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ARBEITSRECHT AKTUELL // 14/133

Wett­be­werbs­klau­sel mit un­be­stimm­ter Ka­ren­zent­schä­di­gung

Stellt ei­ne Wett­be­werbs­klau­sel die Ka­ren­zent­schä­di­gung ins Er­mes­sen des Ar­beit­ge­bers, ist das Ver­bot un­ver­bind­lich, aber nicht nich­tig: Bun­des­ar­beits­ge­richt, Ur­teil vom 15.01.2014, 10 AZR 243/13
Geschenkkorb in Zellophan Er­mes­sens­leis­tun­gen sind kei­ne Ge­schen­ke

14.04.2014. An­fang letz­ten Jah­res hat­te das Lan­des­ar­beits­ge­richt (LAG) Nie­der­sach­sen ei­nen Ar­beit­ge­ber zur Zah­lung von Ka­ren­zent­schä­di­gung we­gen ei­nes nach­ver­trag­li­chen Wett­be­werbs­ver­bots ver­ur­teilt, ob­wohl die Ver­ein­ba­rung über die Ka­ren­zent­schä­di­gung reich­lich un­be­stimmt war:

Sie stand näm­lich al­lein im Er­mes­sen des Ar­beit­ge­bers (LAG Nie­der­sach­sen, Ur­teil vom 09.01.2013, 16 Sa 563/12 - wir be­rich­te­ten in Ar­beits­recht ak­tu­ell: 13/216 Ka­ren­zent­schä­di­gung nach Er­mes­sen des Ar­beit­ge­bers).

Die Mei­nung des LAG, dass ei­ne sol­che Ka­ren­zent­schä­di­gungs-Klau­sel wirk­sam ist, falls der Ar­beit­neh­mer sich an das Ver­bot hält, hat das Bun­des­ar­beits­ge­richt (BAG) jetzt ab­ge­seg­net: BAG, Ur­teil vom 15.01.2014, 10 AZR 243/13.

Wie ge­nau muss ei­ne Wett­be­werbs­klau­sel die ver­ein­bar­te Ka­ren­zentschädi­gung fest­le­gen?

Mit ei­nem nach­ver­trag­li­chen Wett­be­werbs­ver­bot be­schränkt der Ar­beit­ge­ber die Be­rufs­frei­heit des Ar­beit­neh­mers für die Zeit nach dem Ar­beits­verhält­nis, in­dem er ihm Kon­kur­renztätig­kei­ten ver­bie­tet. Dafür muss er be­zah­len, und zwar gemäß § 74 Abs.2 Han­dels­ge­setz­buch (HGB) min­des­tens die Hälf­te der zu­letzt be­zo­ge­nen ver­tragsmäßigen Leis­tun­gen.

Liegt die ver­ein­bar­te Ka­ren­zentschädi­gung un­ter die­sem ge­setz­li­chen Mi­ni­mum, ist das Wett­be­werbs­ver­bot un­ver­bind­lich. Das be­deu­tet, dass der Ar­beit­neh­mer wählen kann, ob er sich an das Ver­bot hal­ten möch­te (trotz der ge­setz­wid­rig ge­rin­gen Entschädi­gung) oder lie­ber nicht (dann kann er tun was er will, be­kommt aber natürlich kei­ne Ka­ren­zentschädi­gung).

Ha­ben die Par­tei­en al­ler­dings über­haupt kei­ne Ver­ein­ba­rung über die Ka­ren­zentschädi­gung ge­trof­fen, ist das Wett­be­werbs­ver­bot nicht nur un­ver­bind­lich, son­dern nich­tig. Heißt es z.B. in ei­ner ar­beits­ver­trag­li­chen Klau­sel, dass der Ar­beit­neh­mer nach Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses die Kun­den des (Ex-)Ar­beit­ge­bers nicht kon­tak­tie­ren oder mit ih­nen Geschäfte ma­chen darf, hat ei­ne sol­che Klau­sel kei­ner­lei Rechts­wir­kung, wenn nicht zu­gleich ver­ein­bart ist, dass der Ar­beit­neh­mer dafür Geld er­hal­ten soll.

