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Weih­nachts­geld auch im ge­kün­dig­ten Ar­beits­ver­hält­nis

Ge­ne­rel­ler Aus­schluss ge­kün­dig­ter Ar­beit­neh­mer vom Weih­nachts­geld im "Klein­ge­druck­ten" ist un­wirk­sam: Lan­des­ar­beits­ge­richt Hamm, Ur­teil vom 16.09.2010, 15 Sa 812/10
Playmobil Nikolaus Wird al­le Jah­re wie­der zum Zank­ap­fel: das Weih­nachts­geld
15.12.2010. Ein Weih­nachts­geld ist et­was an­de­res als ein drei­zehn­tes Ge­halt. Denn wäh­rend mit ei­nem drei­zehn­ten Ge­halt die er­brach­te Ar­beits­leis­tung be­zahlt wer­den soll, be­lohnt ein Weih­nachts­geld je nach­dem, wie der An­spruch in ei­nem Ta­rif- oder Ar­beits­ver­trag aus­ge­stal­tet ist, mehr oder we­ni­ger deut­lich die "Be­triebs­treue" des Ar­beit­neh­mers. In­fol­ge­des­sen kann ein An­spruch auf Weih­nachts­geld Ar­beit­neh­mern vor­ent­hal­ten wer­den, die vor Fäl­lig­keit aus dem Ar­beits­ver­hält­nis aus­ge­schie­den sind, was bei ei­nem drei­zehn­ten Ge­halt nicht mög­lich wä­re: Die­ses ist bei Aus­schei­den des Ar­beit­neh­mers vor Fäl­lig­keit zeit­an­tei­lig zu be­zah­len, d.h. in dem Um­fang der vom Ar­beit­neh­mer er­brach­ten Ar­beits­leis­tung.

Aber geht die­ser be­son­de­re Cha­rak­ter des Weih­nachts­gel­des so weit, dass der Ar­beit­ge­ber in sei­nen All­ge­mei­nen Ge­schäfts­be­din­gun­gen (AGB) Ar­beit­neh­mer im ge­kün­dig­ten Ar­beits­ver­hält­nis ge­ne­rell vom Weih­nachts­geld aus­schlie­ßen kann? Die­se Fra­ge hat­te das Lan­des­ar­beits­ge­richt (LAG) Hamm in ei­ner ak­tu­el­len Ent­schei­dung zu be­ant­wor­ten (LAG Hamm, Ur­teil vom 16.09.2010, 15 Sa 812/10).

Streit um Weih­nachts­geld­ansprüche aus­ge­schie­de­ner oder gekündig­ter Ar­beit­neh­mer: Al­le Jah­re wie­der...

Ei­ne im­mer wie­der­keh­ren­de Streit­fra­ge zwi­schen Ar­beit­ge­bern und Ar­beit­neh­mern ist der An­spruch auf Zah­lung ei­nes Weih­nachts­gel­des, wenn das Ar­beits­verhält­nis vor dem Fällig­keits­ter­min (meist No­vem­ber) be­reits nicht mehr be­steht oder zwar noch be­steht, aber be­reits gekündigt ist und da­her zur Ab­wick­lung an­steht. Un­ter sol­chen Umständen sieht der Ar­beit­ge­ber kei­nen Sinn mehr in ei­ner sol­chen zusätz­li­chen Gra­ti­fi­ka­ti­on, die der Ar­beit­neh­mer aber natürlich ger­ne noch mit­neh­men möch­te.

Recht­li­che Grund­la­ge ei­ner sol­chen Strei­tig­keit ist im­mer die kon­kre­te Fest­le­gung des An­spruchs, sei die­ser nun im Ar­beits­ver­trag, in ei­nem auf das Ar­beits­verhält­nis an­wend­ba­ren Ta­rif­ver­trag oder in ei­ner Be­triebs­ver­ein­ba­rung ge­re­gelt.

Er­gibt sich der (mögli­che) An­spruch aus dem Ar­beits­ver­trag, ist die Weih­nachts­geld­re­ge­lung im Nor­mal­fall ei­ne Ver­trags­klau­sel, die der Ar­beit­ge­ber für vie­le Ar­beits­verträge vor­for­mu­liert hat und dem Ar­beit­neh­mer ein­sei­tig zur An­nah­me stellt, d.h. es han­delt sich um All­ge­mei­ne Geschäfts­be­din­gun­gen (AGB).

