­fe der Ver­gü­tung ent­spricht, die im Lau­fe der je­wei­li­gen Kün­di­gungs­frist ver­dient wer­den kann.

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Letzte Überarbeitung: 24. März 2016

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