Dafür genügt nach der Recht­spre­chung be­reits der Hin­weis im Ver­trag, dass "die §§ 74 ff. HGB gel­ten" sol­len, denn das soll als Ver­ein­ba­rung ei­ner Ka­ren­zentschädi­gung in ge­setz­li­cher Min­desthöhe (= Hälf­te der zu­letzt be­zo­ge­nen Vergütung) zu ver­ste­hen sein (Ar­beits­recht ak­tu­ell: 06/07 BAG: Ka­renz­ab­re­de auch bei pau­scha­lem Ver­weis auf HGB).

Frag­lich ist, ob ein Wett­be­werbs­ver­bot nich­tig ist, wenn die Höhe der Ka­ren­zentschädi­gung al­lein im Er­mes­sen des Ar­beit­ge­bers ste­hen soll. Hier könn­te man ar­gu­men­tie­ren, dass der Ar­beit­ge­ber die Ka­ren­zentschädi­gung ja auf Null fest­set­zen kann, so dass der Ar­beit­neh­mer gar kei­nen An­spruch hätte. An­de­rer­seits be­trifft das Er­mes­sen des Ar­beit­ge­bers nicht den An­spruch selbst, son­dern nur des­sen Höhe, was ge­gen Nich­tig­keit der Ver­ein­ba­rung spricht.

Der Fall des BAG: Nie­dersäch­si­scher Fut­ter­mit­tel­her­stel­ler ver­spricht Ka­ren­zentschädi­gung nach Guts­her­ren­art

Im Streit­fall ging es um ei­nen ol­den­bur­gi­schen Her­stel­ler von Pfle­ge- und Fut­ter­mit­teln für Pfer­de, der sei­nen Ex­port an­kur­beln woll­te und dafür im Ja­nu­ar 2008 ei­nen Ver­triebs­mit­ar­bei­ter ein­stell­te. Im Ar­beits­ver­trag hieß es:

"Der Mit­ar­bei­ter ver­pflich­tet sich, nach Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses für die Dau­er von 2 Jah­ren für kein Kon­kur­renz­un­ter­neh­men selbstständig und un­selbstständig tätig zu wer­den.

Die Fir­ma ver­pflich­tet sich, dem Mit­ar­bei­ter für die Dau­er des Wett­be­werbs­ver­bots ei­ne Entschädi­gung zu zah­len, die in ihr Er­mes­sen ge­stellt wird. Die Ka­ren­zentschädi­gung ist fällig am En­de ei­nes je­den Mo­nats."

Da der Ver­triebs­mit­ar­bei­ter die in ihn ge­setz­ten Er­war­tun­gen nicht erfüll­te, er­hielt er Mit­te 2010 die Kündi­gung. Dar­auf­hin teil­te vor­sichts­hal­ber schrift­lich mit, dass er sich an das Wett­be­werbs­ver­bot hal­ten wer­de und da­her um Zah­lung der Ka­ren­zentschädi­gung bit­te.

Da der Fut­ter­mit­tel­her­stel­ler nicht frei­wil­lig zahl­te, son­dern die An­fech­tung des Ar­beits­ver­trags erklärte (we­gen an­geb­li­cher Täuschung über künf­ti­ge Um­satz­zah­len bei Ver­trags­schluss), klag­te der Ver­trieb­ler die Ka­ren­zentschädi­gung für Sep­tem­ber und Ok­to­ber 2010 ein und hat­te da­mit vor dem Ar­beits­ge­richt Ol­den­burg (Teil­ur­teil vom 20.03.2012, 1 Ca 531/10) und dem LAG Nie­der­sach­sen Er­folg (Ur­teil vom 09.01.2013, 16 Sa 563/12).

Bei­de Ge­rich­te hiel­ten die Ver­ein­ba­rung über die Ka­ren­zentschädi­gung für wirk­sam, nach­dem der Ar­beit­neh­mer erklärt hat­te, sich an das Ver­bot zu hal­ten. Von Nich­tig­keit könne nicht die Re­de sein. Und dass der Ar­beit­ge­ber die Entschädi­gung "vor­sorg­lich" auf 20 Pro­zent fest­ge­setzt hat­te, half ihm auch nicht, da ei­ne so ge­rin­ge Entschädi­gung nach Mei­nung der Ge­rich­te nicht der "Bil­lig­keit" ent­sprach (§ 313 Bürger­li­ches Ge­setz­buch - BGB), d.h. of­fen­bar un­an­ge­mes­sen bzw. un­fair war.