Durch sol­che vom Ar­beit­ge­ber vor­ge­ge­be­ne AGB darf der Ar­beit­neh­mer nicht „un­an­ge­mes­sen be­nach­tei­ligt“ wer­den (§ 307 Abs. 1 Bürger­li­ches Ge­setz­buch - BGB). Und auch im Übri­gen, ins­be­son­de­re im Hin­blick auf die Verständ­lich­keit sol­cher Ar­beit­ge­ber-AGB, müssen die An­for­de­run­gen der §§ 305 ff. BGB ein­ge­hal­ten wer­den. 

Be­zeich­nen Gra­ti­fi­ka­ti­ons­klau­seln ei­ne ge­gen En­de des Jah­res aus­zu­zah­len­de Gra­ti­fi­ka­ti­on als „drei­zehn­tes Ge­halt“, so soll da­mit die im Ver­lauf des Jah­res er­brach­te Ar­beits­leis­tung be­zahlt wer­den. Ei­ne Ent­loh­nung wird aber auch dann fällig, wenn der Ar­beit­neh­mer nicht bis zum Schluss des Jah­res im Be­trieb bleibt, d.h. dann ist das drei­zehn­te Ge­halt zeit­an­tei­lig zu zah­len.

Wird ei­ne Son­der­zu­wen­dung da­ge­gen als „Weih­nachts­geld“ be­zeich­net, kann sie das Ziel ver­fol­gen, die Be­triebs­treue zu ho­no­rie­ren. Kon­se­quen­ter­wei­se re­geln sol­che Weih­nachts­geld­klau­seln dann auch oft, dass der An­spruch auf das Weih­nachts­geld entfällt, soll­te der Ar­beit­neh­mer vor dem Fällig­keits­mo­nat aus­schei­den.

Zulässig ist so­gar die Re­ge­lung, dass das Weih­nachts­geld zurück­zu­zah­len ist (sog. Rück­zah­lungs­klau­seln), wenn der Ar­beit­neh­mer z.B. in den ers­ten Mo­na­ten des Fol­ge­jah­res aus­schei­det. Da sol­che Re­ge­lun­gen spe­zi­ell den „be­triebs­treu­en“ Ar­beit­neh­mern et­was zu­kom­men las­sen wol­len, ge­hen die­je­ni­gen leer aus, die dem Be­trieb den Rücken keh­ren.

Frag­lich ist, ob Weih­nachts­geld­klau­seln auch so ge­strickt sein können, dass sie dem Ar­beit­neh­mer den An­spruch ver­sa­gen, wenn sich das Ar­beits­verhält­nis bei Fällig­keit im gekündig­ten Zu­stand be­fin­det. Da­ge­gen spricht, dass ein Ar­beits­verhält­nis ja auch gekündigt sein kann, oh­ne dass der Ar­beit­neh­mer dies hätte be­ein­flus­sen können, et­wa im Fal­le ei­ner be­triebs­be­ding­ten Kündi­gung. Dann wäre ei­ne sol­che Klau­sel wohl ei­ne "un­an­ge­mes­se­ne Be­nach­tei­li­gung" des Ar­beit­neh­mers.

Das Bun­des­ar­beits­ge­richt (BAG) hat die­se Fra­ge in ei­nem Fall ein­mal zu­guns­ten des Ar­beit­neh­mers ent­schie­den, in dem es um ei­nen ge­winn- und leis­tungs­abhängi­gen Bo­nus ging. Ei­nen sol­chen Bo­nus gekündig­ten Ar­beit­neh­mern ge­ne­rell zu ver­sa­gen, sah das BAG als un­an­ge­mes­se­ne Be­nach­tei­li­gung des Ar­beit­neh­mers im Sin­ne von § 307 Abs. 1 BGB an (BAG, Ur­teil vom 24.10.2007, 10 AZR 825/06; vgl. auch Ur­teil vom 06.05.2009, 10 AZR 443/08).

Ob die­se zu ei­nem Vergütungs­be­stand­teil er­gan­ge­ne Ent­schei­dung auf Weih­nachts­geld­ansprüche über­tra­gen wer­den kann, hat­te vor kur­zem das Lan­des­ar­beits­ge­richt (LAG) Hamm zu ent­schei­den (Ur­teil vom 16.09.2010, 15 Sa 812/10).