BAG: Ein Wett­be­werbs­ver­bot, das die Entschädi­gung in das Er­mes­sen des Ar­beit­ge­bers stellt, ist nicht von vorn­her­ein nich­tig, son­dern nur un­ver­bind­lich

Vor dem BAG hat­te der Fut­ter­mit­tel­her­stel­ler eben­falls kei­nen Er­folg. Auch das BAG hielt die Ver­ein­ba­rung nur für un­ver­bind­lich und nicht et­wa für nich­tig. Der Leit­satz der BAG-Ent­schei­dung lau­tet:

"Wird bei ei­nem nach­ver­trag­li­chen Wett­be­werbs­ver­bot die Höhe der Entschädi­gung in das Er­mes­sen des Ar­beit­ge­bers ge­stellt, oh­ne dass ei­ne Min­desthöhe iSv. § 74 Abs.2 HGB ver­ein­bart wird, ist das Wett­be­werbs­ver­bot für den Ar­beit­neh­mer un­ver­bind­lich."

Denn durch die ver­trag­li­che "Ver­pflich­tung" zur Zah­lung ei­ner Ka­ren­zentschädi­gung hat­ten die Par­tei­en ei­nen Zah­lungs­an­spruch be­gründet, d.h. ein völlig entschädi­gungs­lo­ses Wett­be­werbs­ver­bot lag hier nicht vor - und folg­lich auch kei­ne Nich­tig­keit der Ver­ein­ba­rung.

Die vom Ar­beit­ge­ber ins Spiel ge­brach­te theo­re­ti­sche Möglich­keit ei­ner Fest­set­zung der Entschädi­gung auf Null ließ das BAG nicht gel­ten. Denn ei­ne sol­che Fest­set­zung wäre of­fen­bar un­an­ge­mes­sen und da­mit recht­lich be­deu­tungs­los.

Außer­dem stell­te das BAG klar, dass die Ver­ein­ba­rung ei­ner Er­mes­sens-Ka­ren­zentschädi­gung un­ver­bind­lich ist. Denn aus ei­ner sol­chen Ver­trags­klau­sel geht für den Ar­beit­neh­mer nicht ein­deu­tig her­vor, dass er zu­min­dest die ge­setz­li­che Min­des­tentschädi­gung er­hal­ten soll. Und wenn Ka­ren­zentschädi­gungs­klau­seln ei­ne ge­set­zes­wid­rig ge­rin­ge Entschädi­gung nicht glas­klar aus­sch­ließen, sind sie nach der Recht­spre­chung eben­so un­ver­bind­lich wie Klau­seln, die aus­drück­lich ei­ne un­ter dem ge­setz­li­chen Mi­ni­mum lie­gen­de Entschädi­gung fest­le­gen. Da­her hat­te der Ar­beit­neh­mer hier die Wahl, ob er sich an das Ver­bot hal­ten woll­te oder nicht.

Sch­ließlich hat­te der Ver­triebs­mit­ar­bei­ter hier ei­nen An­spruch in ein­ge­klag­ter Höhe. Das war die Hälf­te der zu­letzt be­zo­ge­nen Ge­samt­vergütung (ein­sch­ließlich des Wer­tes des Dienst­wa­gens). Denn da die vom Ar­beit­ge­ber vor­ge­nom­me­ne Er­mes­sen­ent­schei­dung (20 Pro­zent) un­wirk­sam war, wa­ren hier (zu­min­dest) 50 Pro­zent fest­zu­set­zen.

Fa­zit: Be­steht ein An­spruch auf Ka­ren­zentschädi­gung nach Er­mes­sen des Ar­beit­ge­bers, hat der Ar­beit­neh­mer im Er­geb­nis im­mer ei­nen An­spruch auf min­des­tens 50 Pro­zent der zu­letzt be­zo­ge­nen Ge­samt­leis­tun­gen. Das ist zwar kein ge­setz­li­cher An­spruch, son­dern ein ver­trag­li­cher. Aber da ei­ne ge­rin­ge­re Fest­set­zung im­mer un­bil­lig wäre, fängt das Er­mes­sen des Ar­beit­ge­bers erst ober­halb die­ser Gren­ze an.

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Letzte Überarbeitung: 23. März 2017

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