Der Fall des LAG Hamm: Be­triebs­be­ding­te Kündi­gung kurz vor Fällig­keit des Weih­nachts­gel­des soll den An­spruch zu Fall brin­gen

Ei­ne Ar­beit­neh­me­rin hat­te im Lau­fe des No­vem­ber ei­ne or­dent­li­che be­triebs­be­ding­te Kündi­gung er­hal­ten, so dass sie sich am Mo­nats­letz­ten im gekündig­ten Ar­beits­verhält­nis be­fand. Der vom Ar­beit­ge­ber er­s­tel­te For­mu­lar­ar­beits­ver­trag sah zwar ei­nen En­de No­vem­ber fälli­gen An­spruch auf ein Weih­nachts­geld vor, ent­hielt darüber hin­aus aber auch fol­gen­de Re­ge­lung:

„(5) Der An­spruch auf Gra­ti­fi­ka­ti­on ist aus­ge­schlos­sen, wenn sich das An­stel­lungs­verhält­nis im Zeit­punkt der Aus­zah­lung in gekündig­tem Zu­stand be­fin­det.“

Nach­dem der Ar­beitgber un­ter Hin­weis auf die­se Ver­trags­klau­sel und den Fällig­keits­ter­min (En­de No­vem­ber) die Zah­lung des Weih­nachts­gel­des ver­wei­ger­te, klag­te die Ar­beit­neh­me­rin das Weih­nachts­geld vor dem Ar­beits­ge­richt Bo­chum ein, mit Er­folg (Ur­teil vom 15.04.2010, 3 Ca 228/10). Der Ar­beit­ge­ber ging in Be­ru­fung.

LAG Hamm: Soll das Weih­nachts­geld ver­trags­gemäß im gekündig­ten Ar­beits­verhält­nis ent­fal­len, muss die Ver­trags­klau­sel aus­drück­lich be­triebs­be­ding­te Kündi­gun­gen aus­neh­men

Der Ar­beit­ge­ber zog auch vor dem LAG Hamm den Kürze­ren.

Denn der ver­trag­li­che An­spruch auf ein Weih­nachts­geld kann nicht, so das Ge­richt, für al­le denk­ba­ren Fälle ei­nes gekündig­ten Ar­beits­verhält­nis­ses sche­ma­tisch in der glei­chen Wei­se aus­ge­schlos­sen wer­den. Dem­nach hätte die hier ge­trof­fe­ne Re­ge­lung, bei der es sich un­strei­tig um ei­ne AGB han­delt, nach dem An­lass ei­ner Kündi­gung un­ter­schei­den müssen.

In den Fällen, in de­nen der Ar­beit­neh­mer nicht selbst kündigt und auch nicht durch ver­trags­wid­ri­ges Ver­hal­ten An­lass zur Kündi­gung gibt, liegt die Ver­ant­wor­tung für die Kündi­gung al­lein beim Ar­beit­ge­ber. Dann aber gibt es kei­ne Recht­fer­ti­gung, ei­nen Weih­nachts­geld­an­spruch aus­zu­sch­ließen. Ei­ne zu ge­rin­ge Be­triebs­treue kann man dem Ar­beit­neh­mer dann je­den­falls nicht vor­hal­ten.

Folg­lich be­nach­tei­lig­te die hier strei­ti­ge Klau­sel die Ar­beit­neh­me­rin un­an­ge­mes­sen im Sin­ne von § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB und war da­mit un­wirk­sam. In­fol­ge­des­sen be­stand der strei­ti­ge An­spruch auf Weih­nachts­geld­zah­lung.

Fa­zit: Ei­ne for­mu­lar­ver­trag­li­che Klau­sel von der Art der hier strei­ti­gen ist wohl ins­ge­samt un­wirk­sam, da der ver­ein­bar­te An­spruchs­aus­schluss nicht teil­bar ist. Da­her bleibt der An­spruch auf das Weih­nachts­geld wie hier im Streit­fall be­ste­hen. Das würde so­gar dann gel­ten, wenn der Ar­beit­neh­mer selbst gekündigt oder durch ein Fehl­ver­hal­ten An­lass zu Kündi­gung ge­ge­ben ha­ben soll­te, denn es gilt gar kein An­spruchs­aus­schluss für den Fall ei­ner Kündi­gung.

Nähe­re In­for­ma­tio­nen fin­den Sie hier:

Hin­weis: In der Zwi­schen­zeit, d.h. nach Er­stel­lung die­ses Ar­ti­kels, hat das Bun­des­ar­beits­ge­richt (BAG) das Ur­teil des LAG Hamm auf­ge­ho­ben und im Grund­satz dem Ar­beit­ge­ber Recht ge­ge­ben. Die Ent­schei­dung des BAG im Voll­text und un­se­re Be­spre­chung der BAG-Ent­schei­dung fin­den Sie hier:

Letzte Überarbeitung: 3. August 2020

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